L 1 R 99/17

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 21 R 232/13 (SG Lübeck)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 99/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. Juni 2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 4.800,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter gegen die Verrechnung eines Teils der Altersrente des Versicherten R (Beigeladener zu 1), der Schuldner des Insolvenzverfahrens ist, mit Beitragsforderungen der beigeladenen Berufsgenossenschaft (Beigeladene zu 2). Er begehrt die Auszahlung von verrechneten Rentenzahlbeträgen in Höhe von 4.800,00 EUR an den Beigeladenen zu 1.

Der am 24. Mai 1942 geborene Beigeladene zu 1, der Inhaber und Geschäftsführer der Firma S war, bezieht seit dem 1. Mai 2006 von der Beklagten eine Altersrente für langjährig Versicherte (Rentenbescheid vom 4. April 2006). Die Rente belief sich ab 1. Mai 2006 auf monatlich 764,50 EUR netto.

Bei der Beklagten waren diverse Forderungen anderer Sozialversicherungsträger zur Verrechnung angemeldet worden, u.a. die von der Beigeladenen zu 2 bestandskräftig festgestellte über noch nicht entrichtete Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 9.271,90 EUR. Ein entsprechendes Verrechnungsersuchen hatte die Beigeladene zu 2 bereits mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 bei der Beklagten gestellt. Nachdem diverse andere Sozialleistungsträger zugunsten der Beigeladenen zu 2 ihr Verrechnungsersuchen zurückgenommen hatten und die Beigeladene zu 2 ihr Verrechnungsersuchen mit Schreiben vom 13. April 2006 und 30. Oktober 2006 erneuert hatte, hörte die Beklagte den Beigeladenen zu 1 zu der geplanten Verrechnung eines Teils seiner Rente mit der Forderung der Beigeladenen zu 2 mit Schreiben vom 7. August 2007 an. Dabei wies sie den Beigeladenen zu 1 darauf hin, dass der Verrechnungsbetrag verringert werden oder ganz entfallen könne, wenn dieser nachweise, dass er durch die Einbehaltung des verrechneten Betrages hilfebedürftig werde. In der Folge reichte der Beigeladene zu 1 eine Bedarfsbescheinigung des Landkreises M , Träger für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), ein, wonach bei einer Berechnung der Leistungen nach dem SGB XII die Unterkunftskosten von über 700,00 EUR monatlich weit über dem Höchstsatz lägen und nicht anerkannt werden könnten. Der Landkreis verwies auf das Schreiben vom 16. Januar 2007. Darin hatte er bestätigt, dass der Kläger entsprechend seines Familieneinkommens keinen Anspruch auf Leistung zur Hilfe zum Lebensunterhalt habe. Daraufhin stellte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. November 2007 die Verrechnung eines Betrages in Höhe von monatlich 100,00 EUR mit der Altersrente des Beigeladenen zu 1 zugunsten der Beigeladenen zu 2 fest. Die Verrechnung begann im Dezember 2007. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 212 der Verwaltungsakte verwiesen.

Das Amtsgericht Neubrandenburg eröffnete mit Beschluss vom 28. Mai 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beigeladenen zu 1, der zahlungsunfähig war. Insolvenzverwalter ist der Kläger. Dieser informierte die Beklagte über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und teilte weiter mit, dass er davon ausgehe, dass für Bezugszeiträume ab Insolvenzeröffnung, d.h. ab Juni 2008, Verrechnungen nicht mehr erfolgen dürften. Er forderte die Beklagte auf, die Verrechnung einzustellen. Er überreichte eine Ermächtigung des Beigeladenen zu 1, die verrechneten Beträge zu Gunsten der Insolvenzmasse geltend zu machen und außerdem eine Abtretung des Beigeladenen zu 1 an die Insolvenzmasse.

Die Beklagte teilte dazu mit Schreiben vom 8. Juli 2008 mit, dass eine Verrechnung auch über Mai 2008 hinaus möglich sei, da das Ersuchen bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden sei und außerdem keine Verrechnung mit pfändbaren Beträgen und somit kein Eingriff in die Insolvenzmasse vorliege.

Mit Schriftsatz vom 1. September 2011 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte mit dem Hinweis, dass die Verrechnung nach § 114 Insolvenzordnung (InsO) wegen der dort genannten 2-Jahresfrist seit Juni 2010 unzulässig sei.

