L 9 SO 72/17

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 15 SO 122/16
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 72/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 16/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Verrechnet ein Versorger seine Heizkostennachforderung mit einem gleichzeitig bestehenden, aus dem Regelbedarf angesparten Stromkostenguthaben, führt diese Verrechnung nicht zu einem geringeren Bedarf des Leistungsbeziehers für die Heizung.
2. Nach dem in Schleswig-Holstein geltenden Behördenprinzip ist die Klage gegen die Behörde zu richten, deren Bezeichnung in Angelegenheiten der Sozialhilfe "Kreis ... - Der Landrat" lautet.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 28. September 2017 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und dabei insbesondere über die Frage, ob eine Verrechnung von einem aus dem Regelsatz angesparten Guthaben mit Nachforderungen von Heizkosten zu einem in Höhe des Verrechnungsbetrages geringeren Bedarf führen kann.

Die am 1986 geborene Klägerin ist dauerhaft voll erwerbsgemindert und steht bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Sie lebt allein in einer Mietwohnung, für die sie im streitigen Zeitraum eine Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 230,00 EUR zzgl. Nebenkosten in Höhe von monatlich 50,00 EUR zu zahlen hatte. Heizkostenvorauszahlungen für die Versorgung mit Heizgas leistete sie an die S Stadtwerke in Höhe von monatlich 38,00 EUR. Die S Stadtwerke versorgten die Klägerin auch mit Strom, wofür die Klägerin Vorauszahlungen in Höhe von monatlich 52,00 EUR leistete. Bis 22. September 2015 war die Klägerin in den S Werkstätten, einer Werkstatt für behinderte Menschen, beschäftigt.

Mit Bescheid vom 4. September 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum ab 1. Oktober 2015 bis 30. September 2016 Leistungen in Höhe von monatlich 583,25 EUR unter Berücksichtigung des Regelbedarfs in Höhe von 399,00 EUR, eines Mehrbedarfs wegen Zuerkennung des Merkzeichens "G" in Höhe von 67,83 EUR und Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 318,00 EUR sowie bereinigtes Einkommen aus einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen und aus Kindergeld. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des Anspruchs wird auf den Bewilligungsbescheid nebst Berechnungsbogen (Bl. 436 ff. der Leistungsakte) Bezug genommen.

Mit Bescheiden vom 29. September 2015, 10. November 2015 und 25. Januar 2016 änderte der Beklagte die Bewilligungsentscheidung wegen des Wegfalls des Einkommens aus Beschäftigung ab 22. September 2015 sowie wegen der ab 23. September 2015 zu zahlenden Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung, wegen ab 1. Oktober 2015 geänderter Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung und wegen der zum 1. Januar 2016 geänderten Regelsätze und Kindergeldbeträge sowie erneut geänderter Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide vom 29. September 2015 (Bl. 446 ff. der Leistungsakte), 10. November 2015 (Bl. 457 ff. der Leistungsakte) und 25. Januar 2016 (Bl. 484 ff. der Leistungsakte) Bezug genommen. Für den Monat Februar 2016 gewährte der Beklagte der Klägerin damit Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 756,06 EUR, die sich aus dem Regelbedarf (404,00 EUR), dem Mehrbedarf wegen Zuerkennung des Merkzeichens "G" (68,68 EUR), Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung einschließlich Zusatzbeitrag (183,51 EUR) und Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 318,00 EUR sowie dem um geleistete Beiträge zur Hausrat- (3,17 EUR) und Haftpflichtversicherung (6,70 EUR) bereinigten Einkommen aus dem an sie gezahlten Kindergeld errechneten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Berechnungsbogen (Bl. 486 der Leistungsakte) Bezug genommen.

