S 11 AL 59/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AL 59/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) in der Zeit vom 08.05. bis 03.08.2004 aufgrund einer Entlassungsentschädigung geruht hat.

Die am 00.00.1969 geborene Klägerin war zunächst von 1996 an bei der Firma C GmbH in B beschäftigt. Am 16.02.2004 kündigte die Firma C das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2004. Nachdem die Klägerin sodann einen anderen Arbeitsplatz bei der Firma D O Germany GmbH in B für die Zeit ab dem 01.04.2004 gefunden hatte, wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich bereits zum 31.03.2004 beendet und die Firma C zahlte an die Klägerin im März 2004 einen Betrag von 17.053,81 EUR. Die Firma D kündigte das Arbeitsverhältnis am 22.04.2004 zum 07.05.2004.

Am 06.05.2004 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alg. Nach Einholung von Arbeitsbescheinigungen der beiden letzten Arbeitgeber lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2004 einen Alg-Anspruch für die Zeit vom 08.05. bis 30.09.2004 ab, da die Klägerin ausweislich eines von der Firma C vorgelegten Aufhebungsvertrags noch bis zum 30.09.2004 Arbeitsentgelt zu beanspruchen habe.

Ihren am 07.07.2004 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie habe erst nach dem Ende der Beschäftigung bei der Firma C Alg beantragt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 04.08.2004 zurück. Sie berief sich auf den Aufhebungsvertrag mit der Firma C, wonach das Arbeitsentgelt während der Kündigungsfrist unter Anrechnung von Zwischenverdienst weitergezahlt werden solle.

Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage. Nach Einholung einer Auskunft der Firma C hat die Beklagte den Ruhenszeitraum mit Bescheid vom 08.11.2004 auf die Zeit vom 08.05. bis 03.08.2004 beschränkt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass sie sich nach Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Firma C um einen neuen Arbeitsplatz bemüht habe. Aus den Gesamtumständen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Firma C ergebe sich, dass die Entlassungsentschädigung nicht zum Ruhen eines Alg-Anspruchs führe und hieran dürfe auch eine zwischenzeitliche Beschäftigung bei der Firma D deren Beendigung die Klägerin im Übrigen nicht verschuldet habe, nichts ändern.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 04.08.2004 sowie des Bescheides vom 08.11.2004 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 08.05. bis 03.08.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stützt die Versagung von Alg zuletzt auf den Tatbestand des Ruhens wegen Entlassungsentschädigung und führt aus, eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Firma C liege darin, dass die Klägerin die ursprüngliche Frist zum 30.09.2004 nicht abgewartet, sondern eine Beendigung bereits zum 31.03.2004 herbeigeführt hat.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da ihr Anspruch auf Alg während des zuletzt noch streitgegenständlichen Zeitraums geruht hat.

Die Beklagte erbringt nach Maßgabe der §§ 117 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) Alg. Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg gemäß § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Vorschriften über die Verkürzung des Ruhenszeitraums enthält § 143 a Abs. 2 SGB III.

Die Voraussetzungen aus § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III sind im vorliegenden Fall für den Zeitraum vom 08.05. bis 03.08.2004 erfüllt.

Die Klägerin hat wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zur Firma C eine Entlassungsentschädigung erhalten. Es war zuletzt nicht mehr streitig, dass die Firma C der Klägerin 17.053,81 EUR gezahlt hat. Grundlage hierfür war – auch dies ist nicht streitig – die Bestimmung Nr. 51.5. der von der Klägerin zuletzt vorgelegte "Betriebsvereinbarung Reorganisation W Microcomputer AG 0000", die im Falle fristgerechter Kündigung eine Abfindung nach näherer Maßgabe der folgenden Bestimmungen vorsah. Dass die Entlassungsentschädigung hiernach auch für den Fall einer fristgerechten Arbeitgeberkündigung vorgesehen war, steht der Anwendung von § 143 a SGB III nicht entgegen, denn die Vorschrift setzt nicht voraus, dass die Entlassungsentschädigung gerade auf die Vorzeitigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (d.h. die Beendigung unter Nichtbeachtung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist) zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 21.09.1995, 11 RAr 41/95, SozR 3 – 4100 § 117 Nr. 12; Düe in: Niesel, SGB III, 2. Aufl., § 143 a, Rn. 15 und 4 m.w.N.).

