L 8 U 65/17

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 7 U 61/16
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 U 65/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Bescheid über das Nichtbestehen einer Versicherungspflicht in kein Verwaltungsakt i. S. d. § 44 Abs. 1 SGB X. Mit einem Befreiungsbescheid wird weder über Beiträge noch über Leistungen im Sinne der Vorschrift entschieden.
Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. Juni 2017 wird das Urteil abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, den Antrag des Klägers auf Rücknahme des Bescheids vom 15. März 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt ¾ der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten einerseits darüber, ob der Kläger kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist und andererseits darüber, ob der Bescheid vom 15. März 2002 über die Versicherungsfreiheit des Klägers in der gesetzlichen Unfallversicherung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist.

Laut Unternehmensbeschreibung der Norddeutschen Metall-Berufsgenossen-schaft – der Rechtsvorgängerin der Beklagten – war der 1969 geborene Kläger mit 50 % am Gesellschaftsvermögen der am 18. November 2001 gegründeten M GmbH (im Folgenden: GmbH) beteiligt. Die übrigen 50 % hielt der 1941 geborene Vater des Klägers, der auch als Geschäftsführer der GmbH fungierte. Eine Änderung der Gesellschaftsverhältnisse erfolgte seit Gründung der GmbH nicht. Maßgeblich ist der Gesellschaftsvertrag vom 7. Oktober 2003 (zu den Einzelheiten siehe Blatt – Bl. – 223-228 der Verwaltungsakte).

Die tatsächlich vom Kläger für die GmbH ausgeübten Tätigkeiten stellten sich so dar, dass der Kläger und sein Bruder regelmäßig zu den Baustellen fuhren und dort vor Ort als Sanitär- und Heizungsmonteur (der Kläger) bzw. als angestellter Betriebsmeister (Bruder) tätig waren. Der Kläger erhielt von Beginn seiner Tätigkeit für die GmbH (seit dem 19. November 2001) an ein auf der Grundlage der Arbeitsstunden errechnetes monatliches Entgelt sowie Weihnachtsgeld. Gewinnausschüttungen der GmbH gab es für ihn nicht. Der Kläger verrichtete nie irgendwelche Bürotätigkeiten. Diese erledigte allein sein Vater. Der Vater kümmerte sich auch um die Akquise der Aufträge. Erst als der Vater ungefähr 76 Jahre alt wurde, also im Jahr 2017, begann der Kläger, sich in die Bürotätigkeiten einzuarbeiten. Bis heute ist der Vater Geschäftsführer der GmbH.

Ohne Antragstellung des Klägers hierzu stufte die Beklagte ihn mit, an seinen Vater gerichteten, Bescheid vom 15. März 2002 als versicherungsfrei in der gesetzlichen Unfallversicherung ein. Der Kläger halte 50 % des Stammkapitals der GmbH und habe so maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaftsbeschlüsse. Nach § 6 des Sozialgesetzbuches, Siebtes Buch, SGB VII, könne er sich freiwillig gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichern. Gegen diesen Bescheid legte weder der Kläger selbst noch der Vater des Klägers Widerspruch ein.

Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben der GmbH vom 7. Februar 2005 korrigierte diese die Entgeltnachweise für den Kläger für 2002 und 2003 nachträglich mit der Begründung, dass der Kläger mit 50 % Gesellschafter der Firma sei. Arbeitsstunden und Entgelt des Klägers seien nur versehentlich angegeben worden (siehe Bl. 29 der Verwaltungsakte).

Zum 14. August 2005 kündigte die GmbH dem Kläger schriftlich wegen Arbeitsmangels. Im Anschluss war der Kläger arbeitslos und erhielt Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.

Ab dem 1. Mai 2006 arbeitete der Kläger wiederum für die GmbH (Arbeitsvertrag vom 15. April 2006, zu den Einzelheiten siehe Bl. 167-169 der Verwaltungsakte). Im Arbeitsvertrag wurde der Kläger als Arbeitnehmer, die GmbH als Arbeitgeberin bezeichnet. Es wurde ein Bruttostundenlohn von 13,20 EUR vereinbart. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 37 Stunden. Die Vertragsparteien vereinbarten ausdrücklich, dass der Kläger als Gesellschafter der GmbH keinen Einfluss auf die Belange der Gesellschaft haben soll.

Der Kläger erhielt monatliche Abrechnungen auf Arbeitsstundenbasis, aus denen sich ergibt, dass die entsprechenden Pflichtbeiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung abgeführt wurden.

Die Deutsche Rentenversicherung Nord (DRV Nord) stellte mit Bescheid vom 10. Februar 2006 die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers zur Kran-ken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung fest. Es bestehe für den Kläger weiterhin eine Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, da eine Rücknahme des Verwaltungsaktes der BKK Ahlmann nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X), nicht möglich sei.

Einen am 6. Juli 2007 erlittenen Arbeitsunfall des Klägers erkannte die Beklagte als Versicherungsfall an und gewährte Entschädigungsleistungen.

Am 14. Oktober 2013 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall.

Mit Bescheid vom 3. April 2014 lehnte die Beklagte die Weiterbehandlung des Klägers zulasten der gesetzlichen Unfallversicherung aus medizinischen Gründen ab dem 30. Dezember 2013 ab.

