S 4 R 804/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 4 R 804/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 296/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2012 verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 13.05.2011 ab dem 01.06.2011 auf Dauer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähig-keit.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist gelernter Betriebsschlosser. Im Zeitraum von 1987 bis 1990 besuchte er die Meisterschule. Am 09.05.1990 legte der die Prüfung zum Industriemeister – Metall ab. Im Jahr 1988 nahm der Kläger an dem Seminar "Neue Technologien in Konstruktion und Produktion von CAD bis CNC" teil. Am 13.08.2007 wurde der Kläger durch seinen Arbeitgeber zur befähigten Person im Bereich kraftbetätigte Fenster, Türen und Tore (BGR 232) bestellt. Im Dezember 2007 nahm er an einer Qualifizierungsmaßnahmen "Prüfung kraftbetätigter Türen, Tore und Fenster durch hierzu befähigte Personen - Sachkundiger" sowie im Januar 2008 an einer Qualifizierungsmaßnahmen "Krananlagen-Prüfung durch Sachkundige" teil. Das zuständige Versorgungsamt des Kreises Heinsberg hat bei dem Kläger einen Grad der Behinderung von 20 anerkannt.

Am 13.05.2011 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung bei der Be-klagten. Zur Begründung gab er an, unter starken Schwindelanfällen, Gleichge-wichtsstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Artikulierungsstörungen, Ver-gesslichkeit, Kreislaufbeschwerden, Herzrasen und Atemnot zu leiden. Zur Begrün-dung seines Antrages legte der Kläger eine Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. L. vom 11.03.2011 und 24.05.2011 vor, wonach der Kläger nur noch über ein tägliches Leistungsverfügung von bis zu drei Stunden verfügte. Weiterhin legte er verschiedene Gutachten des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit, weitere ärztliche Unterlagen und ärztliche Bescheinigungen des Betriebsarztes Dr. F. vor. Nach der ärztlichen Bescheinigung des Betriebsarztes Dr. F. vom 00.00.0000 sei der Kläger nicht mehr in der Lage, seine Tätigkeit als Betriebsschlosser weiter auszuüben.

Mit Bescheid vom 00.00.0000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Kläger könnte unter Berücksichtigung der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen weiterhin täglich sechs Stunden arbeiten. Er könne auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen. Eine Tätigkeit als Schlosser sei ihm nicht mehr zumutbar. Er könne jedoch noch auf den Beruf eines Registrators und Mechanikers im Kleingerätebau verwiesen werden. Diese Tätigkeiten seien dem Kläger aufgrund seines beruflichen Werdegangs weiterhin zumutbar. Hiergegen erhob der Kläger am 00.00.0000 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er sei aufgrund seiner zahlreichen Leiden voll erwerbsgemindert. Er leide unter erheblichen Schwindelattacken mit Gleichgewichtsstörungen. Dies wirke sich auch beim Gehen auf unebener Erde oder beim Treppensteigen aus. Seine Neurologischen Ausfallerscheinungen würden von Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie Wortfindungsstörungen begleitet. Er leide an einer erheblichen Kurzatmigkeit mit Engegefühl. Es bestünden auch Leiden im Bereich der Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule. Dies führe regelmäßig zu starken Kopfschmerzen. Mindestens zweimal wöchentlich leide er unter Migräne. Er verspüre Schmerzen in allen Extremitäten.

Die Beklagte holte daraufhin ein Befundbericht des Augenarztes Dr. A. vom 00.00.0000, des Neurologen und Psychiaters Dr. (univ. L.) B. vom 00.00.0000 und des Allgemeinmediziners Dr. L. vom 00.00.0000 ein. Sie veranlasste daraufhin die Einholung eines Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 00.00.0000 und der Sozialmedizinerin Dr. C. vom 00.00.0000.

Mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach den medizinischen Feststellungen könne der Kläger keine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung beanspruchen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Widerspruch sei mit zahlreichen Gesundheitsstörungen auf neurologischen, psychosomatischen, internistischen und orthopädischen Gebiet begründet worden. Die Beklagte habe weitere Befundberichte eingeholt und die Begutachtung durch einen Neurologen und Psychiater veranlasst. Der neurologische Untersuchungsbefund sei völlig unauffällig gewesen. Eine depressive Verstimmung sei nicht nachweisbar gewesen. Die Schlafstörungen des Klägers seien bei einer fachgerechten Behandlung besserungswürdig. Das Leistungsvermögen des Klägers sei eingeschränkt, aber noch nicht in der Breite aufgehoben. Der Kläger könne auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen. In seinem bisherigen Beruf als Schlosser sei er nicht mehr im Umfang von sechs Stunden täglich einsetzbar. Er könne jedoch noch auf die Berufe des Mechanikers im Kleingerätebau und Poststellenmitarbeiters verwiesen werden.

Hiergegen hat der Kläger am 00.00.0000 Klage bei dem Sozialgericht erhoben.

Er trägt vor, er könne keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen. Er leide ca. dreimal wöchentlich unter erheblichen Schwindelattacken. Deswegen könne er für die Dauer von drei bis sechs Stunden keinen Pkw führen. Eine Bushaltestelle sei am Wohnort des Klägers 500 m von seiner Wohnung entfernt. Es sei ihm kaum möglich, zur Bushaltestelle zu gelangen. Eine Bahnlinie sei mehrere km entfernt und nur mit Bus und Pkw gut zu erreichen. An den Tagen mit Schwindelattacken könne er für mehrere Stunden nicht arbeiten. Der Arbeitsmarkt sei für den Kläger verschlossen. Der Kläger sei als ausgebildeter Schlossermeister als Facharbeiter mit besonderen Aufgaben zu qualifizieren. Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers könne er nicht an Automaten und Maschinen arbeiten. Eine Tätigkeit als Montierer, Gerätezusammensetzer und Teilezurichter sei ihm nur unter erhöhten Zeitaufwand möglich. In den letzten Jahren seiner Berufstätigkeit habe er als Leiharbeiter bei C. gearbeitet. Normale Reparaturarbeiten als Schlosser habe er dort aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht ausüben können. Er habe eine Weiterbildung für die Abnahme von Kran-und Rolltoren gemacht. Seine Aufgabe habe darin bestanden, nicht die erste Abnahme dieser Krane und Rolltore vorzunehmen. Dies sei Aufgabe des TÜV. Er habe aber die wiederkehrenden Überprüfungen übernommen. Er habe mit einem Kollegen zusammengearbeitet. Nach seiner Meisterprüfung Anfang der 0000iger Jahre habe er in dem früheren Unternehmen den Aufbau einer Verpa-ckungsanlage koordiniert. Der Aufbau der Anlage habe ca. zwei Jahre gedauert. Im Anschluss habe er für die Dauer von einem Jahr eine Studie über die Reparaturanfälligkeit der Maschinen betreut. Danach habe er im Wartungs- und Überprüfungsbereich gearbeitet. Dort habe er Kenntnisse aus seiner Meisterschule und Computerkenntnisse einsetzen können. Er habe sich auch privat weitergebildet. Er sei nicht dauerhaft für andere Mitarbeiter zuständig gewesen. Wenn er jedoch bei einer Reparatur andere Mitarbeiter benötigt habe, habe er diese erhalten. Er habe auch mit anderen Unternehmen und anderen Abteilungen zusammengearbeitet. Mitte bzw. Ende der 0000iger Jahre sei sein Betrieb allmählich aufgelöst worden. Dies habe dazu geführt, dass Kollegen, die teilweise auch über Meistertitel verfügten, aus ihrer Sicht unter- qualifizierte Tätigkeiten übernommen hätten. Er sei davon nicht betroffen gewesen. Ein von der Beklagten in Bezug genommenes berufskundliches Gutachten aus dem Jahr 0000 sei zwischenzeitlich veraltet. Es seien keine Tätigkeiten ersichtlich, auf die er zumutbar verwiesen werden könne. Der Kläger verweist weiter auf einen Schilderung seines Tagesablaufes. Zur weiteren Begründung hat der Kläger einen Arztbrief des St. F. Krankenhauses H. vom 00.00.0000 und 00.00.0000 sowie eine ärztliche Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. L. vom 00.00.0000 zur Gerichtsakte gereicht.

Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 00.00.0000 die Klage hinsichtlich der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zurückge-nommen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 00.00.0000 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 zu verurteilen, ihm Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 00.00.0000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei nicht berufsunfähig. Bei der zuletzt aus-geübten Tätigkeit des Klägers habe es sich um eine Facharbeitertätigkeit gehandelt. Er könne zumutbar auf Tätigkeiten dieser Gruppe und Tätigkeiten eines Angelernten im oberen Bereich verwiesen werden. Dem Kläger seien Tätigkeiten eines Mechanikers im Kleingerätebau, Montierers/Teilezusammensetzers bzw. Gerätezusammensetzers gesundheitlich und sozial zumutbar. Zur weiteren Begründung verweist sie auf Auszüge aus dem Sitzungsprotokoll vom 00.00.0000 und dem Urteil in dem Verfahren L 10 J 83/93 des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen. Ergänzend verweist die Beklagte auf ein Urteil LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.03.2013, L 14 R 967/10.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichts des Neurologen und Psychiaters Dr. (univ. M.) B. vom 00.00.0000 und des Allgemeinmediziners Dr. L. vom 00.00.0000. Dr. (univ. M.) B. hat angenommen, der Kläger verfüge über ein tägliches Restleistungsvermögen von drei bis sechs Stunden. Der Allgemeinmediziner Dr. L. hat keine Leistungsbeurteilung abgegeben. Das Gericht hat dann gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten der Internistin und Arbeitsmedizinerin Dr. N. vom 00.00.0000 und des Neurologen und Psychiaters Dr. C. vom 00.00.0000 sowie einer ergänzende Stellungnahme von Dr. C. vom 00.00.0000 und Dr. N. vom 00.00.0000 eingeholt. Die Sachverständigen sind zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne mindestens sechs Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten verrichten. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen verwiesen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid vom 00.00.0000 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 00.00.0000 im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang beschwert. Die angefochtenen Bescheide sind hinsichtlich der Ablehnung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit rechtswidrig. Im Übrigen sind sie rechtmäßig.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Ren-tenversicherung (SGB VI), da er berufsunfähig ist. Der Kläger ist gelernter Schlosser, hat mit Erfolg die Meisterschule besucht und in seinem Beruf als Schlossermeister bis zur Beendigung seiner Erwerbstätigkeit gearbeitet. Der Kläger ist aus gesundheitlichen Gründen, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht, nicht mehr in der Lage, als Schlossermeister zu arbeiten.

Der Kläger leidet unter folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen:

1. Unspezifischer Schwindel bei medikamentös gut eingestelltem Bluthochdruck; 2. Verdacht auf Somatisierungsstörung; 3. leichtes depressives Syndrom; 4.Leichtes obstruktives Schlafapnoe-Syndrom ohne Indikation für nächtliche Über-druckbeatmung; 5.Migräne; 6. Verdacht auf Restless-Legs-Syndrom; 7. Chronisch asthmaoide Bronchitis bei allergischer Diathese; 8. Wiederkehrendes Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei degenerativen Veränderun-gen; 9. Störendes Ohrgerösch; 10. Fersensporn beidseits.

Der Kläger kann noch körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in Tagesschicht verrichten. Arbeiten in gebückter Haltung bzw. mit andauernder oder längerer einseitiger körperlicher Belastung sind ihm gleichermaßen nicht mehr zumutbar, wie Arbeiten mit Zwangshaltungen. Der Kläger kann noch Tätigkeiten im Freien unter Witterungsschutz und in geschlossenen Räumen ausführen. Arbeiten unter Zeitdruck wie Einzel- und Gruppenakkord, Fließbandarbeiten, Arbeiten an Automaten, Arbeiten auf Gerüsten oder Leitern, an laufenden Maschinen, unter Staubeinwirkung, mit Gefährdung durch Dämpfe, Rauche, Aerosole, Kälte, Hitze, starke Temperaturschwankungen, Zugluft oder Nässe sind dem Kläger nicht mehr zumutbar. Arbeiten unter Lärm, Fahr- Steuer- und Überwachungsarbeiten im arbeitsmedizinischen Sinne (z.B. Überwachung komplexer Arbeitsvorgänge an großen Schaltpulten oder am PC, Führen von Gabelstaplern) können von dem Kläger nicht mehr abverlangt werden.

Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens bestehen hingegen nicht.

Unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen ist der Kläger in der Lage, täglich an fünf Tagen in der Woche mit den betriebsüblichen Unterbrechungen sechs Stunden und mehr tätig zu sein.

Dies folgt aus den Gutachten des Psychiaters und Neurologen Dr. C. vom 00.00.0000 sowie seiner ergänzende Stellungnahme vom 00.00.0000 und dem Gut-achten der Arbeitsmedizinerin Dr. N. vom 00.00.0000 sowie ihrer ergänzenden Stel-lungnahme vom 00.00.0000. Die nach § 106 SGG angehörten Sachverständigen führen nachvollziehbar unter Auswertung der vorhandenen medizinischen Unterla-gen, der beklagten Beschwerden und erhobenen Befunde aus, dass der Kläger noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit den genannten Einschränkungen verfügt. Die Kammer sieht keinen Anlass, die Bewertung der Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Substantiierte Einwendungen der Beteiligten sind hiergegen nicht vorgetragen worden.

Mit diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist der Kläger zwar noch in der Lage, täglich mindestens sechs Stunden körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Er kann jedoch nicht mehr in diesem Umfang als Schlossermeister arbeiten. Der Kläger kann auf keine leidensgerechte und sozial zumutbare Tätigkeit verwiesen werden.

Die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers als Schlossermeister ist als Tätigkeit eines besonders hoch qualifizierten Facharbeiters einzuordnen. Er kann somit unter Berücksichtigung des von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas (vgl. hierzu Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI, Rdnr. 56 ff., m. w. N.) zumutbar nur auf Tätigkeiten innerhalb dieser Gruppe und Facharbeitertätigkeiten (vgl. Nazarek in: jurisPK-SGB VI, § 240 Rdnr. 102) verwiesen werden.

Die Kammer ist nach der konkreten Schilderung der Berufstätigkeit des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger bis zuletzt als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter tätig war. Bei der Bewertung, ob jemand zu der herausgehobenen Gruppe der Facharbeiter gehört, ist auf das für die Tätigkeit selbst erforderliche, den sonstigen Facharbeitern überragende Können, Wissen, sowie das Maß der Verantwortung und Zuverlässigkeit unter Einbeziehung der Folgen unsachgemäßer Arbeitsverrichtung abzustellen. Nicht notwendig gehört hierzu die Fähigkeit, die für die Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, denn das wird in aller Regel nur von berufspädagogisch qualifizierten Ausbildern oder Meistern im eigentlichen Sinne verlangt, die meist oberhalb der "besonders hoch qualifizierten Facharbeiter" einzuordnen sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 31.01.1984, 5a RKn 7/82, Rdnr. 17 in: jurisweb).

Diese Voraussetzungen hat die noch bis zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers erfüllt. Sofern das BSG in seiner Entscheidung vom 31.01.1984 (a.a.O.) darauf hin-weist, die Tätigkeit von "Meistern im eigentlichen Sinne" stelle zumeist sogar eine Tätigkeit oberhalb der eines besonders hoch qualifizierten Facharbeiters dar, ver-kennt die Kammer zwar nicht, dass hieraus nicht alleine aufgrund des erfolgreichen Abschlusses der Meisterausbildung eine (noch) höhere Einordnung des Klägers zu erfolgen hat. Ob die Tätigkeit des Klägers als die eines Meisters "im eigentlichen Sinne" zu beurteilen ist, kann indes dahinstehen, da nach der überzeugenden Auf-fassung des BSG die Einordnung einer Tätigkeit als besonders hoch qualifizierten Facharbeiter nicht von einer speziellen Befähigung zur Wissensvermittlung, wie diese Meistern in Ausbildungsberufen regelmäßig zukommt, erforderlich macht.

Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als des Klägers als Schlossermeister erfüllt die Vo-raussetzungen die Voraussetzungen einer besonders hoch qualifizierten Facharbeitertätigkeit. Denn der Kläger hat nach Abschluss der Meisterschule ab Mitte der 0000ger Jahre hoch verantwortungsvolle Aufgaben übernommen, die seine besonderen Erfahrungen als Facharbeiter im besonders hohen Maße erforderten und mit einem besonderen Maß von Verantwortung verbunden waren. Hierzu hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, Mitte der 0000iger Jahre bei seinem früheren Arbeitgeber mit der Aufgabe betraut gewesen zu sein, den Aufbau einer Verpackungsanlage zu koordinieren. Der Aufbau dieser Anlage dauerte zwei Jahre an. Dem schloss sich eine einjährige Studie über die Reparaturanfälligkeit der Anlage an, die von dem Kläger betreut wurde. Im Anschluss daran habe er wieder im Wartungs- und Überprüfungsbereich gearbeitet. Hierfür habe er insbesondere die im Rahmen der Meisterausbildung angeeigneten Kenntnisse im Umgang mit sogenannten CNC-Programmen einsetzen können. Sofern er weiter Mitarbeiter für bestimmte Projekte benötigte, habe er dies angezeigt. Seine Tätigkeit habe auch die Koordinierung mit anderen Unternehmen und Abteilungen umfasst.

Der Kläger hat zwar eingeräumt, dass sein früherer Arbeitgeber den Betrieb Mit-te/Ende der 0000iger Jahre allmählich aufgelöst habe. Dies habe dazu geführt, dass Kollegen, die ebenfalls über eine Meisterausbildung verfügten, unterqualifizierte Arbeiten verrichten mussten. Der Kläger hat indes zur Überzeugung der Kammer bis zuletzt durchgängig im besonders hoch qualifizierten Facharbeiterbereich gearbeitet. Dies gilt insbesondere für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Leiharbeiter bei Bayer Leverkusen. Der Kläger sollte nach seinem eigenen Vortrag zunächst als "einfacher Schlosser" eingesetzt werden. Diese Tätigkeiten konnte der Kläger wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht weiter ausüben. Er wurde dann mit der internen Abnahme von Kränen und Rolltoren betraut. Hierbei handelt es sich um eine Tätigkeit, die den Erwerb entsprechender Bescheinigungen, die der Kläger im Dezember 0000 und Januar 0000 erworben hatte, voraussetzt. Die Aufgabe des Klägers bestand insbesondere in der regelmäßigen Überprüfung dieser Kräne und Rolltore. Nach der Unfallverhütungsvorschrift Nr. 6.1 BGR 232 (Kraftbetätigte Fens-ter, Türen und Tore) müssen kraftbetätigte Fenster, Türen und Tore vor der ersten Inbetriebnahme und mindestens einmal jährlich von einem Sachkundigen auf ihren sicheren Zustand geprüft werden. Sachkundiger ist, wer aufgrund seiner fachlichen Ausbildung und Erfahrung ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der kraftbetätigten Fenster, Türen und Tore hat und mit den einschlägigen staatlichen Arbeitsschutzvorschriften, Unfallverhütungsvorschriften und allgemein anerkannten Regeln der Technik (z. B. BG-Regeln, DIN-Normen, VDE-Bestimmungen, technische Regeln anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der Türkei oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum) so weit vertraut ist, dass er den arbeitssicheren Zustand von kraftbetätigten Fenstern, Türen und Toren beurteilen kann. Gemäß Abschnitt 2 BGG 924 (Ermächtigung von Sachverständigen für die Prüfung von Kranen durch die Berufsgenossenschaft) erfordert eine entsprechende Ermächtigung zur Prüfung von Kränen eine mindestens fünfjährige Erfahrung in der Konstruktion, dem Bau oder der Instandhaltung von Kranen, davon mindestens 1/2 Jahr Beteiligung an der Prüftätigkeit eines Sachverständigen sowie ausreichende Kenntnisse der einschlägigen Vorschriften (Gesetze, EG-Richtlinien, Unfallverhütungsvorschriften), sonstigen Richtlinien und Regeln der Technik (z. B. EN-Normen, DIN-Normen, VDE-Bestimmungen, technische Regeln anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum).

