S 20 SO 41/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 41/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2017 verurteilt, der Klägerin 367,72 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt ein Sechstel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen haben die Beteiligten einander Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen der Klägerin als Nothelfer für eine stationäre Krankenhausbehandlung vom 29.09. bis 05.10.2016 in Höhe von 2.206,33 EUR.

Die am 02.07.1989 geborene rumänische Staatsangehörige N.E. (im Folgenden: Patientin) wurde vom 29.09. bis 05.10.2016 im Universitätsklinikum der Klägerin behandelt. Nach eigenen gegenüber der Klägerin gemachten Angaben hält sie sich seit mehr als 3 Jahren in Deutschland auf. Sie hat keinen niedergelassenen Hausarzt und keine deutsche Krankenversicherung. Gegenüber der Klägerin gab sie als Anschrift eine solche des "Cafe Plattform" an und teilte mit, dass sie keinen festen Wohnsitz habe. Die Leiterin des "Cafe Plattform" bestätigte der Klägerin gegenüber, dass die Patientin in der Vergangenheit dort über ein Postfach verfügt habe. Weiterhin bestätigte die Leiterin dieser Obdachloseneinrichtung, dass die Patientin obdachlos und einkommenslos sei. U.a. am 17.11.2016 habe die Patientin im "Cafe Plattform" übernachtet. Die Patientin gab an, dass sie gelegentlich bei Bekannten unterkommen könne. Sie müsse dafür keine Miete zahlen und könne dort manchmal duschen und mitessen. Sie verfüge über kein Vermögen.

Am Donnerstag, 29.09.2016 um 23:07 Uhr wurde Patientin mittels Rettungsdienst im Beisein der Polizei in die klägerische Notfallaufnahme eingeliefert. Ausweislich des Entlassungsberichtes der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Klägerin zeigte sich die Patientin massiv erregt und fremdaggressiv, sodass sie mechanisch eingegrenzt werden musste. Da sie sich über einen längeren Zeitraum verbal nicht erreichbar zeigte und fortwährend mit dem Kopf auf das Bett schlug, mussten ihr 10 mg Haloperidol intramuskulär verabreicht werden. Es erfolgte eine Monitorüberwachung der Vitalzeichen. Die anwesenden Polizeibeamten konnten zur Vorgeschichte berichten, dass sie die Patientin in diesem Zustand im Kennedypark aufgefunden haben. Die Patientin war lediglich mit einer Bikinihose und einem Top bekleidet. Die Patientin war im äußeren Erscheinungsbild ungepflegt, hatte mehrere Hämatome sowie massive Schürfwunden. Eine durchgeführte Blutabnahme wies einen Blutalkohol von 2,6 Promille sowie einen positiven Befund bei Cannabinoiden aus. Aufgrund akuter Eigen- sowie Fremdgefährdung bei Realitätsverkennung und akuter Intoxikation wurde die Patientin 5-Punkt-fixiert auf der Rechtsgrundlage des "Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten" (PsychKG) auf die psychiatrische Intensivstation übernommen. Die Patientin musste zunächst 1 zu 1 durch das Pflegepersonal betreut werden. Aufgrund der schweren Alkoholintoxikation wurde eine Überwachung mittels AESB durchgeführt. Die Patientin litt zunächst an einer umfassenden Amnesie bezüglich des Aufnahmetags, welche sich auch im Verlauf des Krankenhausaufenthaltes nur zum Teil zurückbildete. Sie gab an, nur noch zu wissen, dass sie auf einer kleinen Party gewesen sei, im Rahmen derer sie mindestens eine Flasche Wodka getrunken habe. Wieso sie nur einen Bikini trage, wisse sie nicht. Sie trinke regelmäßig Alkohol (Bier und Wodka). Weiterhin gab die Patientin an bereits früher in psychiatrischer Behandlung gewesen zu sein. In Rumänien sei sie wegen "Nerven" und Depressionen stationär behandelt worden. Sie berichtete, manchmal Dinge zu hören, wollte dazu aber keine weiteren Angaben machen. Die Patientin wurde mit Kleidung aus dem klägerischen Fundus versorgt. Nach Beendigung der Entgiftung zeigte sich die Patientin geordnet und freundlich im Kontakt. Da keine akuten Gefährdungsaspekte mehr vorlagen, wurde die Patientin am 05.10.2016 entlassen.

