Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 159/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 234/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klagen werden abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte. Der Streitwert wird endgültig auf 19.700,62 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte von den Klägern als Erben eines Hilfeempfängers Ersatz der Kosten für dessen aus Sozialhilfemitteln erbrachter Hilfe zur Heimpflege beanspruchen kann, konkret von der Klägerin 10.221,81 EUR, vom Kläger 9.478,81 EUR.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist die Witwe, der Kläger ist der Sohn des am 12.11.2011 verstorbenen Hilfeempfängers (HE) N. X ... Die Klägerin bezieht eine Altersrente von ca. 60,00 EUR und eine Witwenrente von ca. 600,00 EUR. Die Klägerin und der HE waren je zur Hälfte Eigentümer des bebauten lastenfreien Grundbesitzes in X ... Die Fläche des Grundstücks beträgt 373 qm, das darauf errichtete Haus hat eine Wohnfläche von 55 qm. Die Klägerin wohnt in diesem Haus. Die Kläger haben den HE zu gleichen Anteilen beerbt. Die Erbschaft bestand im Wesentlichen aus den hälftigen Anteilen des Erblassers an dem Grundbesitz und einem ihm zusammen mit der Klägerin gehörenden Sparbuch, das zum Zeitpunkt des Todes ein Gutachten von 255,71 EUR aufwies.
Vom 01.09.2010 bis 31.10.2011 leistete die Beklagte dem HE Sozialhilfe zur Deckung von dessen Heimpflegekosten in Höhe von 21.915,09 EUR.
Durch Leistungsbescheid vom 06.12.2011 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin als Erbin des HE den Ersatz der Kosten der erbrachten Sozialhilfe in Höhe von 10.957,55 EUR geltend. Durch weiteren Leistungsbescheid vom 06.12.2011 machte die Beklagte auch gegenüber dem Kläger als weiteren Erben Kostenersatz in Höhe von 10.214,54 EUR geltend; bei ihm nahm sie einen Abzug für tatsächlich geleistete Unterhaltszahlungen in Höhe von 743,00 EUR vor.
Gegen die Bescheide erhoben die Kläger am 14.12.2011 Widerspruch.
Auf Anfrage der Beklagten erteilte der "Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Städteregion Aachen" am 08.03.2012 die Auskunft, der ermittelte Verkehrswert des Grundbesitzes in X. betrage rund 45.000,00 EUR; der erschließungsbeitragsfreie Bodenrichtwert für diesen Bereich betrage zum 01.01.2012 pro qm 210,00 EUR; die vorhandene sehr unregelmäßige Grundstücksform, die sogar eine Erweiterung des sehr kleinen Wohnhauses verhindere, lasse nur den Ansatz des bereinigten Bodenrichtwertes zu. Die Beklagte teilte diese Auskunft den Klägern mit.
In der Folgezeit legten die Kläger u.a. einen Auszug des Sparbuchs der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes vor, aus dem sich das Guthaben zum Todeszeitpunkt ergibt. Sie trugen vor, die Verkehrswertermittlung sei lediglich auf der Basis der Bodenrichtwerte vorgenommen worden, und meinten, der Verkehrswert belaufe sich auf höchstens 30.000,00 EUR. Es bestehe ein erheblicher Renovierungsbedarf; bei dem Zustand des Hauses werde der genannte Verkehrswert nicht zu erzielen sein, da entweder Renovierungen von mindestens 30.000,00 EUR durchzuführen seien oder aber das Gebäude abgerissen und entsorgt werden müsse, wodurch Kosten von mindestens 40.000,00 EUR entstünden; daher sei von einer "kompletten Entwertung" des Grundstücks auszugehen. Sonstiges Bar- und Girokontovermögen sei für die Bestattungskosten ausgegeben worden.
Durch zwei Widerspruchsbescheide vom 29.08.2012 reduzierte die Beklagte die Kostenersatzforderung gegenüber der Klägerin auf 10.221,81 EUR und gegenüber dem Kläger auf 9.478,81 EUR. Zur Begründung führte sie aus, die Nachlasswerte bestünden aus dem halben Wert des Grundbesitzes (22.500,00 EUR) und dem halben Wert des Sparbuches (127,61 EUR), zusammen 22.627,61 EUR. Hiervon sei einmalig ein Freibetrag in Höhe des dreifachen Wertes des Grundbetrages (2.184,00 EUR) abzuziehen. Von dem verbleibenden Betrag hätten die Kläger Kostenersatz zu leisten, wobei von dem auf den Kläger entfallenden Anteil zu seinen Gunsten 743,00 EUR für bereits geleistete Unterhaltszahlungen in Abzug zu bringen seien. Die Heranziehung des Klägers als Erben stelle keine besondere Härte dar. Bei der Klägerin sei zu berücksichtigenden, dass sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation voraussichtlich jetzt und in Zukunft nicht in der Lage sein werde, die Kostenersatzforderung mit Hilfe ihres Einkommens und Barvermögens auszugleichen; deshalb werde ihr die Möglichkeit eingeräumt, durch die Eintragung einer Sicherungshypothek die Forderung anzuerkennen.
