S 12 SB 481/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 12 SB 481/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 SB 60/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Grades der Be-hinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens H streitig.

Bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger stellte der Beklagte mit Bescheid vom 29.08.2012 aufgrund eines bestehenden Diabetes mellitus sowie einer Funktionsein-schränkung der rechten oberen Gliedmaße einen GdB von 60 fest.

Am 22.08.2013 stellte der Kläger einen Änderungsantrag beim Beklagten. In diesem gab er an, er leide unter eine adhäsiven Kapsulitis (sog. "frozen shoulder") der linken Schulter mit erheblicher chronischer schmerzhafter Bewegungseinschränkung, einer somatoformen Schmerzstörung, einer Depression und einer Bauchdeckenplastik. Neben der Feststellung eines höheren GdB beantragte der Kläger überdies die Fest-stellung der Merkzeichens H.

Der Beklagte holte Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. L., der Internisten und Diabetologen N. und Dr. X., des Chirurgen Dr. D. und des Neurologen und Psy-chiaters Dr. E. ein und werte diese – zusammen mit Angaben zur Diabetes-Therapie des Klägers (einschließlich eines Auszugs aus einem Blutzuckertagebuch), augen-ärztlichen Stellungnahmen des Dr. Q., eines Arztberichts der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Marienhospitals B. vom 16.11.2011, eines Arztberichtes der Chirurgin Dr. I. vom 12.04.2012 sowie eines Arztberichtes der Klinik für Unfallchi-rurgie und Sporttraumatologie des Marienhospitals B. vom 13.11.2012 – durch sei-nen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung der Diabetes des Klägers sei weiterhin mit einem GdB von 40 und die Funktionseinschränkung der rechten oberen Gliedmaße weiterhin mit einem GdB von 30 zu bewerten. Der Gesamt-GdB sei mit 60 weiter zutreffend beschrieben. Die Zuerkennung des Merkzeichens H sei medizinisch nicht zu begründen.

Mit Bescheid vom 17.10.2013 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren GdB sowie des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inan-spruchnahme des Merkzeichens H ab.

Unter dem 07.11.2013 legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmäch-tigten, Widerspruch ein, den er damit begründete, der Beklagte habe die beim Kläger bestehenden Probleme der linken Schulter nicht berücksichtigt. Der Kläger müsse zudem bei anhaltendem depressivem Verstimmungszustand Cymbalta® nehmen. Darüber hinaus habe die Pflegekasse festgestellt, dass jedenfalls ein erheblicher Pflegebedarf unterhalb der Pflegestufe I besteh. Hinsichtlich der Pflegestufe laufe ein Gerichtsverfahren (S 4 P 129/13). Dem Widerspruch beigefügt war eine Stellung-nahme des Neurologen und Psychiaters Dr. E. vom 24.02.2014. Der Beklagte zog daraufhin das Pflegegutachten des MDK Nordrhein vom 20.09.2013 bei, in dem eine Pflegestufe I nicht festgestellt werden konnte. Der ärztliche Dienst des Beklagten nahm erneut Stellung und kam zu der Einschät-zung, dass beim Kläger ebenfalls noch eine Anpassungsstörung mit einem GdB von 10 in Ansatz gebracht werden könne. Der Gesamt-GdB ändere sich hierdurch nicht. Auch liege das Merkzeichen H nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2014 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 20.05.2014 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Kla-ge erhoben. Er hat ausgeführt, der Beklagte habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass beide Schultergelenke erheblich beeinträchtigt seien. Auch leide er aufgrund der Schmerzsymptomatik unter Schlafstörungen und Depressionen, die ebenfalls höher als mit einem GdB von 10 zu berücksichtigen seien. Die Bauchdeckenplastik sei überhaupt nicht berücksichtigt worden. Hinsichtlich des Merkzeichens H habe der Beklagte verkannt, dass der Kläger aufgrund der beidseitigen Schultersteife rechts und links und den damit verbundenen Schmerzen so gut wie keinerlei Tätigkeiten im Haushalt ausführen könne. Er könne sich weder die Haare waschen noch kämmen. Auch das Zähneputzen sei für ihn nur unzureichend möglich. Ebenso benötige er beim Toilettengang und der übrigen Körperpflege Hilfe. Er könne nicht einmal den eigenen Hund an der Leine spazieren führen. Selbst das Schneiden von Speisen und das Eingießen von Getränken falle ihm schwer. Schwere Sachen könne er nicht tra-gen oder Tätigkeiten über Kopf ausführen.