Die Klägerin teilte der Beklagten vorsorglich per Fax am Freitag, 30.09.2016, um 08:21 Uhr die Notfallaufnahme mit und beantragte die Übernahme der Kosten der stationären Behandlung. Für die Behandlung machte die Klägerin Kosten in Höhe von 2.206,33 EUR geltend (zwei Rechnung vom 11.11.2016 über 762,73 EUR und 1.443,60 EUR).

Durch Bescheid vom 06.10.2016 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten der Krankenhausbehandlung ab. Zur Begründung führte sie aus, wenn sich die Patientin in Deutschland aufhalte, sei davon auszugehen, dass sie über irgendwelche Mittel verfüge, um ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Aufgrund ihres nicht bekannten Aufenthaltes seien diesbezügliche Ermittlungen nicht möglich; da somit die wirtschaftliche Leistungsberechtigung der Patientin nicht festgestellt werden könne, lägen die Voraussetzungen eines Nothilfeanspruchs nach § 25 Zwölftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) nicht vor.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14.02.2017 zurück. Sie hielt die Angaben der Patientin zu ihrer wirtschaftlichen Situation für widersprüchlich und unzureichend, ihre Hilfebedürftigkeit zu belegen. Eine etwaige Nichtaufklärbarkeit des Sachverhaltes gehe zu Lasten des Nothelfers.

Dagegen hat die Klägerin am 02.03.2016 Klage erhoben. Sie verweist auf weitere notfallmäßige Behandlungen der Patientin in ihrer Klinik, konkret • vom 02.03. bis 05.03.2013, • vom 07.03. bis 14.03.2013, • am 12.10.2016, • vom 06.01. bis 07.02.2017. Sie habe in Erfahrung bringen können, dass die Patientin auch schon in anderen Aachener Kliniken behandelt werden musste. All diese Aufenthalte stellten unter Beweis, dass die Patientin aufgrund ihrer Sucht- und weiteren psychiatrischen Erkrankung regelmäßig behandlungspflichtig sei. Hierfür fielen regelmäßig Behandlungskosten an, die die Patientin aufgrund ihrer Lebensumstände nicht tragen könne. Die Klägerin ist der Auffassung, im Hinblick auf die Suchterkrankung des Patienten komme auch eine Leistungs-/Erstattungspflicht des Beigeladenen aufgrund dessen Zuständigkeit für Maßnahmen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII in Betracht. Die multiplen psychischen Störungen der Patientin stellten eine seelische Behinderung gemäß § 3 Eingliederungshilfeverordnung (EinglH-VO) dar, die dazu führe, dass ihre Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft deutlich eingeschränkt sei. Die Klägerin beruft sich für ihren Anspruch und die Berechtigung, diesen geltend zu machen, auch auf abgetretenes Recht. Sie hat bezüglich der streitbefangenen Krankenhausbehandlung eine von der Patientin unterschriebene Erklärung ("Einverständnis zur Direktauszahlung / Abtretung") vorgelegt, in der diese sich damit einverstanden erklärt hat, "dass das Universitätsklinikum Aachen (AöR), Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen die im Rahmen meiner Behandlung erbrachten Krankenhausleistungen unmittelbar mit meiner/m Krankenversicherung/Sozialhilfeträger abrechnen darf. Soweit rechtlich zulässig, trete ich die mir aus meiner Krankenhausbehandlung im Universitätsklinikum Aachen gegen meine/m Krankenversicherung/Sozialhilfeträger zustehenden Erstattungsansprüche bis zur Höhe der entstehenden/entstandenen Krankenhauskosten an das Universitätsklinikum ab. "

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 06.10.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2017 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, ihr die Kosten der stationären Krankenhausbehandlungen der Patientin N.E. vom 29.09. bis 05.10.2016 in Höhe von 2.206,33 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen.

