Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 48/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 16.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2003 sowie der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 15.04.2003 werden aufgehoben, soweit die Beklagte die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Krankengeld nicht nur auf die Tage 30.08., 03.09., 12.09., 27.09., 01.10., 31.10., 08.11., 18.11., 26.11., 30.12.2002, 03.01., 30.01., 07.02., 11.02. und 21.02.2003 beschränkt und die Erstattung von mehr als 166,04 EUR verlangt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Krankengeld ab 30.08.2002, die Rückforderung des für die Zeit vom 30.08.2002 bis 11.03.2003 gezahlten (Netto-)Krankengeldes in Höhe von 7934,02 EUR und die Zahlung des (Netto-)Krankengeldes für die Zeit vom 12.03. bis 22.03.2003 in Höhe von 453,86 EUR.
Der 1955 geborene Kläger war - mit Unterbrechungen - seit 1983 als Busfahrer beschäftigt, zuletzt in einem festen Anstellungsverhältnis vom 01.08.1997 bis 30.09.2002 bei der Regionalverkehr L GmbH im Linienverkehr. Ab 10.04.2002 war der Kläger wegen chronischer therapieresistenter Rückenschmerzen bei degenerativem Wirbelsäulen-Syndrom laufend arbeitsunfähig krank. Der behandelnde Orthopäde N bescheinigte die Arbeitsunfähigkeit zumindest bis zum 24.03.2003; sie wurde vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mehrfach bestätigt. Eine arbeitsmedizinische Untersuchung des Klägers am 04.04.2002 durch I führte zu dessen Beurteilung, dass der Kläger aufgrund seines Rückenleidens für eine Tätigkeit als Kraftomnibusfahrer auf kurz oder lang nicht mehr geeignet sein werde.
Am 29.04.2002 beantragte der Kläger Erwerbsminderungsrente bei der LVA Rheinprovinz. Nachdem diese zunächst abgelehnt worden war, bewilligte die LVA Rheinprovinz durch Bescheid vom 22.03.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Zeit, ausgehend von einem Eintritt der Berufsunfähigkeit am 11.04.2002. Die Rente ist derzeit befristet bis 30.04.2005 (Bescheid vom 22.01.2004). Grundlage dieser Rentenbewilligung waren ein Gutachten der Sozialmedizinerin S vom 31.07.2002, eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes (C) vom 12.02.2002 sowie Befundberichte des den Kläger behandelnden Neurologen und Psychiaters X vom 06.12.2002 und 12.12.2003.
Der Kläger bezog von der Beklagten Krankengeld ab 11.04.2002. Dieses betrug kalendertäglich in 2002 netto 41,36 EUR, in 2003 netto 41,26 EUR.
Kurz vor Erschöpfen der Höchstanspruchsdauer (Aussteuerung mit Ablauf des 22.03.2003) erfuhr die Beklagte, dass der Kläger während des Arbeitsunfähigkeitszeitraums eine geringfügige Beschäftigung bei dem Omnibusunternehmen X1 als Busfahrer ausgeübt hatte. Bei dieser Firma war der Kläger schon früher ca. zwei Jahre lang als Busfahrer in Vollzeit beschäftigt gewesen. Die Beklagte stellte daraufhin die Krankengeldzahlungen mit Ablauf des 11.03.2003 ein. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Fa. X1 am 02.04.2003 mit, dass der Kläger in ihrem Betrieb an 15 Tagen eingesetzt gewesen sei, und zwar am 30.08., 03.09., 12.09., 27.09., 01.10., 31.10., 08.11., 18.11., 26.11., 30.12.2002, 03.01., 30.01., 07.02., 11.02., 21.02.2003, und dass er pro Einsatztag 61,36 EUR ausbezahlt bekommen habe. Des Weiteren überreichte die Fa. X1 EDV-gestützte Aushilfslohnabrechnungen für die Monate August 2002 bis Januar 2003 über jeweils 325,- EUR brutto.
Nach Anhörung des Klägers nahm die Beklagte durch Bescheid vom 15.04.2003 die Entscheidung über die Bewilligung von Krankengeld ab 30.08.2002 - gestützt auf § 45 SGB X - zurück. Zur Begründung führte sie aus, durch die Aufnahme der neuen Tätigkeit ab 30.08.2002 "müssen wir davon ausgehen", dass die Arbeitsunfähigkeit mit dem 29.08.2002 beendet gewesen sei; das Krankengeld habe der Kläger zu Unrecht erhalten, da er die Rechtswidrigkeit der Zahlung habe kennen müssen. Die Beklagte forderte die Erstattung des in der Zeit vom 30.08.2002 bis 11.03.2003 gezahlten Krankengeldes in Höhe von 7934,02 EUR.