Nachdem die Beklagte parallel in der Mitglieder- und Beitragsabteilung den Versicherungsstatus des Klägers hinterfragt und festgestellt hatte, dass der Kläger bereits mit Bescheid vom 15. März 2002 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten als nicht versicherungspflichtig beurteilt worden war, lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für das Ereignis vom 14. Oktober 2013 mit Bescheid vom 10. April 2014 mit der Begründung ab, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt unternehmerähnlich tätig, versicherungsfrei und nicht freiwillig unfallversichert gewesen sei.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2014 legte der Kläger am 14. April 2014 Widerspruch ein und führte aus, dass eine freiwillige Unfallversicherung nicht bestanden habe bzw. nicht nötig gewesen sei, da er aufgrund des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung Nord vom 10. Februar 2006 davon ausgegangen sei, als Arbeitnehmer geführt und dementsprechend versicherungspflichtig gewesen zu sein.

Am 10. Juli 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die freiwillige Versicherung, deren Inkrafttreten die Beklagte mit Schreiben vom 11. Juli 2014 mitteilte.

Laut Schreiben der GmbH vom 2. Dezember 2014 (Verweis auf Bl. 200 der Gerichtsakte) habe sich der Kläger "vorübergehend" freiwillig versichert, weil die Beklagte von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehe.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2015 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, den Bescheid über die versicherungsrechtliche Beurteilung vom 15. März 2002 zurückzunehmen. Der dem Bescheid vom 15. März 2002 zugrunde gelegte Sachverhalt sei richtig gewesen. Der Bescheid sei rechtmäßig. Durch die Aufteilung der Aufgaben in der hier bestehenden sogenannten Familien-GmbH nach Geschäftsführertätigkeit durch den Vater und der handwerklichen Tätigkeit durch den Kläger habe dieser sich zwar dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen. Dies führe jedoch nicht automatisch dazu, dass er als abhängig beschäftigt anzusehen sei. Im Widerspruch zu vertraglichen Vereinbarungen stehende tatsächliche Verhältnisse gingen einer formellen Vereinbarung nur dann vor, wenn deren Abbedingung rechtlich zulässig sei. Durch familiäre Verbundenheit oder Rücksichtnahme werde die sich nach den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringende Rechtsmacht grundsätzlich nicht aufgehoben. Maßgeblich für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung sei die abstrakte Rechtsmacht, wie sie sich aus den Gesellschaftsverhältnissen ergebe, und nicht die faktische Machtposition, wie sie sich aus den gelebten tatsächlichen Verhältnissen ergebe. Denn im Konfliktfall sei allein entscheidend, was vertraglich zulässig vereinbart worden sei. Die Beurteilung vom 15. März 2002 sei nicht zu beanstanden und rechtmäßig erfolgt. Nichts Anderes ergebe sich aus der Tatsache, dass die DRV Nord zwischenzeitlich eine andere Entscheidung zum Status des Klägers getroffen habe. Die Statusentscheidungen der DRV Nord nach § 7a Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV), hätten gegenüber den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung keine Bindungswirkung.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2015 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Trotz der Beteiligung am Stammkapital in Höhe von 50 % habe er aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelungen keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Die DRV Nord habe mit Bescheid vom 10. Februar 2006 die Versicherungspflicht bestätigt.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2016 zurück. Gesellschafter einer GmbH seien jedenfalls dann nicht als pflichtversicherte Personen im Unternehmen tätig, wenn sie kraft ihres Stimmrechts einen beherrschenden oder maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung des Unternehmens hätten. Eine beherrschende Stellung werde angenommen, wenn ein Gesellschafter allein mit den ihm zur Verfügung stehenden Stimmen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung herbeiführen könne. Ein maßgeblicher Einfluss liege insbesondere vor, wenn Beschlüsse ohne die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters nicht gefasst werden könnten, eine Stimmenmehrheit also nicht zustande kommen könne (Sperrminorität). Für die versicherungsrechtliche Beurteilung komme es in erster Linie auf die rechtlichen Verhältnisse an. Tatsächlich gelebte Verhältnisse im Betrieb seien bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung nur zu berücksichtigen, soweit sie rechtlich – beispielsweise im Gesellschaftsvertrag – klar vereinbart seien. Das Stammkapital der GmbH betrage 25.000,00 EUR. Es werde zur Hälfte vom Kläger und seinem Vater gehalten. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages vom 1. Oktober 2003 würden Gesellschafterbeschlüsse in der Regel mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Je 250,00 EUR eines Gesellschaftsanteils gewährten dabei eine Stimme. Aufgrund der Beteiligung am Stammkapital könne der Kläger maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens nehmen. Eine Änderung der Tatsachen liege nicht vor. Auch das Recht sei nicht unrichtig angewandt worden. Aufgrund der hälftigen Kapitalbeteiligung habe der Kläger die Stellung eines Gesellschafters inne, die über die eines sonstigen abhängig Beschäftigten weit hinausgehe. Gegen seine Stimme könnten keine Beschlüsse gefasst werden. Auch der Zusatz im Arbeitsvertrag, wonach der Kläger als Gesellschafter keinen Einfluss auf die Belange der Gesellschaft habe, sei nicht geeignet, die tatsächlichen Gesellschaftsverhältnisse auszuhebeln. Durch den Zusatz behalte sich der alleinige Geschäftsführer quasi unbedingt und dauerhaft eine Stellung als Allein-Gesell-schafter vor, die er nach dem notariellen Vertrag nicht innehabe. Die Vereinbarung verstoße gegen § 15 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) und sei gemäß § 125 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig. Die Nichtausübung eines Rechts – hier die Einflussnahme auf die Geschicke der GmbH – sei unbeachtlich, solange die Rechtsposition hier nicht wirksam abbedungen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 1. Juli 2016 Klage erhoben. Er sei von Beginn seiner Beschäftigung im Betrieb seines Vaters von einer unselbstständigen Beschäftigung ausgegangen, da eine solche gelebt worden sei. So sei auch im Jahr 2005 das Beschäftigungsverhältnis betriebsbedingt wegen Arbeitsmangels gekündigt worden und er habe Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bezogen. Spätestens jedoch seit seiner Wiedereinstellung sei er aufgrund des Arbeitsvertrages von einer unselbstständigen Beschäftigung ausgegangen. Laut Zusatz zum Arbeitsvertrag habe er als Gesellschafter keinen Einfluss auf die Belange der Gesellschaft gehabt. Der Bescheid vom 15. März 2002 sei nie richtig gewesen, jedenfalls aber ab 15. April 2006 (abgeschlossener Arbeitsvertrag) nicht länger gültig.