Sie hat weiterhin Zweifel hinsichtlich der Bedürftigkeit der Patientin. Um ihren Lebensunterhalt und den doppelten Drogenkonsum finanzieren zu können müsse sie über weiteres als das von ihr benannte Einkommen ("100,00 EUR von den Eltern") verfügt haben. Es sei daher nicht von der Hand zu weisen, dass es ihr möglich sein müsse, den streitigen Betrag vollständig oder zumindest teilweise zahlen zu können. Zum Umfang des Nothilfeanspruchs verweist die Beklagte darauf, dass dieser jeweils nur bis zum Zeitpunkt einer möglichen Kenntnis des Sozialhilfeträgers, hier also nur für den ersten Behandlungstag in Betracht komme; denn der für den Nothelferanspruch maßgebliche "Notfall" entfalle mit Beginn des Tages der Kenntnis (30.09.2016), sodass sich der Nothelferanspruch nur auf den 29.09.2016 erstrecken könne. Im Hinblick auf die "pro-rata-temporis" -Rechtsprechung erfasse ein eventueller Nothelferanspruch also nur einen der sechs Behandlungstage (zu denen der Entlassungstag nicht gehöre) und die entsprechenden anteiligen Kosten, mithin 367,72 EUR (1/6 von 2.206,33 EUR). Hinsichtlich der "Auszahlungsvereinbarung" verweist die Beklagte auf das Urteil der Kammer vom 07.02.2017 (S 20 SO 25/16) und des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 30.10.2013 (B 7 AY 2/12 R); danach habe die Klägerin aus dieser Vereinbarung keinen Anspruch auf Erstattung der kompletten Behandlungskosten.

Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Er hält sich für sachlich nicht zuständig. Für die streitbefangene Krankenbehandlung lasse sich nach den ärztlichen Feststellungen lediglich eine akute Behandlung nach Alkoholmissbrauch nachweisen. Eine Zugehörigkeit zum berechtigten Personenkreis der wesentlich behinderten Menschen gem. § 53 Abs. 1 SGB XII lasse sich demnach nicht herleiten, zumal ihm der Hilfefall erstmalig durch diesen Rechtsstreit bekannt geworden sei. Selbst wenn man die Patientin dem berechtigten Personenkreis zuordnen könnte, bliebe kein Raum für seine sachliche Zuständigkeit, weil während des streitigen Zeitraumes lediglich eine Akutbehandlung stattgefunden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und dem sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und gegenüber der Beklagten teilweise begründet. Im Übrigen und soweit sie sich hilfsweise gegen den Beigeladenen richtet, ist sie unbegründet.

I. Eine Kostentragungspflicht des Beigeladenen in Bezug auf den streitbefangenen Krankenhausbehandlungsfall besteht nicht. Zwar gehört die Patientin aufgrund ihrer Drogen-/Alkoholsucht grundsätzlich zum Personenkreis der Suchtkranken und ist der Beigeladene als überörtlicher Träger der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII für Leistungen der Eingliederungshilfe für wesentlich behinderte Menschen, zu denen nach § 3 Nr. 3 der Eingliederungshilfeverordnung Menschen mit Suchtkrankheiten gehören, sachlich zuständig. Jedoch fällt nicht jede Behandlung, zu der eine suchtkranke Person wegen eines akuten Zustandes nach Alkoholmissbrauch in ein Krankenhaus eingeliefert wird, unter § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII und in die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe. Dies gilt insbesondere für Krankheitszustände, die (sekundäre) Folgen der primären "Drogen-/Alkoholsucht" sind. Ursache des Aufenthalts der Patientin war in dem hier streitigen Behandlungsfall eine akute Alkoholvergiftung mit einem Blutalkoholgehalt von 2,6 Promille. Allein wegen dieses Krankheitsbildes und der dadurch verursachten Beschwerden, die auch nicht alkoholsüchtige Menschen erleiden können, ist die Patientin vom 29.09. bis 05.10.2016 in der Psychiatrischen Klinik der Klägerin behandelt worden. Das gilt auch in Bezug auf die getroffenen Maßnahmen zur Sicherung und Unterbringung nach dem PsychKG. Nur dann, wenn bereits die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe vorliegen, weil es sich um eine länger dauernde Behandlungsmaßnahme handelt, fallen alle Phasen der Behandlung (Entgiftung, Behandlung von Folgekrankheiten und soziale Entwöhnung) unter die Eingliederungshilfe (Scheider in: Schellhorn/Hohm/Scheider, Kommentar zum SGB XII, 19. Auflage, § 3 EinglH-VO, Rn. 7). Eine solche länger dauernde Suchttherapie als Maßnahme der Eingliederungshilfe fand bisher und findet – soweit ersichtlich – auch derzeit bei der Patientin nicht statt. Solange dies so ist, ist der Beigeladene weder für die hier streitige noch für künftige Krankenhausaufenthalte des Patienten, bei denen nicht primär die Suchtkrankheit behandelt wird, sondern deren Folgekrankheiten und -beschwerden, sachlich zuständig.

