Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 23 (11) U 59/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 868,41 DM zu zahlen. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg), das sie der Versicherten gewährt hat, sowie hierauf entfallende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Die 1965 geborene Versicherte war von der Beklagten unter dem 14.02.1997 aufgefordert worden, ihre seit 1982 verrichtete Tätigkeit als Zahnarzthelferin aufzugeben (Maßnahme gemäß § 3 der Berufskrankheitenverordnung - BKVO - zur Vorbeugung der Gefahr der Entstehung bzw. Verschlimmerung einer Berufskrankheit - BK - entsprechend der Nr. 5101 der Anlage zur BKVO). Die Anerkennung dieser BK erfolgte durch deren weiteren Bescheid vom 24.02.1997. Die Versicherte hatte die letzte Arbeitsstelle bereits zum 31.01.1997 gekündigt und war wegen der BK-Folgen seit dem 17.01.1996 arbeitsunfähig. Im Anschluss daran bezog sie von der Klägerin seit dem 05.07.1996 Alg. Durch den Bescheid vom 23.05.1997 bewilligte die Beklagte berufliche Rehabilitation in Gestalt der am 20.05.1997 begonnenen Maßnahme mit der Ausbildung zur Reiseverkehrsfrau unter gleichzeitiger Bewilligung von Übergangsgeld, das die Versicherte bis zur erfolgreich am 22.01.1999 abgelegten Prüfung in Höhe von zuletzt kalendertäglich 45,93 DM bezog.
Noch vor dem endgültigen Abschluss der Maßnahme meldete sich die Versicherte beim Arbeitsamt (AA) Hamm mit Wirkung der für Mitte Januar 1999 vorgesehenen mündlichen Prüfung arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Klägerin verweigerte dies zunächst wegen des ihrer Auffassung nach vorrangigen Anspruchs der Versicherten auf Anschluss-Übergangsgeld (A-ÜBG). Nachdem die Beklagte die Gewährung dieser Leistung sowohl gegenüber der Versicherten als auch der Klägerin verweigerte, bewilligte die Klägerin mit Bescheid vom 04.03.1999 aus dem Restanspruch von 46 Kalendertagen Alg vom 23.01.1999 bis 09.02.1999 (18 Kalendertage je 39,22 DM), nachdem die Versicherte am 10.02.1999 eine Arbeit im Umschulungsberuf bei gleichzeitiger Bewilligung von Eingliederungshilfe an das Beschäftigungsunternehmen durch die Beklagte aufgenommen hatte.
Mit Schreiben vom 01.04.1999 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Erstattung des gezahlten Alg in Höhe von 705,96 DM zuzüglich Versicherungsbeiträgen geltend; sie bezifferte den Erstattungsanspruch unter dem 08.06.1999 auf insgesamt 868,41 DM unter Einbeziehung von Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 143,92 DM sowie Beiträgen für die Pflegeversicherung in Höhe von 18,53 DM. Sie verwies dabei auf den Erlass des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 05.03.1999, wonach der jeweilige Rehabilitationsträger im Anschluss an eine abgeschlossene Berufsförderung das Übergangsgeld zunächst weiterzahle, es sei denn, es bestehe ein Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten. Die Beklagte widersprach dem unter Hinweis auf eine Information des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) vom 16.01.1998 (HVBG-Info 3/1998), wonach der Anspruch auf A-ÜBG gegenüber einem Alg-Anspruch nachrangig sei. Im folgenden Schriftwechsel zwischen den Beteiligten wurden die gegenseitigen Standpunkte vertieft, u. a. unter Hinweis auf ein Schreiben des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) vom 09.09(.1999 sowie die abweichende Verfahrenspraxis der Bau-Berufsgenossenschaft Rheinland und Westfalen, die den Alg-Anspruch von weniger als 90 Kalendertagen als nachrangig ansehe.