Das Gericht hat zunächst Befundberichte des Chirurgen Dr. D., des Allgemeinmedi-ziners E., des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädische Chirurgie und Sporttraumatologie Dr. X. sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. E. eingeholt. Sodann hat es das Gutachten des Internisten Dr. H. vom 06.10.2014 im Verfahren S 4 P 129/13 beigezogen. Auf Grundlage dieser Unterlagen hat der Kammervorsitzen-de im Rahmen eines Erörterungstermins am 15.04.2015 dem Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten dargelegt, er sehe die Voraussetzungen für die Inan-spruchnahme des Merkzeichens H ebensowenig objektiviert wie einen GdB von mehr als 60. Der Kläger hat erklärt, der Pflegegutachter sei kein Orthopäde oder Chirurg, weswegen er die Beeinträchtigungen der Schulter nicht zutreffend habe bewerten können. Die Klage werde nicht zurückgenommen. Das Gericht hat daraufhin ein Gutachten der Fachärztin für Orthopädie, Rheumatologie und spezielle Schmerztherapie Dr. Q.-T. beauftragt, welches dies nach Untersuchung des Klägers am 04.08.2015 gegenüber dem Gericht erstattet hat. Zu diesem Gutachten hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten ausgeführt, der Kläger finde sich in dem Gutachten nicht wieder. Es seien zum Teil wesentliche Sachverhalte falsch wiedergegeben und aus richtig festgestellten Beeinträchtigungen zum Nachteil des Klägers die falschen Schlüsse gezogen worden. Der Gutachterin hat hierzu Stel-lung genommen.

Am 12.01.2016 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, in dem der Kläger beantragt hat,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2014 zu verurteilen, bei dem Kläger ab dem 22.08.2013 einen höheren GdB als 60 sowie das Vorliegen der ge-sundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens H festzustellen.

Der Vertreter des Beklagten hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er insbesondere auf die Stellungnahmen seiner ärztlichen Berater sowie das gerichtlich eingeholte Gutachten Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezo-gene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, de-ren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Be-scheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Ihm steht derzeit kein höherer GdB als 60 zu (dazu unter I.). Die gesundheitlichen Vo-raussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens H sind nicht festzustellen (II.).

I. Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (Bundessozialgericht - BSG – Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; Landessozialgericht - LSG – Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).

Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versor-gungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wech-selseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Ur-teil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).

Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversor-gungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungs-medizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Me-thoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchti-gungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-grades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderun-gen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Ge-samtausmaßes der Behinderung zu schließen.

Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizini-schen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsät-zen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätz-lich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuwei-sen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrschein-lichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünfti-ger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.

Der Kläger leidet und litt in dem maßgeblichen Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung zur Überzeugung der Kammer im Wesentlichen unter folgenden ge-sundheitlichen Beeinträchtigungen:

1. Schmerzhafte fortgeschrittene Schultersteife links mehr als rechts bei wieder-kehrendem Impingement und Reizung der Rotatorenmanschette links führend, fünfmalige subacromiale Dekompression zuletzt links, Dekompression und Nervus suprascapularis Verlagerung und Arthrolyse 02/2014, Schulterge-lenksarthrose 2. Leichtes degeneratives HWS-Syndrom mit Uncarthrose C4/5 rechts und Protrusion C3/4 3. Insulinpflichtiger Diabetes mellitus 4. Anpassungsstörung mit depressiver Störung

Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte, des Gutachtens des Dr. H. im Verfahren S 4 P 129/13 sowie des im vorliegenden Verfahren eingeholten Gutachten der Orthopädin, Rheumatologin und speziellen Schmerztherapeutin Frau Dr. Q.-T. fest. Die Gutachten beruhen auf um-fangreichen Untersuchungen, die unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchge-führt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der in den Gut-achten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Lediglich die sozialmedizinische Bewertung ist bis zuletzt umstritten geblieben.

Für das Funktionssystem der oberen Extremitäten ist gemäß Teil B Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinische Grundsätze insgesamt ein GdB von 40 in Ansatz zu brin-gen.