Dagegen hat die Klägerin am 25.09.2012 (S 20 SO 159/12), der Kläger am 26.09.2012 (S 19 SO 164/12) Klage erhoben. Nach Anhörung der Beteiligten sind die beiden Verfahren durch Beschluss vom 12.12.2012 unter dem Aktenzeichen S 20 SO 159/12 verbunden worden.
Die Kläger sind der Auffassung, bei dem Hausgrundstück handele es sich sowohl für den Erblasser als auch für die Klägerin um Schonvermögen. Eine in Inanspruchnahme des Klägers verstoße gegen die "Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 i.V. m. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz". Da das Immobilienvermögen schon beim Erblasser Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gewesen sei, müsse es auch bei den Erben – ggf. unter Härtegesichtspunkten – als nicht antastbares Schonvermögen erhalten bleiben. Die Klägerin berufen sich für ihre Rechtsauffassung auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) München vom 26.07.1993 (12 B 90.3525). Sie halten die Bewertung der Immobilie durch die Beklagte für ungenügend und unzutreffend. Wegen des erheblichen Renovierungsstaus dieser alten Immobilie entspräche der von der Beklagten angegebene Wert nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Im Übrigen ist die Klägerin der Auffassung, dass die Immobilie für sie die wirtschaftliche Existenzgrundlage darstelle, da sie anderenfalls gezwungen wäre, erhebliche Mietaufwendungen zu tätigen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012 aufzuheben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass Ausschlusstatbestände – speziell nach § 102 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 SGB XII – nicht erfüllt seien. Keiner der Kläger habe bis zum Tod des HE mit diesem in häuslicher Gemeinschaft gelebt, da dieser zuletzt im Heim untergebracht gewesen sei. Für den Kläger bestehe kein Vermögensschutz nach § 90 SGB XII am Erbe seines verstorbenen Vaters. Auch gegenüber der Klägerin stelle der geltend gemachte Kostenersatz keine besondere Härte dar; ihren Interessen könne durch Eintragung einer Sicherungshypothek Rechnung getragen werden.
Die Beklagte hat die vollständigen Wertermittlungsunterlagen des Gutachterausschusses (20 Seiten) vorgelegt; daraus ergibt sich u.a., dass vor der Wertermittlung am 28.02.2012 eine Ortsbesichtigung im Inneren des Hauses stattgefunden und verschiedene Messungen durchgeführt worden sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen sind zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Kläger werden durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat gegen die Kläger einen Erstattungsanspruch aus dem Erbe des verstorbenen Ehemannes der Klägerin bzw. des Vaters des Klägers für erbrachte Leistungen der Hilfe zur Pflege.
Gemäß § 102 Abs. 1 SGB XII ist der Erbe der leistungsberechtigten Person – das ist der HE – oder ihres Ehegatten oder ihres Lebenspartners, falls diese vor der leistungsberechtigten Person sterben, vorbehaltlich des (hier nicht einschlägigen) Abs. 5 zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet (Satz 1). Die Ersatzpflicht besteht nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 übersteigen (Satz 2). Nach § 102 Abs. 2 SGB XI gehört die Ersatzpflicht des Erben zu den Nachlassverbindlichkeiten (Satz 1). Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses (Satz 2). § 102 Abs. 3 SGB XII listet drei Ausschlusstatbestände auf, die den Anspruch auf Kostenersatz entfallen lassen. Keiner dieser Ausschlusstatbestände ist jedoch bei den Klägern erfüllt.
Der Ausschlusstatbestand des § 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII ist nicht erfüllt, da der Wert des Nachlasses nicht unter dem dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 liegt. Die Höhe dieses Grundbetrages ist das Zweifache der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28. Die Regelbedarfsstufe 1 belief sich zum Zeitpunkt des Erbfalles auf 364,00 EUR; der Grundbetrag nach § 85 Abs. 1 SGB XII betrug seinerzeit also 728,00 EUR. Das Dreifache dieses Grundbetrages sind 2.184,00 EUR. Diesen Wert übersteigt der Wert des Nachlasses um ein Vielfaches.