Mit ihrer am 12.04.2000 erhobenen Klage begehrt die Klägerin gemäß § 104 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) die Erstattung von 868,41 DM, weil der Versicherten zu Recht Alg bewilligt worden sei; der Ruhenstatbestand gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) sei erst bei Bewilligung von A-ÜBG gegeben. Diese Leistung sei gegenüber der Alg-Restanspruchsdauer von 46 Tagen vorrangig, weil schon aus der Formulierung des § 50 Abs. 2 Nr. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) "weitergezahlt" zu folgern sei, dass vom Gesetzgeber keine Unterbrechung der A-ÜBG-Zahlung gewollt sei. Die von der Beklagten vertretene Auffassung mit einem zwischenzeitlichen Alg-Bezug von weniger als drei Monaten stelle keine Weiterzahlung dieser Leistung im Anschluss dar. Dieser Auslegung werde auch durch § 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III im Hinblick auf den Ruhenstatbestand bezogen auf Alg bei der Gewährung von A-ÜBG bestätigt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Betrag von 868,41 DM im Zusammenhang mit der Gewährung von Arbeitslosengeld an die Versicherte zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist demgegenüber darauf, dass der Auffassung der Klägerin der Wortlaut des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII entgegenstehe, wonach sich der Zeitraum von drei Monaten um die Anzahl von Tagen, für die die Versicherte im Anschluss an die berufsfördernde Leistung einen Anspruch auf Alg geltend machen könne, vermindere. Daraus folge für den streitbefangenen Fall, dass bei einem Restanspruch auf Alg von 46 Kalendertagen und einer Arbeitslosigkeit von weniger als 46 Tagen das A-ÜBG nicht zu zahlen sei; erst mit dem 47. Tag hätte Anspruch auf diese Leistung bestanden. Alg müsse Vorrang vor der Zahlung des A-ÜBG haben, weil der Beginn der Arbeitslosigkeit ebenso nicht absehbar sei wie deren Dauer und ob rechnerisch überhaupt die Zahlung eines verminderten A-ÜBG in Betracht kommen könne. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII, weil seit Inkrafttreten des SGB III während einer beruflichen Rehabilitation keine Beitragspflicht mehr für Arbeitslosenversicherung bestehe, mithin das allgemeine Arbeitsmarktrisiko einerseits und die unfallversicherungsrechtliche Verpflichtung zur beruflichen Wiedereingliederung Versicherter andererseits deutlicher als zuvor voneinander getrennt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie den der jeweiligen Verwaltungsakten der beteiligten Versicherungsträger, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist begründet.
Die Beklagte ist als gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorrangig verpflichteter Sozialleistungsträgerin gegenüber der nachrangig verpflichteten Klägerin erstattungspflichtig. Diesen Erstattungsanspruch hindernde Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Leistungspflicht der Klägerin ist nicht nachträglich entfallen (§ 104 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 103 Abs. 1 SGB X), nachdem die Klägerin ihren ursprünglichen gegenüber der Versicherten erlassenen Aufhebungsbescheid vom 08.06.1999 mit Bescheid vom 31.01.2000 wieder zurückgenommen hat. Die Bewilligung von 18 Kalendertagen Alg durch die Klägerin an die Versicherte aus dem noch bestehenden Restanspruch von 46 Kalendertagen war auch rechtmäßig, weil der aufgrund der Arbeitslosmeldung vom 01.07.1996 entstandene Alg-Anspruch bei Beginn des erneuten Bezuges am 23.01.1999 noch nicht erloschen war (siehe dazu § 147 Abs. 2 SGB III, der ein Erlöschen des Anspruches erst nach vier Jahren vorsieht). Die Beklagte ist ihrer Verpflichtung aus § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII in der bis zum Inkrafttreten des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) zum 01.07.2001 gültigen und vorliegend maßgeblichen Fassung auf Gewährung von A-ÜBG nicht nur nicht rechtzeitig, sondern überhaupt nicht nachgekommen (vgl. dazu zum Prüfungsmaßstab und den einzelnen Voraussetzungen des Erstattungsanspruches gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X Bundessozialgericht - BSG - in SozR 3-1300 § 104 Nr. 8 mit weiteren Hinweisen). Die in dieser Entscheidung geforderte Gleichartigkeit der Leistungen ist ebenfalls gegeben, weil sowohl das A-ÜBG als auch das Alg eine Lohnersatzleistung beinhalten.