Der Kläger hat wörtlich beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2016 (Anmerkung: richtig 31. Mai 2016) aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 15. März 2002 zurückzunehmen und 2. festzustellen, dass der Kläger während seiner Tätigkeit in der Firma M GmbH ab 19. November 2001 versicherungspflichtig ist, hilfsweise, dass der Kläger während seiner Tätigkeit in der Firma M GmbH ab dem 1. Mai 2006 versicherungspflichtig ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.

Mit Urteil vom 27. Juni 2017 hat das Sozialgericht Schleswig der Klage stattgegeben: Es hat den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2016 (richtig 31. Mai 2016) aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ihren Bescheid vom 15. März 2002 zurückzunehmen. Außerdem hat es festgestellt, dass der Kläger während seiner Tätigkeit in der Firma M GmbH ab 19. November 2001 versicherungspflichtig sei. Der Bescheid vom 15. März 2002 sei rechtswidrig. Der Kläger halte zwar 50 % des Stammkapitals und verfüge über die theoretische Möglichkeit, maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH zu nehmen. Faktisch habe der Kläger diese Rechtsposition jedoch von Beginn seiner Beschäftigung nicht gewollt bzw. zu keinem Zeitpunkt realisiert, geschweige denn tatsächlich ausgeübt. Spätestens nachdem dem Kläger seitens der GmbH im Jahre 2005 gekündigt worden sei, er Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bezogen und schließlich durch Arbeitsvertrag bei der GmbH ab 1. Mai 2006 auf unbestimmte Dauer zu den dort genannten Konditionen tätig geworden sei, stelle sich das Beschäftigungsverhältnis aus Sicht des Klägers sowie auch eines neutralen Dritten faktisch als unselbstständige Beschäftigung dar. In dieser Sichtweise sei der Kläger durch den Bescheid der DRV Nord vom 10. Februar 2006 bestärkt worden. Überdies werde diese Sichtweise durch die monatlichen Entgeltabrechnungen auf Stundenlohnbasis und die Abführung von Pflichtbeiträgen unterstrichen. Hinzukomme, dass die Beklagte den am 6. Juli 2007 erlittenen Arbeitsunfall als Versicherungsfall anerkannt und Entschädigungsleistungen gewährt habe. Der Kläger habe sich selbst stets als unselbstständig Beschäftigter gesehen. Hiergegen würde auch die nachträgliche Veränderung der Entgeltnachweise für 2002 und 2003 nicht sprechen, mit denen die GmbH die Gesellschafterstellung des Klägers unterstrichen habe. Der Kläger habe als "Arbeitnehmer" nichts von der Korrespondenz über die Abführung bzw. Nichtabführung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung gewusst.