Als die Beklagte mit Schreiben vom 14.05.2003 an die Zahlung erinnerte, erwiderte der Kläger unter dem 07.06.2003, er sei in einen finanziellen Engpaß geraten; er habe in sieben Monate nur 15 Tage gearbeitet und netto insgesamt 920,40 EUR bekommen; er warte auf das Restkrankengeld für die Zeit vom 12. bis 23.03.2003.
Auf den Hinweis der Beklagten, dass der Bescheid vom 15.04.2003 bindend geworden sei, beantragte der Kläger am 03.07.2003 gemäß § 44 SGB X die Überprüfung des Bescheides vom 15.04.2003. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag durch Bescheid vom 16.07.2003 ab und wies den dagegen am 08.08.2003 eingelegten Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24.10.2003 zurück mit der Begründung, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Entscheidung vom 15.04.2003 rechtswidrig sein könnte.
Dagegen hat der Kläger am 21.11.2003 Klage erhoben. Er weist zunächst darauf hin, der Überzeugung gewesen zu sein, gegen den Bescheid vom 15.04.2003 fristgerecht Widerspruch eingelegt zu haben. Bei der Fa. X1 habe er in keinem durchgehendem Arbeitsverhältnis gestanden; er sei maximal drei Tage pro Monat, nämlich nur von Fall zu Fall und bei Bedarf, Bus gefahren; Lohnabrechnungen seien nicht erteilt worden. Der Kläger meint, der geringe Umfang der Tätigkeit lasse nicht den Schluss zu, dass die Arbeitsunfähigkeit mit dem 29.08.2002 beendet gewesen sei; durch tageweise Arbeit sei nicht der Anschein gesetzt worden, er sei arbeitsfähig; es könne nicht unterstellt werden, er sei in der Lage gewesen durchgehend eine Vollzeittätigkeit auszuüben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2003 und den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 15.04.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld auch für die Zeit vom 11.03. bis 22.03.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie folgert aus dem Umstand, dass der Kläger ab dem 30.08.2002, wenn auch nur geringfügig, eine Berufsfahrertätigkeit ausgeübt hat, dass seine Arbeitsunfähigkeit als Berufsfahrer spätestens mit dem 29.08.2002 geendet hat. Eine Teil-Arbeitsunfähigkeit gebe es nicht. Dafür spreche auch, dass der Kläger trotz der von ihm bei der MDK-Untersuchung am 29.04.2002 geschilderten Beschwerden über starke Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in beide Beine, vor allem bei jeglicher Bewegung der Lendenwirbelsäule, in der Lage gewesen sei, die Berufsfahrertätigkeit wieder auszuüben. Eine geringfügige Berufsfahrertätigkeit, die auf Kosten der Gesundheit erfolge, könne nicht kontinuierlich über neun Monate ausgeübt werden.
Das Gericht über die Daten sowie Art und Umfang der Tätigkeit des Klägers bei der Fa. X1 und über den daraus bezogenen Lohn Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 25.05.2004 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen über den Kläger geführten Rentenakten der LVA Rheinprovinz ( 2 Bde.) sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und zum überwiegenden Teil auch begründet.
Aufgrund der dem Gericht bekannt gewordenen Umstände über die Tätigkeit des Klägers bei der Fa. X1 und nach dem Ergebnis der Befragung des Zeugen X2 in der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2004 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt hat. Sie hat deshalb zu Unrecht die Überprüfung des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 15.04.2003 durch Bescheid vom 16.07.2003 und Widerspruchsbescheid vom 24.10.2003 abgelehnt. Unrichtig ist der Bescheid vom 15.04.2003 schon insoweit, als die Beklagte ihre Rücknahmeentscheidung auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt hat. Denn die Krankengeldbewilligungsentscheidung war nicht schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, sondern ist dies erst nachträglich und zeitweilig geworden. Rechtswidrig ist der Bescheid vom 15.04.2003 aber auch insoweit, als die Beklagte die Aufhebung der Krankengeldbewilligungsentscheidung nicht nur auf 15 Tage beschränkt und die Erstattung von mehr als 166,04 EUR verlangt hat. Denn nur in diesem Umfang waren die Voraussetzungen nach §§ 48 Abs. 1, 50 Abs. 1 SGB X erfüllt.
Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit eine der Voraussetzungen des Satz 2 Nr. 1 bis 4 erfüllt sind. Der Verwaltungsakt, durch den die Beklagte Krankengeld ab 11.04.2002 bewilligt hat, ist mangels einer ausdrücklichen schriftlichen Entscheidung in der spätestens im April 2002 erfolgten erstmaligen Auszahlung des Krankengeldes zu sehen (vgl. BSG, Urt. v. 16.09.1986 - 3 RK 37/85 = SozR 2200 § 182 Nr. 103). In den Verhältnissen, die bei Erlass der Krankengeldbewilligungsentscheidung vorgelegen haben, ist erstmals am 30.08.2002 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. An diesem Tag hat der Kläger für die Fa. X1 als Busfahrer gearbeitet und ein Arbeitsentgelt von 61,36 EUR erhalten.