Das Arbeitsverhältnis ist auch ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Die Firma C konnte der Klägerin – auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – ordentlich nur zum 30.09.2004 kündigen. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Firma C ist jedoch nicht erst zu diesem Zeitpunkt beendet worden, sondern bereits zum 31.03.2004, da die Klägerin ab dem 01.04.2004 einen neuen Arbeitsplatz hatte. Die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses braucht nicht notwendig auf genau demselben Umstand zu beruhen wie die Entlassungsentschädigung. Es genügt im Rahmen von § 143 a SGB III, wenn der Umstand, der auch zur Zahlung der Entlassungsentschädigung geführt hat, auslösendes Element für eine Entwicklung ist, die letztlich zur tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt (BSG SozR 3 – 4100 § 117 Nr. 5; Düe, a.a.O., Rn 21; Gagel, in: Gagel, SGB III, § 143 a, Rn. 30 b). Insbesondere hat die Aufnahme einer Beschäftigung direkt im Anschluss an oder während des Ruhenszeitraums keinen Einfluss auf Beginn und Ablauf des Ruhens nach § 143 a SGB III (BSG, Urteil vom 15.02.2000, B 11 AL 45/99 R; BSG, Urteil vom 29.10.1986, 7 RAr 48/85). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass nicht die Beendigung zum 31.03.2004 Anlass für die Entlassungsentschädigung gewesen sein muss, damit § 143 a SGB III zur Anwendung kommt. Es genügt vielmehr, dass der Rechtsgrund für die Entlassungsentschädigung (hier: die ursprünglich vorgesehene Beendigung zum 30.09.2004) zugleich auch die Entwicklung in Gang gesetzt hat, die zur tatsächlich erfolgten Beendigung (zum 31.03.2004) geführt hat. Angesichts aller Umstände des vorliegenden Falles geht die Kammer aber davon aus, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis zur Firma D nicht eingegangen wäre, wenn ihr Arbeitsverhältnis zur Firma C nicht zum 30.09.2004 hätte enden sollen.

Die Kammer sieht auch angesichts der atypischen Umstände des vorliegenden Einzelfalles keine Möglichkeit, von den Vorgaben aus § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III abzuweichen. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass der Alg-Anspruch nur deswegen zum Ruhen gekommen ist, weil sie sich frühzeitig um einen neuen Arbeitsplatz bemüht und deswegen das Arbeitsverhältnis zur Firma C vorzeitig beendet hat. Auch dies rechtfertigt jedoch keine Ausnahme von § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III, denn diese Vorschrift enthält die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung, dass eine Entlassungsentschädigung bei Nichteinhaltung der in der Vorschrift genannten Frist auch Entgeltansprüche abdecken soll (Düe, a.a.O., Rn. 4). Sinn von § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III ist es, einen Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Alg zu vermeiden. Zwar hat sich die Klägerin im Sinne der Interessen der Versichertengemeinschaft verhalten, als sie selbständig einen Anschlussarbeitsplatz gesucht und deswegen das Arbeitsverhältnis zur Firma C vorzeitig beendet hat, im Verlust dieses Anschlussarbeitsplatzes hat sich jedoch ein allgemeines Lebensrisiko realisiert, das nicht auf die Versichertengemeinschaft abgewälzt werden darf, solange noch Entgeltleistungen (oder hier – wie dargelegt – als Entgeltleistungen anzusehende Leistungen) des früheren Arbeitsgebers zu beanspruchen sind.

Die zuletzt seitens der Beklagten vorgenommene Berechnung des Ruhenszeitraums beruht auf § 143 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 SGB III. Berechnungsfehler sind nicht gerügt worden und dem Gericht auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das Gericht verkennt nicht, dass die Beklagte durch ihren während des Klageverfahrens erlassenen Bescheid vom 08.11.2004 eine erhebliche Verkürzung des Ruhenszeitraums vorgenommen hat. Der Klägerin sind aber auch diesbezüglich keine Kosten zu erstatten, denn die Beklagte hat hiermit Erkenntnissen Rechnung getragen, die sich unzweifelhaft erst aus der Auskunft der Firma C von 28.10.2004 ergeben haben. Insbesondere wurde erst hierdurch klar, dass die Klägerin nach dem 01.04.2004 keine Entgeltzahlungen der Firma C mehr erhalten oder zu beanspruchen hatte und das der im Verwaltungsverfahren vorgelegte Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen worden war.
Rechtskraft
Aus
Saved