Aus dem ausführlichen und umfangreichen Wertermittlungsgutachten des "Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Städteregion Aachen" ergibt sich für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend, dass der Verkehrswert des Grundbesitzes in X. 45.000,00 EUR beträgt. Der Verkehrswert (Marktwert) des Objektes ist über das Sachwertverfahren ermittelt worden; der Sachwert setzt sich zusammen aus dem Bodenwert, dem Wert für die Außenanlagen und den Gebäudewerten; er bildet in der Regel den Ausgangswert zum Verkehrswert. Der Gutachterausschuss hat die Immobilie von außen und von innen besichtigt und Vermessungen vorgenommen. Da den Eigentümern das genaue Baujahr des Hauses nicht bekannt war, ist der Gutachterausschuss entsprechend den Angaben der Eigentümer davon ausgegangen, dass das Haus vor dem Jahre 1900 errichtet worden ist. Der Bodenrichtwert für das Gebiet, in dem die Immobilie liegt, betrug zum maßgeblichen Zeitpunkt 210,00 EUR je Quadratmeter (erschließungsbeitragsfrei). Im Gutachten ist ausgeführt, dass sich der Bodenrichtwert auf regelmäßig geschnittene Grundstücke mit bestimmter Bebauung, Grundstückstiefe und Grundstücksgröße bezieht. Da das zu bewertende Grundstück eine Größe von 373 qm hat und sehr unregelmäßig geschnitten ist, hat der Gutachterausschuss einen Abschlag auf den Bodenrichtwert von 25 % in Ansatz gebracht. Er hat dementsprechend den Bodenwert für das Bauland (223 qm) mit 155,00 EUR je qm bewertet, die Restfläche von 150 qm als Gartenlandbereich mit 25,00 EUR je qm. Hieraus ermittelt sich ein Bodenwert von 38.315,00 EUR. Den Wert für die Außenanlagen hat der Gutachterausschuss pauschal mit 12.5000,00 EUR in Ansatz gebracht. Er hat dabei berücksichtigt, dass es sich um sehr kleines Gebäude handelt, das aufgrund der vorhandenen Grenzsituation nicht erweitert und wegen der vorhandenen Nachbarbebauung auch nicht aufgestockt werden kann. Neben den ermittelten Gebäudewerten hat der Gutachterausschuss auch den Sachwert ermittelt und mit 63.000,00 EUR bzw. – nach einer anderen Berechnungsweise – mit 67.000,00 EUR bewertet und daraus einen Mittelwert von 65.000,00 EUR ermittelt. Normalerweise wäre der Sachwert noch an die Marktlage anzupassen. Der Gutachterausschuss hat jedoch dargelegt, dass dies bei einem Sachwert in dieser Größe nicht erforderlich ist, da hier der Sachwert dem Verkehrswert (Marktwert) entspricht. Aus dem Wert von 65.000,00 EUR ergibt sich bei einer vorhandenen Wohnfläche von 55 qm ein Durchschnittswert von 1.181,82 EUR pro qm Wohnfläche. Dieser Wert wird – so der Gutachterausschuss – durch eine Auswertung aus der Kaufpreissammlung gestützt. In den Jahren 2010 bis 2012 sind in X. bei Verkäufen von Ein- und Zweifamilienhäusern, die in den Jahren zwischen 1890 und 1910 errichtet worden sind, ein durchschnittlicher Kaufpreis von 1.058,22 EUR je qm Wohnfläche gezahlt worden. Unter Berücksichtigung von Standardabweichungen liegt der für den Grundbesitz in X. ermittelte Durchschnittswert von 1.181,82 EUR innerhalb der Bandbreite der Verkaufswerte. Der Gutachterausschuss hat bei der endgültigen Festlegung des Verkehrswertes aber auch die geringe Gebäudegröße und die nicht vorhandene Erweiterungsmöglichkeit des Gebäudes berücksichtigt und deshalb einen Abschlag von rund 30 % (rund 20.000,00 EUR) in Ansatz gebracht, da aufgrund dieser Gegebenheiten der Käuferpreis als sicherlich eingeschränkt anzusehen sei. Dementsprechend hat der Gutachterausschuss unter Darlegung zahlreicher weiterer Einzelheiten und Bewertungsgrundlagen den Verkehrswert (Marktwert) der Immobilie auf 45.000,00 EUR festgesetzt.