Diese Änderung ist aber - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht deshalb wesentlich, weil sie ab dem 30.08.2002 die den Krankengeldanspruch begründende Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V) beendet hat. In der gesetzlichen Krankenversicherung versteht man unter Arbeitsunfähigkeit die auf Krankheit beruhende Unfähigkeit, die zuletzt verrichtete oder eine ähnliche Beschäftigung oder Tätigkeit fortzusetzen (BSGE 26, 288 = SozR Nr. 25 zu § 182 RVO). Der Versicherte ist zur Ausübung der bisherigen Erwerbstätigkeit nicht nur dann unfähig, wenn sie ihm überhaupt nicht mehr möglich ist, sondern auch dann, wenn er sie nur auf die Gefahr hin verrichten kann, den Leidenszustand zu verschlimmern (BSG a.a.O. und BSGE 19, 179 = SozR Nr. 8 zu § 182 RVO). Demnach ist die Fortsetzung oder Aufnahme einer Arbeit für sich allein kein Vorgang, der den durch eine Krankheit verursachten Zustand der Arbeitsunfähigkeit unmittelbar verändert. So schließt die Verrichtung einer Arbeit auf Kosten der Gesundheit das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht aus. Allerdings können mit der Wiederaufnahme einer Arbeit weitere Umstände verbunden sein, die dafür sprechen, dass eine Arbeitsunfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne nicht mehr anzunehmen ist (BSG, Urteil vom 17.08.1982 - 3 RK 28/81 = BSGE 54, 62 = SozR 2200 § 182 Nr. 84). In diesem Sinne war der Kläger seit dem 11.04.2002 - bezogen auf seine bis dahin in Vollzeit ausgeübte Tätigkeit als Busfahrer im Linienverkehr - arbeitsunfähig. Er litt an chronischen therapieresistenten Rückenschmerzen bei degenerativen Wirbelsäulen-Syndrom. Es liegt in der Natur dieser Beschwerden, dass diese nicht andauernd an sieben Tagen in der Woche über 24 Stunden am Tag bestehen, sondern mal stärker, mal schwächer auftreten und insbesondere belastungsabhängig sind. Die durch das beschriebene Krankheitsbild verursachte Arbeitsunfähigkeit dauerte auch über den 29.08.2002 hinaus ununterbrochen (zumindest) bis zum 24.03.2003. Dies ist nicht nur durch entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Orthopäden N (Bl. 1 - 16 der Verwaltungsakte) belegt, sondern ist auch durch den MDK-Arzt N1 am 29.04.2002 ("weiter AU"), die LVA-Gutachterin S am 31.07.2002 ("nicht in der Lage, seine letzte Tätigkeit als Busfahrer weiter auszuüben") und den Ärztlichen Dienst der LVA, C, am 12.02.2002 ("die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Berufskraftfahrer (Busfahrer) nicht mehr möglich") bestätigt worden. Allein die Tatsache, dass der Kläger am 30.08.2002 und an 14 weiteren (in der Auskunft der Fa. X1 vom 02.04.2003 und im Tenor des Urteils näher bezeichneten) Tagen bis Februar 2003 als Aushilfsbusfahrer für die Fa. X1 gearbeitet hat, lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger ab 30.08.2002 wieder arbeitsfähig war. Der Zeuge X2 hat glaubhaft und für die Kammer überzeugend bekundet, dass der Kläger ausschließlich an den von ihm mitgeteilten 15 Tagen gearbeitet hat. Der Kläger ist bei Bedarf für einen damals ausgefallenen Fahrer im Linienverkehr eingesprungen. Seine maximale Arbeitszeit an einem Einsatztag beschränkte sich auf eine Stunde morgens (7.00 bis 8.00 Uhr), zweieinhalb Stunden mittags (13.30 bis 16.00 Uhr) und zweieinhalb Stunden abends (17.00 bis 19.20 Uhr). Dazwischen war er zu Hause, wohin er den Bus mitnehmen konnte. Die genannten Maximalarbeitszeiten fielen nicht an jedem der 15 Einsatztage an; es kam ebenso vor, dass der Kläger z.B. nur morgens für eine Stunde fuhr. Diese geringfügige Tätigkeit war also keinesfalls mit der Vollzeittätigkeit eines Busfahrers vergleichbar, die der Kläger bis 10.04.2002 ausgeübt hatte. Die Einsätze bei der Fa. X1 waren nur auf wenige Tage und Stunden mit dazwischen liegenden Pausen verbunden. Der Zeuge hat zudem ausgesagt, dass der Kläger auch Einsatzanfragen abgelehnt hat, weil er Rückenschmerzen hatte oder im Krankenhaus war. Die vorübergehende, auf wenige Einsätze beschränkte Aufnahme einer Arbeit in geringem Umfang hat daher nicht zu eine Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit geführt; diese dauerte vielmehr durchgehend vom 11.04.2002 bis (zumindest) 24.03.2003. Selbst wenn der Kläger an den Einsatztagen bei der Fa. X1 die Arbeit (einigermaßen) beschwerdefrei ausgeübt haben sollte, hat er auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet. Dies hat zuletzt der ärztliche Berater der LVA Rheinprovinz, M, am 12.02.2004 auf ausdrückliche Anfrage hin bestätigt. Er hat festgestellt, "dass ein vollschichtiger Einsatz mit den gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherten unvereinbar ist. Sollte der Versicherte seiner Tätigkeit sechs Stunden und mehr arbeitstäglich nachgegangen sein, so wäre dies aus beratungsärztlicher Sicht auf Kosten der Gesundheit erfolgt". Die Verrichtung der Arbeit bei der Fa. X1 auf Kosten der Gesundheit schließt das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht aus.