Schließlich hat die Klägerin auch die für den streitbefangenen Klageanspruch erforderliche Jahresfrist gemäß § 111 Satz 1 SGB X gewahrt, nämlich den Anspruch spätestens durch die unter dem 08.06.1999 erfolgte Bezifferung der Klageforderung, also binnen vier Monaten nach dem Ende des Alg-Bezuges der Versicherten am 09.02.1999, geltend gemacht hat.
Die Nachrangigkeit des Alg-Anspruches der Versicherten gegenüber demjenigen auf A-ÜBG entnimmt die Kammer sowohl dem Wortlaut des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII (vgl. die insoweit überwiegend wort- bzw. inhaltsgleichen Regelungen in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGB III, § 25 Abs. 3 Nr. 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI - sowie in § 26 Abs. 8 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz - BVG -) als auch auf der Systematik und dem Sinn und Zweck dieser Regelung(en). Entgegen der Auffas sung der Beklagten, die durch den HVBG (vgl. a.a.O.) und die Kommentierungen (u. a. in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Handkommentar zur gesetzlichen Unfallversicherung, Stand Januar 2001, RdNr. 15-A 697 - zu § 50 SGB VII a.F.; Hauck-Römer, Kommentar zur Unfallversicherung, Stand Juni 1998; RdNr. 16) - allerdings jeweils ohne eine nähere Begründung - gestützt wird, ergibt sich schon aus dem Wortlaut in § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII: "weitergezahlt". Danach besteht bis zu drei Monaten (90 Ka lendertagen) bei Erfüllung der zwischen den Beteiligten nicht streitigen und vom Gericht ebenfalls festgestellten Voraussetzungen, nämlich die der Maßnahme unmit telbar anschließende Arbeitslosmeldung für Rehabilitanden ein Anspruch auf A-ÜBG, sofern sie auf keinen Anspruch auf Verletzten- oder Krankengeld zurückgreifen können, was hier nicht der Fall war.
Soweit sich die Beklagte zur Begründung auf den zweiten Halbsatz in § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII bezieht, wonach sich der höchstens bis zu 90 Kalendertagen (drei Monate) erstreckende Anspruch auf A-ÜBG um die Anzahl von Tagen mit Anspruch auf Alg vermindert, ist schon aus systematischen Gründen die darin geregelte Beschränkungswirkung nicht geeignet, den von der Beklagten angenommenen Vorrang des Alg-Anspruches von weniger als 90 Kalendertagen begründen zu können. Dies könnte allenfalls nur dann angenommen werden, wenn der Gesetzgeber den zweiten Halbsatz vorgezogen und die Regelung im ersten Halbsatz an den Schluss gesetzt hätte.
Ein weiteres, für die Kammer ausschlaggebendes Argument der Vorrangigkeit des A-ÜBG gegenüber einem Alg-Anspruch von weniger als 90 Kalendertagen ergibt sich aus dem Veranlassungsprinzip. Entweder ist aus unfall- bzw. berufskrankheitsbedingten Gründen eine berufliche Umschulung erfolgt oder im Versorgungs-, Rentenversicherungs- und Arbeitsförderungsrecht liegende Ursachen waren Anlass für eine solche Maßnahme. Dann ist es aber folgerichtig, dass der jeweils verantwortliche Leistungsträger für die Übergangszeit zwischen erfolgreicher beruflicher Neuorientierung und Erlangung eines entsprechenden Arbeitsplatzes Leistungen erbringt. Das Argument der Beklagten, die arbeitsmarktlichen Risiken seien von denen der Unfallversicherung zu unterscheiden, so dass die Klägerin vorrangig leistungsverpflichtet sei, solange ein entsprechender Arbeitsplatz nicht vermittelt werden könne, missachtet die vom Gesetzgeber beabsichtigte, bis zu drei Monaten dauernde Verantwortung im Bezug auf Lohnersatzleistungen des Leistungsträgers der beruflichen Rehabilitation. Der Gesetzgeber wollte nur eine Begrenzung des A-ÜBG auf drei Monate nach erfolgreicher beruflicher Umschulung bzw. einen Leistungsanspruch nur gegen die Arbeitsverwaltung begründen, wenn ein längerer Alg-Anspruch als 90 Kalendertage geltend gemacht werden kann.