Gegen das jedenfalls nach dem 23. November 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Dezember 2017 Berufung eingelegt. Die versicherungsrechtliche Beurteilung habe nach der vertraglichen Vereinbarung zu erfolgen. Es sei auf die dadurch erzeugte abstrakte Rechtsmacht abzustellen. Die tatsächlichen Verhältnisse könnten demgegenüber nur noch in seltenen, ganz atypischen Fällen zum Tragen kommen. Das Stammkapital der GmbH betrage 25.000,00 EUR und werde jeweils zu 50 % vom Kläger und dessen Vater gehalten. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages vom 1. Oktober 2003 würden Gesellschafterbeschlüsse regelmäßig mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. 250,00 EUR eines Geschäftsanteils würden dabei eine Stimme gewähren. Damit sei der Kläger im Besitz der allgemeinen Sperrminorität. Ohne seine Zustimmung könnten keine Beschlüsse gefasst werden. Darauf, ob dem Kläger diese Rechtsmacht bewusst gewesen sei bzw. ob er sie gewollt habe oder tatsächlich ausgeübt habe, komme es nicht an. Die im Arbeitsvertrag geschlossene Vereinbarung sei nicht geeignet, die dem Kläger zustehende Rechtsmacht aufgrund seiner Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft zu negieren. Die außerhalb des Gesellschaftsvertrages liegenden Vereinbarungen seien nicht geeignet, gesellschaftsvertragliche Festlegungen zu durchbrechen. Solche Regelungen besäßen lediglich schuldrechtlichen Charakter und seien damit von nachrangiger Bedeutung. Auch komme es auf die Bewertung durch die DRV Nord nicht an. Soweit ein Unfallversicherungsträger nicht am Verfahren als Beteiligter mitgewirkt habe, sei dieser nicht an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gebunden. Insoweit komme es auch nicht darauf an, ob der Kläger Leistungen der Bundesagentur bezogen habe. Diese sei nämlich an Entscheidungen der DRV Nord gebunden. Die Beurteilung der Beklagten vom 15. März 2002 sei auch zwischen den Beteiligten gelebt worden. Die Arbeitsentgelte des Berufungsbeklagten seien in den Lohnnachweisen stets unberücksichtigt geblieben. Sofern Entgelte berücksichtigt worden seien, sei die Herausnahme und damit die Korrektur des Beitragsbescheids beantragt worden. Erst aufgrund des Unfallereignisses vom 14. Oktober 2013 bzw. infolge der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Bezirksverwaltung Hamburg vom 10. April 2014 sei ein Sinneswandel seitens des Klägers erfolgt. Auch die Beklagte habe sich auf den über Jahre gelebten Versicherungsstatus verlassen können. Es könne nicht sein, dass eine im Jahr 2002 als nicht versicherungspflichtig beurteilte Person ihren Status zwölf Jahre lang akzeptiere, dann plötzlich bei Eintritt eines Leistungsfalls das komplette Gegenteil geltend mache und dies zu ihrer freien Disposition stehen solle. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte außerhalb des Verjährungszeitraums keine Beiträge mehr von der GmbH nacherheben könne, dagegen jedoch durchgängigen Versicherungsschutz für den Kläger gewährleisten müsse. Überdies sei zu berücksichtigen, dass eine Rücknahme des Bescheides vom 15. März 2002 für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 2 SGB X im Ermessen der Behörde stehe. Die Vorschrift betreffe insbesondere Bescheide, die im Rahmen der versicherungsrechtlichen Beurteilung erlassen würden. Der verfügende Teil des Verwaltungsaktes habe rein deklaratorische Wirkung. Mit diesem feststellenden Verwaltungsakt werde der Adressat nicht unmittelbar belastet oder begünstigt. Es würden ihm auch gegenüber nicht bestimmte Leistungsrechte oder Beitragspflichten begründet, geändert oder beseitigt. Es entstünden weder rechtliche Vor- noch Nachteile. Dies geschehe erst durch Beitrags- oder Leistungsbescheide. Beim Bescheid vom 15. März 2002 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X. Diese Vorschrift sei vielmehr nur dann anwendbar, wenn der betreffende Bescheid unmittelbar Leistungs- oder Beitragsfragen regle. Unter Verweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1999 – B 12 KR 12/99 R, juris) sei eine Rücknahme eines Befreiungsbescheids für die Vergangenheit zumindest für die Zeit vor Geltendmachung einer Rechtswidrigkeit der Entscheidung stets ausgeschlossen. Dies folge aus dem Grundsatz, dass die Beurteilung von Versicherungsverhältnissen rückwirkend grundsätzlich nicht geändert werden solle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. Juni 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat das angefochtene Urteil verteidigt. Es sei nicht nur die zustehende Rechtsmacht zu berücksichtigen. Vielmehr bedürfe es einer Bewertung aller im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Umstände. Hierzu würden die tatsächliche Ausgestaltung als auch die vertragliche Regelung gehören. Der Kläger habe tatsächlich keinen Einfluss auf die Geschicke der GmbH genommen. Die Rechtsmacht sei lediglich formal. Ihr komme in der Rechtswirklichkeit keine Bedeutung zu. Die Formulierungen des Arbeitsvertrages seien jedenfalls im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen und würden den Kläger nicht als versicherungsfrei qualifizieren. Auch der Bescheid der DRV Nord könne in die Gesamtabwägung einbezogen werden. Im Übrigen sei vor dem Hintergrund des § 1 SGB IV nicht ersichtlich, warum § 7a SGB IV nicht auch Wirkung für die Unfallversicherung entfalte.

Mit Beschluss vom 27. Mai 2020 hat der Senat die GmbH zum Verfahren beigeladen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis hierzu erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 ist allein schon deshalb rechtwidrig, weil die Beklagte ihren Ermessensspielraum nicht erkannt und dementsprechend auch nicht ausgeübt hat. Demnach ist der Bescheid aufzuheben. Nach dem hier anzuwendenden § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X hat der Beklagte eine erneute Entscheidung über die Rücknahme des Bescheides vom 15. März 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016, mit dem sie die Rücknahme des Bescheides vom 15. März 2002 abgelehnt hat, der den Kläger als versicherungsfrei einstufte.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Beklagte nicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, den Bescheid über das Nichtbestehen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung zurückzunehmen, denn im vorliegenden Fall ist § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X anzuwenden.

Gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X kann er auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2-4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden.

