Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AY 11/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 127/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 01.12.2008 bis 31.07.2009 anstelle der gemäß § 3 AsylbLG erhaltenen Leistungen.
Die Klägerin zu 1) wurde am 00.00.0000 in Nigeria geboren und lebt seit 02.11.1992 in Deutschland. Sie ist die Mutter der am 00.00.0000 geborenen Klägerin zu 2) und deren Halbbruder, des am 00.00.0000 geborenen Klägers zu 3), die beide in Deutschland geboren sind und seitdem hier leben. Alle drei Kläger sind nigerianische Staatsangehörige. Der Vater der Klägerin zu 2) ist britischer Staatsangehöriger und nach Angaben der Kläger zurzeit verschollen; bereits im August 2000 haben er und die Klägerin zu 1) sich getrennt. Die britische Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2) ist nicht festgestellt oder geklärt worden. Der Aufenthalt der Klägerin zu 1) ab 02.11.1992 und der Klägerin zu 2) ab deren Geburt war bis 10.05.1999 gestattet bzw. geduldet; aus humanitären Gründen erhielten sie ab 11.05.1999 eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 bzw. § 31 Ausländergesetz (AuslG), ab 29.09.1999 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 2 bzw. § 21 AuslG; seit Januar 2005 sind sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Der Aufenthalt des Klägers zu 3) in Deutschland war seit seiner Geburt - abgeleitet vom Recht der Mutter - erlaubt; seit 05.12.2007 ist auch er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.
Ihren Lebensunterhalt in Deutschland bestritten die Klägerin zu 1) ab 02.11.1992 und die Kläger zu 2) und 3) jeweils ab Geburt wie folgt Zeitraum Leistungen 02.11.1992 - 04.11.1996 unbekannt 05.11.1996 - 24.01.1997 Jugendhilfe 25.01.1997 - 31.05.1997 unbekannt 01.06.1997 - 22.11.1997 nach § 3 AsylbLG (vom Beklagten fiktiv anerkannt) 23.11.1997 - 19.08.2000 Unterhalt des Vaters der Klägerin zu 2) 20.08.2000 - 22.08.2000 Sozialhilfe (Frauenhaus) 23.08.2000 - 28.03.2001 Jugendhilfe 29.03.2001 - 31.12.2004 Sozialhilfe nach BSHG 01.01.2005 - 30.11.2008 Grundsicherung nach SGB II Seit 01.12.2008 erhalten sie Leistungen nach § 3 AsylbLG. Die Bewilligung dieser Leistungen erfolgte für Dezember 2008 durch bestandskräftigen Bescheid vom 27.11.2008 für Januar 2009 durch bestandskräftigen Bescheid vom 22.12.2008 für Februar 2009 durch bestandskräftigen Bescheid vom 26.01.2009 für März bis Juni 2009 ohne (schriftlichen) Bescheid für Juli 2009 durch Bescheid vom 22.07.2009.
Am 20.07.2009 beantragten die Kläger gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die "Überprüfung des bestandskräftigen Bescheides v. 27.11.2008 für den Monat Dezember 2008" und erhoben Widerspruch gegen die "Bescheide für die Monate Januar bis Juli 2009". Sie vertraten die Auffassung, sie hätten unter Berücksichtigung der bereits bezogenen Sozialleistungen und des z. T. langjährigen Aufenthalts in Deutschland Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG analog dem SGB XII.
Durch zwei Widerspruchsbescheide vom 13.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 22.12.2008 (für Januar 2009) und 26.01.2009 (für Februar 2009) als unzulässig, weil verfristet zurück. Den Widerspruch gegen die ohne schriftlichen Bewilligungsbescheid erfolgten tatsächlichen Zahlungen für die Monate März bis Juli 2009 wies sie als unbegründet zurück. Die Vorbezugszeit von 48 Monaten, um Leistungen nach § 2 AsylbLG beanspruchen zu können, könne ausschließlich durch Leistungen nach § 3 AsylbLG, nicht aber auch andere Sozialleistungen nach Jugendhilferecht (SGB VIII), Sozialhilferecht (BSHG oder SGB XII) oder nach dem SGB II erfüllt werden. Die Beklagte verwies hierzu auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.06.2008 (B 8/9 b AY 1/07 R) und der Kammer vom 15.09.2009 (S 20 AY 6/09).
Durch Bescheid vom 16.09.2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X ab. Sie erkannte fiktiv die Zeit vom 01.06. bis 22.11.2007 bei der Klägerin zu 1) als Zeitraum des Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG an. Ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG bestehe jedoch für keinen der Kläger, weil die Vorbezugszeit von 48 Monaten noch nicht erfüllt sei. Den dagegen am 13.10.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 03.11.2009 zurück. Sie legte nunmehr dem Antrags-/Widerspruchsschreiben der Kläger vom 15.07.2009 die umfassende Zielsetzung einer Überprüfung der Leistungsansprüche von Dezember 2008 bis Juli 2009 zugrunde und bezog den Antrag nach § 44 SGB X auch auf die bestandskräftigen Bescheide vom 22.11.2009 (für Januar 2009) und 26.01.2009 (für Februar 2009). Eine Änderung der Bescheide habe nicht zu erfolgen, weil das Recht richtig angewandt worden sei.
Am 11.11.2009 haben die Kläger gegen die drei Widerspruchsbescheide und die diesen zugrunde liegenden Ausgangsbescheide Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, ihr Fall weiche in verschiedenen wesentlichen Punkten von der durch das BSG entschiedenen Rechtssache B 8/9 b AY 1/07 R ab:
Unabhängig von der Frage der britischen Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2) könne sich ein aus dem Freizügigkeitsrecht des Kindesvaters abgeleitetes Bleiberecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) ergeben. Die Klägerin zu 2) besuche die Schule, sodass ein Anspruch nach § 3 Abs. 4 FreizügG/EU auf ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht bis zum Abschluss der Ausbildung in Betracht komme; die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Vater habe von Geburt an bis August 2000 bestanden; Sozialleistungen seien nicht bezogen worden; es habe ein Krankenversicherungsschutz bestanden. Als personensorgeberechtigter Elternteil könne sich die Klägerin zu 1) ebenfalls auf ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht berufen. Unabhängig davon könnte auch ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU bestehen. Am 04.02.2010 sei beim Ausländeramt der Beklagten ein Antrag auf - ggf. rückwirkende - Ausstellung einer Aufenthaltsbescheinigung nach dem FreizügG/EU ("Aufenthaltskarte/EU") gestellt worden, über den bisher nicht entschieden sei. Die Kläger verweisen in diesem Zusammenhang auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 23.02.2010 (Rs. C-310/08) und des VGH Baden-Württemberg vom 22.03.2010 (11 S 1626/08).