Die wesentliche Änderung der Verhältnisse aufgrund der Arbeit am 30.08.2002 und an den weiteren 14 näher bezeichneten Tagen liegt darin begründet, dass der Kläger an diesen Tagen jeweils pauschal 61,36 EUR Arbeitsentgelt erhalten hat. Der ungerade Betrag resultiert daraus, dass - wie der Zeuge X2 dargelegt hat - früher zu DM-Zeiten eine Tagespauschale für Aushilfsfahrer in Höhe von 120,- DM gezahlt wurde; dieser Betrag entspricht genau 61,36 EUR. Das Erzielen von Einkommen an 15 Einsatztagen führte zum Wegfall des Krankengeldzahlungsanspruchs gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Denn der Krankengeldanspruch ruht, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhalten (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Die Tagespauschale von 61,36 EUR pro Einsatztag war Arbeitsentgelt (vgl. § 14 SGB IV), dessen Beitragspflicht sich aus § 249 b SGB V ergibt. Da das Arbeitsentgelt höher als das Krankengeld war, ruhte der Krankengeldanspruch in voller Höhe ("soweit"). Aus der Formulierung in § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, dass der Anspruch auf Krankengeld ruht, "solange" Arbeitsentgelt bezogen wird, folgt, dass die Zahlungszeiträume des Krankengeldes und des Arbeitsentgelts zeitlich deckungsgleich sein müssen (BSGE 56, 208 = SozR 2200 § 189 Nr. 4). Da das Arbeitsentgelt für jeden Einsatztag gesondert ausgezahlt wurde, ruhte der Krankengeldanspruch auch nur an diesem Tag, insgesamt an 15 Arbeitstagen. Das Ruhen des Krankengeldanspruchs an diesen 15 Einsatztagen bewirkte den Wegfall des Krankengeldauszahlungsanspruchs für diese Tage. Nur für diese Tage aber war die Beklagte berechtigt, die Entscheidung über die Bewilligung des Krankengeldes gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X aufzuheben. Soweit der Bescheid vom 15.04.2003 eine darüber hinausgehende Aufhebungsentscheidung trifft, war er rechtswidrig und entsprechend aufzuheben.
Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Da der Kläger tatsächlich an den 15 Tagen, die er bei der Fa. X1 eingesetzt war, Krankengeld erhalten hat, ist es zu einer Überzahlung gekommen. Diese beträgt in 2002 (10 Tage à 41,36 EUR) 413,60 EUR und in 2003 (5 Tage à 41,26 EUR) 206,30 EUR, insgesamt 619,90 EUR. Da die Rücknahmeentscheidung der Beklagten vom 15.04.2003 zeitlich nicht begrenzt war, erfasst sie den gesamten Zeitraum vom 30.08.2002 bis zum Erschöpfen der Höchstanspruchsdauer (Aussteuerung) am 22.03.2003. Da der Kläger nur bis zum 11.03.2003 Krankengeld erhalten hat, aber auch darüber hinaus noch arbeitsunfähig war, steht ihm ein Restkrankengeld für die Zeit vom 12.03. bis 22.03.2003, d.h. für 11 Kalendertage à 41,26 EUR zu, insgesamt 453,86 EUR (netto). Unter Berücksichtigung dieses Restzahlungsanspruchs mindert sich der Erstattungsanspruch der Beklagten von 619,90 EUR auf 166,04 EUR. Soweit die Beklagte darüber hinausgehend durch Bescheid vom 15.04.2003 weitere 7767,98 EUR zurückgefordert hat, war der Bescheid auch insofern rechtswidrig und aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klage überwiegend Erfolg hatte und nur zu einem verhältnismäßig geringen Teil abgewiesen wurde, ist es angemessen, dass die Beklagte in vollem Umfang die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Krankengeld ab 30.08.2002, die Rückforderung des für die Zeit vom 30.08.2002 bis 11.03.2003 gezahlten (Netto-)Krankengeldes in Höhe von 7934,02 EUR und die Zahlung des (Netto-)Krankengeldes für die Zeit vom 12.03. bis 22.03.2003 in Höhe von 453,86 EUR.