Das Gericht sieht sich in seiner Rechtsauffassung auch dadurch bestätigt, dass die Beklagte ohnehin im Rahmen der nachgehenden Berufshilfe die Versicherte durch Bewilligung von Eingliederungshilfe gemäß § 36 Abs. VII an das neue Beschäftigungsunternehmen bei der Erlangung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes zu begleiten hatte. Die Gewährung der Eingliederungshilfe und der von A-ÜBG ergänzen sich im Rahmen der vom Gesetzgeber gewollten endgültigen Eingliederung von beruflichen Rehabilitanden.
Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte im Falle der Rechtskraft dieser Entscheidung der Versicherten die ihr demnach zustehende höhere Leistung auf A-ÜBG im Vergleich zum nachrangigen, niedrigeren Alg in der Zeit vom 23.01.1999 bis 09.02.1999 gemäß § 44 SGB X von Amts wegen nachbewilligen wird.
Die Höhe der Klageforderung ist hinreichend dargetan, sie umfasst das kalendertägliche Alg von 39,22 DM (18 Tage à 39,22 DM = 705,96 DM) sowie die darauf entfallenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 143,92 DM bzw. 18,53 DM; die Berechnung dieser Beiträge beruht auf dem dem Alg zugrundeliegenden an teiligen Bemessungsentgelt von 1.090,29 DM (13,2 v. H. für die Kranken- und 1,7 v. H. für die Pflegeversicherung).
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten (§ 193 Abs. 4 Satz 1 SGG).
Wegen der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung der Vorrangigkeit von A-ÜBG nicht nur für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern auch für den Bereich der Rentenversicherung, des Arbeitsförderungsrechts sowie der sozialen Entschädigung, hat die Kammer die Sprungrevision zugelassen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg), das sie der Versicherten gewährt hat, sowie hierauf entfallende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Die 1965 geborene Versicherte war von der Beklagten unter dem 14.02.1997 aufgefordert worden, ihre seit 1982 verrichtete Tätigkeit als Zahnarzthelferin aufzugeben (Maßnahme gemäß § 3 der Berufskrankheitenverordnung - BKVO - zur Vorbeugung der Gefahr der Entstehung bzw. Verschlimmerung einer Berufskrankheit - BK - entsprechend der Nr. 5101 der Anlage zur BKVO). Die Anerkennung dieser BK erfolgte durch deren weiteren Bescheid vom 24.02.1997. Die Versicherte hatte die letzte Arbeitsstelle bereits zum 31.01.1997 gekündigt und war wegen der BK-Folgen seit dem 17.01.1996 arbeitsunfähig. Im Anschluss daran bezog sie von der Klägerin seit dem 05.07.1996 Alg. Durch den Bescheid vom 23.05.1997 bewilligte die Beklagte berufliche Rehabilitation in Gestalt der am 20.05.1997 begonnenen Maßnahme mit der Ausbildung zur Reiseverkehrsfrau unter gleichzeitiger Bewilligung von Übergangsgeld, das die Versicherte bis zur erfolgreich am 22.01.1999 abgelegten Prüfung in Höhe von zuletzt kalendertäglich 45,93 DM bezog.
Noch vor dem endgültigen Abschluss der Maßnahme meldete sich die Versicherte beim Arbeitsamt (AA) Hamm mit Wirkung der für Mitte Januar 1999 vorgesehenen mündlichen Prüfung arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Klägerin verweigerte dies zunächst wegen des ihrer Auffassung nach vorrangigen Anspruchs der Versicherten auf Anschluss-Übergangsgeld (A-ÜBG). Nachdem die Beklagte die Gewährung dieser Leistung sowohl gegenüber der Versicherten als auch der Klägerin verweigerte, bewilligte die Klägerin mit Bescheid vom 04.03.1999 aus dem Restanspruch von 46 Kalendertagen Alg vom 23.01.1999 bis 09.02.1999 (18 Kalendertage je 39,22 DM), nachdem die Versicherte am 10.02.1999 eine Arbeit im Umschulungsberuf bei gleichzeitiger Bewilligung von Eingliederungshilfe an das Beschäftigungsunternehmen durch die Beklagte aufgenommen hatte.