Ein rechtswidriger Bescheid über das Nichtbestehen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung ist kein Verwaltungsakt i. S. d. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, aufgrund dessen soziale Leistungen zu Unrecht nicht erbracht werden oder Beiträge zu Unrecht erhoben werden. Vielmehr fällt nach der Auffassung des Senats ein solcher Bescheid in den Anwendungsbereich des § 44 Abs. 2 SGB X. Mit einem Befreiungsbescheid wird gerade weder über Beiträge noch über Leistungen im Sinne des Abs. 1 des § 44 SGB X entschieden (ebenso BSG, Urteil vom 8. Dezember 1999 – B 12 KR 12/99 R, juris Rn. 23; Mutschler/Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X Rn. 66). § 44 Abs. 1 SGB X ist eine Spezialregelung für Verwaltungsakte über die Gewährung von sozialrechtlichen Leistungen. Sie ist nicht auf jeden Verwaltungsakt anwendbar, der im weitesten Sinne mit Leistungen und Berechtigungen zusammenhängt. Vielmehr muss ein solcher Bescheid eines Leistungsträgers unmittelbar Leistungen regeln, die Sozialleistungen i. S. der §§ 3 ff. Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) sind (BSG, Urteil vom 29. Mai 1991 – 9a/9 RVs 11/89, juris Rn. 18). Gemäß § 11 Satz 1 SGB I sind dies Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Danach ist ein Bescheid, mit welchem die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung festgestellt wird, kein Verwaltungsakt im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X. Denn damit wird nicht unmittelbar eine Sozialleistung geregelt (zutreffend ebenso Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. März 2010 – L 1 KR 47/08, juris Rn. 33). Der Wortlaut des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt einen rechtswidrigen Verwaltungsakt und daneben voraus, dass "deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind", bezieht sich also eindeutig auf einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt. Ein Bescheid über die Nichtfeststellung der Versicherungspflicht mag letztlich "mit" -ursächlich für eine Nichtgewährung von Leistungen sein, beinhaltet aber gleichzeitig auch, dass mittelbar Beiträge nicht zu erbringen sind. Der Verwaltungsakt ist somit je nach Betrachtungsweise begünstigend oder nicht begünstigend. Obwohl im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ein Bescheid über das Nichtbestehen der Versicherungspflicht für den Versicherten immer nicht begünstigend ist, weil der versicherte Arbeitnehmer im Fall der Versicherungspflicht selbst keine Beiträge zu zahlen hat, entscheidet nicht allein das Nichtbestehen der Versicherungspflicht über die Versagung von Leistungen. Diese können auch bei einer freiwilligen Versicherung gewährt werden und setzen zudem regelmäßig zusätzliche Voraussetzungen (insbesondere das Vorliegen eines Unfalls usw.) voraus, bei deren Nichtvorliegen ("deshalb") keine Leistungen erbracht werden. Die Gewährung von Leistungen hängt demnach von weiteren Voraussetzungen ab, die beim Erlass des Bescheides über die Versicherungspflicht noch gar nicht absehbar sind. Aus diesen Gründen ist der Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 15. November 2018, a. a. O., juris Rn. 20; ebenso wohl BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R, juris 15 ff. für einen Verwaltungsakt zur Feststellung der Versicherungspflicht allerdings ohne nähere Begründung), nach der § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch dann anzuwenden sei, wenn ein Verwaltungsakt nicht unmittelbar über die Gewährung von Leistungen, sondern über den Versichertenstatus entschieden habe, nicht zu folgen. Nach seiner Auffassung ist für die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 44 Abs. 1 SGB X die Ursächlichkeit des in Frage stehenden Bescheides für die Gewährung oder Nichtgewährung von Sozialleistungen ausreichend (unter Bezugnahme auf Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn. 16). Ein Bescheid über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht sei Ursache dafür, dass keine Leistungen der – dort gegenständlichen – Krankenversicherung gewährt werden. Demnach unterfielen auch Statusentscheidungen dem Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 SGB X. Für die Anwendbarkeit der Vorschrift komme es nicht darauf an, dass ein Statusfeststellungsbescheid auch Grundlage für Beitragspflichten sei. Die Gegenauffassung verkenne, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X nicht darauf abstellten, ob die begünstigende oder belastende Seite der Statusentscheidung überwiege.

Nach Auffassung des Senats ist auch nicht § 45 Abs. 1 SGB X anzuwenden. Nach dessen Abs. 3 Satz 1 würde dann die Rücknahme aufgrund des Verstreichens der Zweijahresfrist seit Bekanntgabe des Verwaltungsaktes vom 15. März 2002 von vornherein ausscheiden. Allerdings handelt es sich bei diesem Verwaltungsakt nicht um einen begünstigenden im Sinne der Vorschrift. Im Unfallversicherungsrecht hat regelmäßig der Unternehmer die Beiträge zu zahlen (§ 150 SGB VII). Vor diesem Hintergrund ist der Bescheid lediglich belastend für den Kläger, da aufgrund der Versicherungsfreiheit und der nicht abgeschlossenen freiwilligen Versicherung, auch kein Anspruch des Klägers aufgrund eines möglichen Versicherungsfalls gegen die Beklagte besteht. Mit dem Befreiungsbescheid vom 15. März 2002 ist auch nicht etwa einem Antrag des Klägers in vollem Umfang stattgegeben worden. Ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht seitens des Klägers hat gerade nicht vorgelegen.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2002 über das Nichtvorliegen der Versicherungspflicht wegen Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ist auch bindend, da ein Rechtsbehelf nicht eingelegt wurde (§ 77 SGG).

Der Bescheid vom 15. März 2002 war auch rechtswidrig. Zu Unrecht stellte er die Versicherungsfreiheit des Klägers in der gesetzlichen Unfallversicherung fest. Der Kläger war abhängig beschäftigt und so kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.

Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte kraft Gesetzes versichert.

Gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. z. B. BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R, juris Rn. 16 m. w. N.) Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R, juris Rn. 16 m. w. N).

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R, juris Rn. 16 m. w. N.).

Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R, juris Rn. 16).

Gemessen daran ist der Kläger abhängig beschäftigt.