Die Beklagte entgegnete, dass, soweit eine Verrechnung in den pfändungsfreien Teil der Rente erfolge, mit diesen Beträgen auch neben einem laufenden Insolvenzverfahren ohne Beachtung der Zweijahresfrist nach § 114 Abs. 2 InsO aufgerechnet werden könne (Schreiben vom 27. August 2008).

Der Beigeladene zu 2 schloss sich dieser Auffassung an und teilte mit Schreiben vom 6. September 2008 und 23. September 2011 mit, dass nach § 94 InsO ein bestehendes Recht zur Aufrechnung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werde. Unter Beachtung des § 114 InsO in Verbindung mit den §§ 51,52 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sei eine Verrechnung auch in den insolvenzfreien Teilen der Sozialleistungen zulässig, wenn der Anspruch bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden habe und eine Aufrechnung zulässig gewesen sei. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die damit möglicherweise verbundene Anmeldung der Forderung im Verfahren stünden der Aufrechnung und Verrechnung nicht entgegen. Hier sei die Verrechnung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden; die Forderung hätte bereits vor Eröffnung bestanden. Die Verrechnung sei zwar nach § 114 Abs. 1 InsO grundsätzlich zeitlich begrenzt; diese zeitliche Begrenzung gelte jedoch nur, wenn sich aus der zu verrechnenden Leistung nach § 850c Zivilprozessordnung (ZPO) ein pfändbarer Betrag ergebe. Liege die zu verrechnende Leistung unterhalb der Pfändungsfreigrenzen, werde nicht in die Insolvenzmasse verrechnet. Die zeitliche Begrenzung gelte damit nicht. Die dem Beigeladenen zu 1 gewährte Altersrente liege unterhalb der Pfändungsfreigrenzen, so das eine Verrechnung weiterhin möglich sei.

Der Kläger legte in weiteren Schriftsätzen vom 1. und 21. September 2011 sowie 6. Oktober 2011 unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 10. Juli 2008 (IX ZR 118/07, juris) seine Auffassung dar und bat um nochmalige rechtliche Prüfung. Eine Aufsplitterung in den pfändbaren und unpfändbaren Teil finde nicht statt, so dass die Verrechnung gemäß § 114 InsO nach Ablauf von zwei Jahren grundsätzlich nicht mehr möglich sei. Deswegen seien alle ab Juni 2010 vorgenommenen Verrechnungen zu Unrecht erfolgt.

Die Beklagte teilte hierzu mit, dass der Entscheidung des BGH ein anderer Fall zugrunde liege. Dort sei die Verrechnung gegen eine Altersrente erfolgt, die über den Pfändungsfreigrenzen gelegen habe. Deshalb sei die Bestimmung des § 114 InsO zu beachten gewesen. Sowohl der BGH als auch das Bundessozialgericht (BSG) habe differenziert zwischen einer Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs. 1 SGB I und §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I. Nur bei Verrechnungen gemäß § 51 Abs. 1 spreche das Gericht von der zeitlichen Beschränkung des § 114 InsO. Die Rentenhöhe des Beigeladenen zu 1 läge aber deutlich unterhalb der Pfändungsfreigrenzen und falle damit nicht in die Insolvenzmasse. Im Übrigen teile sie – die Beklagte – die Auffassung, dass mit Erteilung der Restschuldbefreiung eine zwangsweise Eintreibung nicht mehr zulässig sei und die Aufrechnung/Verrechnung ende.

Mit seiner am 11. April 2013 beim Sozialgericht Neubrandenburg und mit Beschluss vom 13. Mai 2013 an das Sozialgericht Lübeck verwiesenen Klage hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Frist des § 114 InsO sei im Mai 2010 abgelaufen, so dass die Beklagte zu Unrecht einen Betrag von nunmehr insgesamt 4.800,00 EUR verrechnet habe. Im Übrigen ergebe sich dadurch, dass der Beigeladene zu 1 neben seiner Rente eine Beschäftigung ausgeübt habe, ein pfändbarer Betrag. Die Rechtsauffassung der Beklagten sei aus diesem Grunde nicht haltbar. Er sei auch aktivlegitimiert, weil ihn der Beigeladene zu 1 ausdrücklich ermächtigt habe, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Er könne damit ohne weiteres im Wege der Prozessstandschaft eine Klärung der streitgegenständlichen Verrechnungsbefugnis herbeiführen. Durch die Streichung von § 114 InsO für alle ab dem 1. Juli 2014 beantragten Insolvenzverfahren habe der vorliegende Rechtsstreit nochmals an Bedeutung gewonnen. Insoweit liege auch noch keine Entscheidung des BSG vor. Der Kläger hat dazu Entgeltabrechnungen für die Zeit von Mai 2010 bis August 2010, Mai 2011 bis Dezember 2011, April 2012 bis Februar 2013, April 2013 bis November 2013 und März bis Mai 2014 vorgelegt.