Mit Schreiben vom 01.04.1999 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Erstattung des gezahlten Alg in Höhe von 705,96 DM zuzüglich Versicherungsbeiträgen geltend; sie bezifferte den Erstattungsanspruch unter dem 08.06.1999 auf insgesamt 868,41 DM unter Einbeziehung von Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 143,92 DM sowie Beiträgen für die Pflegeversicherung in Höhe von 18,53 DM. Sie verwies dabei auf den Erlass des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 05.03.1999, wonach der jeweilige Rehabilitationsträger im Anschluss an eine abgeschlossene Berufsförderung das Übergangsgeld zunächst weiterzahle, es sei denn, es bestehe ein Anspruch auf Alg von mindestens drei Monaten. Die Beklagte widersprach dem unter Hinweis auf eine Information des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) vom 16.01.1998 (HVBG-Info 3/1998), wonach der Anspruch auf A-ÜBG gegenüber einem Alg-Anspruch nachrangig sei. Im folgenden Schriftwechsel zwischen den Beteiligten wurden die gegenseitigen Standpunkte vertieft, u. a. unter Hinweis auf ein Schreiben des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) vom 09.09(.1999 sowie die abweichende Verfahrenspraxis der Bau-Berufsgenossenschaft Rheinland und Westfalen, die den Alg-Anspruch von weniger als 90 Kalendertagen als nachrangig ansehe.
Mit ihrer am 12.04.2000 erhobenen Klage begehrt die Klägerin gemäß § 104 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) die Erstattung von 868,41 DM, weil der Versicherten zu Recht Alg bewilligt worden sei; der Ruhenstatbestand gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) sei erst bei Bewilligung von A-ÜBG gegeben. Diese Leistung sei gegenüber der Alg-Restanspruchsdauer von 46 Tagen vorrangig, weil schon aus der Formulierung des § 50 Abs. 2 Nr. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) "weitergezahlt" zu folgern sei, dass vom Gesetzgeber keine Unterbrechung der A-ÜBG-Zahlung gewollt sei. Die von der Beklagten vertretene Auffassung mit einem zwischenzeitlichen Alg-Bezug von weniger als drei Monaten stelle keine Weiterzahlung dieser Leistung im Anschluss dar. Dieser Auslegung werde auch durch § 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III im Hinblick auf den Ruhenstatbestand bezogen auf Alg bei der Gewährung von A-ÜBG bestätigt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Betrag von 868,41 DM im Zusammenhang mit der Gewährung von Arbeitslosengeld an die Versicherte zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist demgegenüber darauf, dass der Auffassung der Klägerin der Wortlaut des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII entgegenstehe, wonach sich der Zeitraum von drei Monaten um die Anzahl von Tagen, für die die Versicherte im Anschluss an die berufsfördernde Leistung einen Anspruch auf Alg geltend machen könne, vermindere. Daraus folge für den streitbefangenen Fall, dass bei einem Restanspruch auf Alg von 46 Kalendertagen und einer Arbeitslosigkeit von weniger als 46 Tagen das A-ÜBG nicht zu zahlen sei; erst mit dem 47. Tag hätte Anspruch auf diese Leistung bestanden. Alg müsse Vorrang vor der Zahlung des A-ÜBG haben, weil der Beginn der Arbeitslosigkeit ebenso nicht absehbar sei wie deren Dauer und ob rechnerisch überhaupt die Zahlung eines verminderten A-ÜBG in Betracht kommen könne. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII, weil seit Inkrafttreten des SGB III während einer beruflichen Rehabilitation keine Beitragspflicht mehr für Arbeitslosenversicherung bestehe, mithin das allgemeine Arbeitsmarktrisiko einerseits und die unfallversicherungsrechtliche Verpflichtung zur beruflichen Wiedereingliederung Versicherter andererseits deutlicher als zuvor voneinander getrennt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie den der jeweiligen Verwaltungsakten der beteiligten Versicherungsträger, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist begründet.