Mit Faxschreiben vom 12. Februar 2016 reichte der Betreuer der Klägerin die Jahresrechnung der Stadtwerke S vom 8. Februar 2016 für den Abrechnungszeitraum 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 ein, die einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 296,77 EUR als Ergebnis einer Verrechnung des Guthabens aus vorausgezahlten Abschlägen für Strom mit Heizkostennachforderungen auswies. Konkret waren in dem o.g. Abrechnungszeitraum bei für 11 Monate vor¬ausgezahlten Stromkosten in Höhe monatlich 52,00 EUR (gesamt 572,00 EUR) tatsächliche Stromkosten in Höhe von 382,74 EUR und bei ebenfalls für 11 Monate vorausgezahlten Abschlägen für Gas in Höhe von monatlich 38,00 EUR (gesamt 418,00 EUR) tatsächliche Heizkosten in Höhe von 904,03 EUR entstanden. Außerdem setzten die Stadtwerke S die Stromabschläge mit monatlich 35,00 EUR und die Gasabschläge mit monatlich 82,00 EUR beginnend ab März 2016 neu fest. Wegen der Einzelheiten wird auf die Abrechnung wird auf Bl. 489 der Leistungsakte Bezug genommen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16. Februar 2016 änderte der Beklagte die Bewilligungsentscheidung für den Zeitraum bis 30. September 2016 erneut ab und bewilligte Leistungen in Höhe von 1.052,83 EUR für den Monat Februar 2016 sowie in Höhe von monatlich 838,06 EUR für den Zeitraum 1. März bis 30. September 2016. Dabei berücksichtigte der Beklagte im Februar 2016 den in der o.g. Jahresabrechnung ausgewiesenen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 296,77 EUR als weiteren Bedarf für Heizung sowie ab März 2016 einen höheren laufenden Bedarf für Heizung unter Berücksichtigung der angepassten Vorauszahlung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bewilligungsbescheid (Bl. 497 ff. der Leistungsakte) Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 2. März 2016 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, es bestehe nach Maßgabe des § 42 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 35 Abs. 4 SGB XII Anspruch auf weitere Heizkosten in Höhe von 189,23 EUR. Eine Gegenüberstellung der Vorauszahlungen und der Abrechnung für Gas ergebe tatsächlich entstandene Heizkosten in Höhe von (weiteren) 486,00 EUR, die zu übernehmen seien. Angesichts der bereits übernommenen Nachzahlung in Höhe von 296,77 EUR bestehe Anspruch auf den geltend gemachten Betrag. Die Vorauszahlungen für Strom seien aus dem Regelsatz gezahlt worden, weshalb ein etwaiges Guthaben aus Stromvorauszahlungen nach § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2016 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 42 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 35 Abs. 4 SGB XII könnten Heizkostennachzahlungen übernommen werden, allerdings nur bis zur Höhe der angemessenen Heizkosten. Um eine Übernahme von Nachzahlungen an Heizkosten zu ermöglichen, müssten diese angemessen und gleichzeitig fällig sein. Vorliegend seien laut Rechnung der Stadtwerke S lediglich Forderungen in Höhe von 296,77 EUR fällig, weil der Energieanbieter ein Stromkostenguthaben verrechnet habe. Der fällige Betrag sei mit dem angefochtenen Bescheid übernommen und an die Klägerin ausgezahlt worden. Eine getrennte Abrechnung von Heiz- und Stromkosten könne nicht erfolgen, weil der Energieanbieter eine Gesamtabrechnung erstellt und lediglich einen Betrag in Höhe von 296,77 EUR angefordert habe. Weil ein sozialhilferechtlicher Bedarf in Höhe lediglich des Nachforderungsbetrages bestanden habe, habe dieser übernommen werden können. Dieses Prinzip des Bedarfes und der Fälligkeit bedeute im Umkehrschluss auch, dass der Träger der Sozialhilfe lediglich ausgezahltes Guthaben für sich in Anspruch nehmen könne.

Gegen den Bescheid vom 16. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2016 hat die Klägerin am 10. Oktober 2016 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben.