Der Kläger hat im Betrieb der Beigeladenen eine Stellung inne, die derjenigen von Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis entspricht. Er war bei der Beigeladenen als Sanitär- und Heizungsmonteur tätig und erzielte eine feste, vorab vereinbarte stundenweise abgerechnete und monatlich ausgezahlte Vergütung als Gegenleistung für seine geleistete Arbeit. Eine Erfolgsbeteiligung fand nicht statt. Die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit betrug 37 Wochenstunden. Die Erwerbstätigkeit wurde auch vom Kläger und der Beigeladenen in der Praxis fortlaufend sozialversicherungsrechtlich als Beschäftigungsverhältnis behandelt.

Zwar hatte der Kläger mit der GmbH zunächst keinen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen. Dieser ist aber am 15. April 2006 – so wie er der tatsächlichen Praxis bisher entsprach – schriftlich fixiert worden. Auch hat der Kläger seine Tätigkeit bei der Beigeladenen als Sanitär- und Heizungsmonteur fortgeführt und weiterhin eine monatlich feste Vergütung auf der Basis von 37 Wochenstunden erhalten. Für die Zeit vor Abschluss des Arbeitsvertrages ist so von einer entsprechend gelebten Vorgehensweise auszugehen.

Der Kläger war auch unter Berücksichtigung seiner Stellung als Gesellschafter im Rahmen einer Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV für die Beigeladene abhängig beschäftigt.

Dass im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden ist, dass der Kläger als Gesellschafter der GmbH keinen Einfluss auf die Belange der Gesellschaft hat, ist vor diesem Hintergrund jedoch unerheblich. Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Vereinbarungen, die außerhalb des Gesellschaftsvertrages nur schuldrechtlich eingeräumt und damit zumindest außerordentlich kündbar sind, sind unabhängig von ihrer gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben (zu Stimmrechtsvereinbarungen: BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 KR 21/19 R, juris Rn. 18).

Einem Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und der in der Rechtsform einer GmbH handelnden Beigeladenen stehen die zwischen dem Kläger und der Beigeladenen getroffenen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages vom 7. Oktober 2003 nicht entgegen.

Der Kläger war insbesondere, trotz seines Gesellschaftsanteils von 50 %, weisungsgebunden und in dem von ihm selbst personenverschiedenen (fremden) Betrieb der Beigeladenen – einer juristischen Person des Privatrechts – eingegliedert. Wer Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft – sei es auch an einer Familiengesellschaft – hält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (z. B. BSG, Urteil v. 17. Mai 2001 – B 12 KR 34/00 R, juris Rn. 14f.) nur dann selbstständig erwerbstätig, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; das kann insbesondere in einem seinem Gesellschaftsanteil entsprechenden Stimmgewicht zum Ausdruck kommen oder ausnahmsweise auch in Form einer Sperrminorität, wenn der Betroffene damit rechtlich zugleich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 R 2/14 R, juris Rn. 28 u. 37; Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R, juris Rn. 26; Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R, juris Rn. 25 m. w.N). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger und sein Vater waren zwar alleinige Gesellschafter der Beigeladenen und verfügten jeweils über einen Anteil von 50 %, sodass nach § 6 für einen Gesellschafterbeschluss auch die Zustimmung des Klägers erforderlich war. Der Kläger verfügte damit über eine Sperrminorität und konnte darauf bezogen maßgeblich Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen nehmen. Allerdings reichte diese Rechtsstellung des Klägers als Gesellschafter nicht soweit, dass er damit die Einzelanweisungen im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit für die Beigeladene an sich hätte verhindern können. Vielmehr blieb der Kläger trotz der ihm auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Geschicke der GmbH eingeräumten Sperrminorität hinsichtlich der im Betrieb konkret ausgeübten Tätigkeiten weisungsgebunden und war in den von ihm personenverschiedenen (fremden) Betrieb der Beigeladenen eingegliedert. Der Kläger hatte – wie bereits dargelegt – in der hier streitigen Zeit arbeitnehmertypische Rechte inne. Ein GmbH-Gesellschaf-ter, der von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität erschöpft sich in solchen Fällen vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R, juris Rn. 28). Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht dagegen der Gesellschafterversammlung (BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R, juris Rn. 28, Urteil vom 23. Juni 1994 – 12 RK 72/92, juris Rn. 15; Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R, juris Rn. 23). Dies gilt auch im vorliegenden Fall: Als alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen war der Vater des Klägers bestellt. Der Kläger war im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit für die Beigeladene an die Weisungen des Geschäftsführers rechtlich gebunden. Allein dieser führte die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der Gesellschaft gehörte. Einschränkungen in Bezug auf dieses Weisungsrecht sieht der Gesellschaftsvertrag gerade nicht vor. So räumt § 6 der Gesellschafterversammlung keine Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten ein. Weiterhin schränkt der Gesellschaftsvertrag (vgl. § 4) die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers nicht ein (vgl. § 37 GmbH-Gesetz).