Der 1955 geborene Kläger war - mit Unterbrechungen - seit 1983 als Busfahrer beschäftigt, zuletzt in einem festen Anstellungsverhältnis vom 01.08.1997 bis 30.09.2002 bei der Regionalverkehr L GmbH im Linienverkehr. Ab 10.04.2002 war der Kläger wegen chronischer therapieresistenter Rückenschmerzen bei degenerativem Wirbelsäulen-Syndrom laufend arbeitsunfähig krank. Der behandelnde Orthopäde N bescheinigte die Arbeitsunfähigkeit zumindest bis zum 24.03.2003; sie wurde vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mehrfach bestätigt. Eine arbeitsmedizinische Untersuchung des Klägers am 04.04.2002 durch I führte zu dessen Beurteilung, dass der Kläger aufgrund seines Rückenleidens für eine Tätigkeit als Kraftomnibusfahrer auf kurz oder lang nicht mehr geeignet sein werde.
Am 29.04.2002 beantragte der Kläger Erwerbsminderungsrente bei der LVA Rheinprovinz. Nachdem diese zunächst abgelehnt worden war, bewilligte die LVA Rheinprovinz durch Bescheid vom 22.03.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Zeit, ausgehend von einem Eintritt der Berufsunfähigkeit am 11.04.2002. Die Rente ist derzeit befristet bis 30.04.2005 (Bescheid vom 22.01.2004). Grundlage dieser Rentenbewilligung waren ein Gutachten der Sozialmedizinerin S vom 31.07.2002, eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes (C) vom 12.02.2002 sowie Befundberichte des den Kläger behandelnden Neurologen und Psychiaters X vom 06.12.2002 und 12.12.2003.
Der Kläger bezog von der Beklagten Krankengeld ab 11.04.2002. Dieses betrug kalendertäglich in 2002 netto 41,36 EUR, in 2003 netto 41,26 EUR.
Kurz vor Erschöpfen der Höchstanspruchsdauer (Aussteuerung mit Ablauf des 22.03.2003) erfuhr die Beklagte, dass der Kläger während des Arbeitsunfähigkeitszeitraums eine geringfügige Beschäftigung bei dem Omnibusunternehmen X1 als Busfahrer ausgeübt hatte. Bei dieser Firma war der Kläger schon früher ca. zwei Jahre lang als Busfahrer in Vollzeit beschäftigt gewesen. Die Beklagte stellte daraufhin die Krankengeldzahlungen mit Ablauf des 11.03.2003 ein. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Fa. X1 am 02.04.2003 mit, dass der Kläger in ihrem Betrieb an 15 Tagen eingesetzt gewesen sei, und zwar am 30.08., 03.09., 12.09., 27.09., 01.10., 31.10., 08.11., 18.11., 26.11., 30.12.2002, 03.01., 30.01., 07.02., 11.02., 21.02.2003, und dass er pro Einsatztag 61,36 EUR ausbezahlt bekommen habe. Des Weiteren überreichte die Fa. X1 EDV-gestützte Aushilfslohnabrechnungen für die Monate August 2002 bis Januar 2003 über jeweils 325,- EUR brutto.
Nach Anhörung des Klägers nahm die Beklagte durch Bescheid vom 15.04.2003 die Entscheidung über die Bewilligung von Krankengeld ab 30.08.2002 - gestützt auf § 45 SGB X - zurück. Zur Begründung führte sie aus, durch die Aufnahme der neuen Tätigkeit ab 30.08.2002 "müssen wir davon ausgehen", dass die Arbeitsunfähigkeit mit dem 29.08.2002 beendet gewesen sei; das Krankengeld habe der Kläger zu Unrecht erhalten, da er die Rechtswidrigkeit der Zahlung habe kennen müssen. Die Beklagte forderte die Erstattung des in der Zeit vom 30.08.2002 bis 11.03.2003 gezahlten Krankengeldes in Höhe von 7934,02 EUR.
Als die Beklagte mit Schreiben vom 14.05.2003 an die Zahlung erinnerte, erwiderte der Kläger unter dem 07.06.2003, er sei in einen finanziellen Engpaß geraten; er habe in sieben Monate nur 15 Tage gearbeitet und netto insgesamt 920,40 EUR bekommen; er warte auf das Restkrankengeld für die Zeit vom 12. bis 23.03.2003.