Würden die seit der Einreise der Klägerin zu 1) nach Deutschland bzw. seit der Geburt der übrigen Kläger zu 2) und 3) bezogenen sonstigen Leistungen nach dem BSHG, dem SGB II oder die Leistungen der Jugendhilfe, ferner die Sicherstellung des Lebensunterhalts durch Unterhaltsleistungen anderer, auf die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG angerechnet, hätten sie bereits seit Einsetzen der Leistungsgewährung im Dezember 2008 einen Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII. Als Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG unterfielen sie zwar dem Leistungsregime des AsylbLG. Die Nichtberücksichtigung ihrer bisherigen Aufenthaltsdauer und ihres bisherigen leistungsrechtlichen Status begegne jedoch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie hätten auf die Art ihres Leistungsbezuges keinen Einfluss gehabt. Die Dauer ihres Aufenthalts hätten sie, was auch die Beklagte nicht behaupte, nicht selbst rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Die Gründe für ihren Aufenthalt in Deutschland, der sich im Laufe der Zeit weiter verfestigt habe, bestünden fort. Gleichwohl unterfielen sie nunmehr leistungsrechtlich dem AsylbLG. Kerngedanke des zum 01.11.1993 in Kraft getretenen AsylbLG sei es gewesen, Asylbewerber und ihnen gleichgestellte Personen angesichts ihres naturgemäß nur vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland von einem Anspruch nach dem BSHG auszuschließen und den Umfang der zu gewährenden Leistungen zu beschränken. Als Zuordnungsmerkmal diene im AsylbLG der ausländerrechtliche oder asylrechtliche Status. Der Gesetzgeber habe jedoch anerkannt, dass bei bereits längerem Aufenthalt in Deutschland und einem noch nicht absehbaren Ende des Aufenthalts nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden könne, welcher bei einem regelmäßig nur kurzen, vorübergehenden Aufenthalt entstehe. Insbesondere seien dann Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die deutschen Lebensverhältnisse und auf eine bessere Integration gerichtet seien. Die Erbringung nur eingeschränkter Leistungen nach dem AsylbLG sei deshalb zeitlich begrenzt worden, und zwar zunächst auf zwölf Monate. Zum 01.06.1997 sei die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG dann auf 36 Monate angehoben worden, mit Wirkung ab dem 28.08.2007 schließlich auf 48 Monate. Das Bundessozialgericht gehe in seiner Entscheidung vom 17.06.2008 davon aus, der Gesetzgeber habe mit der Änderung des AsylbLG zum 01.06.1997 erstmals auf den tatsächlichen Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen entsprechend dem SGB XII abgestellt. Ein solcher tatsächlicher Bezug sei vom Gesetzgeber bewusst und ohne Übergangsregelung unter Ausklammerung von Gesichtspunkten der bisherigen Aufenthaltsdauer und des bisherigen leistungsrechtlichen Status festgelegt worden. Damit solle Ausländern der Anreiz sowohl für eine Einreise als auch für einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet genommen werden. Jenes Ziel würde verfehlt, wenn andere Sozialleistungen oder Zeiten einer sonstigen anderweitigen Sicherstellung des Lebensunterhalts auf den erforderlichen Vorbezugszeitraum angerechnet würden. Diese Lesart des Bundessozialgerichts begegne allerdings verfassungsrechtlichen Bedenken: Die Gewährung nur eingeschränkter Leistungen sowie das Sachleistungsprinzip nach dem AsylbLG sei verfassungsrechtlich fragwürdig, wenn sich der Aufenthalt in Deutschland infolge seiner Dauer bereits verfestigt habe und seine Dauer nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst wurde. Ein Umkehrschluss aus § 50 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergebe schon, dass mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die Ausreisepflicht entfalle. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei ein der Aufenthaltsverfestigung zugänglicher Aufenthaltstitel. Mit ihrer Erteilung könne gerade nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Aufenthalt des Ausländers nur vorübergehend sei. Insofern gelte nichts anderes als für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse); die davon Betroffenen erhielten jedoch Zugang zu Leistungen nach dem SGB II. Ein nachvollziehbarer, sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung fehle. Nach Ablauf eines angemessenen Voraufenthalts in Deutschland könne die Gewährung von Sozialhilfeleistungen, welche den Leistungsberechtigten erst zur Führung eines der Menschenwürde entsprechenden Lebens in die Lage setze (§ 1 SGB XII)), aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls nicht länger verwehrt werden, wenn unabhängig von der Frage, wie der Lebensunterhalt in der bisherigen Aufenthaltszeit sichergestellt worden sei, die Dauer des bisherigen Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst wurde. Der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingeräumte gesetzgeberische Ermessensspielraum hinsichtlich einer für Asylbewerber und ihnen gleichgestellte Personen nach eigenem Konzept erfolgenden Sicherung des Lebensunterhalts sei nicht etwa schrankenlos. Ein Ausschluss von Leistungen entsprechend dem SGB XII nur deshalb, weil der Leistungsberechtigte während der Voraufenthaltszeit andere Leistungen als solche nach dem AsylbLG erhalten oder seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit sichergestellt habe, lasse sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Auch die vom BSG entschiedenen Fallkonstellationen hätten solche Fallgestaltungen nicht zur Grundlage gehabt. Nehme man aber die Rechtsprechung des BSG beim Wort, würden Betroffene selbst nach jahrelangem rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland aufgrund des von ihnen nicht zu beeinflussenden und auch nicht kalkulierbaren Umstandes des Bezugs höherrangiger Leistungen als solcher nach dem AsylbLG in willkürlicher Weise herabgestuft. Wenn das BSG insoweit keinen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) erkenne, weil ein Vorbezug von Grundleistungen über 48 Monate allen leistungsberechtigten Personen nach dem AsylbLG gleichermaßen abverlangt werde, so verkenne es, dass Ausländer mit bereits verfestigtem Aufenthalt gerade anders zu behandeln seien als solche, deren Aufenthalt nicht verfestigt sei. Gerade das bei einem entsprechend langen Voraufenthalt anzuerkennende Integrationbedürfnis, zu dessen Befriedigung auch ausreichende wirtschaftliche Leistungen auf dem Niveau des soziokulturellen Existenzminimums gehörten, bestehe unabhängig davon, wie lange Grundleistungen bezogen worden seien oder ob der Lebensunterhalt durch höherrangige Leistungen, durch Unterhalte oder Erwerbstätigkeit bestritten worden sei. Das BSG irre auch in seiner Ansicht, eine ursprünglich im AsylbLG enthaltene Integrationskomponente sei im Zuge der Gesetzesänderung gänzlich verloren gegangen. Im Übrigen sei auch zu berücksichtigen, dass die Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG seit 1993 nicht angehoben worden seien, obwohl die Lebenshaltungskosten erheblich gestiegen seien. Dies bedeute eine weitere verfassungswidrige Absenkung des bereits aktuell nicht mehr gedeckten Existenzminimums für Hilfeempfänger nach dem AsylbLG; die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seien damit nicht mehr garantiert. Die Kläger beantragen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2009 und Abänderung der Bescheide für die Leistungsmonate Dezember 2008 bis Februar 2009 sowie unter Abänderung der Verwaltungsentscheidungen für die Leistungsmonate März bis Juni 2009 und des Bescheides für den Leistungsmonat Juli 2009 vom 22.07.2009 in der Fassung der beiden Widerspruchsbescheide vom 13.10.2009 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01.12.2008 bis 31.07.2009 Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII unter Anrechnung der gem. § 3 AsylbLG erhaltenen Leistungen zu gewähren, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob § 2 AsylbLG mit Artikel 1, 2, 3 und 20 des Grundgesetzes vereinbar ist.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, ein nach dem FreizügG/EU ableitbares Freizügigkeitsrecht und daraus folgende Ansprüche der Klägerinnen zu 1) und 2) auf höhere Sozialleistungen bestünden nicht. Die Beklagte verweist auf eine Auskunft ihres Ausländeramtes vom 08.06.2010, wonach derzeit für die Klägerinnen zu 1) und 2) kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltskarte/EU bestehe; die Klägerinnen zu 1) und 2) hätten kein vom Kindesvater der Klägerin zu 2) abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, dass § 2 AsylbLG verfassungsgemäß ist. Die in dieser Vorschrift normierte Frist von 48 Monaten sei eine (echte) Vorbezugszeit und keine Wartefrist; dass die Kläger die Dauer ihres Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten, sei ohne Belang. Auch Ausländern, die - wie die Kläger - ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG besäßen, würde dadurch nicht die Stellung von langfristig Aufenthaltsberechtigten eingeräumt; ihr Aufenthalt sei weiter nur vorläufig. Die Beteiligten haben - wie durch Beschluss der Kammer vom 16.11.2010 festgestellt - folgenden Teilunterwerfungsvergleich geschlossen: 1.Die streitgegenständliche Frage, ob die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG verfassungsgemäß sind, wird von dem Ausgang des Verfahrens, das derzeit beim Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 1 BvL 10/10 anhängig ist, sowie den gegebenenfalls hieraus resultierenden Änderungen des AsylbLG abhängig gemacht. Der Beklagte wird ohne Verweis auf etwaige Fristen oder fehlende aktuelle Bedürftigkeit die Differenz zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG nachzahlen, sofern das Bundesverfassungsgericht und die auf dessen Veranlassung geänderte Gesetzeslage, eine Nachzahlung für den vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum vorsehen. 2.Das Verfahren bleibt im Hinblick auf die Frage, ob § 2 AsylbLG verfassungsgemäß ist, oder aber in einer wortlautergänzenden Auslegung auch andere Leistungszeiträume als die der tatsächlich bezogenen Grundleistungen anrechenbar sind und damit Leistungen nach § 2 AsylbLG zuzusprechen sind, in dem beim Sozialgericht Aachen unter dem Aktenzeichen S 20 AY 11/09 anhängigen Verfahren weiterhin streitig zu entscheiden. 3.Die Beklagte stimmt der Zulassung der Sprungrevision im Hinblick auf die streitige Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 2 AsylbLG und der Anrechenbarkeit anderer Leistungszeiträume als die eines tatsächlichen Bezuges von Grundleistungen zu. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (Sozialamt und Ausländeramt) und der Gerichtsakte S 20 AY 15/09 ER (SG Aachen), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Kläger haben für die mit der Klage geltend gemachten und allein streitbefangenen Monate Dezember 2008 bis Juli 2009 keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG, da sie die Voraussetzungen des Abs. 1 dieser Vorschrift in der ab 28.08.2007 geltenden Fassung nicht erfüllen. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Als Personen, die über eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG verfügen, sind die Kläger gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG leistungsberechtigt nach diesem Gesetz. Sie haben - unstreitig - bisher noch nicht über die Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten; die Klägerin zu 1) hat bis zum Tag der mündlichen Verhandlung (25.01.2011) erst 31 Monate und 17 Tage Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen, sodass an der Vorbezugszeit mehr als 16 Monate fehlen; die Kläger zu 2) und 3) beziehen Leistungen nach § 3 AsylbLG seit Dezember 2008, d. h. bisher erst knapp 26 Monate, sodass an der Vorbezugszeit noch mehr als 22 Monate fehlen. Das BSG hat in der Entscheidung vom 17.06.2008 (B 8/9b AY 1/07 R) mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass § 2 AsylbLG im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen eines Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG über einen Zeitraum von insgesamt 48 Monaten einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich ist. Das BSG hat hierzu ausgeführt:
"Die Vorbezugszeit ist nämlich keine Wartefrist, innerhalb der es unerheblich wäre, ob und welche (Sozial-)Leistungen der Ausländer bezogen hat (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 2 AsylbLG RdNr 8 bei Unterbrechungen durch Erhalt von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII; ders, AsylbLG, § 2 RdNr 39, Stand März 2007; vgl auch Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 12, Stand August 2007, zu sonstigen Sozialleistungen; aA Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2 und Birk in Lehr- und Praxiskommentar (LPK) SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3; zum Streitstand auch Hachmann/Hohm, NVwZ 2008, 33, 35 mwN). Dies ergibt sich aus dem hier zwingenden Wortlaut der Vorschrift. Zwar ist eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation von der Verfassung nicht vorgeschrieben. Eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut gehört sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 1997 - 1 BvL 11/96 -, NJW 1997, 2230, 2231). Diese kann zulässig sein, wenn die in den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht eine analoge oder einschränkende Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte gebietet und deswegen sowie wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage auch der nicht geregelte Fall hätte einbezogen werden müssen (BSGE 57, 195, 196 = SozR 1500 § 149Nr 7 S 7). Dabei darf dem Gesetz aber kein entgegenstehender Sinn verliehen werden, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.
Einer den Wortlaut erweiternden Auslegung des § 2 AsylbLG, mit der Bezugszeiten anderer Leistungen als der nach § 3 AsylbLG - auch solcher nach § 2 AsylbLG - oder Zeiten ohne irgendeinen Leistungsbezug gleichgestellt würden, stehen Sinn und Zweck der Regelung und deren Gesetzesentwicklung entgegen; ob für Zeiten, in denen ein durchsetzbarer Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG bestand, der erst später zugestanden wird, etwas Anderes gilt (vgl dazu in anderem Zusammenhang: Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 126 RdNr 45 mwN, Stand August 2004), kann offen bleiben. So normierte § 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl I 1074) für geduldete Ausländer überhaupt keine Vorbezugszeit und für Asylbewerber eine reine Wartefrist von zwölf Monaten nach Asylantragstellung. Auch der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 24. Oktober 1995 sah zunächst ebenfalls keinen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG vor, sondern eine reine Wartefrist von 24 Monaten nach dem Erteilen einer Duldung, und verzichtete auf die Wartefrist bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, deren Abschiebung wegen des Krieges in ihrem Heimatland ausgesetzt war, sogar gänzlich (BT-Drucks 13/2746, S 5). Die Verschärfung des Zugangs zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG im Verhältnis zur Vorgängerregelung stand dabei im engen Zusammenhang mit der in § 1 Abs 1 AsylbLG vorgenommenen Erweiterung des leistungsberechtigten Personenkreises, insbesondere um geduldete Ausländer, sowie der Beseitigung der vormals ungleichen Behandlung von Ausländern mit Duldung, die nicht Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge waren, und Asylbewerbern (BT-Drucks 13/2746, S 11). Vom Grundsatz sollten alle Ausländer, die sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten, die gleichen, niedrigeren Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG erhalten (BT-Drucks 13/2746, S 12). Der Gesetzentwurf war (noch) von dem Gedanken getragen, dass der Status der Duldung nur ein schnell vorübergehender ist. Bei längerer Aufenthaltsdauer und einer damit verbundenen Verfestigung des Aufenthaltsstatus (die Zweijahresfrist korrespondierte mit dem damaligen § 30 Abs 4 Ausländergesetz (AuslG), der nach dieser Frist die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vorsah) sollte dem Ausländer durch die Gewährung von Analog-Leistungen eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch öffentliche Mittel ermöglicht werden (BT-Drucks 13/2746, S 15). Diese Integrationskomponente verlor sich dann in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl I 1130). Erstmals stellte das Gesetz auf den Bezug ("erhalten haben") von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab und verlangte dies für eine Dauer von 36 Monaten ab 1. Juni 1997. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung (vgl auch Ausschussbericht vom 7. Februar 1996, BT-Drucks 13/3728, S 3), zu erkennen daran, dass der Zeitraum von 36 Monaten am 1. Juni 1997 zu laufen begann, also alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG ohne Rücksicht darauf erfasste, ob sie bereits zuvor Analog-Leistungen erhalten hatten. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber schon 1997 bewusst allein auf den Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abstellen und sonstige Vorbezugszeiten, auch solche nach § 2 AsylbLG (in der Zeit vor dem 1. Juni 1997), und Zeiten ohne jeglichen Leistungsbezug ausklammern wollte (aA Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 11a, Stand August 2007). Er beabsichtigte also, die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG daran zu koppeln, dass das Existenzminimum für einen festen Zeitraum von drei Jahren nur auf einem niedrigeren Niveau sichergestellt werden solle. Mit der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Neuregelung sollten schließlich abweichend vom bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Recht Leistungsberechtigte von Analog-Leistungen ausgeschlossen werden, denen rechtsmissbräuchliches Verhalten (Tun oder Unterlassen), bezogen auf die Dauer des Aufenthalts, vorgeworfen werden kann. Neben der beabsichtigten Sanktion sollte durch den Bezug von Grundleistungen für die Dauer von drei Jahren aber auch der Anreiz für die Einreise von Ausländern und ihren weiteren Verbleib im Bundesgebiet genommen werden (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 86, Stand März 2007). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn andere Sozialleistungen (auch Analog-Leistungen oder solche nach § 1a AsylbLG) oder gar Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seinen Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken konnte, die erforderlichen Zeiten des Vorbezugs erfüllten. Die Gegenauffassung, die mit der § 2 AsylbLG innewohnenden Integrationskomponenten argumentiert (vgl etwa: Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2; Birk in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3) berücksichtigt nicht hinreichend diese Rechtsentwicklung und interpretiert die Frist von 36 Monaten zu Unrecht als reine Wartefrist. Die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 2 AsylbLG mit Wirkung ab 28. August 2007 (Vorbezugszeit von 48 Monaten; Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzungaufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - BGBl I 1970) stützen die für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 vorgenommene Auslegung. Zwar wird die Anhebung auf 48 Monate mit einer Angleichung zu Regelungen im AufenthG (§ 104a) und einer Änderung der Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung - Beschäftigungsverfahrensordnung - (§ 10) begründet, der nach Ablauf von vier Jahren einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang für Geduldete gewährt (Satz 3). Für den Zeitpunkt der Gewährung von Leistungen auf Sozialhilfeniveau wird dabei auf den Grad der zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland abgestellt. Nach einem Voraufenthalt von 4 Jahren sei davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065, S 232 zu Nummer 2 (§ 2); vgl auch Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 11, Stand Oktober 2007). Dennoch wurde die Erforderlichkeit des Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG beibehalten; es bestehen deshalb keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die mit der Regelung des § 2 Abs 1 AsylbLG (neben der Integrationskomponente) verbundene Intention, den Bezug von Analog-Leistungen an eine bestimmte Dauer des Vorbezugs von Grundleistungen zu koppeln, aufgeben wollte. Mit der Verlängerung der Vorbezugszeit sollten vielmehr nach der Gesetzesbegründung Leistungsberechtigte des AsylbLG (auch) ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern (BT-Drucks 16/5065, S 155). Niedrige Leistungen sollten also dazu dienen, Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung zu geben. Die Aufnahme einer Beschäftigung durch Asylbewerber bzw geduldete Ausländer ist insoweit mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sogar schon möglich, wenn sie sich ein Jahr gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten (§ 61 Abs 2 Asylverfahrensgesetz, § 10 Beschäftigungsverfahrensordnung)." Dem ist auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) in seinem Aussetzung- und Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 26.07.2010 (L 20 AY 13/09) gefolgt. Und dem schließt sich auch die Kammer an (vgl. bereits Urteile vom 11.11.2008 - S 20 AY 7/08, vom 15.09.2009 - S 20 AY 6/09, vom 28.04.2009 - S 20 AY 1/09 und 3/09 - sowie vom 26.05.2009 - S 20 AY 5/09). Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Ast. teilt die Kammer - auch im Hinblick auf die zum Bundeserziehungsgeldgesetz ergangenen Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des BSG vom 03.12.2009 (B 10 EG 5/08 R und B 10 EG 7/08 R) - nicht.