Auch war der Kläger aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung bei der Beigeladenen auch nicht in der Lage, seinen Vater als Geschäftsführer gegen seinen Willen nach §§ 38, 46 Nr. 5 GmbH-Gesetz abzuberufen und sich gegebenenfalls auf diesem Weg dessen Weisungen zu entziehen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 R 2/14 R, juris Rn. 38). Da Gesellschafterbeschlüsse nach § 6 des Gesellschaftsvertrages mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden konnten, hätte auch der Vater als Gesellschafter-Ge-schäftsführer seiner eigenen Abberufung zustimmen müssen. Selbst wenn man insoweit eine mittelbare Beeinflussung des Geschäftsführers durch den Kläger in der Form in Erwägung ziehen wollte, dass er als Mitgesellschafter über die Möglichkeit verfügte, dem Geschäftsführer die – ebenfalls mehrheitlich zu erteilende – Entlastung nach § 46 Nr. 5 GmbHG zu versagen, würde dies an der rechtlich bestehenden persönlichen Abhängigkeit des Klägers von der Beigeladenen in Bezug auf seinen sozialversicherungsrechtlichen Status nichts ändern. Zwar wäre es denkbar, auf diesem Weg Einfluss auf den Geschäftsführer zu nehmen. Ohne Weiteres erfolgversprechend wäre dies indessen nicht, zumal nach einer nicht erteilten Entlastung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer wiederum ein – nur mit dessen Mitwirkung zu treffender – mehrheitlicher Gesellschafterbeschluss nötig gewesen wäre. Auch handelt es sich insoweit nicht um ein rechtlich wirksames und durchsetzbares Instrument, um Weisungen des Geschäftsführers zu verhindern (BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R, juris Rn. 30).

Schließlich war der Kläger auch nicht mit einer dem Geschäftsführer vergleichbaren Rechtsmacht ausgestattet, da er weder von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit noch mit Prokura ausgestattet war (vgl. hierzu LSG Hamburg, Urteil vom 14. Februar 2017 – L 3 R 103/14, juris Rn. 30).

Bei Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung hat die Rechtsprechung des BSG bereits früher eine selbstständige Tätigkeit nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen angenommen, etwa bei Familienunternehmen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die beispielsweise dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon sei insbesondere bei demjenigen auszugehen, der – obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt – aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (z.B. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 25/86, juris Rn. 31). Diese Rechtsprechung hat das BSG inzwischen jedoch zugunsten einer streng am Vorliegen von Rechtsmacht orientierten Normanwendung aufgegeben. Eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R, juris Rn. 30; Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 R 1/15 R, juris Rn. 25). Vor diesem Hintergrund kann die von den für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senaten des BSG entwickelte sog. "Kopf und Seele"- Rechtsprechung für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht herangezogen werden (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R, juris Rn. 29; Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 R 1/15 R, juris Rn. 24). Soweit auch der für das Statusrecht zuständige 12. Senat des BSG in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat, hat er dies inzwischen ausdrücklich aufgegeben (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R, juris Rn. 29; Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 R 1/15 R, juris Rn. 24; umfassend zu einem vergleichbaren Fall auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. August 2019 – L 7 R 715/17, juris).

Diese rechtlich bestehende Abhängigkeit ist durch die tatsächlichen Verhältnisse auch nicht so überlagert, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dennoch ausscheidet. Mit dieser Frage hat sich das BSG bei Tätigkeiten von Kommanditisten in der "eigenen" Kommanditgesellschaft beschäftigt, ist aber ebenso für die Beschäftigung von Gesellschaftern in der GmbH zu klären (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 34/00 R, juris Rn. 15 f.) Ob eine Überlagerung rechtlich bestehender Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse vorliegt, ist anhand einer Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei kann auch der Umfang der tatsächlichen Einflussnahme der Gesellschafter auf die GmbH von Bedeutung sein, wobei auch an eine mittelbare Beeinflussung durch Verhinderung entsprechender Beschlüsse – beispielsweise der Entlastung des Geschäftsführers (§ 46 Nr. 5 GmbHG; dazu schon oben) – zu denken ist. In dem vom BSG entschiedenen Fall (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 34/00 R, juris Rn. 15 f.) ist beispielsweise das der dortigen Klägerin als GmbH-Gesellschafterin zustehende Nettoarbeitsentgelt nicht auf das Konto der Klägerin ausgezahlt worden, sondern auf ein Verrechnungskonto der GmbH. Dies ist hier gerade nicht gegeben, vielmehr war der Kläger allein im handwerklichen Bereich eingesetzt und hat in der streitigen Zeit auch kein maßgebliches Unternehmerrisiko getragen. Nach der Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R, juris Rn. 32; Urteil vom 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R, juris Rn. 24) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann hinreichendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 28. September 2011 – B 12 KR 17/09 R, juris Rn. 25). Ein solcher Fall liegt nicht vor. Denn der Kläger setzt seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr ein, hierfür keine Gegenleistung zu erhalten. Vielmehr erhält er gerade ein vom wirtschaftlichen Erfolg der Beigeladenen unabhängiges Festgehalt.

Allerdings hilft für die Einordnung des Klägers als abhängig Beschäftigter der Bescheid der DRV Nord vom 10. Februar 2006, mit dem sie die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung feststellte, nicht weiter. Die Beklagte ist als Unfallversicherungsträger hieran nicht gebunden. Die vom Kläger insoweit herangezogene Entscheidung des BSG (Urteil vom 16. Juli 2019 – B 12 KR 5/18 R, juris) enthält keine Ausführungen zur Frage der Bindungswirkung einer Entscheidung nach § 7a SGB IV gegenüber dem Unfallversicherungsträger. Aus dem Regelungsinhalt des § 7a SGB IV ergibt sich vielmehr, dass der Unfallversicherungsträger von einer solchen Statusentscheidung inhaltlich nicht betroffen wird. Denn mit dieser Regelung wird die Deutsche Rentenversicherung nicht ermächtigt, für alle Bereiche des Sozialgesetzbuches eine verbindliche Entscheidung über das (Nicht-) Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu treffen (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 R 11/07 R, juris). Die Deutsche Rentenversicherung hat vielmehr im Rahmen des § 7a SGB IV – an Stelle der sonst für die Sicherstellung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages zuständigen Versicherungsträger (Einzugsstellen: § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV und Träger der Rentenversicherung: § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV) – ausschließlich über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu entscheiden. Denn nur auf diese Versicherungszweige erstreckt sich der Gesamtsozialversicherungsbeitrag (vgl. § 28d SGB IV). Damit beschränkt sich auch die Entscheidungsbefugnis der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen des § 7a SGB IV auf diese Versicherungszweige und erstreckt sich somit nicht auf die gesetzliche Unfallversicherung (ebenso: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2013 – L 10 U 5019/11, juris Rn. 62f.).