Das Amtsgericht Neubrandenburg hat dem Kläger mit Beschluss vom 1. September 2014 ab dem 28. Mai 2014 die Restschuldbefreiung erteilt. Die Beklagte hat daraufhin die Verrechnung ab Oktober 2014 eingestellt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass die von der Beklagten vom 1. Juni 2010 bis 31. Mai 2014 durchgeführte Verrechnung in Höhe von 100,00 EUR monatlich mit der Altersrente des Beigeladenen zu 1 unzulässig sei und 2. die Beklagte zu verurteilen, den für die Zeit von Juni 2010 bis Mai 2014 verrechneten Betrag in Höhe von insgesamt 4.800,00 EUR an den Beigela- denen zu 1, hilfsweise an ihn– den Kläger – in seiner Eigenschaft als Insol- venzverwalter, auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält eine Verrechnung in den pfändungsfreien Teil der Rente für möglich. Im Übrigen habe der Kläger als Insolvenzverwalter keine Berechtigung, unpfändbare Einkommensteile in die Insolvenzmasse einzubeziehen. Er verursache auf diese Weise vielmehr zulasten der Insolvenzmasse weitere Kosten. § 36 InsO schränke das Insolvenzverfahren auf den pfändbaren Teil des Vermögens ein. Aufgrund der fehlenden Pfändbarkeit der Rente gehöre diese nicht zu Insolvenzmasse, was eine Zuständigkeit des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO ausschließe. Insofern stelle sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter überhaupt als Kläger auftreten könne.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Der Beigeladene zu 2 hat sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen und ebenfalls darauf hingewiesen, dass dem Kläger die notwendige Aktivlegitimierung für die Klage fehlen könne. Da gemäß § 36 Abs. 1 InsO i.V.m. § 35 Abs. 1 InsO das nach § 850c ZPO unpfändbare Einkommen des Beigeladenen zu 1 nicht zu Insolvenzmasse gehöre, ergebe sich insoweit kein Verwaltungs – und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO, sodass die Klage aufgrund fehlender Klagbefugnis bzw. Aktivlegitimierung des im eigenen Namen und in eigener Sache klagenden Insolvenzverwalters – wenn nicht bereits unzulässig – jedenfalls unbegründet erscheine. Die vom Beigeladenen zu 1 im Oktober 2011 erklärte Abtretung seiner nicht zur Insolvenzmasse gehörenden Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger verschaffe diesem keine sozialrechtliche Beteiligtenstellung, sondern einen zivilrechtlichen Anspruch, der vom Kläger vor den dafür zuständigen Zivilgerichten zu verfolgen wäre. Außerdem dürfte der Verrechnungsbescheid der Beklagten an den Beigeladenen zu 1 von November 2007 bestandskräftig und damit nicht mehr anfechtbar sein.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 27. April 2017 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass sie die Verrechnung bereits zum Monatsende Mai 2014 beendet und die einbehaltenen Verrechnungsbeträge für die Monate Juni bis September 2014 an den Beigeladenen zu 1 auszahlt. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29. Juni 2017 ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Der Kläger habe auf die von ihm begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der von der Beklagten durchgeführten Verrechnung und auf Auszahlung der einbehaltenen Beträge weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht einen Anspruch. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Altersrente des Beigeladenen zu 1 mit dessen Nebeneinkommen habe zusammenrechnen müssen. Denn dem Feststellungsbegehren des Klägers stehe ebenso wie dem geltend gemachten Zahlungsanspruch die Bestandskraft des Verrechnungsbescheides der Beklagten vom 7. November 2007 entgegen. Die Bestandskraft habe auch schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegen. Dem Kläger stehe daher kein Recht zu, den Verwaltungsakt anzugreifen.

Der Verrechnungsbescheid der Beklagten könne nur mit einem Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) überprüft werden. Soweit der Beigeladene zu 1 einen solchen Überprüfungsantrag bereits gestellt habe, sei offensichtlich durch die Beklagte noch nicht darüber entschieden worden. Jedenfalls würde diese Entscheidung nicht nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand dieses Verfahrens.