Zur Begründung hat sie ihre bisherigen Ausführungen vertieft und insbesondere ausgeführt, dass Einkünfte aus Rückerstattungen, die auf Vorauszahlungen beruhen, die Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz bestritten haben, nach § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII kein Einkommen darstellten. Die Vorauszahlungen für Strom seien aus der Regelleistung erbracht worden, weshalb ein etwaiges Guthaben aus Stromvorauszahlungen nicht zu berücksichtigen sei. Dies ändere sich auch nicht durch die von dem Energieversorger vorgenommene Verrechnung.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2016 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin weitere 189,26 EUR zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich zur Begründung auf seine Bescheide gestützt und ergänzend ausgeführt, die Vorschrift des § 82 Abs. 1 SGB XII sei nicht anwendbar. Das Stromguthaben sei nicht als Einkommen berücksichtigt worden. Da es direkt gegen die Nachzahlungsforderung für Heizkosten aufgerechnet worden sei, dürfte es zu keinem Zeitpunkt, auch nicht für eine "juristische Sekunde" als i.S. des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII "rückerstattet" anzusehen sein.

Mit Urteil vom 28. September 2017 hat das Sozialgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, soweit ihr ein weiterer Betrag in Höhe von 189,26 EUR verwehrt wurde. Zwar weise die Jahresabrechnung lediglich einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 296,77 EUR aus. Die Beklagte verkenne jedoch, dass die tatsächlichen Heizkosten ausweislich der Jahresabrechnung in Höhe von 904,03 EUR entstanden seien und lediglich die Anrechnung des Guthabens aus der Stromabrechnung in Höhe von 189,26 EUR zu dem niedrigeren Nachzahlungsbetrag geführt habe. Hätte die Klägerin separate Abrechnungen über Strom und Gas erhalten, wäre ihr von dem Stromanbieter ein Guthaben in Höhe von 189,26 EUR ausgezahlt worden. Dieses Guthaben hätte nach der maßgeblichen Anrechnungsvorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII kein Einkommen dargestellt. Nach dieser Vorschrift stellten Einkünfte aus Rückerstattungen, die auf Vorauszahlungen beruhen, die Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz erbracht haben, kein Einkommen dar. Indessen hätten die Heizkosten übernommen werden müssen. Es könne daher nicht sein, dass die Klägerin ihr ansonsten anrechnungsfreies Guthaben aus der Stromabrechnung für die Heizkosten einsetzen müsse, weil sie Strom und Gas von einem Anbieter beziehe. Auch wenn § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII keine direkte Anwendung finden könne, weil der Klägerin kein Guthaben zugeflossen sei, sei der Rechtsgedanke dieser Norm heranzuziehen für die Frage, welche tatsächlichen Heizkosten entstanden seien mit der Folge, dass auf die Abrechnungsposition innerhalb der Jahresabrechnung und nicht auf den nach interner Verrechnung mit dem Stromguthaben noch verbleibenden Forderungsbetrag abzustellen sei.

Das Sozialgericht Schleswig hat die Berufung zugelassen mit Hinweis darauf, dass die Frage der Verrechnung von aus dem Regelsatz angesparten Guthaben mit Nachforderungen von Heizkosten grundsätzliche Bedeutung habe.

Gegen das ihm am 6. Oktober 2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1. November 2017 Berufung eingelegt.