Hiergegen haben die Kläger keine substanziierten Einwände erhoben. Die Kammer hat deshalb keine Veranlassung gesehen, dass ausführliche und nachvollziehbar gegründete Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses durch ein weiteres von Amts wegen einzuholendes Verkehrswertgutachten überprüfen zu lassen.
Der Ausschlusstatbestand des § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII ist bereits deshalb nicht erfüllt, weil keiner der Erben mit dem HE bis zur dessen Tod in häuslicher Gemeinschaft gelebt und ihn gepflegt hat; der HE war zuletzt vor seinem Tod mehr als ein Jahr in einem Pflegeheim untergebracht.
Schließlich bedeutet die Inanspruchnahme der Kläger als Erben des HE nach Grund und Höhe unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles keine besondere Härte (vgl. § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII). Das Gesetz beschränkt sich nicht auf allgemeine Härtegesichtspunkte, sondern verlangt darüber hinaus eine "besondere Härte". Eine solche Härte ist bei einer auffallenden Atypik des zu beurteilenden Sachverhaltes anzunehmen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles als unbillig erscheinen lässt, den Erben für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Härte muss besonderes gewichtig sein, also objektiv besonders schwer wiegen (BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 2/09 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.12.2010 – L 2 SO 5548/08; Bayers. LSG, Urteil vom 23.02.2012 – L 8 SO 113/09). Eine besondere Härte lässt sich nicht bereits darauf stützen, dass das ererbte Vermögen dem Schonvermögen des Erblassers zuzurechnen war. Denn der Ersatzanspruch gegen den Erben zielt gerade darauf ab zu verhindern, dass sich der Schutz des Schonvermögens des Leistungsberechtigten auch zugunsten des Erben auswirkt, ohne dass in dessen Person eine diesbezügliche Schutzbedürftigkeit gegeben ist. Insbesondere ergibt sich auch aus § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII kein über den Tod des bedürftigen Leistungsempfängers hinaus bestehender Schutztatbestand. Diese Vorschrift begründet kein "postmortales Schonvermögen" zugunsten des Erben in Bezug auf den an die Kläger vererbten Miteigentumsanteils des verstorbenen HE (vgl. in diesem Sinne: Bayers. LSG und LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Soweit in der – seit 2005 für das Sozialhilferecht nicht mehr zuständigen – Verwaltungsgerichtsbarkeit, speziell vom VGH München im Urteil vom 26.07.1993 (12 B 90.3525), auf das sich die Kläger berufen, noch ein postmortaler Vermögensschutz zugunsten der Erben angenommen worden ist, wenn der vererbte Gegenstand Schonvermögen des Hilfeempfängers und Erblassers gewesen war, wird diese Auffassung in der Sozialgerichtsbarkeit nicht mehr vertreten. Dem schließt sich die Kammer an. Ein Kostenersatzanspruch nach § 102 SGB XII entfällt nicht bereits deshalb, weil das geerbte Vermögen Schonvermögen des Hilfeempfängers war, sondern allenfalls dann, wenn die Inanspruchnahme des Erben nach den Besonderheiten des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde.
Für den Kläger ist auch unter Berücksichtigung etwaiger grundrechtsrelevanter Aspekte kein Härtegesichtspunkt ersichtlich, der den gegen ihn gerichteten Kostenersatzanspruch ausschließen würde.
Im Rahmen der Prüfung einer besonderen Härte hat die Beklagte der wirtschaftlichen Situation der Klägerin, die das Haus, das auch vor dem Tod des HE schon in ihrem hälftigen Miteigentum stand, weiter bewohnt, dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass sie ihr die Möglichkeit eingeräumt hat, den Kostenersatzanspruch durch Eintragung einer entsprechenden Sicherungshypothek zugunsten des Sozialhilfeträgers anzuerkennen. Dadurch bleibt ihre wirtschaftliche Existenz zu ihren Lebzeiten unangetastet; sie braucht die Immobilie weder zu verkaufen noch zu beleihen, also auch nicht die von ihr befürchteten unzumutbaren Mietaufwendungen zu erbringen. Weitere außergewöhnliche oder wirtschaftliche Umstände, die zur Anerkennung einer besonderen Härte nach § 102 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII führen könnten, sind bei der Klägerin nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat die Kostenersatzansprüche zuletzt in den beiden Widerspruchsbescheiden sachlich und rechnerisch zutreffend ermittelt, insbesondere den Freibetrag nach § 102 Abs. 1 Satz 2 in Höhe von 2.184,00 EUR in richtiger Höhe in Ansatz gebracht. Gegen die Höhe der Kostenersatzforderungen sind von den Klägern auch keine durchgreifenden Einwände erhoben worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 39, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte von den Klägern als Erben eines Hilfeempfängers Ersatz der Kosten für dessen aus Sozialhilfemitteln erbrachter Hilfe zur Heimpflege beanspruchen kann, konkret von der Klägerin 10.221,81 EUR, vom Kläger 9.478,81 EUR.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist die Witwe, der Kläger ist der Sohn des am 12.11.2011 verstorbenen Hilfeempfängers (HE) N. X ... Die Klägerin bezieht eine Altersrente von ca. 60,00 EUR und eine Witwenrente von ca. 600,00 EUR. Die Klägerin und der HE waren je zur Hälfte Eigentümer des bebauten lastenfreien Grundbesitzes in X ... Die Fläche des Grundstücks beträgt 373 qm, das darauf errichtete Haus hat eine Wohnfläche von 55 qm. Die Klägerin wohnt in diesem Haus. Die Kläger haben den HE zu gleichen Anteilen beerbt. Die Erbschaft bestand im Wesentlichen aus den hälftigen Anteilen des Erblassers an dem Grundbesitz und einem ihm zusammen mit der Klägerin gehörenden Sparbuch, das zum Zeitpunkt des Todes ein Gutachten von 255,71 EUR aufwies.