Die gutachterliche Untersuchung der Schultergelenke durch Frau Dr. Q.-T. zeigte eine mäßige Schwellung der linken Schulter mit deutlichem Druckschmerz über dem Schultereckgelenk und subacromial, Muskelatrophien (Verschmächtigungen der Muskeln) der Schulter oder Einschränkungen der Überdachung im Schulterbereich waren nicht erkennbar. Die spontanen Bewegungen der Schulter waren einge-schränkt. Beim aktiven Zeigen der Schulterbeweglichkeit war der Kläger in der Lage mit herangeführten Armen den Mundbereich zu erreichen (anamnestisch gab der Kläger an, etwa 20 Zigaretten zu rauchen), der Schürzen- und Nackengriff waren nicht vorführbar, das Heben der Arme war beidseits deutlich erschwert und schmerz-haft für Vor- und Seitenhebung sowie Innenrotation, wobei die linke Schulter mehr betroffen war als die rechte. Entsprechendes hatte auch der Gutachter Dr. H. bereits festgestellt. Bei der Untersuchung durch Frau Dr. Q.-Schunk beschrieb diese eine deutliche Gegenspannung, besonders bei der Schulterprüfung links und eine Schmerzhaftigkeit. Auffällig in diesem Zusammenhang erschien der Kammer, dass der Kläger angab, noch Auto zu fahren, wenngleich er den Schaltwagen kaum noch bedienen könne. Sowohl das Schalten als insbesondere das Steuern des Fahrzeugs erscheint bei der vom Kläger gezeigten aktiven Beweglichkeit der Schultern kaum ordnungsgemäß möglich. Die passive Beweglichkeit der Schultergelenk wurde nach Neutral-Null bei der Ante-/Retroversion links mit 50°/0°/30°, rechts mit 80°/0°/30°, die Abduktion/Adduktion links mit 50°/0°/20° und rechts mit 70°/0°/20° sowie die Außen-/Innenrotation links mit 0°/15°/60° und rechts mit 20°/0°/60° ermittelt (vgl. zur norm-gerechten Beweglichkeit des Schultergelenks, Buckup/Buckup, Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln, 5. Aufl. 2012, S 95). Ausweislich des Befundbe-richts des D. D. hatte im Juli 2014 die Möglichkeit zur Abduktion beidseits bei 70° und die Anteversion ebenfalls beidseits bei 70° gelegen. Frau Dr. Q.-T. führt aus, beim Gehen seien die Pendelbewegungen (der Arme) grundsätzlich darstellbar und nicht übertrieben schmerzhaft. Die Handkraft ist beidseits reduziert. Die Gutachterin ermittelte mit dem Handdynamometer rechts eine Kraft von 5 kg, links von weniger als 5 kg.

Nach den Feststellungen der Gutachterin korrespondieren die gefundenen Beein-trächtigungen mit der bereits oben beschriebenen Diagnose einer schmerzhaften fortgeschrittene Schultersteife links mehr als rechts bei wiederkehrendem Impingement und Reizung der Rotatorenmanschette links führend, fünfmaliger subacromialer Dekompression zuletzt links, Dekompression und Nervus suprascapularis Verlagerung und Arthrolyse 02/2014 bei bestehender Schulterge-lenksarthrose. Nach Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze führen Bewegungseinschränkungen im Schultergelenk bei einer Armhebung nur bis zu 90° und entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit zu einem GdB von 20. Eine Versteifung des Schultergelenks in günstiger Stellung bei gut beweglichem Schultergürtel bedingt danach einen GdB von 30, wobei eine Versteifung im Schul-tergelenk in einem Abspreizwinkel um ca. 45° und leichter Vorhalte als günstig gilt. Während die passive Beweglichkeit in der Seitenhebung rechts bis maximal 80°, links bis 50° erfolgt, besteht eine aktive Abspreizung von ca. 40° beidseits. Es ist somit eine höhergradige aktive Teilschwäche und Steife im Schultergelenk links mehr als rechts mit einem Abspreizwinkel unter 45° erreicht. Unter Berücksichtigung der beidseitigen Betroffenheit mit erhöhter Einschränkung aufgrund verminderter Kom-pensationsfähigkeit kommt die Kammer, in Übereinstimmung mit der Gutachterin, zur Feststellung eines GdB von 40 für die oberen Extremitäten. Die Kammer stimmt der Einschätzung der Gutachterin zu, dass die Beeinträchtigung beider Schultergelenke – auch des linken – nicht zu vergleichen ist mit Beeinträchtigungen, für die die Versorgungsmedizinschen Grundsätze einen GdB von 40 vorsehen, wie etwa die "Instabilität schweren Grades mit ständiger Ausrenkung" oder einer "Versteifung des Ellenbogengelenks in ungünstiger Stellung". Der GdB von 40 kommt nur deshalb in Betracht, weil beide Schultergelenke betroffen sind. Hierin erfasst sind auch die vom Kläger beschriebenen Schmerzen im Bereich des Unterarms und der Handgelenke sowie die Kraftminderung der Hände. Der GdB ist voll erreicht.

Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von soeben 20 in Ansatz zu bringen.

Es sind beim Kläger leichte degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbel-säule mit Uncarthrose C4/5 und Protrusion (Bandscheibenvorwölbung) C3/4 nach-gewiesen. Hier zeigte sich in der Untersuchung durch Frau Dr. Q.-T. leichtgradige Einschränkung. Die Anteversion/Retroversion wurde mit 40°/0°/30°, die Rotation sei-tengleich mit 60°/0°/60° und die Seitneigung seitengleich mit 45°/0°/45° ermittelt (vgl. zu den Bewegungsausmaßen der Wirbelsäule allgemein Grifka/Krämer, Orthopädi-sche Unfallchirurgie, 9. Aufl. 2013, S. 157 f.; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopä-disch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 17).

Für den Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ermittelte Frau Dr. Q.-T. das Vor- und Rückneigen mit 20°/0°/15° und die Rotation mit 30°/0°/30° und die Seitennei-gung (re/li) mit 20°/0°/20°. Den Finger-Boden-Abstand ermittelte sie mit 40 cm, wobei der Kläger beim Vorneigen des Rumpfes starke Schmerzen im Bereich der Schultern und der oberen BWS angab. Im Sitzen war die Dreh- und Seitneigung der BWS und LWS leicht eingeschränkt. Das Aufrichten aus der Rückenlage gelang mit Schwung aus der Rückenlage. Der Langsitz war frei, der Fingersprunggelenksab-stand konnte mit 20 cm ermittelt werden. Neurologische Ausfälle oder sensomotorische Auffälligkeiten sind nicht objektiviert. Wie die Untersuchung insbe-sondere im Sitzen und beim Aufrichten aus der Rückenlage zeigen, liegen wesentliche Einschränkungen der Brust- und Lendenwirbelsäule ebenfalls nicht vor, weswegen insgesamt von leichten Einschränkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten auszugehen ist, für mit der Gutachterin Dr. Q.-T. ein GdB von 10, allerhöchstens soeben 20 in Ansatz zu bringen ist.

Für das Funktionssystem des Stoffwechsels und der inneren Sekretion ist der GdB des Klägers mit 40 zu bewerten, wobei dieser Wert nach Auffassung der Kammer wohlwollend hoch und als nur soeben erreicht anzusehen ist.

Gemäß Teil B Ziffer 15.1 Versorgungsmedizinischen Grundsätze in der aktuellen Fassung der Fünften Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Versordnung (5. VersMedVÄndV) vom 11.10.2012 (BGBl. I, S. 2122) gilt hinsichtlich der Beurteilung eine Zuckerkrankheit Folgendes:

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststel-lung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung be-einträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindes-tens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selb-ständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Le-bensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulin-dosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

Der Kläger therapiert nach eigenen Angaben seit 2007 seine Zuckerkrankheit u.a. mit Insulin, von dem er morgens 11 Einheiten, mittags 10 Einheiten und abends 10 Einheiten einnimmt. Darüber hinaus nimmt er als orales Antidiabetikum den Wirkstof-fe Metformin. Nach Angaben des Klägers hat sich der HbA1c-Wert von 5,8 im ersten Quartal 2012 auf derzeit 7,5 % verschlechtert. Der HbA1c-Wert ermittelt den Anteil des glykierten Hämoglobins in den Erythrozyten und stellt derzeit das wichtigste Maß für die Qualitätsbeurteilung der Blutzuckereinstellung der jeweils letzten zwei Monate dar (Hien/Böhm/Claudi-Böhm/Krämer/Kohlhaas, Diabetes Handbuch, 7. Aufl. 2013, S. 9 f.; Häring/Gallwitz/Wieland/Usadel/Mehnert, Diabetologie in Klinik und Praxis, 6. Aufl. 2011, S. 107 f.). Noch im Oktober 2014 kam der Gutachter Dr. H. zu der Ein-schätzung, der GdB des Klägers sei gut eingestellt. Die Kammer schließt nicht aus, dass sich der Wert zwischenzeitlich auf 7,5% verschlechtert hat. Hier haben primär die behandelnden Ärzte zu entscheiden, ob hieraus therapeutische Folgerungen zu ziehen sind. Auf die Höhe des GdB hat die nach Einschätzung der Kammer indes keinen Einfluss, zumal ein solche HbA1c-Wert im Hinblick auf die Dauer der Erkran-kung und das Alter des Klägers nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesell-schaft durchaus noch (freilich im oberen) Zielbereich der Einstellung liegt (vgl. DDG-Leitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes Langfassung 1. Aufl. 4. Version, August 2013, abrufbar unter: http://www.deutsche-diabetes-gesell-schaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Evidenzbasierte Leitlinien/NVL Therapie DM2 lang Aug 13 geae Nov 2014.pdf; vgl. auch Hä-ring/Gallwitz/Wieland/Usadel/Mehnert, Diabetologie in Klinik und Praxis, 6. Aufl. 2011, S. 213 f.).