Gegen dieses am 4. Juli 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Juli 2017 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Nach seiner Auffassung ist die Entscheidung des Sozialgerichtes nicht haltbar. Es komme nicht darauf an, ob der Verrechnungsbescheid bestandskräftig geworden sei oder aber nicht. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens könnten Gläubiger des Insolvenzschuldners ihre Forderungen nur noch nach den Regelungen der InsO verfolgen. Dies gelte auch für Forderungen der Beigeladenen zu 2 sowie für alle übrigen Insolvenzgläubiger, die über titulierte – also bestandskräftige – Zahlungsansprüche gegenüber einem Schuldner verfügten. Die hier relevante Rechtsfrage, ob nach Ablauf von zwei Jahren ab der Insolvenzeröffnung weiterhin eine Verrechnung zulässig sei, sei vom BGH auch für Fälle einer Verrechnung unterhalb der gesetzlichen Pfändungsgrenze bereits beantwortet worden. Hierauf werde verwiesen. Im Übrigen finde auch eine Zusammenrechnung der Altersrente mit dem Hinzuverdienst statt, sodass die Einkünfte des Beigeladenen zu 1 pfändbar gewesen seien. Seitens der Gläubigergesamtheit sei es nicht hinzunehmen, dass vorliegend ein Gläubiger isoliert auf Kosten der anderen eine Befriedigung erlange. Dies solle durch die Vorschriften der InsO gerade vermieden werden. Die Beklagte habe sich über die gesetzlichen Vorgaben der InsO hinweggesetzt. Durch die Vorschriften der InsO solle es auch dem Insolvenzschuldner ermöglicht werden, finanziell wieder auf die Beine zu kommen. Dieses gesetzgeberische Ziel der wirtschaftlichen Gesundung werde konterkariert, wenn sich die Beklagte in zahlreichen Fällen nicht an die gesetzlichen Regelungen halte und anders als andere Gläubiger die Verrechnung einfach fortsetze. Eine ausdrückliche Befassung des BSG zu der Frage, ob eine Verrechnung unterhalb der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen auch im laufenden Insolvenzverfahren bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung zulässig sei, liege bisher nicht vor. Deshalb werde darum gebeten, die Revision zum BSG zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den für die Zeit von Juni 2010 bis Mai 2014 verrechneten Betrag in Höhe von insgesamt 4.800,00 EUR an den Beigeladenen zu 1, hilfsweise an den Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter auszuzahlen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer bisher vertretenen Auffassung fest und teilt darüber hinaus mit, dass ein Überprüfungsantrag bezüglich des Bescheides vom 7. November 2007 gestellt und beschieden worden sei. Der eingelegte Widerspruch ruhe im gegenseitigen Einverständnis zunächst bis zum Ende des vorliegenden Klagverfahrens.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (vgl. § 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und bedarf keiner Zulassung, weil sie die Verrechnung der Beitragsforderung der Beigeladenen zu 2 mit laufenden Rentenleistungen des Beigeladenen zu 1 für mehr als ein Jahr betrifft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Frist und Form (vgl. §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 1 SGG) sind gewahrt. Der Zulässigkeit steht auch nicht eine fehlende Prozessführungsbefugnis des Klägers entgegen (zum Begriff: Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 54 Rn. 11; § 69 Rn. 4). Wegen fehlender Prozessführungsbefugnis ist die Klage nur dann unzulässig, wenn der Kläger ein Recht geltend macht, das nach seinem eigenen Vorbringen einem anderen zusteht und kein Fall einer zulässigen Prozessstandschaft vorliegt (Keller aaO § 54 Rn. 11a, b und 15 sowie § 69 Rn. 4a). Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger behauptet, er sei als Insolvenzverwalter Inhaber des strittigen Rückzahlungsanspruchs, zumindest aber vom Kläger ermächtigt, diesen geltend zu machen. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Weder dem Kläger noch dem Beigeladenen zu 1 steht der geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung des verrechneten Anteils der Altersrente des Beigeladenen zu 1 mit einer Beitragsforderung der Beigeladenen zu 2 für die Zeit von Juni 2010 bis Mai 2014 in Höhe von insgesamt 4.800,00 EUR zu. Die von der Beklagten gegenüber dem Beigeladenen zu 1 bis Mai 2014 vorgenommene Verrechnung war wirksam und rechtmäßig. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben. Gegenstand der Klage ist eine öffentlich – rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung (siehe dazu auch BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 5 RJ 18/03 R –, juris). Die Klage ist als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Insbesondere ist der Kläger gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG klagebefugt, weil er geltend macht, durch die mit den angegriffenen Bescheiden vorgenommenen Verrechnungen in seinen Rechten als Verwalter über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO) verletzt zu sein und einen Anspruch auf Auszahlung des verrechneten Betrages zu haben.