Vom 01.09.2010 bis 31.10.2011 leistete die Beklagte dem HE Sozialhilfe zur Deckung von dessen Heimpflegekosten in Höhe von 21.915,09 EUR.
Durch Leistungsbescheid vom 06.12.2011 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin als Erbin des HE den Ersatz der Kosten der erbrachten Sozialhilfe in Höhe von 10.957,55 EUR geltend. Durch weiteren Leistungsbescheid vom 06.12.2011 machte die Beklagte auch gegenüber dem Kläger als weiteren Erben Kostenersatz in Höhe von 10.214,54 EUR geltend; bei ihm nahm sie einen Abzug für tatsächlich geleistete Unterhaltszahlungen in Höhe von 743,00 EUR vor.
Gegen die Bescheide erhoben die Kläger am 14.12.2011 Widerspruch.
Auf Anfrage der Beklagten erteilte der "Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Städteregion Aachen" am 08.03.2012 die Auskunft, der ermittelte Verkehrswert des Grundbesitzes in X. betrage rund 45.000,00 EUR; der erschließungsbeitragsfreie Bodenrichtwert für diesen Bereich betrage zum 01.01.2012 pro qm 210,00 EUR; die vorhandene sehr unregelmäßige Grundstücksform, die sogar eine Erweiterung des sehr kleinen Wohnhauses verhindere, lasse nur den Ansatz des bereinigten Bodenrichtwertes zu. Die Beklagte teilte diese Auskunft den Klägern mit.
In der Folgezeit legten die Kläger u.a. einen Auszug des Sparbuchs der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes vor, aus dem sich das Guthaben zum Todeszeitpunkt ergibt. Sie trugen vor, die Verkehrswertermittlung sei lediglich auf der Basis der Bodenrichtwerte vorgenommen worden, und meinten, der Verkehrswert belaufe sich auf höchstens 30.000,00 EUR. Es bestehe ein erheblicher Renovierungsbedarf; bei dem Zustand des Hauses werde der genannte Verkehrswert nicht zu erzielen sein, da entweder Renovierungen von mindestens 30.000,00 EUR durchzuführen seien oder aber das Gebäude abgerissen und entsorgt werden müsse, wodurch Kosten von mindestens 40.000,00 EUR entstünden; daher sei von einer "kompletten Entwertung" des Grundstücks auszugehen. Sonstiges Bar- und Girokontovermögen sei für die Bestattungskosten ausgegeben worden.
Durch zwei Widerspruchsbescheide vom 29.08.2012 reduzierte die Beklagte die Kostenersatzforderung gegenüber der Klägerin auf 10.221,81 EUR und gegenüber dem Kläger auf 9.478,81 EUR. Zur Begründung führte sie aus, die Nachlasswerte bestünden aus dem halben Wert des Grundbesitzes (22.500,00 EUR) und dem halben Wert des Sparbuches (127,61 EUR), zusammen 22.627,61 EUR. Hiervon sei einmalig ein Freibetrag in Höhe des dreifachen Wertes des Grundbetrages (2.184,00 EUR) abzuziehen. Von dem verbleibenden Betrag hätten die Kläger Kostenersatz zu leisten, wobei von dem auf den Kläger entfallenden Anteil zu seinen Gunsten 743,00 EUR für bereits geleistete Unterhaltszahlungen in Abzug zu bringen seien. Die Heranziehung des Klägers als Erben stelle keine besondere Härte dar. Bei der Klägerin sei zu berücksichtigenden, dass sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation voraussichtlich jetzt und in Zukunft nicht in der Lage sein werde, die Kostenersatzforderung mit Hilfe ihres Einkommens und Barvermögens auszugleichen; deshalb werde ihr die Möglichkeit eingeräumt, durch die Eintragung einer Sicherungshypothek die Forderung anzuerkennen.