Die Beklagte ist als gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorrangig verpflichteter Sozialleistungsträgerin gegenüber der nachrangig verpflichteten Klägerin erstattungspflichtig. Diesen Erstattungsanspruch hindernde Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Leistungspflicht der Klägerin ist nicht nachträglich entfallen (§ 104 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 103 Abs. 1 SGB X), nachdem die Klägerin ihren ursprünglichen gegenüber der Versicherten erlassenen Aufhebungsbescheid vom 08.06.1999 mit Bescheid vom 31.01.2000 wieder zurückgenommen hat. Die Bewilligung von 18 Kalendertagen Alg durch die Klägerin an die Versicherte aus dem noch bestehenden Restanspruch von 46 Kalendertagen war auch rechtmäßig, weil der aufgrund der Arbeitslosmeldung vom 01.07.1996 entstandene Alg-Anspruch bei Beginn des erneuten Bezuges am 23.01.1999 noch nicht erloschen war (siehe dazu § 147 Abs. 2 SGB III, der ein Erlöschen des Anspruches erst nach vier Jahren vorsieht). Die Beklagte ist ihrer Verpflichtung aus § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII in der bis zum Inkrafttreten des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) zum 01.07.2001 gültigen und vorliegend maßgeblichen Fassung auf Gewährung von A-ÜBG nicht nur nicht rechtzeitig, sondern überhaupt nicht nachgekommen (vgl. dazu zum Prüfungsmaßstab und den einzelnen Voraussetzungen des Erstattungsanspruches gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X Bundessozialgericht - BSG - in SozR 3-1300 § 104 Nr. 8 mit weiteren Hinweisen). Die in dieser Entscheidung geforderte Gleichartigkeit der Leistungen ist ebenfalls gegeben, weil sowohl das A-ÜBG als auch das Alg eine Lohnersatzleistung beinhalten.
Schließlich hat die Klägerin auch die für den streitbefangenen Klageanspruch erforderliche Jahresfrist gemäß § 111 Satz 1 SGB X gewahrt, nämlich den Anspruch spätestens durch die unter dem 08.06.1999 erfolgte Bezifferung der Klageforderung, also binnen vier Monaten nach dem Ende des Alg-Bezuges der Versicherten am 09.02.1999, geltend gemacht hat.
Die Nachrangigkeit des Alg-Anspruches der Versicherten gegenüber demjenigen auf A-ÜBG entnimmt die Kammer sowohl dem Wortlaut des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII (vgl. die insoweit überwiegend wort- bzw. inhaltsgleichen Regelungen in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGB III, § 25 Abs. 3 Nr. 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI - sowie in § 26 Abs. 8 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz - BVG -) als auch auf der Systematik und dem Sinn und Zweck dieser Regelung(en). Entgegen der Auffas sung der Beklagten, die durch den HVBG (vgl. a.a.O.) und die Kommentierungen (u. a. in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Handkommentar zur gesetzlichen Unfallversicherung, Stand Januar 2001, RdNr. 15-A 697 - zu § 50 SGB VII a.F.; Hauck-Römer, Kommentar zur Unfallversicherung, Stand Juni 1998; RdNr. 16) - allerdings jeweils ohne eine nähere Begründung - gestützt wird, ergibt sich schon aus dem Wortlaut in § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII: "weitergezahlt". Danach besteht bis zu drei Monaten (90 Ka lendertagen) bei Erfüllung der zwischen den Beteiligten nicht streitigen und vom Gericht ebenfalls festgestellten Voraussetzungen, nämlich die der Maßnahme unmit telbar anschließende Arbeitslosmeldung für Rehabilitanden ein Anspruch auf A-ÜBG, sofern sie auf keinen Anspruch auf Verletzten- oder Krankengeld zurückgreifen können, was hier nicht der Fall war.