Nach Einschätzung der Kammer sind die Teilhabebeeinträchtigungen durch die Zu-ckerkrankheit, insbesondere im Hinblick die bislang gute Güte der Einstellung, des überschaubaren Therapieaufwands und den fehlenden objektivierten manifesten An-zeichen für Folgeerkrankungen – bspw. einer diabetische Retinopathie oder Nephropathie – mäßig und der bislang bewilligte GdB von 40 nach Auffassung der Kammer wohlwollend. Er ist allerhöchstens soeben erreicht.

Für das Funktionssystem der Psyche ist beim Kläger nach Auffassung der Kammer ein GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Der Kläger befindet sich in psychiatrischer Behandlung beim Neurologen und Psy-chiater U ... Dies hat in dem vom Gericht angeforderten Befundbericht eine Anpas-sungsstörung mit depressiver Färbung diagnostiziert und ihm 50mg Opipramol zur Nacht verschrieben. Der Kläger stellte sich nach den Feststellungen im Befundbe-richt früher quartalsweise vor. Bei Erstellung des Befundberichts war der Kläger al-lerdings schon ca. ein halbes Jahr nicht mehr dort gewesen. Damals war der Befund weitgehend unverändert. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. H. gab der Kläger an, er nehme Opipramol mittags und abends sowie mittags eine Tablette Cymbalta® (Wirkstoff Duloxetin). Dr. H. beschrieb den Kläger damals als zeitlich, örtlich und si-tuativ orientiert, die Anamnese erschien korrekt und prompt. Der Kläger konnte dem Gespräch jederzeit problemlos folgen. Störungen des formalen Denkens fielen nicht auf. Bei einer etwas gedrückten Grundstimmung wirkte er manchmal leicht reizbar, Stimme und Ausdruck wirkten dann etwa laut, polternd. Insgesamt erschien das Akti-vitätsniveau etwas reduziert. Eine entsprechende Beschreibung findet sich auch in dem Gutachten der Frau Dr. Q.-T., die zudem auf die starke Betonung der zuneh-menden schmerzhaften Bewegungsstörungen sowie die vom Kläger geäußerte nerv-liche Anspannung hinweist. Die Auswertung des PHQ-9 ergab eine Depressivität im höchsten Schweregrad, zudem ergab die Auswertung des painDETECT Schmerzfra-gebogens das Bestehen einer Schmerzchronifizierung im Stadium III MPSS nach Gerbershagen. Der Kläger beschrieb gegenüber der Gutachterin, dass ihm die star-ken Einschränkungen Ängste bereiteten, weswegen er in psychotherapeutischer Be-handlung sei. Er nehme auch seit längerer Zeit abends eine entspannende antide-pressive Medikation. Die vielen Gutachten und Gerichtsverfahren hätten ihm stark zugesetzt. Die Gutachten seien allesamt nicht ehrlich gewesen, er fühle sich psy-chisch fertig gemacht. Die Gerichtsverfahren hätten seine Psyche auf dem Gewis-sen. Er wolle nicht mehr als Simulant hingestellt werden, auch dies belaste ihn sehr. Seine Möglichkeiten im Haushalt und Alltag beschrieb der Kläger als sehr einge-schränkt. Auch beklagt er eine bestehende Motivationslosigkeit. Den erheblichen Klagen des Klägers steht allerdings – und insoweit bezieht sich die Kammer auf die vorliegenden fachpsychiatrischen Berichte und Feststellungen der Gutachter – ein klinisches Bild gegenüber, wonach beim Kläger letztlich eine – mittlerweile wohl chronifizierte - Anpassungsstörung mit depressiver Färbung besteht. Die ausdrück-lich beim Kläger diagnostizierte Anpassungsstörung setzt dabei nach ICD-10 letztlich voraus, dass die depressive Symptomatik allenfalls leicht ausgeprägt ist (vgl. dazu Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl. 2015, S. 250 f.) Der Kläger nimmt nach eigenen Angaben psychotherapeutische Behand-lungen in Anspruch. Nähere Einzelheiten hierzu sind bislang nicht objektiviert. Der Kläger hatte dies auch gegenüber Dr. H. noch nicht angegeben. Daneben nimmt er Psychopharmaka, wobei die Angaben hierzu abweichen. Gegenüber Frau Dr. Q.-T. hatte er zuletzt angegeben, er nehme abends 30 mg das Antidepressivum Duloxalta ®. Unter Berücksichtigung der durchgeführten Behandlung, den Angaben des behan-delnden Psychiaters sowie den Feststellungen des Gutachters Dr. H. im Verfahren S 4 P 129/13 und denjenigen der Gutachterin Dr. Q.-T. im hiesigen Verfahren geht die Kammer davon aus, dass bei objektivierter Betrachtung beim Kläger leichtere Stö-rungen vorliegen. Der Kläger ist erkennbar auf die Beeinträchtigung der Schultern und die damit verbundenen Schmerzen fixiert. Eine hochgradige somatoforme Schmerzstörung wurde von der Gutachterin, die unter anderem auch spezielle Schmerztherapeutin ist, ausdrücklich ausgeschlossen. Die Kammer hat keinen An-lass an diesen Feststellungen zu zweifeln. Im Übrigen wurden die Schmerzen schon bei der Bewertung des GdB von 40 für die Schultern mitbewertet (vgl. dazu bereits oben). Wesentliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sin-ne z.B. einer ausgeprägteren depressiven Störung (vgl. Ziffer 3.7 der Versorgungs-medizinischen Grundsätze) sind nach oben stehenden Ausführungen beim Klägern nicht objektiviert. Es ist daher ein GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Im Hinblick auf die angegebene Therapie erscheint der Kammer der bislang in Ansatz gebrachte GdB von 10 insoweit etwas zu gering. Sonstige wesentliche gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen GdB von min-destens 10 oder mehr rechtfertigen würden sind nicht nachgewiesen. Insbesondere die beim Kläger vorliegende Bauchdeckenplastik rechtfertigt zur Überzeugung der Kammer unter Berücksichtigung der eingeholten medizinischen Unterlagen keinen entsprechenden GdB. Vor diesem Hintergrund ist bei dem Kläger § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein Gesamt-GdB von 60 zu bil-den.