Zu Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen und weist erneut insbesondere darauf hin, dass das Stromguthaben nicht als Einkommen angesetzt worden sei. Die von dem Sozialgericht vorgenommene erweiternde Auslegung der §§ 42 Nr. 4, 35 Abs. 4 Satz 1 SGB XII sei weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der Sozialhilfe vereinbar. Es sei Aufgabe der Sozialhilfe, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspreche. Zudem gelte nach § 2 SGB XII der Nachrang der Sozialhilfe. Entgegen der Auffassung der Klägerin bringe der Gesetzgeber mit der Regelung des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII deutlich zum Ausdruck, dass es sich hierbei lediglich um eine Anrechnungsvorschrift handle, die vorliegend aber nicht direkt anwendbar sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 28. September 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor, bei der am 1. Januar 2011 eingeführten Vorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII handle es sich um eine gesetzliche Klarstellung. Mit dieser Regelung werde die in § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bereits enthaltene Aussage, dass Leistungen nach diesem Buch kein anrechenbares Einkommen darstellten, näher präzisiert. Neben Stromkostenerstattungen fielen auch vergleichbare Sachverhalte unter diese Regelung. Der Wille des Gesetzgebers, wie er in § 28 SGB XII und § 82 Abs. 1 SGB XII zum Ausdruck komme, sei zu berücksichtigen. Es bleibe den Leistungsberechtigten vorbehalten, den Regelsatz entsprechend den konkreten anfallenden Bedarfen einzusetzen. Gerade durch die vorgenommene Einbeziehung der ehemaligen einmaligen Leistungen in den Regelsatz werde deutlich, dass der Leistungsberechtigte seinen Lebensunterhalt in eigener Budgetverantwortung zu regeln habe. Vor diesem Hintergrund sei erkennbar, dass es nicht um die bloße Form der Rechnungsstellung ankommen könne, sondern der Wille des Gesetzgebers zu respektieren sei. Sie, die Klägerin, habe willentlich mehr Vorauszahlungen für Strom geleistet, um später über das Guthaben frei verfügen zu können. Dieser Zweck würde vereitelt, würde die Nichtanrechnung nur daran scheitern, dass keine separaten Strom- und Gasabrechnungen gestellt würden. Nach § 35 Abs. 4 SGB XII i.V.m. § 42 Nr. 4 SGB XII seien Bedarfe für Heizung und zentrale Warmwasserversorgung in tatsächlicher Höhe anzuerkennen. Hierfür müsse es ausreichen, wenn sich die Höhe des Nachzahlungsbetrages rechnerisch ermitteln lasse und auch für eine "juristische Sekunde" fällig sei. Dies sei kurz vor der Verrechnung des Stromguthabens mit dem Nachzahlungsbetrag der Fall gewesen. Die Berücksichtigung einer Verrechnung durch einen Dritten zu Lasten des Hilfeempfängers widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, nach dem ein Stromguthaben nicht anspruchsmindernd wirke. Insoweit fordere auch § 9 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB XII, dass sich die Leistungen nach der Besonderheit des Einzelfalls zu richten hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist statthaft, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstands mit 189,26 EUR die Wertgrenze von 750,00 EUR nicht überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Denn das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und der Senat ist an diese Zulassungsentscheidung gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Die richtige Bezeichnung des Beklagten lautet "Kreis Schleswig-Flensburg – Der Landrat". Der Senat folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dahingehend, dass die Klage gegen die Behörde zu richten ist, sofern das Landesrecht nach Maßgabe des § 70 Nr. 3 SGG die Beteiligtenfähigkeit von Behörden anerkennt (vgl. nur BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – SozR 4-3500 § 54 Nr 6, juris Rn. 14). Dies ist in Schleswig-Holstein der Fall (§ 62 Landesjustizgesetz [LJG] vom 17. April 2018 [GVOBl. S. 231]). Soweit der Senat allerdings – in Anlehnung an die höchstrichterliche Praxis – in der Vergangenheit die Behördenbezeichnung "Der Landrat des Kreises ..." verwendet hat, hält er daran zukünftig nicht mehr fest. Denn diese Behördenbezeichnung führt der Landrat nach Landesrecht ausschließlich in der Funktion, die er im Wege der Organleihe als allgemeine untere Landesbehörde ausübt (§ 7 Nr. 3 Landesverwaltungsgesetz [LVwG] vom 2. Juni 1992 [GVOBl. 243, 534] i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 und 2 Gesetz über die Errichtung allgemeiner unterer Landesbehörden in Schleswig-Holstein vom 3. April 1996 [GVOBl. S. 406]). Zu diesen Aufgaben zählt die Sozialhilfe nicht. Die Sozialhilfe ist vielmehr den Kreisen und kreisfreien Städten als – pflichtige (vgl. § 2 Abs. 2 Kreisordnung [KrO] vom 28. Februar 2003 [GVOBl. S. 94]) – Selbstverwaltungsaufgabe (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch [AG-SGB XII] vom 31. März 2015 [GVOBl. S. 90]) bzw. – soweit Leistungen nach dem Vierten Kapitel in Rede stehen – als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung (vgl. § 3 Abs. 1 KrO) zugewiesen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 AG-SGB XII), die vom Landrat als Behörde des Kreises (§ 11 LVwG) wahrgenommen wird (§ 51 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 KrO). In dieser Funktion führt die Behörde die Bezeichnung "Kreis Schleswig-Flensburg – Der Landrat". Das Rubrum ist deshalb entsprechend zu berichtigen gewesen. Die Berufung des Beklagten ist jedoch unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind der Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2016 und der Anspruch der Klägerin auf höhere Grundsicherungsleistungen lediglich für den Monat Februar 2016. Dies ergibt sich bei zweckentsprechender Auslegung der im Berufungsverfahren gestellten Anträge (§ 123 SGG) ohne Weiteres daraus, dass die Klägerin erstinstanzlich ihre Klage auf den – im Februar 2016 zu berücksichtigenden – weiteren Nachzahlungsbetrag von 189,26 EUR beschränkt, das Sozialgericht dieser Klage stattgegeben und nur die Beklagte dagegen Berufung eingelegt hat. Soweit der angegriffene Bescheid auch Regelungen für die Monate März bis September 2016 trifft, ist er nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