Der Kläger ist auch nicht gehalten, im Wege der Anfechtungsklage zunächst auf Aufhebung des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 7. November 2007 zu klagen. Dieser Bescheid wäre auch ohne eine Anfechtung und/oder behördliche oder gerichtliche Aufhebung wirkungslos bzw. nicht vollziehbar, wenn für den hier streitigen Zeitraum Juni 2010 bis einschließlich Mai 2014 die Beschränkungen der InsO, hier insbesondere die zwischen den Beteiligten streitige Zweijahresfrist des § 114 Abs. 2 InsO, gelten würden.

Ob die angefochtene Verrechnung von Beitragsansprüchen der Beigeladenen zu 2 mit einem Teil der Altersrente des Beigeladenen zu 1 ab Dezember 2007 rechtmäßig ist, richtet sich nach § 52 SGB I i.V.m. den Vorschriften der InsO vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866) in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3836).

Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs. 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach dem § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger u.a. mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch wird. Gemäß § 54 Abs. 4 SGB I können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.

Nach diesen Maßgaben sind die Voraussetzungen für eine Verrechnung erfüllt. Die von der Beigeladenen zu 2 geltend gemachten Beitragsansprüche sind von der Vorschrift erfasst. Es handelt sich um Beitragsansprüche nach dem Sozialgesetzbuch (hier dem siebten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung). Die Beklagte wurde von der Beigeladenen zu 2 auch mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 zur Verrechnung mit den offenen Beitragsansprüchen ermächtigt. Eine Aufrechnungslage im Sinne von §§ 52,51 Abs. 1 SGB I lag ebenfalls vor. Denn bei der Altersrente für langjährig Versicherte handelt es sich um eine laufende Geldleistung, die gemäß § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden kann.

Die mit Bescheid vom 7. November 2007 erfolgte Verrechnungserklärung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte konnte die Verrechnung gegenüber dem Beigeladenen zu 1 durch Bescheid vornehmen. Der Große Senat des BSG hat mit Beschluss vom 31. August 2011 die bis dahin offene Streitfrage entschieden, dass eine Verrechnung in Form eines Verwaltungsaktes durchgeführt werden kann (GS 2/10, juris). Die Beklagte hat den Bescheid vom 7. November 2007 ordnungsgemäß bekanntgegeben und zuvor den Beigeladenen zu 1 zur beabsichtigten Verrechnung gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ordnungsgemäß angehört.

Eine Aufrechnungslage war hier ebenfalls gegeben. Die Forderung der Beigeladenen zu 2 auf Sozialversicherungsbeiträge zur Unfallversicherung war nach den Mitteilungen im Verrechnungsersuchen vom 16. Dezember 2002, erneuert durch die Schreiben vom 13. April 2006 und 30. Oktober 2006, fällig. Die Zahlungsansprüche der Beigeladenen zu 2 gehen auf Beitragsforderungen aus der Zeit der Selbständigkeit des Beigeladenen zu 1 zurück. Weder gegen den Grund noch die Höhe der Forderung der Beigeladenen zu 2 sind von den Beigeladenen zu 1 Einwendungen geltend gemacht worden.

Die Beklagte hat das Ermächtigungsersuchen der Beigeladenen zu 2 auch mit Bescheid vom 7. November 2007 korrekt umgesetzt. Insbesondere hat sie die Forderung hinreichend dem Grunde und der Höhe nach bezeichnet. Dieser Bescheid ist vom Beigeladenen zu 1 nicht angefochten und damit bestandskräftig geworden.

Die Pfändungsfreigrenzen (§ 54 Abs. 3 bis 5 SGB I i.V.m. der ZPO) müssen bei der Verrechnung gemäß § 51 Abs. 2 SGB I nicht beachtet werden. Damit ist der Gesetzgeber von der im bürgerlichen Recht bestehenden Verknüpfung von Aufrechenbar-keit und Pfändbarkeit (§ 394 BGB) abgewichen (vergleiche hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2016 – L 18 R 1120/15 –; Hessisches LSG, Urteil vom 17. Mai 2013 – L 5 R 336/12 –, juris).