Ein Anspruch der Kläger - speziell der zu 1) und 2) - auf Leistungen nach § 2 AsylbLG folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Vater der Klägerin zu 2) britischer Staatsangehöriger ist. Denn daraus leitet sich nicht eine britische Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2) selbst und daraus wieder abgeleitet ein Freizügigkeitsrecht der Kläger nach dem FreizügG/EU ab. Nach den - im Internet unter www.ukba.homeoffice.gov.uk abrufbaren - Informationen "BN 4 - BRITISH CITIZENSHIP - CHILDREN BORN OUTSIDE THE UNITED KINGDOM SINCE 1 JANUARY 1983" des Homeoffice der Regierung von Großbritannien kann Kindern, die - wie die Klägerin zu 2) - im Zeitraum vom 01.01.1983 bis 30.06.2006 außerhalb des Vereinigten Köngigreichs geboren sind, nur die Mutter eine britische Staatsangehörigkeit weitergeben, sofern sie diese besitzt; die Mutter der Klägerin zu 2) - die Klägerin zu 1) - hatte und hat jedoch nicht die britische Staatsangehörigkeit. Vom Vater wird die britische Staatsangehörigkeit in diesem Fall nur dann abgeleitet, wenn er mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet war; dies war hier nicht der Fall. Ein Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Eltern noch heiraten würden. Dies ist aber bisher nicht geschehen (und eine solche Heirat ist nach den bekannt gewordenen Umständen auch nahezu ausgeschlossen). Darüber hinaus ist für die aus Nigeria stammenden Klägerin zu 1) auch nicht ersichtlich, dass ihr die Staatsangehörigkeit eines sonstigen Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) durch irgendwelche anderen Umstände vermittelt worden sein könnte. Angesichts der derzeitigen Verschollenheit des Vaters der Klägerin zu 2) ist zudem aktuell nicht weiter aufklärbar und nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für ein Freizügigkeitsrecht der Klägerin zu 2) und damit möglicherweise auch ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht der Klägerin zu 1) mit Blick auf den Vater der Klägerin 2) besteht. Aus der von den Klägern zitierten Entscheidung des EuGH vom 23.02.2010 (Rs. C-310/08) folgt nichts anderes; diese Entscheidung erkennt ein Aufenthaltsrecht nur "unter den Umständen des Ausgangsverfahrens" an; die dortige Klägerin war als Staatsangehörige Somalias mit einem dänischen Staatsbürger verheiratet, der sich (nachdem er in Großbritannien berufstätig gewesen war, das Land dann jedoch zwischenzeitlich verlassen hatte) wiederum in Großbritannien aufhielt. Die vier Kinder der Eheleute besaßen im Übrigen die dänische Staatsangehörigkeit. Ob sich der Vater der Klägerin zu 2) überhaupt in Großbritannien oder einem sonstigen Mitgliedstaat der EU aufhält, ist demgegenüber nicht feststellbar, und auch eine Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2) (oder der beiden anderen Kläger) zu einem Mitgliedsstaat ist gerade nicht feststellbar. Deshalb lässt sich auch aus der weiteren von den Klägern erwähnten Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 22.03.2010 (11 S 1626/08) nichts für den mit der Klage verfolgten Anspruch der Kläger herleiten. Schließlich hat auch das Ausländeramt der Beklagten mitgeteilt, dass eine Aufenthaltsbescheinigung/EU nach dem FreizügG/EU für die Klägerinnen zu 1) und 2) derzeit nicht in Betracht kommt. Denn weder die Klägerin zu 2) noch ihre Mutter, die Klägerin zu 1), sind Familienangehörige eines Unionsbürgers im Sinne von § 3 Abs. 4 FreizügG/EU sind; der Vater der Klägerin zu 2) lebt seit August 2000 von ihr und der Klägerin zu 1) getrennt; seit 21.12.2004 ist der Vater unbekannten Aufenthaltes. Eine Anwendung des § 3 Abs. 4 FreizügG/EU käme nur in Betracht, wenn die Klägerin zu 1) ihr Aufenthaltsrecht bereits in der Vergangenheit von ihrem Vater abgeleitet hätte; dies ist jedoch nie der Fall gewesen. Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 2) nach § 4a FreizügG/EU als Unionsbürgerin aus ihrer eigenen Person heraus kommt nicht in Betracht, da - wie oben ausgeführt - ihre britische Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen ist.
Hat die Beklagte somit den Klägern für die streitbefangene Zeit zurecht Leistungen (nur) nach § 3 AsylbLG bewilligt und gewährt, so können allenfalls hinsichtlich der Höhe dieser Leistungen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen und die Klage Aussicht auf Erfolg haben. Es ist anerkannt, dass (erst) die Leistungen nach dem SGB XII das sog. soziokulturelle Existenzminimum einer Lebensführung in Deutschland sicherstellen und dass (regelmäßig erst) damit - entsprechend der Aufgabe der Sozialhilfe, die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 1 SGB XII) - der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf das Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. hierzu auch Horrer, Das Asylbewerberleistungsgesetz, die Verfassung und das Existenzminimum, 2001, 145 ff.) eingelöst wird (vgl. Armborst, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 1 Rn. 5); die darunter liegenden Normalleistungen nach § 3 AsylbLG können deshalb im Wesentlichen allein mit der besonderen, regelmäßig nur auf absehbare Dauer angelegten Aufenthaltssituation und einem deshalb abweichenden Bedarf von Berechtigten nach dem AsylbLG gerechtfertigt werden (LSG NRW, Beschluss vom 01.06.2010 - L 20 AY 4/10 B ER). Weil aber die Geldbetragsleistungen nach § 3 Abs. 2 sowie nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG seit 1993 nicht angepasst worden sind und auch 1993 schon unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gelegen haben, hat das LSG NRW inzwischen ein Verfahren durch Beschluss vom 26.07.2010 (L 20 AY 13/09) ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 sowie § 3 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Verfahren ist beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvL 10/10 anhängig. Im Hinblick darauf haben sich die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens wegen der Höhe der Leistungen nach § 3 AsylbLG dem Ausgang dieses verfassungsrechtlichen Verfahrens bzw. einer gesetzlichen Änderung des § 3 AsylbLG unterworfen und die Kammer von einer Entscheidung darüber entbunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bei. Sie hat aber keine Veranlassung gesehen, im Tenor die Zulassung der Berufung besonders auszusprechen (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG), weil sie davon ausgeht, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes - die Differenz von Leistungen nach § 3 AsylbLG zu solchen nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum für Dezember 2008 bis Juli 2009 - 750,00 EUR übersteigt und deshalb das Urteil auch ohne besondere Zulassung berufungsfähig ist.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 01.12.2008 bis 31.07.2009 anstelle der gemäß § 3 AsylbLG erhaltenen Leistungen.