§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchti-gungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigun-gen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammen-schau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigen-gutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Be-weiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrach-tungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich ver-stärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris).

Im Vordergrund stehen vorliegend die Beeinträchtigungen der Schultern des Klägers. Diese bedingen – wie oben ausgeführt – einen GdB von 40, der voll erreicht ist. Ne-ben diesem können erhöhend die Beeinträchtigungen durch den Diabetes mellitus berücksichtigt werden, der indes – auch dies wurde ausgeführt – lediglich soeben einen Wert von 40 erreicht. Er tritt letztlich in der Gesamtbetrachtung auch hinter der Schmerzproblematik der Schultern zurück. Schließlich sind die psychischen Beein-trächtigungen zu nennen, die nach Auffassung der Kammer letztlich ihre Ursache auch in den Schmerzen und Beeinträchtigungen der Schultern haben. Hier ist eine Doppelbewertung zu vermeiden. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass das Zusammenspiel dieser Beeinträchtigungen weiterhin einen GdB von 60 rechtfer-tigt. In der Gesamtschau war nach Einschätzung der Kammer den psychischen Be-einträchtigungen etwas mehr Raum zu geben, während die Teilhabebeeinträchtigun-gen durch die Zuckererkrankung bislang etwas zu hoch bewertet worden waren. Die Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule, die allerhöchstens einen GdB von so-eben 20 rechtfertigen, sind nicht geeignet diesen GdB noch weiter zu erhöhen.

II. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraus-setzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens H.