Soweit es den Monat Februar 2016 betrifft, hat das Sozialgericht die angefochtenen Entscheidungen des Beklagten zu Recht geändert und der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG ist begründet. Der Bescheid vom 16. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2016 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin (§ 54 Abs. 2 SGG).

Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten für Unterkunft aus § 42 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 35 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in Höhe von 189,26 EUR.

Der Senat folgt nach eigener Beurteilung der Sach- und Rechtslage den Gründen des angefochtenen Urteils, die er für überzeugend erachtet und auf die er grundsätzlich gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt.

Allerdings folgt der Anspruch der Klägerin auf Gewährung (noch) höherer Leistungen nicht unmittelbar aus § 42 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 35 Abs. 4 Satz 1 SGB XII, sondern – da der Klägerin für den hier maßgeblichen Zeitraum Grundsicherungsleistungen bereits mit unangefochtenen Bescheiden vom 4. September 2015, 29. September 2015, 10. November 2015 und 25. Januar 2016 bewilligt worden waren – aus § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass, eine wesentliche Änderung eintritt. Er soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Bei der Bewilligungsentscheidung über Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. In dem für seinen Erlass maßgeblichen tatsächlichen Umständen ist im Februar 2016 – und zwar mit Wirkung für den gesamten Monat Februar 2016 und insoweit teilweise auch für die Vergangenheit i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X – eine die Klägerin begünstigende wesentliche Änderung der Verhältnisse dadurch eingetreten, dass die Jahresrechnung der Stadtwerke vom 8. Februar 2016 in jenem Monat fällig geworden ist. Dies hat auch der Beklagte im Grundsatz zutreffend beachtet, allerdings ist er zu Unrecht von einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nur im Umfang von 296,77 EUR und nicht im Umfang von 486,03 EUR ausgegangen.

Ein um diesen Betrag höherer Bedarf im Monat Februar 2016 durch Fälligwerden der Jahresrechnung der Stadtwerke S vom 8. Februar 2016 ergibt sich nach Ansicht des Senats aus § 42 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 35 Abs. 4 Satz 1 SGB XII. Danach werden Bedarfe für Heizung und zentrale Warmwasserbereitung in tatsächlicher Höhe anerkannt, soweit diese angemessen sind. Danach handelt es sich bei dem Betrag von 486,03 EUR um weitere Aufwendungen für die Heizung, deren Angemessenheit außer Streit steht, was sich bereits daran zeigt, dass der Beklagte die höheren Abschläge für den Zeitraum ab März 2016 ohne Weiteres zugrunde gelegt hat. Die Aufwendungen der Klägerin für die Heizung bewegen sich auch ohne Weiteres in dem Rahmen, der nach Maßgabe der Produkttheorie in Orientierung an den Werten des bundesweiten Heizspiegels der co2online gGmbH als die Grenze des noch Angemessenen regelhaft definiert (vgl. dazu BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 RBSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, juris Rn. 21 ff.)