Die Klägerin zu 1) wurde am 00.00.0000 in Nigeria geboren und lebt seit 02.11.1992 in Deutschland. Sie ist die Mutter der am 00.00.0000 geborenen Klägerin zu 2) und deren Halbbruder, des am 00.00.0000 geborenen Klägers zu 3), die beide in Deutschland geboren sind und seitdem hier leben. Alle drei Kläger sind nigerianische Staatsangehörige. Der Vater der Klägerin zu 2) ist britischer Staatsangehöriger und nach Angaben der Kläger zurzeit verschollen; bereits im August 2000 haben er und die Klägerin zu 1) sich getrennt. Die britische Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2) ist nicht festgestellt oder geklärt worden. Der Aufenthalt der Klägerin zu 1) ab 02.11.1992 und der Klägerin zu 2) ab deren Geburt war bis 10.05.1999 gestattet bzw. geduldet; aus humanitären Gründen erhielten sie ab 11.05.1999 eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 bzw. § 31 Ausländergesetz (AuslG), ab 29.09.1999 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 35 Abs. 2 bzw. § 21 AuslG; seit Januar 2005 sind sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Der Aufenthalt des Klägers zu 3) in Deutschland war seit seiner Geburt - abgeleitet vom Recht der Mutter - erlaubt; seit 05.12.2007 ist auch er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.
Ihren Lebensunterhalt in Deutschland bestritten die Klägerin zu 1) ab 02.11.1992 und die Kläger zu 2) und 3) jeweils ab Geburt wie folgt Zeitraum Leistungen 02.11.1992 - 04.11.1996 unbekannt 05.11.1996 - 24.01.1997 Jugendhilfe 25.01.1997 - 31.05.1997 unbekannt 01.06.1997 - 22.11.1997 nach § 3 AsylbLG (vom Beklagten fiktiv anerkannt) 23.11.1997 - 19.08.2000 Unterhalt des Vaters der Klägerin zu 2) 20.08.2000 - 22.08.2000 Sozialhilfe (Frauenhaus) 23.08.2000 - 28.03.2001 Jugendhilfe 29.03.2001 - 31.12.2004 Sozialhilfe nach BSHG 01.01.2005 - 30.11.2008 Grundsicherung nach SGB II Seit 01.12.2008 erhalten sie Leistungen nach § 3 AsylbLG. Die Bewilligung dieser Leistungen erfolgte für Dezember 2008 durch bestandskräftigen Bescheid vom 27.11.2008 für Januar 2009 durch bestandskräftigen Bescheid vom 22.12.2008 für Februar 2009 durch bestandskräftigen Bescheid vom 26.01.2009 für März bis Juni 2009 ohne (schriftlichen) Bescheid für Juli 2009 durch Bescheid vom 22.07.2009.
Am 20.07.2009 beantragten die Kläger gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die "Überprüfung des bestandskräftigen Bescheides v. 27.11.2008 für den Monat Dezember 2008" und erhoben Widerspruch gegen die "Bescheide für die Monate Januar bis Juli 2009". Sie vertraten die Auffassung, sie hätten unter Berücksichtigung der bereits bezogenen Sozialleistungen und des z. T. langjährigen Aufenthalts in Deutschland Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG analog dem SGB XII.
Durch zwei Widerspruchsbescheide vom 13.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 22.12.2008 (für Januar 2009) und 26.01.2009 (für Februar 2009) als unzulässig, weil verfristet zurück. Den Widerspruch gegen die ohne schriftlichen Bewilligungsbescheid erfolgten tatsächlichen Zahlungen für die Monate März bis Juli 2009 wies sie als unbegründet zurück. Die Vorbezugszeit von 48 Monaten, um Leistungen nach § 2 AsylbLG beanspruchen zu können, könne ausschließlich durch Leistungen nach § 3 AsylbLG, nicht aber auch andere Sozialleistungen nach Jugendhilferecht (SGB VIII), Sozialhilferecht (BSHG oder SGB XII) oder nach dem SGB II erfüllt werden. Die Beklagte verwies hierzu auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.06.2008 (B 8/9 b AY 1/07 R) und der Kammer vom 15.09.2009 (S 20 AY 6/09).
Durch Bescheid vom 16.09.2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X ab. Sie erkannte fiktiv die Zeit vom 01.06. bis 22.11.2007 bei der Klägerin zu 1) als Zeitraum des Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG an. Ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG bestehe jedoch für keinen der Kläger, weil die Vorbezugszeit von 48 Monaten noch nicht erfüllt sei. Den dagegen am 13.10.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 03.11.2009 zurück. Sie legte nunmehr dem Antrags-/Widerspruchsschreiben der Kläger vom 15.07.2009 die umfassende Zielsetzung einer Überprüfung der Leistungsansprüche von Dezember 2008 bis Juli 2009 zugrunde und bezog den Antrag nach § 44 SGB X auch auf die bestandskräftigen Bescheide vom 22.11.2009 (für Januar 2009) und 26.01.2009 (für Februar 2009). Eine Änderung der Bescheide habe nicht zu erfolgen, weil das Recht richtig angewandt worden sei.
Am 11.11.2009 haben die Kläger gegen die drei Widerspruchsbescheide und die diesen zugrunde liegenden Ausgangsbescheide Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, ihr Fall weiche in verschiedenen wesentlichen Punkten von der durch das BSG entschiedenen Rechtssache B 8/9 b AY 1/07 R ab:
Unabhängig von der Frage der britischen Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2) könne sich ein aus dem Freizügigkeitsrecht des Kindesvaters abgeleitetes Bleiberecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) ergeben. Die Klägerin zu 2) besuche die Schule, sodass ein Anspruch nach § 3 Abs. 4 FreizügG/EU auf ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht bis zum Abschluss der Ausbildung in Betracht komme; die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Vater habe von Geburt an bis August 2000 bestanden; Sozialleistungen seien nicht bezogen worden; es habe ein Krankenversicherungsschutz bestanden. Als personensorgeberechtigter Elternteil könne sich die Klägerin zu 1) ebenfalls auf ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht berufen. Unabhängig davon könnte auch ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU bestehen. Am 04.02.2010 sei beim Ausländeramt der Beklagten ein Antrag auf - ggf. rückwirkende - Ausstellung einer Aufenthaltsbescheinigung nach dem FreizügG/EU ("Aufenthaltskarte/EU") gestellt worden, über den bisher nicht entschieden sei. Die Kläger verweisen in diesem Zusammenhang auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 23.02.2010 (Rs. C-310/08) und des VGH Baden-Württemberg vom 22.03.2010 (11 S 1626/08).