II. Die Klägerin wird jedoch durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) da sie teilweise rechtswidrig sind. Die Klägerin hat Anspruch auf anteilige Erstattung ("pro rata temporis") der Kosten für den ersten Behandlungstag der streitigen Krankenhausbehandlung in Höhe von 367,72 EUR.

Nach der allein einschlägigen Anspruchsgrundlage des § 25 SGB XII sind demjenigen, der in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen wären, auf Antrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat (Satz 1). Dies gilt nur, wenn die Erstattung innerhalb angemessener Frist beim zuständigen Träger der Sozialhilfe beantragt wird (Satz 2).

Die Beklagte war gemäß §§ 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 3 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 2 SGB XII, §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen und der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW für den Nothelferanspruch sachlich und örtlich zuständig, da die Patientin, als sie im Krankenhaus der Klägerin behandelt wurde, ihren tatsächlichen Aufenthalt im Gebiet der Beklagten hatte. Für die örtliche Zuständigkeit ist wegen der Eilbedürftigkeit der Leistungserbringung durch den Nothelfer der tatsächliche Aufenthalt des Hilfebedürftigen maßgeblich, selbst wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt in einem anderen Zuständigkeitsbereich besteht, der – den Eilfall weggedacht – die örtliche Zuständigkeit des dortigen Trägers begründen würde (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R).

In materiell-rechtlicher Hinsicht setzt ein Anspruch nach § 25 SGB XII zunächst voraus, dass ein beim Nothilfeempfänger bestehender unabwendbarer Bedarf nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII unmittelbar durch den Dritten gedeckt wird. Dieses bedarfsbezogene Moment beschreibt die Eilbedürftigkeit des Eingreifens selbst (BSG, Urteile vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R, vom 23.08.2013 – B 8 SO 19/12 R und vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Diese Voraussetzungen waren im Behandlungsfall erfüllt. Die Patientin war am Donnerstag, 29.09.2016, in stark alkoholisiertem Zustand mit einer akuten Alkoholintoxikation und möglicher Eigen- und Fremdgefährdung notfallmäßig in das Krankenhaus gebracht worden. Es war eine sofortige Behandlung in einem Krankenhaus notwendig.

Zu dem bedarfsbezogenen Moment des Nothelferanspruchs nach § 25 SGB XII muss ein sozialhilferechtliches Moment hinzukommen: Grundsätzlich darf eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen sein; der Sozialhilfeträger darf nicht eingeschaltet werden können. Es darf keine Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleiben, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten. Der Anspruch des Nothelfers besteht also in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur dann, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers bildet damit die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen (BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 19/12 R). Grundsätzlich entfällt ein Eilfall, sobald der zuständige Sozialhilfeträger (wieder) dienstbereit ist, eine Obliegenheit zur Unterrichtung besteht und diese durch das Krankenhaus verletzt worden ist. Die Obliegenheit eines Krankenhauses, den Sozialhilfeträger zu unterrichten, wird regelmäßig dann ausgelöst, wenn der/die Patient/in – wie hier – einen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht durch Vorlage einer Versichertenkarte (vgl. § 15 Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V) nachweisen kann und sich auch ansonsten keine Umstände ergeben, aus denen die notwendige Kostensicherheit für das Krankenhaus hervorgeht (BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R; LSG NRW, Urteile vom 18.08.2016 – L 9 SO 328/14 – und vom 22.09.2017 – L 9 SO 137/15).