Das seinerzeit laufende, mittlerweile beendete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beigeladenen zu 1 stand der Verrechnung nicht entgegen. Die Verrechnungslage bestand bereits vor Insolvenzeröffnung. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, hier mit Beschluss des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 1. September 2014, verlor der Beigeladene zu 1 zwar grundsätzlich die Möglichkeit, über die nach § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände oder -werte zu verfügen. Dies gilt aber nicht für seine Altersrente. Zwar fällt auch Renteneinkommen gemäß § 35 Abs. 1 InsO grundsätzlich als so genannter Neuerwerb zur Insolvenzmasse, allerdings nur mit seinem pfändbaren Anteil. Unpfändbare Vermögens – und Einkommensteile wie die Altersrente des Beigeladenen zu 1 gehören nach § 36 Abs. 1 InsO dagegen nicht zur Insolvenzmasse.

Ob und inwieweit das Renteneinkommen des Beigeladenen zu 1 pfändbar war, ergibt sich aus den §§ 850 ff ZPO, insbesondere unter Beachtung der gesetzlich festgelegten Pfändungsfreigrenzen. Gem. § 850 c Abs.1 ZPO ist Arbeitseinkommen unpfändbar, wenn es je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als 985,15 EUR (Juni 2007 bis Juni 2009), 998,99 EUR (Juli 2009 bis Juni 2011), 1.028,89 EUR (Juli 2011 bis Juni 2013) und 1.049,99 EUR (Juli 2013 bis Juni 2015) in der Fassung der jeweiligen Pfändungsfreigrenzen – Bekanntmachungen 2005, 2009, 2011und 2013 beträgt. Diese Pfändungsgrenzen gelten wegen § 54 Abs. 4 SGB I und § 850 Abs. 2 ZPO auch für das Renteneinkommen des Beigeladenen zu 1, soweit es von der Beklagten gezahlt wird. Die von der Beklagten gewährte Rente lag jeweils unterhalb dieser Beträge und war wegen § 850 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar.

Die Altersrente des Beigeladenen zu 1 überschritt auch nicht durch seinen Hinzuverdienst in der Zeit von Mai 2010 bis August 2010, Mai 2011 bis Dezember 2011, April 2012 bis Februar 2013, April 2013 bis November 2013 und März bis Mai 2014 die Pfändungsgrenze. Verfügt der Schuldner über Bezüge mehrerer Drittschuldner, so kommt er - ohne gegenläufige gerichtliche Anordnungen - für jedes Einkommen in den Genuss der Pfändungsfreibeträge (BGH, Urteil vom 13. Mai 1997 – IX ZR 246/96 – und Urteil vom 10. Juli 2008 – IX ZR 118/07 –, juris; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 850e Rn. 3 ff.). Es obliegt dem Insolvenzverwalter, nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850e Nr. 2, Nr. 2a ZPO beim Insolvenzgericht (§ 36 Abs. 4 InsO) eine Zusammenrechnung der Einkünfte oder Sozialleistungen (vgl. § 54 Abs. 4 SGB I) zu beantragen und so den Insolvenzbeschlag zu erweitern (vgl. BT-Drucks. 14/6468 S. 17; Holzer in: Kübler/Prütting, InsO, Stand 10/19, § 36 Rn. 28d). Der Beschluss des Insolvenzgerichts hat die Höhe des Gesamteinkommens anzugeben und unter Berücksichtigung des § 850e Nr. 2 Satz 2, Nr. 2a Satz 2 ZPO anzuordnen, aus welchem Einkommen der unpfändbare Grundbetrag zu entnehmen ist (Seiler aaO). Ein solcher Beschluss ist vorliegend nicht ergangen. Demgemäß ist der Insolvenzbeschlag nicht erweitert worden.