Entsprechende Aufgaben hat der Kläger vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses übernommen. Sofern die Beklagte hierzu anführt, eine entsprechende Tätigkeit könne von jedem langjährigen Facharbeiter ausgeübt werden, verkennt sie, dass die Aufgaben ein hohes Maß an individueller Qualität erfordern, die mehr als nur eine langjährige Berufsausübung erfordern. Dass die Kontrollaufgaben des Klägers schließlich Arbeiten eines besonders hoch qualifizierten Facharbeiters darstellen, entnimmt die Kammer nicht zuletzt der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.), das u.a. bei der vorzunehmenden Einschätzung auf das Maß der Verantwortung und Zuverlässigkeit unter Einbeziehung der Folgen unsachgemäßer Arbeitsverrichtung abstellt. Dass Tätigkeiten im Bereich der Prüfung von Rolltoren und Kränen ein besonders hohes Maß an Verantwortung und Zuverlässigkeit erfordern, ist, wie bereits dargestellt, den Unfallverhütungsvorschriften zu entnehmen. Dem steht bei unsachgemäßer Arbeitsverrichtung die Gefahr einer erheblichen Personengefährdung und Sach-gefährdung gegenüber. Dass eine unsachgemäße Prüfung von Kränen für den jeweiligen Kranbediener sowie sonstige Mitarbeiter mit erheblichen Gefahren für die Gesundheit verbunden sind, ist ebenso unzweifelhaft, wie die bei Funktionsuntüchtigkeit von Rolltoren entstehenden Gefahren für Personen und Gegenstände, z.B. durchfahrende Fahrzeuge. Angesichts dieses hohen Maßes an Verantwortung, gepaart mit der besonderen, langjährigen Berufserfahrung des Klägers als Schlossermeister, ist die Tätigkeit damit als eine über dem "einfachen" Facharbeiter liegende Tätigkeit einzuordnen.

Die Beklagte hat keinen zumutbaren Verweisungsberuf benannt. Entsprechende Verweisungsberufe waren im Übrigen auch für die Kammer nicht ersichtlich.

Der Kläger kann insbesondere nicht auf die von der Beklagten benannten Verwei-sungsberufe eines Mechanikers im Kleingerätebau, Montie-rers/Teilezusammensetzers bzw. Gerätezusammensetzers, Registrators oder Post-stellenmitarbeiters verwiesen werden.

Sofern die Beklagte zur Begründung der Verweisung des Klägers auf Tätigkeiten eines Montierers/Teilezusammensetzers bzw. Gerätezusammensetzers auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.03.2013, L 14 R 967/10, verwiesen hat, verkennt sie, dass der in diesem Verfahren klagende Versicherte zuvor als Schlosser tätig war und dem Leitberuf eines Facharbeiters zugeordnet wurde. Bei den Tätigkeiten eines Montieres/Teilezurichters bzw. Gerätezusammensetzers handelt es sich nach den ausführlichen Darstellungen des LSG Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) unter Bezugnahme von berufskundlichen Stellungnahmen, denen sich die Kammer nach eigener Prüfung im vollen Umfang anschließt, um Anlerntätigkeiten. Der Verweis des Klägers auf Anlerntätigkeiten (auch im oberen Bereich) scheidet indes nach dem "Mehr-Stufen-Schema" für besonders hoch qualifizierte Facharbeiter aus, da diese nach den oben genannten Grundsätzen zulässigerweise nur auf Tätigkeiten in derselben Gruppe und Facharbeitertätigkeiten verwiesen werden können. Gleiches gilt für die im Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren benannten Verweisungsberufe eines Registrators und Poststellenmitarbeiters. Auch hierbei handelt es sich nicht um Facharbeitertätigkeiten. Diese Tätigkeiten stellen vielmehr Anlerntätigkeiten dar (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2011, L 4 R 380/11, www.sozialgerichtsbarkeit.de, mwN), auf die der Kläger wegen seines beruflichen Werdegangs nicht zumutbar verwiesen werden kann.