In den Schwerbehindertenausweis ist das Merkzeichen H einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b Einkommenssteuergesetz (EStG) oder entsprechender Vorschriften ist, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Schwerbehinder-tenausweisverordnung. Entsprechend § 33b Abs. 6 Satz 3 EStG ist derjenige als hilflos anzusehen, der infolge von Gesundheitsstörungen nicht nur vorübergehend für eine Reihe häufiger und wiederkehrender Verrichtungen und zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Von der tatbestandlich vorausgesetzten "Reihe von Verrichtungen" kann - entspre-chend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - regelmäßig erst dann ausge-gangen werden, wenn es sich "um mindestens drei Verrichtungen handelt, die einen Hilfebedarf in erheblichem Umfang erforderlich machen" (BSG, Urteil vom 24.11.2005 B 9 a SB 1/05 R). Der Umfang der wegen der Behinderung notwendigen zusätzlichen Hilfeleistungen muss erheblich sein. Dabei ist in der Regel auf die Zahl der Verrichtungen, den wirtschaftlichen Wert der Hilfe und den zeitlichen Aufwand abzustellen (vgl. BSG, a.a.O.). Mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben in der sozia-len Pflegeversicherung (vgl. § 15 SGB IX) ist die Erheblichkeit des Hilfebedarfs in erster Linie nach dem täglichen Zeitaufwand für erforderliche Betreuungsleistungen zu beurteilen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.06.2007, L 8 SB 1421/06; vgl. auch BSG, a.a.O.). Nicht hilflos ist danach jedenfalls, wer nur in relativ geringem Umfange, täglich etwa eine Stunde, auf fremde Hilfe angewiesen ist. Auch bei darüber hinausgehendem Zeitaufwand sind danach indes nicht zwingend die Voraussetzungen der Hilflosigkeit gegeben. Vielmehr ist der tägliche Zeitaufwand für die Hilfeleistung erst dann für sich allein genommen erheblich, wenn dieser mindestens zwei Stunden erreicht (vgl. zu alledem BSG, a.a.O.). Bei einem Hilfebedarf zwischen einer und zwei Stunden ist bei der Frage der Erheblichkeit auf weitere Umstände, insbesondere den wirtschaftlichen Wert abzustellen. Insbesondere für den Fall einer hohen Anzahl von Verrichtungen bzw. deren ungünstiger zeitlicher Verteilung, ist auch bei einem Hilfebedarf von zwischen einer und zwei Stunden von dessen Erheblichkeit auszugehen (vgl. BSG, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Die notwendige Bereitschaftszeit einer Hilfsperson ist hierbei dann berücksichtigungsfähig, wenn die Hilfsperson dadurch zeitlich und örtlich ebenso beansprucht werde, wie bei körperlicher Hilfeleistung (vgl. (BSG Urteil vom 12. Februar 2003, B 9 SB 1/02 R = juris).

Aufgrund der eingeholten gerichtlichen Gutachten, d ...h. zum einen das Gutachtern der Frau Dr. Q.-T. sowie zum anderen das im Verfahren S 4 P 129/13 eingeholte Gutachten des Dr. H., der vorliegenden Arzt- und Befundberichte der Befundberichte sowie auch des im Verwaltungsverfahren vorgelegten Pflegegutachtens steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin derzeit keinesfalls in einem sol-chen Umfang hilfebedürftig ist, der die Zuerkennung des Merkzeichens H rechtferti-gen würde.