Da die dem Beigeladenen zu 1 von der Beklagten gewährte Altersrente für langjährig Versicherte durchgehend unter den Pfändungsfreigrenzen des §§ 54 Abs. 4 SGB I i.V.m. § 850 C ZPO lag, war sie von vornherein nicht insolvenzbefangen. Die laufenden Rentenleistungen der Beklagten an den Beigeladenen zu 1 zählten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mithin nicht zum relevanten Neuerwerb und damit auch nicht zur Insolvenzmasse. Die Verrechnungshindernisse nach §§ 95, 96 InsO bzw. die von dem Kläger geltend gemachte Vorschrift des § 114 Abs. 2 InsO finden mangels Zurechnung der Altersrente zur Insolvenzmasse keine Anwendung (vergleiche LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Oktober 2015 – L 3 U 561/13 –, LSG Bayern, Urteil vom 21. März 2018 – L 13 R 25/17 – und Urteil vom 23. April 2013 –L 20 R 819/09-, LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Oktober 2013 – L 6 R 163/13 –, LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Oktober 2016 – L 3 R 321/15 –, Hessisches LSG, Beschluss vom 3. August 2016 – L 5 R 123/15 –, juris; Bigge, jurisPR – SozR 16/2008 Anm. 4; Bigge/Peters – Lange, ZIP 2014, 2114-2119). Soweit die §§ 52, 51 SGB I dies zulassen, darf die Beigeladene zu 2 die Beklagte im Wege der Verrechnung in Dienst nehmen, um ihre Forderungen einzuziehen. Denn in dem nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Raum handelt die Beigeladene zu 2 nicht als Insolvenzgläubigerin, sodass auch die Vorschrift des § 87 InsO einer Verrechnung nicht entgegensteht. Dies gilt gleichermaßen für § 89 InsO, der als Vollstreckungsverbotsvorschrift zum Schutz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger im Rahmen der durch das Insolvenzverfahren eingeleiteten Gesamtvollstreckung (Einzel –) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verbietet. Das Vollstreckungsverbot spricht in Abs. 1 nur Insolvenzgläubiger an; § 89 Abs. 2 InsO nennt zwar auch andere Gläubiger, womit Gläubiger von Masseverbindlichkeiten, neue Gläubiger oder auch aus – und absonderungsberechtigte Gläubiger erfasst und bestimmte Vermögenswerte des Schuldners betroffen sind. Für Verrechnungsmöglichkeiten von Sozialleistungsträgern in den unpfändbaren und mithin Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht zugänglichen Teil von Sozialleistungen gilt diese Vorschrift nicht. Der Gesetzgeber hat das Privileg, auch dann noch aufrechnen zu können, wenn die Einzelzwangsvollstreckung und damit die Pfändung ausgeschlossen sind, im Interesse der Versichertengemeinschaft bewusst vorgesehen; dies gilt auch im Insolvenzverfahren (Bigge/Lange, ZIP 2014, Seite 1214 ff.).

Aus diesem Grunde besteht auch kein Ansatz für die Auffassung des Klägers, dass eine Verrechnung/Aufrechnung in den unpfändbaren Teil der Sozialleistungen über den Zwei-Jahres-Zeitraum des § 114 Abs. 2 InsO hinaus unzulässig ist. Mit der bestehenden Möglichkeit, eine Aufrechnung/Verrechnung in den unpfändbaren Teil des Rentenauszahlungsanspruchs des Versicherten nach §§ 51 Abs. 2,52 Abs. 2 SGB I vorzunehmen, werden Forderungsgegenstände erfasst, die von vornherein nicht den Insolvenzbeschlag und der Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO unterliegen und somit dem Zugriff sonstiger Insolvenzgläubiger entzogen sind. Konsequenterweise bedeutet dies, dass die Vorschriften über die Einschränkung einer während des Insolvenzverfahrens erfolgten Aufrechnung (§§ 80,94, 95,96 InsO), insbesondere was die zeitliche Beschränkung der Aufrechnung gegenüber laufenden Bezügen nach § 114 Abs. 2 InsO betrifft, keine Anwendung finden. Die Aufrechnung/Verrechnung, die sich nicht auf den pfändbaren und damit nicht der Masse zugehörigen Betrag der Rente erstreckt, unterliegt keiner zeitlichen Begrenzung, so das auch über den zeitlichen Rahmen des § 114 Abs. 2 InsO hinaus die Aufrechnung fortgesetzt werden kann (Gerd Bigge, Susanne Peters – Lange, ZIP 2014 aaO; Hessisches LSG, Beschluss vom 3. August 2016 aaO, juris und jeweils mit weiteren zahlreichen Nachweisen). Der Schutzzweck des § 114 InsO, der den Zugriff der Gläubiger auf den Neuerwerb regelt und sicherstellt, kann erst gar nicht zum Tragen kommen, da die Rentenzahlungen von vornherein nicht zur Befriedigung anderer Gläubiger zur Verfügung standen.