Da der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2002 rechtswidrig ist, hat die Beklagte ihn für die Zukunft zurückzunehmen; im Unterschied zu § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit gem. § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X jedoch in das Ermessen der Behörde gestellt. Hier hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und der Betroffene hinsichtlich der Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nur ein formelles subjektives Recht, einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung (§ 39 Abs. 1 Sätze 1, 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, SGB I).

Bei der Ermessensentscheidung sind die maßgeblichen Interessen an der Aufhebung und an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Als Interessen, die für eine Ablehnung der Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit sprechen, können etwa berücksichtigt werden: erheblicher Verwaltungsaufwand, ein zum rechtswidrigen Erlass führendes Verhalten des Betroffenen, geringer Fehler, kein oder geringes Verschulden auf Seiten der Verwaltung, geringe Relevanz für den Betroffenen. Die gegenteiligen Interessen sprechen hingegen für die Aufhebung mit Rückwirkung. Allein der Umstand der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts stellt dagegen ebenso wenig einen ausreichenden Grund für die Ablehnung der Rücknahme für die Vergangenheit dar, wie die Tatsache der Rechtswidrigkeit des Bescheides allein für die rückwirkende Aufhebung spricht (Mutschler/Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X Rn. 97ff.).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bereits ihr Ermessen nicht erkannt und dementsprechend nicht ausgeübt. Die unterbliebene Ermessensausübung, die nach dem Abschluss des Vorverfahrens nicht mehr nachgeholt werden konnte, führt zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides mit der Folge, dass die Beklagte zur Erteilung eines neuen auf einer Ermessensausübung beruhenden Bescheides zu verurteilen war (dazu schon BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 – 11b Rar 60/86, juris Rn. 20). Auch liegt nicht etwa eine Ermessensreduktion auf Null vor. Wie in anderen Fällen auch kann der Ermessensspielraum der Behörde ebenso in den Fällen des § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X auf Null reduziert sein. Die Rechtsprechung hat dies etwa in einem Fall angenommen, in dem keinerlei relevante Interessen für die Aufrechterhaltung des Bescheides gesprochen hatten (Mutschler/Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 44 SGB X Rn. 101 m. w. N.). Dies ist vor dem Hintergrund des möglichen Beitragsausfalls der Behörde zu verneinen.

Die Beklagte wird bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass ein erheblicher Verwaltungsaufwand für die Rücknahme nicht bestehen dürfte. Überdies ist nicht zu erkennen, dass ein Verhalten des Klägers ursächlich für den Erlass des Bescheides vom 15. März 2002 gewesen ist. Auch wenn für die Beklagte überwiegend für die Vergangenheit Beiträge aufgrund der Verjährungsfristen nicht mehr einzufordern sein werden, wird sie die erhebliche Bedeutung der Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 15. März 2002 für den Kläger in Betracht zu ziehen haben. Es ist jedoch nicht die Aufgabe der Gerichte, die bei der Ermessensausübung der Beklagten anzulegenden Maßstäbe zu entwickeln; das muss sie selbst tun. Die Gerichte können nur prüfen, ob die Maßstäbe der Beklagten den ihr zustehenden Wertungsspielraum überschritten haben (dazu schon BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 – 11b Rar 60/86, juris Rn. 24).

Der Senat geht auch vor dem Hintergrund der seitens der Beklagten angeführten Entscheidung des BSG (Urteil vom 8. Dezember 1999 – B 12 KR 12/99 R, juris Rn. 24) davon aus, dass die Rücknahme eines Befreiungsbescheides für die Vergangenheit nicht von vornherein, jedenfalls für die Zeit vor Geltendmachung seiner Rechtswidrigkeit, ausgeschlossen ist. Das BSG hat diese Passage auf den entschiedenen Fall bezogen ("Befreiungsbescheid wie dem vorliegenden"). Überdies hat es ausgeführt, dass die Beurteilung von Versicherungsverhältnissen rückwirkend "grundsätzlich" nicht geändert werden soll. Der vorliegende Fall ist auch anders gelagert. Hier wird gerade eine Durchführung der Versicherung für die Vergangenheit angestrebt. Überdies hat der Kläger nicht die Befreiung von der Versicherung beantragt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Eine Kostenquote zugunsten des Beigeladenen schied im vorliegenden Fall aus. Ein Beigeladener kann nur Kostengläubiger sein, wenn er nicht zu den in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen gehört (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 75 Rn. 22; vgl. § 193 Abs. 4 SGG). Die GmbH ist als Arbeitgeber jedoch nicht Versicherte, auch vor dem Hintergrund des § 150 SGB VII nicht (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 183 Rn. 5a). Außerdem muss der Beigeladenen grundsätzlich einen Antrag stellen (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 193 Rn. 11a). Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Der Senat lässt die Revision nach § 160 Abs. 1 i. V. m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Er misst der Frage, ob in der vorliegenden Konstellation § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X oder § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X Anwendung findet, grundsätzliche Bedeutung zu. Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Rechtskraft
Aus
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