Auf den Hinweis der Beklagten, dass der Bescheid vom 15.04.2003 bindend geworden sei, beantragte der Kläger am 03.07.2003 gemäß § 44 SGB X die Überprüfung des Bescheides vom 15.04.2003. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag durch Bescheid vom 16.07.2003 ab und wies den dagegen am 08.08.2003 eingelegten Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24.10.2003 zurück mit der Begründung, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Entscheidung vom 15.04.2003 rechtswidrig sein könnte.
Dagegen hat der Kläger am 21.11.2003 Klage erhoben. Er weist zunächst darauf hin, der Überzeugung gewesen zu sein, gegen den Bescheid vom 15.04.2003 fristgerecht Widerspruch eingelegt zu haben. Bei der Fa. X1 habe er in keinem durchgehendem Arbeitsverhältnis gestanden; er sei maximal drei Tage pro Monat, nämlich nur von Fall zu Fall und bei Bedarf, Bus gefahren; Lohnabrechnungen seien nicht erteilt worden. Der Kläger meint, der geringe Umfang der Tätigkeit lasse nicht den Schluss zu, dass die Arbeitsunfähigkeit mit dem 29.08.2002 beendet gewesen sei; durch tageweise Arbeit sei nicht der Anschein gesetzt worden, er sei arbeitsfähig; es könne nicht unterstellt werden, er sei in der Lage gewesen durchgehend eine Vollzeittätigkeit auszuüben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2003 und den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 15.04.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld auch für die Zeit vom 11.03. bis 22.03.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie folgert aus dem Umstand, dass der Kläger ab dem 30.08.2002, wenn auch nur geringfügig, eine Berufsfahrertätigkeit ausgeübt hat, dass seine Arbeitsunfähigkeit als Berufsfahrer spätestens mit dem 29.08.2002 geendet hat. Eine Teil-Arbeitsunfähigkeit gebe es nicht. Dafür spreche auch, dass der Kläger trotz der von ihm bei der MDK-Untersuchung am 29.04.2002 geschilderten Beschwerden über starke Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in beide Beine, vor allem bei jeglicher Bewegung der Lendenwirbelsäule, in der Lage gewesen sei, die Berufsfahrertätigkeit wieder auszuüben. Eine geringfügige Berufsfahrertätigkeit, die auf Kosten der Gesundheit erfolge, könne nicht kontinuierlich über neun Monate ausgeübt werden.
Das Gericht über die Daten sowie Art und Umfang der Tätigkeit des Klägers bei der Fa. X1 und über den daraus bezogenen Lohn Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 25.05.2004 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen über den Kläger geführten Rentenakten der LVA Rheinprovinz ( 2 Bde.) sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und zum überwiegenden Teil auch begründet.
Aufgrund der dem Gericht bekannt gewordenen Umstände über die Tätigkeit des Klägers bei der Fa. X1 und nach dem Ergebnis der Befragung des Zeugen X2 in der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2004 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt hat. Sie hat deshalb zu Unrecht die Überprüfung des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 15.04.2003 durch Bescheid vom 16.07.2003 und Widerspruchsbescheid vom 24.10.2003 abgelehnt. Unrichtig ist der Bescheid vom 15.04.2003 schon insoweit, als die Beklagte ihre Rücknahmeentscheidung auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt hat. Denn die Krankengeldbewilligungsentscheidung war nicht schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, sondern ist dies erst nachträglich und zeitweilig geworden. Rechtswidrig ist der Bescheid vom 15.04.2003 aber auch insoweit, als die Beklagte die Aufhebung der Krankengeldbewilligungsentscheidung nicht nur auf 15 Tage beschränkt und die Erstattung von mehr als 166,04 EUR verlangt hat. Denn nur in diesem Umfang waren die Voraussetzungen nach §§ 48 Abs. 1, 50 Abs. 1 SGB X erfüllt.
Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit eine der Voraussetzungen des Satz 2 Nr. 1 bis 4 erfüllt sind. Der Verwaltungsakt, durch den die Beklagte Krankengeld ab 11.04.2002 bewilligt hat, ist mangels einer ausdrücklichen schriftlichen Entscheidung in der spätestens im April 2002 erfolgten erstmaligen Auszahlung des Krankengeldes zu sehen (vgl. BSG, Urt. v. 16.09.1986 - 3 RK 37/85 = SozR 2200 § 182 Nr. 103). In den Verhältnissen, die bei Erlass der Krankengeldbewilligungsentscheidung vorgelegen haben, ist erstmals am 30.08.2002 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. An diesem Tag hat der Kläger für die Fa. X1 als Busfahrer gearbeitet und ein Arbeitsentgelt von 61,36 EUR erhalten.