Dagegen hat die Klägerin am 25.09.2012 (S 20 SO 159/12), der Kläger am 26.09.2012 (S 19 SO 164/12) Klage erhoben. Nach Anhörung der Beteiligten sind die beiden Verfahren durch Beschluss vom 12.12.2012 unter dem Aktenzeichen S 20 SO 159/12 verbunden worden.
Die Kläger sind der Auffassung, bei dem Hausgrundstück handele es sich sowohl für den Erblasser als auch für die Klägerin um Schonvermögen. Eine in Inanspruchnahme des Klägers verstoße gegen die "Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 i.V. m. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz". Da das Immobilienvermögen schon beim Erblasser Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gewesen sei, müsse es auch bei den Erben – ggf. unter Härtegesichtspunkten – als nicht antastbares Schonvermögen erhalten bleiben. Die Klägerin berufen sich für ihre Rechtsauffassung auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) München vom 26.07.1993 (12 B 90.3525). Sie halten die Bewertung der Immobilie durch die Beklagte für ungenügend und unzutreffend. Wegen des erheblichen Renovierungsstaus dieser alten Immobilie entspräche der von der Beklagten angegebene Wert nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Im Übrigen ist die Klägerin der Auffassung, dass die Immobilie für sie die wirtschaftliche Existenzgrundlage darstelle, da sie anderenfalls gezwungen wäre, erhebliche Mietaufwendungen zu tätigen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012 aufzuheben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass Ausschlusstatbestände – speziell nach § 102 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 SGB XII – nicht erfüllt seien. Keiner der Kläger habe bis zum Tod des HE mit diesem in häuslicher Gemeinschaft gelebt, da dieser zuletzt im Heim untergebracht gewesen sei. Für den Kläger bestehe kein Vermögensschutz nach § 90 SGB XII am Erbe seines verstorbenen Vaters. Auch gegenüber der Klägerin stelle der geltend gemachte Kostenersatz keine besondere Härte dar; ihren Interessen könne durch Eintragung einer Sicherungshypothek Rechnung getragen werden.
Die Beklagte hat die vollständigen Wertermittlungsunterlagen des Gutachterausschusses (20 Seiten) vorgelegt; daraus ergibt sich u.a., dass vor der Wertermittlung am 28.02.2012 eine Ortsbesichtigung im Inneren des Hauses stattgefunden und verschiedene Messungen durchgeführt worden sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen sind zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Kläger werden durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat gegen die Kläger einen Erstattungsanspruch aus dem Erbe des verstorbenen Ehemannes der Klägerin bzw. des Vaters des Klägers für erbrachte Leistungen der Hilfe zur Pflege.
Gemäß § 102 Abs. 1 SGB XII ist der Erbe der leistungsberechtigten Person – das ist der HE – oder ihres Ehegatten oder ihres Lebenspartners, falls diese vor der leistungsberechtigten Person sterben, vorbehaltlich des (hier nicht einschlägigen) Abs. 5 zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet (Satz 1). Die Ersatzpflicht besteht nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 übersteigen (Satz 2). Nach § 102 Abs. 2 SGB XI gehört die Ersatzpflicht des Erben zu den Nachlassverbindlichkeiten (Satz 1). Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses (Satz 2). § 102 Abs. 3 SGB XII listet drei Ausschlusstatbestände auf, die den Anspruch auf Kostenersatz entfallen lassen. Keiner dieser Ausschlusstatbestände ist jedoch bei den Klägern erfüllt.
Der Ausschlusstatbestand des § 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII ist nicht erfüllt, da der Wert des Nachlasses nicht unter dem dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 liegt. Die Höhe dieses Grundbetrages ist das Zweifache der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28. Die Regelbedarfsstufe 1 belief sich zum Zeitpunkt des Erbfalles auf 364,00 EUR; der Grundbetrag nach § 85 Abs. 1 SGB XII betrug seinerzeit also 728,00 EUR. Das Dreifache dieses Grundbetrages sind 2.184,00 EUR. Diesen Wert übersteigt der Wert des Nachlasses um ein Vielfaches.