Würden die seit der Einreise der Klägerin zu 1) nach Deutschland bzw. seit der Geburt der übrigen Kläger zu 2) und 3) bezogenen sonstigen Leistungen nach dem BSHG, dem SGB II oder die Leistungen der Jugendhilfe, ferner die Sicherstellung des Lebensunterhalts durch Unterhaltsleistungen anderer, auf die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG angerechnet, hätten sie bereits seit Einsetzen der Leistungsgewährung im Dezember 2008 einen Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII. Als Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG unterfielen sie zwar dem Leistungsregime des AsylbLG. Die Nichtberücksichtigung ihrer bisherigen Aufenthaltsdauer und ihres bisherigen leistungsrechtlichen Status begegne jedoch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie hätten auf die Art ihres Leistungsbezuges keinen Einfluss gehabt. Die Dauer ihres Aufenthalts hätten sie, was auch die Beklagte nicht behaupte, nicht selbst rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Die Gründe für ihren Aufenthalt in Deutschland, der sich im Laufe der Zeit weiter verfestigt habe, bestünden fort. Gleichwohl unterfielen sie nunmehr leistungsrechtlich dem AsylbLG. Kerngedanke des zum 01.11.1993 in Kraft getretenen AsylbLG sei es gewesen, Asylbewerber und ihnen gleichgestellte Personen angesichts ihres naturgemäß nur vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland von einem Anspruch nach dem BSHG auszuschließen und den Umfang der zu gewährenden Leistungen zu beschränken. Als Zuordnungsmerkmal diene im AsylbLG der ausländerrechtliche oder asylrechtliche Status. Der Gesetzgeber habe jedoch anerkannt, dass bei bereits längerem Aufenthalt in Deutschland und einem noch nicht absehbaren Ende des Aufenthalts nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden könne, welcher bei einem regelmäßig nur kurzen, vorübergehenden Aufenthalt entstehe. Insbesondere seien dann Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die deutschen Lebensverhältnisse und auf eine bessere Integration gerichtet seien. Die Erbringung nur eingeschränkter Leistungen nach dem AsylbLG sei deshalb zeitlich begrenzt worden, und zwar zunächst auf zwölf Monate. Zum 01.06.1997 sei die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG dann auf 36 Monate angehoben worden, mit Wirkung ab dem 28.08.2007 schließlich auf 48 Monate. Das Bundessozialgericht gehe in seiner Entscheidung vom 17.06.2008 davon aus, der Gesetzgeber habe mit der Änderung des AsylbLG zum 01.06.1997 erstmals auf den tatsächlichen Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen entsprechend dem SGB XII abgestellt. Ein solcher tatsächlicher Bezug sei vom Gesetzgeber bewusst und ohne Übergangsregelung unter Ausklammerung von Gesichtspunkten der bisherigen Aufenthaltsdauer und des bisherigen leistungsrechtlichen Status festgelegt worden. Damit solle Ausländern der Anreiz sowohl für eine Einreise als auch für einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet genommen werden. Jenes Ziel würde verfehlt, wenn andere Sozialleistungen oder Zeiten einer sonstigen anderweitigen Sicherstellung des Lebensunterhalts auf den erforderlichen Vorbezugszeitraum angerechnet würden. Diese Lesart des Bundessozialgerichts begegne allerdings verfassungsrechtlichen Bedenken: Die Gewährung nur eingeschränkter Leistungen sowie das Sachleistungsprinzip nach dem AsylbLG sei verfassungsrechtlich fragwürdig, wenn sich der Aufenthalt in Deutschland infolge seiner Dauer bereits verfestigt habe und seine Dauer nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst wurde. Ein Umkehrschluss aus § 50 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergebe schon, dass mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die Ausreisepflicht entfalle. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei ein der Aufenthaltsverfestigung zugänglicher Aufenthaltstitel. Mit ihrer Erteilung könne gerade nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Aufenthalt des Ausländers nur vorübergehend sei. Insofern gelte nichts anderes als für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse); die davon Betroffenen erhielten jedoch Zugang zu Leistungen nach dem SGB II. Ein nachvollziehbarer, sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung fehle. Nach Ablauf eines angemessenen Voraufenthalts in Deutschland könne die Gewährung von Sozialhilfeleistungen, welche den Leistungsberechtigten erst zur Führung eines der Menschenwürde entsprechenden Lebens in die Lage setze (§ 1 SGB XII)), aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls nicht länger verwehrt werden, wenn unabhängig von der Frage, wie der Lebensunterhalt in der bisherigen Aufenthaltszeit sichergestellt worden sei, die Dauer des bisherigen Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst wurde. Der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingeräumte gesetzgeberische Ermessensspielraum hinsichtlich einer für Asylbewerber und ihnen gleichgestellte Personen nach eigenem Konzept erfolgenden Sicherung des Lebensunterhalts sei nicht etwa schrankenlos. Ein Ausschluss von Leistungen entsprechend dem SGB XII nur deshalb, weil der Leistungsberechtigte während der Voraufenthaltszeit andere Leistungen als solche nach dem AsylbLG erhalten oder seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit sichergestellt habe, lasse sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Auch die vom BSG entschiedenen Fallkonstellationen hätten solche Fallgestaltungen nicht zur Grundlage gehabt. Nehme man aber die Rechtsprechung des BSG beim Wort, würden Betroffene selbst nach jahrelangem rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland aufgrund des von ihnen nicht zu beeinflussenden und auch nicht kalkulierbaren Umstandes des Bezugs höherrangiger Leistungen als solcher nach dem AsylbLG in willkürlicher Weise herabgestuft. Wenn das BSG insoweit keinen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) erkenne, weil ein Vorbezug von Grundleistungen über 48 Monate allen leistungsberechtigten Personen nach dem AsylbLG gleichermaßen abverlangt werde, so verkenne es, dass Ausländer mit bereits verfestigtem Aufenthalt gerade anders zu behandeln seien als solche, deren Aufenthalt nicht verfestigt sei. Gerade das bei einem entsprechend langen Voraufenthalt anzuerkennende Integrationbedürfnis, zu dessen Befriedigung auch ausreichende wirtschaftliche Leistungen auf dem Niveau des soziokulturellen Existenzminimums gehörten, bestehe unabhängig davon, wie lange Grundleistungen bezogen worden seien oder ob der Lebensunterhalt durch höherrangige Leistungen, durch Unterhalte oder Erwerbstätigkeit bestritten worden sei. Das BSG irre auch in seiner Ansicht, eine ursprünglich im AsylbLG enthaltene Integrationskomponente sei im Zuge der Gesetzesänderung gänzlich verloren gegangen. Im Übrigen sei auch zu berücksichtigen, dass die Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG seit 1993 nicht angehoben worden seien, obwohl die Lebenshaltungskosten erheblich gestiegen seien. Dies bedeute eine weitere verfassungswidrige Absenkung des bereits aktuell nicht mehr gedeckten Existenzminimums für Hilfeempfänger nach dem AsylbLG; die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seien damit nicht mehr garantiert. Die Kläger beantragen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2009 und Abänderung der Bescheide für die Leistungsmonate Dezember 2008 bis Februar 2009 sowie unter Abänderung der Verwaltungsentscheidungen für die Leistungsmonate März bis Juni 2009 und des Bescheides für den Leistungsmonat Juli 2009 vom 22.07.2009 in der Fassung der beiden Widerspruchsbescheide vom 13.10.2009 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01.12.2008 bis 31.07.2009 Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII unter Anrechnung der gem. § 3 AsylbLG erhaltenen Leistungen zu gewähren, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob § 2 AsylbLG mit Artikel 1, 2, 3 und 20 des Grundgesetzes vereinbar ist.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, ein nach dem FreizügG/EU ableitbares Freizügigkeitsrecht und daraus folgende Ansprüche der Klägerinnen zu 1) und 2) auf höhere Sozialleistungen bestünden nicht. Die Beklagte verweist auf eine Auskunft ihres Ausländeramtes vom 08.06.2010, wonach derzeit für die Klägerinnen zu 1) und 2) kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltskarte/EU bestehe; die Klägerinnen zu 1) und 2) hätten kein vom Kindesvater der Klägerin zu 2) abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, dass § 2 AsylbLG verfassungsgemäß ist. Die in dieser Vorschrift normierte Frist von 48 Monaten sei eine (echte) Vorbezugszeit und keine Wartefrist; dass die Kläger die Dauer ihres Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten, sei ohne Belang. Auch Ausländern, die - wie die Kläger - ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG besäßen, würde dadurch nicht die Stellung von langfristig Aufenthaltsberechtigten eingeräumt; ihr Aufenthalt sei weiter nur vorläufig. Die Beteiligten haben - wie durch Beschluss der Kammer vom 16.11.2010 festgestellt - folgenden Teilunterwerfungsvergleich geschlossen: 1.Die streitgegenständliche Frage, ob die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG verfassungsgemäß sind, wird von dem Ausgang des Verfahrens, das derzeit beim Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 1 BvL 10/10 anhängig ist, sowie den gegebenenfalls hieraus resultierenden Änderungen des AsylbLG abhängig gemacht. Der Beklagte wird ohne Verweis auf etwaige Fristen oder fehlende aktuelle Bedürftigkeit die Differenz zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG nachzahlen, sofern das Bundesverfassungsgericht und die auf dessen Veranlassung geänderte Gesetzeslage, eine Nachzahlung für den vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum vorsehen. 2.Das Verfahren bleibt im Hinblick auf die Frage, ob § 2 AsylbLG verfassungsgemäß ist, oder aber in einer wortlautergänzenden Auslegung auch andere Leistungszeiträume als die der tatsächlich bezogenen Grundleistungen anrechenbar sind und damit Leistungen nach § 2 AsylbLG zuzusprechen sind, in dem beim Sozialgericht Aachen unter dem Aktenzeichen S 20 AY 11/09 anhängigen Verfahren weiterhin streitig zu entscheiden. 3.Die Beklagte stimmt der Zulassung der Sprungrevision im Hinblick auf die streitige Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 2 AsylbLG und der Anrechenbarkeit anderer Leistungszeiträume als die eines tatsächlichen Bezuges von Grundleistungen zu. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (Sozialamt und Ausländeramt) und der Gerichtsakte S 20 AY 15/09 ER (SG Aachen), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Kläger haben für die mit der Klage geltend gemachten und allein streitbefangenen Monate Dezember 2008 bis Juli 2009 keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG, da sie die Voraussetzungen des Abs. 1 dieser Vorschrift in der ab 28.08.2007 geltenden Fassung nicht erfüllen. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Als Personen, die über eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG verfügen, sind die Kläger gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG leistungsberechtigt nach diesem Gesetz. Sie haben - unstreitig - bisher noch nicht über die Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten; die Klägerin zu 1) hat bis zum Tag der mündlichen Verhandlung (25.01.2011) erst 31 Monate und 17 Tage Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen, sodass an der Vorbezugszeit mehr als 16 Monate fehlen; die Kläger zu 2) und 3) beziehen Leistungen nach § 3 AsylbLG seit Dezember 2008, d. h. bisher erst knapp 26 Monate, sodass an der Vorbezugszeit noch mehr als 22 Monate fehlen. Das BSG hat in der Entscheidung vom 17.06.2008 (B 8/9b AY 1/07 R) mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass § 2 AsylbLG im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen eines Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG über einen Zeitraum von insgesamt 48 Monaten einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich ist. Das BSG hat hierzu ausgeführt:
"Die Vorbezugszeit ist nämlich keine Wartefrist, innerhalb der es unerheblich wäre, ob und welche (Sozial-)Leistungen der Ausländer bezogen hat (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 2 AsylbLG RdNr 8 bei Unterbrechungen durch Erhalt von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII; ders, AsylbLG, § 2 RdNr 39, Stand März 2007; vgl auch Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 12, Stand August 2007, zu sonstigen Sozialleistungen; aA Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2 und Birk in Lehr- und Praxiskommentar (LPK) SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3; zum Streitstand auch Hachmann/Hohm, NVwZ 2008, 33, 35 mwN). Dies ergibt sich aus dem hier zwingenden Wortlaut der Vorschrift. Zwar ist eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation von der Verfassung nicht vorgeschrieben. Eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut gehört sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 1997 - 1 BvL 11/96 -, NJW 1997, 2230, 2231). Diese kann zulässig sein, wenn die in den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht eine analoge oder einschränkende Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte gebietet und deswegen sowie wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage auch der nicht geregelte Fall hätte einbezogen werden müssen (BSGE 57, 195, 196 = SozR 1500 § 149Nr 7 S 7). Dabei darf dem Gesetz aber kein entgegenstehender Sinn verliehen werden, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.
Einer den Wortlaut erweiternden Auslegung des § 2 AsylbLG, mit der Bezugszeiten anderer Leistungen als der nach § 3 AsylbLG - auch solcher nach § 2 AsylbLG - oder Zeiten ohne irgendeinen Leistungsbezug gleichgestellt würden, stehen Sinn und Zweck der Regelung und deren Gesetzesentwicklung entgegen; ob für Zeiten, in denen ein durchsetzbarer Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG bestand, der erst später zugestanden wird, etwas Anderes gilt (vgl dazu in anderem Zusammenhang: Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 126 RdNr 45 mwN, Stand August 2004), kann offen bleiben. So normierte § 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl I 1074) für geduldete Ausländer überhaupt keine Vorbezugszeit und für Asylbewerber eine reine Wartefrist von zwölf Monaten nach Asylantragstellung. Auch der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 24. Oktober 1995 sah zunächst ebenfalls keinen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG vor, sondern eine reine Wartefrist von 24 Monaten nach dem Erteilen einer Duldung, und verzichtete auf die Wartefrist bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, deren Abschiebung wegen des Krieges in ihrem Heimatland ausgesetzt war, sogar gänzlich (BT-Drucks 13/2746, S 5). Die Verschärfung des Zugangs zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG im Verhältnis zur Vorgängerregelung stand dabei im engen Zusammenhang mit der in § 1 Abs 1 AsylbLG vorgenommenen Erweiterung des leistungsberechtigten Personenkreises, insbesondere um geduldete Ausländer, sowie der Beseitigung der vormals ungleichen Behandlung von Ausländern mit Duldung, die nicht Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge waren, und Asylbewerbern (BT-Drucks 13/2746, S 11). Vom Grundsatz sollten alle Ausländer, die sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten, die gleichen, niedrigeren Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG erhalten (BT-Drucks 13/2746, S 12). Der Gesetzentwurf war (noch) von dem Gedanken getragen, dass der Status der Duldung nur ein schnell vorübergehender ist. Bei längerer Aufenthaltsdauer und einer damit verbundenen Verfestigung des Aufenthaltsstatus (die Zweijahresfrist korrespondierte mit dem damaligen § 30 Abs 4 Ausländergesetz (AuslG), der nach dieser Frist die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vorsah) sollte dem Ausländer durch die Gewährung von Analog-Leistungen eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch öffentliche Mittel ermöglicht werden (BT-Drucks 13/2746, S 15). Diese Integrationskomponente verlor sich dann in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl I 1130). Erstmals stellte das Gesetz auf den Bezug ("erhalten haben") von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab und verlangte dies für eine Dauer von 36 Monaten ab 1. Juni 1997. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung (vgl auch Ausschussbericht vom 7. Februar 1996, BT-Drucks 13/3728, S 3), zu erkennen daran, dass der Zeitraum von 36 Monaten am 1. Juni 1997 zu laufen begann, also alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG ohne Rücksicht darauf erfasste, ob sie bereits zuvor Analog-Leistungen erhalten hatten. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber schon 1997 bewusst allein auf den Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abstellen und sonstige Vorbezugszeiten, auch solche nach § 2 AsylbLG (in der Zeit vor dem 1. Juni 1997), und Zeiten ohne jeglichen Leistungsbezug ausklammern wollte (aA Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 11a, Stand August 2007). Er beabsichtigte also, die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG daran zu koppeln, dass das Existenzminimum für einen festen Zeitraum von drei Jahren nur auf einem niedrigeren Niveau sichergestellt werden solle. Mit der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Neuregelung sollten schließlich abweichend vom bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Recht Leistungsberechtigte von Analog-Leistungen ausgeschlossen werden, denen rechtsmissbräuchliches Verhalten (Tun oder Unterlassen), bezogen auf die Dauer des Aufenthalts, vorgeworfen werden kann. Neben der beabsichtigten Sanktion sollte durch den Bezug von Grundleistungen für die Dauer von drei Jahren aber auch der Anreiz für die Einreise von Ausländern und ihren weiteren Verbleib im Bundesgebiet genommen werden (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 86, Stand März 2007). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn andere Sozialleistungen (auch Analog-Leistungen oder solche nach § 1a AsylbLG) oder gar Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seinen Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken konnte, die erforderlichen Zeiten des Vorbezugs erfüllten. Die Gegenauffassung, die mit der § 2 AsylbLG innewohnenden Integrationskomponenten argumentiert (vgl etwa: Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2; Birk in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3) berücksichtigt nicht hinreichend diese Rechtsentwicklung und interpretiert die Frist von 36 Monaten zu Unrecht als reine Wartefrist. Die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 2 AsylbLG mit Wirkung ab 28. August 2007 (Vorbezugszeit von 48 Monaten; Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzungaufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - BGBl I 1970) stützen die für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 vorgenommene Auslegung. Zwar wird die Anhebung auf 48 Monate mit einer Angleichung zu Regelungen im AufenthG (§ 104a) und einer Änderung der Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung - Beschäftigungsverfahrensordnung - (§ 10) begründet, der nach Ablauf von vier Jahren einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang für Geduldete gewährt (Satz 3). Für den Zeitpunkt der Gewährung von Leistungen auf Sozialhilfeniveau wird dabei auf den Grad der zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland abgestellt. Nach einem Voraufenthalt von 4 Jahren sei davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065, S 232 zu Nummer 2 (§ 2); vgl auch Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 11, Stand Oktober 2007). Dennoch wurde die Erforderlichkeit des Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG beibehalten; es bestehen deshalb keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die mit der Regelung des § 2 Abs 1 AsylbLG (neben der Integrationskomponente) verbundene Intention, den Bezug von Analog-Leistungen an eine bestimmte Dauer des Vorbezugs von Grundleistungen zu koppeln, aufgeben wollte. Mit der Verlängerung der Vorbezugszeit sollten vielmehr nach der Gesetzesbegründung Leistungsberechtigte des AsylbLG (auch) ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern (BT-Drucks 16/5065, S 155). Niedrige Leistungen sollten also dazu dienen, Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung zu geben. Die Aufnahme einer Beschäftigung durch Asylbewerber bzw geduldete Ausländer ist insoweit mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sogar schon möglich, wenn sie sich ein Jahr gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten (§ 61 Abs 2 Asylverfahrensgesetz, § 10 Beschäftigungsverfahrensordnung)." Dem ist auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) in seinem Aussetzung- und Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 26.07.2010 (L 20 AY 13/09) gefolgt. Und dem schließt sich auch die Kammer an (vgl. bereits Urteile vom 11.11.2008 - S 20 AY 7/08, vom 15.09.2009 - S 20 AY 6/09, vom 28.04.2009 - S 20 AY 1/09 und 3/09 - sowie vom 26.05.2009 - S 20 AY 5/09). Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Ast. teilt die Kammer - auch im Hinblick auf die zum Bundeserziehungsgeldgesetz ergangenen Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des BSG vom 03.12.2009 (B 10 EG 5/08 R und B 10 EG 7/08 R) - nicht.