Diese Änderung ist aber - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht deshalb wesentlich, weil sie ab dem 30.08.2002 die den Krankengeldanspruch begründende Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V) beendet hat. In der gesetzlichen Krankenversicherung versteht man unter Arbeitsunfähigkeit die auf Krankheit beruhende Unfähigkeit, die zuletzt verrichtete oder eine ähnliche Beschäftigung oder Tätigkeit fortzusetzen (BSGE 26, 288 = SozR Nr. 25 zu § 182 RVO). Der Versicherte ist zur Ausübung der bisherigen Erwerbstätigkeit nicht nur dann unfähig, wenn sie ihm überhaupt nicht mehr möglich ist, sondern auch dann, wenn er sie nur auf die Gefahr hin verrichten kann, den Leidenszustand zu verschlimmern (BSG a.a.O. und BSGE 19, 179 = SozR Nr. 8 zu § 182 RVO). Demnach ist die Fortsetzung oder Aufnahme einer Arbeit für sich allein kein Vorgang, der den durch eine Krankheit verursachten Zustand der Arbeitsunfähigkeit unmittelbar verändert. So schließt die Verrichtung einer Arbeit auf Kosten der Gesundheit das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht aus. Allerdings können mit der Wiederaufnahme einer Arbeit weitere Umstände verbunden sein, die dafür sprechen, dass eine Arbeitsunfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne nicht mehr anzunehmen ist (BSG, Urteil vom 17.08.1982 - 3 RK 28/81 = BSGE 54, 62 = SozR 2200 § 182 Nr. 84). In diesem Sinne war der Kläger seit dem 11.04.2002 - bezogen auf seine bis dahin in Vollzeit ausgeübte Tätigkeit als Busfahrer im Linienverkehr - arbeitsunfähig. Er litt an chronischen therapieresistenten Rückenschmerzen bei degenerativen Wirbelsäulen-Syndrom. Es liegt in der Natur dieser Beschwerden, dass diese nicht andauernd an sieben Tagen in der Woche über 24 Stunden am Tag bestehen, sondern mal stärker, mal schwächer auftreten und insbesondere belastungsabhängig sind. Die durch das beschriebene Krankheitsbild verursachte Arbeitsunfähigkeit dauerte auch über den 29.08.2002 hinaus ununterbrochen (zumindest) bis zum 24.03.2003. Dies ist nicht nur durch entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Orthopäden N (Bl. 1 - 16 der Verwaltungsakte) belegt, sondern ist auch durch den MDK-Arzt N1 am 29.04.2002 ("weiter AU"), die LVA-Gutachterin S am 31.07.2002 ("nicht in der Lage, seine letzte Tätigkeit als Busfahrer weiter auszuüben") und den Ärztlichen Dienst der LVA, C, am 12.02.2002 ("die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Berufskraftfahrer (Busfahrer) nicht mehr möglich") bestätigt worden. Allein die Tatsache, dass der Kläger am 30.08.2002 und an 14 weiteren (in der Auskunft der Fa. X1 vom 02.04.2003 und im Tenor des Urteils näher bezeichneten) Tagen bis Februar 2003 als Aushilfsbusfahrer für die Fa. X1 gearbeitet hat, lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger ab 30.08.2002 wieder arbeitsfähig war. Der Zeuge X2 hat glaubhaft und für die Kammer überzeugend bekundet, dass der Kläger ausschließlich an den von ihm mitgeteilten 15 Tagen gearbeitet hat. Der Kläger ist bei Bedarf für einen damals ausgefallenen Fahrer im Linienverkehr eingesprungen. Seine maximale Arbeitszeit an einem Einsatztag beschränkte sich auf eine Stunde morgens (7.00 bis 8.00 Uhr), zweieinhalb Stunden mittags (13.30 bis 16.00 Uhr) und zweieinhalb Stunden abends (17.00 bis 19.20 Uhr). Dazwischen war er zu Hause, wohin er den Bus mitnehmen konnte. Die genannten Maximalarbeitszeiten fielen nicht an jedem der 15 Einsatztage an; es kam ebenso vor, dass der Kläger z.B. nur morgens für eine Stunde fuhr. Diese geringfügige Tätigkeit war also keinesfalls mit der Vollzeittätigkeit eines Busfahrers vergleichbar, die der Kläger bis 10.04.2002 ausgeübt hatte. Die Einsätze bei der Fa. X1 waren nur auf wenige Tage und Stunden mit dazwischen liegenden Pausen verbunden. Der Zeuge hat zudem ausgesagt, dass der Kläger auch Einsatzanfragen abgelehnt hat, weil er Rückenschmerzen hatte oder im Krankenhaus war. Die vorübergehende, auf wenige Einsätze beschränkte Aufnahme einer Arbeit in geringem Umfang hat daher nicht zu eine Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit geführt; diese dauerte vielmehr durchgehend vom 11.04.2002 bis (zumindest) 24.03.2003. Selbst wenn der Kläger an den Einsatztagen bei der Fa. X1 die Arbeit (einigermaßen) beschwerdefrei ausgeübt haben sollte, hat er auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet. Dies hat zuletzt der ärztliche Berater der LVA Rheinprovinz, M, am 12.02.2004 auf ausdrückliche Anfrage hin bestätigt. Er hat festgestellt, "dass ein vollschichtiger Einsatz mit den gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherten unvereinbar ist. Sollte der Versicherte seiner Tätigkeit sechs Stunden und mehr arbeitstäglich nachgegangen sein, so wäre dies aus beratungsärztlicher Sicht auf Kosten der Gesundheit erfolgt". Die Verrichtung der Arbeit bei der Fa. X1 auf Kosten der Gesundheit schließt das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht aus.