Aus dem ausführlichen und umfangreichen Wertermittlungsgutachten des "Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Städteregion Aachen" ergibt sich für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend, dass der Verkehrswert des Grundbesitzes in X. 45.000,00 EUR beträgt. Der Verkehrswert (Marktwert) des Objektes ist über das Sachwertverfahren ermittelt worden; der Sachwert setzt sich zusammen aus dem Bodenwert, dem Wert für die Außenanlagen und den Gebäudewerten; er bildet in der Regel den Ausgangswert zum Verkehrswert. Der Gutachterausschuss hat die Immobilie von außen und von innen besichtigt und Vermessungen vorgenommen. Da den Eigentümern das genaue Baujahr des Hauses nicht bekannt war, ist der Gutachterausschuss entsprechend den Angaben der Eigentümer davon ausgegangen, dass das Haus vor dem Jahre 1900 errichtet worden ist. Der Bodenrichtwert für das Gebiet, in dem die Immobilie liegt, betrug zum maßgeblichen Zeitpunkt 210,00 EUR je Quadratmeter (erschließungsbeitragsfrei). Im Gutachten ist ausgeführt, dass sich der Bodenrichtwert auf regelmäßig geschnittene Grundstücke mit bestimmter Bebauung, Grundstückstiefe und Grundstücksgröße bezieht. Da das zu bewertende Grundstück eine Größe von 373 qm hat und sehr unregelmäßig geschnitten ist, hat der Gutachterausschuss einen Abschlag auf den Bodenrichtwert von 25 % in Ansatz gebracht. Er hat dementsprechend den Bodenwert für das Bauland (223 qm) mit 155,00 EUR je qm bewertet, die Restfläche von 150 qm als Gartenlandbereich mit 25,00 EUR je qm. Hieraus ermittelt sich ein Bodenwert von 38.315,00 EUR. Den Wert für die Außenanlagen hat der Gutachterausschuss pauschal mit 12.5000,00 EUR in Ansatz gebracht. Er hat dabei berücksichtigt, dass es sich um sehr kleines Gebäude handelt, das aufgrund der vorhandenen Grenzsituation nicht erweitert und wegen der vorhandenen Nachbarbebauung auch nicht aufgestockt werden kann. Neben den ermittelten Gebäudewerten hat der Gutachterausschuss auch den Sachwert ermittelt und mit 63.000,00 EUR bzw. – nach einer anderen Berechnungsweise – mit 67.000,00 EUR bewertet und daraus einen Mittelwert von 65.000,00 EUR ermittelt. Normalerweise wäre der Sachwert noch an die Marktlage anzupassen. Der Gutachterausschuss hat jedoch dargelegt, dass dies bei einem Sachwert in dieser Größe nicht erforderlich ist, da hier der Sachwert dem Verkehrswert (Marktwert) entspricht. Aus dem Wert von 65.000,00 EUR ergibt sich bei einer vorhandenen Wohnfläche von 55 qm ein Durchschnittswert von 1.181,82 EUR pro qm Wohnfläche. Dieser Wert wird – so der Gutachterausschuss – durch eine Auswertung aus der Kaufpreissammlung gestützt. In den Jahren 2010 bis 2012 sind in X. bei Verkäufen von Ein- und Zweifamilienhäusern, die in den Jahren zwischen 1890 und 1910 errichtet worden sind, ein durchschnittlicher Kaufpreis von 1.058,22 EUR je qm Wohnfläche gezahlt worden. Unter Berücksichtigung von Standardabweichungen liegt der für den Grundbesitz in X. ermittelte Durchschnittswert von 1.181,82 EUR innerhalb der Bandbreite der Verkaufswerte. Der Gutachterausschuss hat bei der endgültigen Festlegung des Verkehrswertes aber auch die geringe Gebäudegröße und die nicht vorhandene Erweiterungsmöglichkeit des Gebäudes berücksichtigt und deshalb einen Abschlag von rund 30 % (rund 20.000,00 EUR) in Ansatz gebracht, da aufgrund dieser Gegebenheiten der Käuferpreis als sicherlich eingeschränkt anzusehen sei. Dementsprechend hat der Gutachterausschuss unter Darlegung zahlreicher weiterer Einzelheiten und Bewertungsgrundlagen den Verkehrswert (Marktwert) der Immobilie auf 45.000,00 EUR festgesetzt.
Hiergegen haben die Kläger keine substanziierten Einwände erhoben. Die Kammer hat deshalb keine Veranlassung gesehen, dass ausführliche und nachvollziehbar gegründete Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses durch ein weiteres von Amts wegen einzuholendes Verkehrswertgutachten überprüfen zu lassen.