Dieses Ergebnis wird auch gestützt durch Sinn und Zweck der §§ 52,51 Abs. 2 SGB I, bei denen es sich um besondere Regelungen handelt, die nur in zwei Ausnahmefällen, nämlich der Nichtentrichtung von Beiträgen oder bei zu Unrecht bezogenen Sozialleistungen, einen erweiterten Zugriff der Sozialleistungsträger auf das nichtpfändbare Vermögen des Betroffenen gestatten, und zwar unter dem weiteren Vorbehalt, dass der Betroffene dadurch nicht hilfebedürftig wird. Beide Fallkonstellationen haben unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Sozialversicherungsträger, die durch die Aufrechnung bzw. Verrechnung vom Gesetzgeber dazu ermächtigt wurden, wenigstens einen Teil der Beträge, nämlich maximal bis zur Hälfte der laufenden Sozialleistung, vom Betroffenen zurückzuholen. Dies stellt eine Privilegierung der Sozialleistungsträger gegenüber "normalen" Gläubigern dar, die § 394 BGB zu beachten haben, die aber vom Gesetzgeber aus sozialpolitischen und verwaltungstechnischen Gründen so gewollt war (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Oktober 2013 aaO; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. März 2015 – L 1 R 425/14 B ER –, juris). Eine Änderung oder Einschränkung dieser Möglichkeit ist weder durch die am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung noch durch spätere Änderungen vorgenommen worden (dazu auch BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 – IX ZB 51/07 –, juris).

Soweit der Kläger meint, dass seine Auffassung zur Anwendung von § 114 Abs. 2 InsO durch Entscheidungen des BSG und des BGH gestützt werden, trifft dies nicht zu. Eine derartige Feststellung enthalten die von ihm angegebenen Entscheidungen nicht. Die Ausführungen des BSG zur Insolvenzordnung beziehen sich ausschließlich auf den pfändbaren Teil des im betreffenden Verfahren streitgegenständlichen Rentenauszahlungsanspruchs (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 5 RJ 18/03 R, juris Rn. 17: "Der Verrechnung der Beklagten steht schließlich nicht entgegen, dass der pfändbare Anteil des Rentenauszahlungsanspruchs des Versicherten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen nach §§ 35, 36 Abs. 1 InsO der Insolvenzmasse zuzurechnen ist. Dies ergibt sich aus § 114 Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 94 und 95 sowie § 96 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 InsO.") Und betreffen mithin einen völlig anders gelagerten Sachverhalt. Auch der Satz aus der Entscheidung des BGH vom 10. Juli 2008 "Sofern und soweit die Rentenversicherung nach § 51 Abs. 1, § 54 Abs. 4 SGB I verrechnet hat, war diese Verrechnung - in den von § 114 Abs. 2 InsO gezogenen zeitlichen Grenzen - als solche wirksam" (IX ZR 118/07, juris) lässt nicht den Rückschluss auf eine entsprechende Geltung des § 114 Abs. 2 InsO auch bei unpfändbaren Sozialleistungen zu. Es handelt sich vielmehr um ein obiter dictum, dass für den Inhalt der Entscheidung nicht von Bedeutung war und wo im Übrigen auch nicht im Tatbestand der Entscheidung erkennbar ist, ob der Sozialleistungsträger nicht ohnehin von sich aus und ohne Rechtsgrund in diesen Grenzen verrechnet hat.

Die Verrechnung nach den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beigeladene zu 2 ihre offenen Forderungen in voller Höhe im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldet hat. Die Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle und die Verrechnungsmöglichkeit nach den §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I sind voneinander unabhängig und schließen sich nicht gegenseitig aus (vgl. z.B. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. April 2013 – L 20 R 819/09 –, juris m.w.N.).

Die Verrechnung ist schließlich auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Beigeladene zu 1 hat nicht glaubhaft gemacht, dass er durch die monatliche Verrechnung in Höhe von 100,00 EUR hilfebedürftig geworden ist. Angesichts des erzielten Hinzuverdienstes ist ein Eintreten von Hilfebedürftigkeit im hier maßgeblichen Zeitraum auch nicht ersichtlich. Im Übrigen hat die Beklagte die Verrechnung auf einen Betrag von 100,00 EUR monatlich begrenzt, obwohl nach § 51 Abs. 2 SGB I ein Verrechnungsbetrag bis zur Hälfte der monatlichen Rente möglich gewesen wäre. Anhaltspunkte für eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Ermessensentscheidung, die im Übrigen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar wäre (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG), liegen nicht vor. Insbesondere hat der Beigeladene zu 1 im Rahmen seiner Anhörung nichts Weiteres vorgebracht, was über die von der Beklagten angestellten Überlegungen hinaus in der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGB liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf abgesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz und ergibt sich aus der noch offenen Forderung von 4.800,00 EUR, um die gestritten wird.
Rechtskraft
Aus
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