Für die Frage, ob und in welcher Höhe ein sozialhilferechtlicher Bedarf an Unterkunfts- und Heizkosten besteht, kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BSG allein darauf an, ob und in welcher Höhe der Leistungsberechtigte einer ernsthaften Forderung ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. November 2011 – B 8 SO 18/10 R – SozR 4-3500 § 44 Nr 2, juris Rn. 17 m.w.N.).

Zwar weist die hier in Rede stehende Jahresabrechnung der Stadtwerke S vom 8. Februar 2016 letztendlich lediglich eine Nachzahlungsforderung in Höhe von 296,77 EUR aus. Doch ergibt sich aus dieser Jahresabrechnung eindeutig, dass für den betreffenden Abrechnungszeitraum eine Heizkostenforderung in Höhe von insgesamt 904,03 EUR abgerechnet worden ist, der die Klägerin – bereinigt um bereits gezahlte Vorauszahlungen in Höhe von 418,00 EUR – ernsthaft ausgesetzt war. Die von den S Stadtwerken vorgenommene Verrechnung ihrer Nachforderung mit dem gleichzeitig bestehenden Stromkostenguthaben setzt gerade voraus, dass wegen der tatsächlichen Kosten für Gas eine wirksame und fällige Forderung bestand.

Der Umstand, dass die S Stadtwerke die Nachzahlung für Gaskosten im Wege der Verrechnung bezogen auf den Nachzahlungsbetrag "reduziert" haben, ändert nichts daran, dass bezogen auf Heizkosten eine Nachzahlungsforderung in Höhe von noch 486,03 EUR entstanden und fällig war.

In diesem Zusammenhang weist das Sozialgericht daher zutreffend darauf hin, dass der Klägerin kein bedarfsrelevanter Nachteil entstehen darf, weil sie Strom und Gas von einem Anbieter bezieht, der beide Positionen in einer Rechnung abrechnet. Dabei stellt die Regelung des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII mit Blick auf das Stromkostenguthaben der Klägerin lediglich klar, dass es sich bei diesen aus dem Regelsatz aufgebrachten Vorauszahlungen nicht um einzusetzendes Einkommen handelt. Würde aber der Rechtsauffassung des Beklagten gefolgt und die von den S Stadtwerken vorgenommene Verrechnung unbeachtlich sein, käme dies de facto einer Anrechnung des Stromkostenguthabens als Einkommen gleich, die nach dem eindeutigen Wortlaut des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gerade nicht stattfinden soll.

Dass es bei der Frage, ob es sich bei einer Neben- oder Betriebskostennachforderung um einen im Fälligkeitsmonat tatsächlichen aktuellen Bedarf handelt, nicht zwingend allein auf den in einer Abrechnung benannten Nachforderungsbetrag ankommt, sondern ggf. auf weitere Umstände, zeigt sich beispielsweise in Fällen, in denen zwischen einem aktuellen Bedarf und Schulden abzugrenzen ist. Das BSG nimmt die in diesen Fällen erforderliche Abgrenzung unabhängig von einer zivilrechtlichen Einordnung der Ansprüche danach vor, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht vom Leistungsträger gedeckten Bedarf handelt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 58/09 RBSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, juris Rn. 17).

Werden damit bei im Fälligkeitsmonat vorgelegten Nachforderungen von Betriebs- und Heizkosten bedarfsbezogene Korrekturen grundsätzlich für zulässig erachtet, muss dies auch für den Fall gelten, dass eine Heizkostennachforderung mit einem Stromkostenguthaben beim gleichen Energieanbieter verrechnet wird.

Gründe für die Annahme eines atypischen Falles, der den Beklagten ausnahmsweise dazu berechtigen würde, die wesentliche Änderung zugunsten der Klägerin mit Wirkung für die Vergangenheit nicht zu berücksichtigen (Soll-Ermessen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X), sind nicht ersichtlich. Entsprechende Ermessenserwägungen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X) hat der Beklagte im Übrigen auch nicht angestellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen, weil der Senat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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