Die wesentliche Änderung der Verhältnisse aufgrund der Arbeit am 30.08.2002 und an den weiteren 14 näher bezeichneten Tagen liegt darin begründet, dass der Kläger an diesen Tagen jeweils pauschal 61,36 EUR Arbeitsentgelt erhalten hat. Der ungerade Betrag resultiert daraus, dass - wie der Zeuge X2 dargelegt hat - früher zu DM-Zeiten eine Tagespauschale für Aushilfsfahrer in Höhe von 120,- DM gezahlt wurde; dieser Betrag entspricht genau 61,36 EUR. Das Erzielen von Einkommen an 15 Einsatztagen führte zum Wegfall des Krankengeldzahlungsanspruchs gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Denn der Krankengeldanspruch ruht, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhalten (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Die Tagespauschale von 61,36 EUR pro Einsatztag war Arbeitsentgelt (vgl. § 14 SGB IV), dessen Beitragspflicht sich aus § 249 b SGB V ergibt. Da das Arbeitsentgelt höher als das Krankengeld war, ruhte der Krankengeldanspruch in voller Höhe ("soweit"). Aus der Formulierung in § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, dass der Anspruch auf Krankengeld ruht, "solange" Arbeitsentgelt bezogen wird, folgt, dass die Zahlungszeiträume des Krankengeldes und des Arbeitsentgelts zeitlich deckungsgleich sein müssen (BSGE 56, 208 = SozR 2200 § 189 Nr. 4). Da das Arbeitsentgelt für jeden Einsatztag gesondert ausgezahlt wurde, ruhte der Krankengeldanspruch auch nur an diesem Tag, insgesamt an 15 Arbeitstagen. Das Ruhen des Krankengeldanspruchs an diesen 15 Einsatztagen bewirkte den Wegfall des Krankengeldauszahlungsanspruchs für diese Tage. Nur für diese Tage aber war die Beklagte berechtigt, die Entscheidung über die Bewilligung des Krankengeldes gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X aufzuheben. Soweit der Bescheid vom 15.04.2003 eine darüber hinausgehende Aufhebungsentscheidung trifft, war er rechtswidrig und entsprechend aufzuheben.
Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Da der Kläger tatsächlich an den 15 Tagen, die er bei der Fa. X1 eingesetzt war, Krankengeld erhalten hat, ist es zu einer Überzahlung gekommen. Diese beträgt in 2002 (10 Tage à 41,36 EUR) 413,60 EUR und in 2003 (5 Tage à 41,26 EUR) 206,30 EUR, insgesamt 619,90 EUR. Da die Rücknahmeentscheidung der Beklagten vom 15.04.2003 zeitlich nicht begrenzt war, erfasst sie den gesamten Zeitraum vom 30.08.2002 bis zum Erschöpfen der Höchstanspruchsdauer (Aussteuerung) am 22.03.2003. Da der Kläger nur bis zum 11.03.2003 Krankengeld erhalten hat, aber auch darüber hinaus noch arbeitsunfähig war, steht ihm ein Restkrankengeld für die Zeit vom 12.03. bis 22.03.2003, d.h. für 11 Kalendertage à 41,26 EUR zu, insgesamt 453,86 EUR (netto). Unter Berücksichtigung dieses Restzahlungsanspruchs mindert sich der Erstattungsanspruch der Beklagten von 619,90 EUR auf 166,04 EUR. Soweit die Beklagte darüber hinausgehend durch Bescheid vom 15.04.2003 weitere 7767,98 EUR zurückgefordert hat, war der Bescheid auch insofern rechtswidrig und aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klage überwiegend Erfolg hatte und nur zu einem verhältnismäßig geringen Teil abgewiesen wurde, ist es angemessen, dass die Beklagte in vollem Umfang die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt.
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