Die Gutachterin Dr. Q.-T. hat ausgeführt, dass der Kläger bei der Untersuchung die Unterstützung der Ehefrau eingefordert hat. Diese hat ihm auch unaufgefordert beim An- und Auskleidern der Strümpfe und Hose sowie beim Anziehen des Oberhemdes mit Knöpfen geholfen. Die Gutachterin erachtet diese umfänglichen Hilfeleistungen aus medizinischer Sicht indes nicht für erforderlich. So bestanden bei der Untersu-chung ein Fingersprunggelenksabstand von 20 cm sowie eine schonungsbedingte Verkürzung der Ischiocruralmuskulatur. Es werden keine physiotherapeutischen Be-handlungen oder Kräftigungs- bzw. Dehnübungen selbständig durchgeführt, eher bestehe eine Rückzugtendenz mit Schonhaltung. Aus gutachterlicher Sicht ist grund-sätzlich dem Kläger unter Berücksichtigung der beschriebenen Einschränkungen, ggf. unter Einbeziehung kleinerer Hilfsmittel, das An- und Auskleiden selbständig möglich. Die Leiden erfordern kein dauerndes Krankenlager. Eine Bettlägerigkeit ist allenfalls stundenweise gegebenen. Die Blasen- und Mastdarmkontrolle ist erhalten. Beschrieben wir ein zwei- bis dreimaliger Toilettengang pro Nacht. Soweit der Kläger angibt, er benötige für die Intimhygiene nach dem Toilettengang Hilfe, so erscheint dies im Hinblick auf die eingeschränkte Beweglichkeit der Arme durchaus plausibel. Auch der Gutachter Dr. H. geht von einer Teilhilfe zur Nachreinigung nach dem Stuhlgang aus. Die Sehfähigkeit für Lesen, Schreiben, Fernsehen und Straßenver-kehr (der Kläger führt nach eigenen Angaben noch einen PKW im Straßenverkehr) ist erhalten. Auch die Hörfähigkeit ist erhalten, es kommt nicht zu Störungen der Kommunikation. Der Kläger ist nicht ständig zu beaufsichtigen aufgrund Unruhe, Depressionen und Anfallshäufungen oder Beschmutzung und Beschädigung der Um-gebung. Es steht für die Kammer unter Berücksichtigung der Feststellungen der er-fahrenen Gutachter Dr. Q.-T. und H. fest, dass der Kläger Hilfe beim Kämmen, (teil-weise) Rasieren, An- und Auskleiden besonders im Rahmen von Überkopfarbeiten, Anziehen von Schuhen und Strümpfe (wobei hier teilweise auch die Inanspruchnah-me von Hilfsmitteln möglich erscheint) und partiell beim Toilettengang nach Verdau-ung bedarf. Essen ist selbständig möglich, ebenso das Gehen in der Wohnung, im Straßenverkehr und bei Spaziergängen. Eine Wundversorgung ist ebensowenig er-forderlich wie eine spezielle Zubereitung des Essens. Spezielle Hilfe bei der Kleider- und Schuhpflege ist erforderlich, auch nicht das Anlegen von orthopädischen Hilfs-mitteln. Die Gutachterin schätzt den vereinzelt anfallenden Hilfebedarf auf ca. 15 Mi-nuten. Berücksichtigt man – die Ausführungen des Gutachters Dr. H., der die Zeit auf 27 Minuten schätzt, ist nach Auffassung der Kammer davon auszugehen, dass die maßgebliche Hilfeleistungen für den Kläger täglich allerhöchstens 30 Minuten betragen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, selbst das Schneiden von Speisen und das Eingießen von Getränken falle ihm schwer, so mag dies bis zu einem gewissen Grad zutreffen. Ausgeschlossen ist es nach Auffassung der Kammer jedenfalls keinesfalls und bedingt letztlich nur einen marginalen Hilfedbedarf.

Es steht damit zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger gesundheitlich durchaus in der Lage ist, sich grundsätzlich selbst versorgen kann und nur in dem geschilderten Umfang der Hilfe bedarf. Die erforderliche Hilfestellung erreicht aber bei weitem nicht das Maß und den Umfang, der die Zuerkennung des Merkzeichens H rechtfertigt. Der Kläger verkennt insoweit offensichtlich den Kreis der Adressaten für den das Merkzeichen H gesetzlich vorgesehen ist. Wenn der Kläger zudem aus der Tatsache, dass die gerichtlichen Gutachter bislang – zu Recht – bei ihm die Vo-raussetzungen für das Merkzeichen H (bzw. im Verfahren der Pflegeversicherung die Zuerkennung einer entsprechenden Pflegestufe) nicht gesehen haben, schließt, er werde als Simulant dargestellt, verkennt der Kläger nach Auffassung der Kammer ebenfalls die Sachlage. Ein Simulant gibt Beschwerden vor, die tatsächlich nicht exis-tieren. Die Gutachter haben aber doch gerade nicht unerhebliche Beeinträchtigungen beim Kläger festgestellt und auch der Beklagte hat zu Recht bei ihm einen GdB von 60 in Ansatz gebracht. Dass der Kläger offensichtlich nicht wahrhaben will, dass die-se Beeinträchtigungen rechtlich keinen höheren GdB oder die Zuerkennung des Merkzeichens H rechtfertigen, macht ihn nicht zu einem Simulanten. Dies hat auch – soweit ersichtlich – niemand behauptet. Es zeigt nach Auffassung der Kammer ledig-lich, dass er die rechtlichen Voraussetzungen verkennt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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