Ein Anspruch der Kläger - speziell der zu 1) und 2) - auf Leistungen nach § 2 AsylbLG folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Vater der Klägerin zu 2) britischer Staatsangehöriger ist. Denn daraus leitet sich nicht eine britische Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2) selbst und daraus wieder abgeleitet ein Freizügigkeitsrecht der Kläger nach dem FreizügG/EU ab. Nach den - im Internet unter www.ukba.homeoffice.gov.uk abrufbaren - Informationen "BN 4 - BRITISH CITIZENSHIP - CHILDREN BORN OUTSIDE THE UNITED KINGDOM SINCE 1 JANUARY 1983" des Homeoffice der Regierung von Großbritannien kann Kindern, die - wie die Klägerin zu 2) - im Zeitraum vom 01.01.1983 bis 30.06.2006 außerhalb des Vereinigten Köngigreichs geboren sind, nur die Mutter eine britische Staatsangehörigkeit weitergeben, sofern sie diese besitzt; die Mutter der Klägerin zu 2) - die Klägerin zu 1) - hatte und hat jedoch nicht die britische Staatsangehörigkeit. Vom Vater wird die britische Staatsangehörigkeit in diesem Fall nur dann abgeleitet, wenn er mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet war; dies war hier nicht der Fall. Ein Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Eltern noch heiraten würden. Dies ist aber bisher nicht geschehen (und eine solche Heirat ist nach den bekannt gewordenen Umständen auch nahezu ausgeschlossen). Darüber hinaus ist für die aus Nigeria stammenden Klägerin zu 1) auch nicht ersichtlich, dass ihr die Staatsangehörigkeit eines sonstigen Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) durch irgendwelche anderen Umstände vermittelt worden sein könnte. Angesichts der derzeitigen Verschollenheit des Vaters der Klägerin zu 2) ist zudem aktuell nicht weiter aufklärbar und nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für ein Freizügigkeitsrecht der Klägerin zu 2) und damit möglicherweise auch ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht der Klägerin zu 1) mit Blick auf den Vater der Klägerin 2) besteht. Aus der von den Klägern zitierten Entscheidung des EuGH vom 23.02.2010 (Rs. C-310/08) folgt nichts anderes; diese Entscheidung erkennt ein Aufenthaltsrecht nur "unter den Umständen des Ausgangsverfahrens" an; die dortige Klägerin war als Staatsangehörige Somalias mit einem dänischen Staatsbürger verheiratet, der sich (nachdem er in Großbritannien berufstätig gewesen war, das Land dann jedoch zwischenzeitlich verlassen hatte) wiederum in Großbritannien aufhielt. Die vier Kinder der Eheleute besaßen im Übrigen die dänische Staatsangehörigkeit. Ob sich der Vater der Klägerin zu 2) überhaupt in Großbritannien oder einem sonstigen Mitgliedstaat der EU aufhält, ist demgegenüber nicht feststellbar, und auch eine Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2) (oder der beiden anderen Kläger) zu einem Mitgliedsstaat ist gerade nicht feststellbar. Deshalb lässt sich auch aus der weiteren von den Klägern erwähnten Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 22.03.2010 (11 S 1626/08) nichts für den mit der Klage verfolgten Anspruch der Kläger herleiten. Schließlich hat auch das Ausländeramt der Beklagten mitgeteilt, dass eine Aufenthaltsbescheinigung/EU nach dem FreizügG/EU für die Klägerinnen zu 1) und 2) derzeit nicht in Betracht kommt. Denn weder die Klägerin zu 2) noch ihre Mutter, die Klägerin zu 1), sind Familienangehörige eines Unionsbürgers im Sinne von § 3 Abs. 4 FreizügG/EU sind; der Vater der Klägerin zu 2) lebt seit August 2000 von ihr und der Klägerin zu 1) getrennt; seit 21.12.2004 ist der Vater unbekannten Aufenthaltes. Eine Anwendung des § 3 Abs. 4 FreizügG/EU käme nur in Betracht, wenn die Klägerin zu 1) ihr Aufenthaltsrecht bereits in der Vergangenheit von ihrem Vater abgeleitet hätte; dies ist jedoch nie der Fall gewesen. Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 2) nach § 4a FreizügG/EU als Unionsbürgerin aus ihrer eigenen Person heraus kommt nicht in Betracht, da - wie oben ausgeführt - ihre britische Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen ist.
Hat die Beklagte somit den Klägern für die streitbefangene Zeit zurecht Leistungen (nur) nach § 3 AsylbLG bewilligt und gewährt, so können allenfalls hinsichtlich der Höhe dieser Leistungen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen und die Klage Aussicht auf Erfolg haben. Es ist anerkannt, dass (erst) die Leistungen nach dem SGB XII das sog. soziokulturelle Existenzminimum einer Lebensführung in Deutschland sicherstellen und dass (regelmäßig erst) damit - entsprechend der Aufgabe der Sozialhilfe, die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 1 SGB XII) - der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf das Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. hierzu auch Horrer, Das Asylbewerberleistungsgesetz, die Verfassung und das Existenzminimum, 2001, 145 ff.) eingelöst wird (vgl. Armborst, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 1 Rn. 5); die darunter liegenden Normalleistungen nach § 3 AsylbLG können deshalb im Wesentlichen allein mit der besonderen, regelmäßig nur auf absehbare Dauer angelegten Aufenthaltssituation und einem deshalb abweichenden Bedarf von Berechtigten nach dem AsylbLG gerechtfertigt werden (LSG NRW, Beschluss vom 01.06.2010 - L 20 AY 4/10 B ER). Weil aber die Geldbetragsleistungen nach § 3 Abs. 2 sowie nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG seit 1993 nicht angepasst worden sind und auch 1993 schon unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gelegen haben, hat das LSG NRW inzwischen ein Verfahren durch Beschluss vom 26.07.2010 (L 20 AY 13/09) ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 sowie § 3 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Verfahren ist beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvL 10/10 anhängig. Im Hinblick darauf haben sich die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens wegen der Höhe der Leistungen nach § 3 AsylbLG dem Ausgang dieses verfassungsrechtlichen Verfahrens bzw. einer gesetzlichen Änderung des § 3 AsylbLG unterworfen und die Kammer von einer Entscheidung darüber entbunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bei. Sie hat aber keine Veranlassung gesehen, im Tenor die Zulassung der Berufung besonders auszusprechen (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG), weil sie davon ausgeht, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes - die Differenz von Leistungen nach § 3 AsylbLG zu solchen nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum für Dezember 2008 bis Juli 2009 - 750,00 EUR übersteigt und deshalb das Urteil auch ohne besondere Zulassung berufungsfähig ist.
Rechtskraft
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NRW
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