Der Ausschlusstatbestand des § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII ist bereits deshalb nicht erfüllt, weil keiner der Erben mit dem HE bis zur dessen Tod in häuslicher Gemeinschaft gelebt und ihn gepflegt hat; der HE war zuletzt vor seinem Tod mehr als ein Jahr in einem Pflegeheim untergebracht.
Schließlich bedeutet die Inanspruchnahme der Kläger als Erben des HE nach Grund und Höhe unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles keine besondere Härte (vgl. § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII). Das Gesetz beschränkt sich nicht auf allgemeine Härtegesichtspunkte, sondern verlangt darüber hinaus eine "besondere Härte". Eine solche Härte ist bei einer auffallenden Atypik des zu beurteilenden Sachverhaltes anzunehmen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles als unbillig erscheinen lässt, den Erben für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Härte muss besonderes gewichtig sein, also objektiv besonders schwer wiegen (BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 2/09 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.12.2010 – L 2 SO 5548/08; Bayers. LSG, Urteil vom 23.02.2012 – L 8 SO 113/09). Eine besondere Härte lässt sich nicht bereits darauf stützen, dass das ererbte Vermögen dem Schonvermögen des Erblassers zuzurechnen war. Denn der Ersatzanspruch gegen den Erben zielt gerade darauf ab zu verhindern, dass sich der Schutz des Schonvermögens des Leistungsberechtigten auch zugunsten des Erben auswirkt, ohne dass in dessen Person eine diesbezügliche Schutzbedürftigkeit gegeben ist. Insbesondere ergibt sich auch aus § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII kein über den Tod des bedürftigen Leistungsempfängers hinaus bestehender Schutztatbestand. Diese Vorschrift begründet kein "postmortales Schonvermögen" zugunsten des Erben in Bezug auf den an die Kläger vererbten Miteigentumsanteils des verstorbenen HE (vgl. in diesem Sinne: Bayers. LSG und LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Soweit in der – seit 2005 für das Sozialhilferecht nicht mehr zuständigen – Verwaltungsgerichtsbarkeit, speziell vom VGH München im Urteil vom 26.07.1993 (12 B 90.3525), auf das sich die Kläger berufen, noch ein postmortaler Vermögensschutz zugunsten der Erben angenommen worden ist, wenn der vererbte Gegenstand Schonvermögen des Hilfeempfängers und Erblassers gewesen war, wird diese Auffassung in der Sozialgerichtsbarkeit nicht mehr vertreten. Dem schließt sich die Kammer an. Ein Kostenersatzanspruch nach § 102 SGB XII entfällt nicht bereits deshalb, weil das geerbte Vermögen Schonvermögen des Hilfeempfängers war, sondern allenfalls dann, wenn die Inanspruchnahme des Erben nach den Besonderheiten des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde.
Für den Kläger ist auch unter Berücksichtigung etwaiger grundrechtsrelevanter Aspekte kein Härtegesichtspunkt ersichtlich, der den gegen ihn gerichteten Kostenersatzanspruch ausschließen würde.
Im Rahmen der Prüfung einer besonderen Härte hat die Beklagte der wirtschaftlichen Situation der Klägerin, die das Haus, das auch vor dem Tod des HE schon in ihrem hälftigen Miteigentum stand, weiter bewohnt, dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass sie ihr die Möglichkeit eingeräumt hat, den Kostenersatzanspruch durch Eintragung einer entsprechenden Sicherungshypothek zugunsten des Sozialhilfeträgers anzuerkennen. Dadurch bleibt ihre wirtschaftliche Existenz zu ihren Lebzeiten unangetastet; sie braucht die Immobilie weder zu verkaufen noch zu beleihen, also auch nicht die von ihr befürchteten unzumutbaren Mietaufwendungen zu erbringen. Weitere außergewöhnliche oder wirtschaftliche Umstände, die zur Anerkennung einer besonderen Härte nach § 102 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII führen könnten, sind bei der Klägerin nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat die Kostenersatzansprüche zuletzt in den beiden Widerspruchsbescheiden sachlich und rechnerisch zutreffend ermittelt, insbesondere den Freibetrag nach § 102 Abs. 1 Satz 2 in Höhe von 2.184,00 EUR in richtiger Höhe in Ansatz gebracht. Gegen die Höhe der Kostenersatzforderungen sind von den Klägern auch keine durchgreifenden Einwände erhoben worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 39, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
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