Auch ein Verweis des Klägers auf den Beruf des Mechanikers im Kleingerätebau scheidet vorliegend aus. Zwar hat das LSG Niedersachsen in seiner in Auszügen vorgelegten Entscheidung in dem Verfahren L 10 J 83/93 diese Tätigkeit angesichts einer dreijährigen Ausbildungsdauer grundsätzlich den Facharbeiterberufen zugeordnet. Es kann indes dahinstehen, ob diese Einschätzung den heutigen Gegebenheiten auch heute weiter Fortgeltung hat. Die Kammer war vorliegend auch unter Berücksichtigung des Verpflichtung zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG nicht zu weiteren berufskundlichen Ermittlungen verpflichtet. Denn unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen kann eine entsprechende Tätigkeit von dem Kläger nicht mehr abverlangt werden.

Dies entnimmt die Kammer den überzeugenden Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. C. und der Arbeitsmedizinerin Dr. N., die den Kläger nicht mehr für fähig erachten, Arbeiten mit der Belastung durch Lärm, Dämpfe und Stäube sowie Arbeiten in gebückter Haltung und anderen Zwangshaltungen auszuüben.

Dass die Tätigkeiten des Mechanikers im Kleingerätebau mit den entsprechenden Einschränkungen verbunden sind, entnimmt die Kammer insbesondere den Stel-lungnahmen des Landesarbeitsamtes Bayern vom 17.05.2001, S 4 RJ 1596/98 zu dem Beruf des Mechanikers im industriellen Gerätebau, der weiteren Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Bayern vom 27.06.2001, S 7 RJ 1103/99 zu der Tätigkeit eines angelernten Mechanikers, und seiner Stellungnahme vom 07.04.2005, L 5 R 348/03, zu den Tätigkeiten im Rahmen einer Kleingerätereparatur. Diese berufskundlichen Unterlagen sind an die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgehändigt und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Nach Auffassung der Kammer trägt der Verweis auf den Beruf eines Mechanikers im Kleingerätebau zwar dem Umstand Rechnung, dass der Kläger aufgrund der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine schweren Gegenstände mehr tragen kann. Die weiteren mit dieser Tätigkeit verbundenen Belastungen sind von der Beklagten jedoch nicht hinreichend berücksichtigt worden. Insbesondere aus der letztgenannten Stellungnahme für Tätigkeiten im Bereich der Kleingerätereparatur ist zu entnehmen, das diese Arbeiten mit Zwangshaltung im Rücken sowie Schulter-Nacken-Bereich verbunden ist. Gleiches gilt für Arbeiten eines Mechanikers im industriellen Gerätebau und angelernten Mechanikers Den genannten Stellungnahmen ist gleichfalls zu entnehmen, dass hierbei regelmäßig Belastungen durch Umgang mit Lösungs-, Kühl- und Schmiermitteln und durch Lärm entstehen. Insbesondere die Einwirkung durch Dämpfe bei Lötarbeiten, wird auch bei einer Tätigkeit des Klägers als Mechaniker im Kleingerätebau schlechterdings nicht zu vermeiden sein. Angesichts der fehlenden Belastbarkeit des Klägers durch entsprechende Dämpfe kann eine Verweisung auf diese Tätigkeit nicht erfolgen.

Andere Verweisungstätigkeiten auf der Ebene eines Facharbeiters bzw. besonders hoch qualifizierten Facharbeiters sind nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht benannt worden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger die Klage hinsichtlich der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsmin-derung zurückgenommen hat.
Rechtskraft
Aus
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