Soweit sich die Beklagte zur Begründung auf den zweiten Halbsatz in § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII bezieht, wonach sich der höchstens bis zu 90 Kalendertagen (drei Monate) erstreckende Anspruch auf A-ÜBG um die Anzahl von Tagen mit Anspruch auf Alg vermindert, ist schon aus systematischen Gründen die darin geregelte Beschränkungswirkung nicht geeignet, den von der Beklagten angenommenen Vorrang des Alg-Anspruches von weniger als 90 Kalendertagen begründen zu können. Dies könnte allenfalls nur dann angenommen werden, wenn der Gesetzgeber den zweiten Halbsatz vorgezogen und die Regelung im ersten Halbsatz an den Schluss gesetzt hätte.
Ein weiteres, für die Kammer ausschlaggebendes Argument der Vorrangigkeit des A-ÜBG gegenüber einem Alg-Anspruch von weniger als 90 Kalendertagen ergibt sich aus dem Veranlassungsprinzip. Entweder ist aus unfall- bzw. berufskrankheitsbedingten Gründen eine berufliche Umschulung erfolgt oder im Versorgungs-, Rentenversicherungs- und Arbeitsförderungsrecht liegende Ursachen waren Anlass für eine solche Maßnahme. Dann ist es aber folgerichtig, dass der jeweils verantwortliche Leistungsträger für die Übergangszeit zwischen erfolgreicher beruflicher Neuorientierung und Erlangung eines entsprechenden Arbeitsplatzes Leistungen erbringt. Das Argument der Beklagten, die arbeitsmarktlichen Risiken seien von denen der Unfallversicherung zu unterscheiden, so dass die Klägerin vorrangig leistungsverpflichtet sei, solange ein entsprechender Arbeitsplatz nicht vermittelt werden könne, missachtet die vom Gesetzgeber beabsichtigte, bis zu drei Monaten dauernde Verantwortung im Bezug auf Lohnersatzleistungen des Leistungsträgers der beruflichen Rehabilitation. Der Gesetzgeber wollte nur eine Begrenzung des A-ÜBG auf drei Monate nach erfolgreicher beruflicher Umschulung bzw. einen Leistungsanspruch nur gegen die Arbeitsverwaltung begründen, wenn ein längerer Alg-Anspruch als 90 Kalendertage geltend gemacht werden kann.
Das Gericht sieht sich in seiner Rechtsauffassung auch dadurch bestätigt, dass die Beklagte ohnehin im Rahmen der nachgehenden Berufshilfe die Versicherte durch Bewilligung von Eingliederungshilfe gemäß § 36 Abs. VII an das neue Beschäftigungsunternehmen bei der Erlangung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes zu begleiten hatte. Die Gewährung der Eingliederungshilfe und der von A-ÜBG ergänzen sich im Rahmen der vom Gesetzgeber gewollten endgültigen Eingliederung von beruflichen Rehabilitanden.
Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte im Falle der Rechtskraft dieser Entscheidung der Versicherten die ihr demnach zustehende höhere Leistung auf A-ÜBG im Vergleich zum nachrangigen, niedrigeren Alg in der Zeit vom 23.01.1999 bis 09.02.1999 gemäß § 44 SGB X von Amts wegen nachbewilligen wird.
Die Höhe der Klageforderung ist hinreichend dargetan, sie umfasst das kalendertägliche Alg von 39,22 DM (18 Tage à 39,22 DM = 705,96 DM) sowie die darauf entfallenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 143,92 DM bzw. 18,53 DM; die Berechnung dieser Beiträge beruht auf dem dem Alg zugrundeliegenden an teiligen Bemessungsentgelt von 1.090,29 DM (13,2 v. H. für die Kranken- und 1,7 v. H. für die Pflegeversicherung).
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten (§ 193 Abs. 4 Satz 1 SGG).
Wegen der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung der Vorrangigkeit von A-ÜBG nicht nur für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern auch für den Bereich der Rentenversicherung, des Arbeitsförderungsrechts sowie der sozialen Entschädigung, hat die Kammer die Sprungrevision zugelassen (§ 161 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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