Im konkreten Behandlungsfall erfolgte die vorsorgliche Mitteilung der Aufnahme durch die Klägerin am Freitag, 30.09.2016, 08:21 Uhr, per Fax. Zugleich beantragte die Klägerin vorsorglich die Kostenübernahme gemäß § 25 SGB XII. Da die Beklagte am Freitag dienstbereit war und von dem Hilfefall Kenntnis erlangen konnte, endete der den Nothelferanspruch begründende Eilfall ab diesem Tag.

Hat der Nothelfer dem Sozialhilfeträger – wie hier – Kenntnis vom Eilfall verschafft, obliegt diesem – nicht anders als im Fall der Vermittlung der Kenntnis durch den Hilfebedürftigen selbst – die weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), auch wenn der Nothelfer die materielle Beweislast dafür trägt, dass der geltend gemachte Anspruch besteht (LSG NRW, Urteil vom 18.08.2016 – L 9 SO 328/14).

Die Kammer geht aufgrund der ihr bekannt gewordenen Umstände davon aus, dass die Patientin finanziell hilfebedürftig und nicht in der Lage gewesen ist, die Kosten der Krankenhausbehandlung zu tragen. Nach den eigenen – glaubhaften – Angaben der Patientin gegenüber der Klägerin war sie ohne festen Wohnsitz, kam immer wieder in einer Obdachlosenunterkunft ("Cafe Plattform") unter, erhielt keine Sozialleistungen und war bei ihrer Krankenhauseinlieferung derart verarmt, dass sie aus dem Fundus der Klägerin mit neuer Kleidung versorgt wurde. Die Patientin hatte nach den zuletzt gegenüber der Klägerin gemachten Angaben auch kein Vermögen; sie hatte ihren Lebensunterhalt von "100 Euro von den Eltern" bestritten. Diese Angaben sind zwar dürftig, weisen die Patientin aber hinreichend als bedürftig aus. Die Annahme der Beklagten, ein zweifacher Drogenkonsum sei kostenintensiv, weshalb die Patientin über finanzielle Mittel habe verfügen müssen, für welche die angegebenen 100 EUR von den Eltern nicht ausreichten, ist zweifellos richtig, rechtfertigt aber nicht die Schlussfolgerung, dass sie in der Lage gewesen ist, ihren Lebensunterhalt einschließlich der Kosten der streitbefangenen und zahlreicher weiterer Krankenhausbehandlungen aus vorhandenen (legalen) Einkünften zu decken. Dies ist reine Spekulation und wirklichkeitsfremd.

Eine Leistungspflicht der Beklagten scheitert nicht am Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Insbesondere bestand für die Patientin während des Krankenhausaufenthaltes kein Krankenversicherungsschutz. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V – andere Versicherungstatbestände scheiden von vorne herein aus – sind pflichtversichert in der so genannten Auffangversicherung Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert (Buchstabe a) oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, sie gehören zu den in § 5 Abs. 5 SGB V genannten hauptberuflich Selbständigen oder zu den nach § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V versicherungsfreien Personen oder hätten bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland zu ihnen gehört (Buchstabe b). Ob diese Voraussetzungen im Einzelnen bei der Patientin vorlagen, kann hier dahinstehen. Denn im Zeitpunkt der Behandlung war die Patientin als nicht erwerbstätige rumänische Staatsangehörige von diesem Versicherungspflichttatbestand ohnehin ausgeschlossen. § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V bestimmt, dass u.a. Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht erfasst werden, wenn die Voraussetzungen für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU ist. Die in Bezug genommene Regelung des § 4 Satz 1 Freizügigkeitsgesetz/EU bestimmt wiederum u.a., dass nicht erwerbstätige Unionsbürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU) nur dann haben, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Für den Personenkreis der Unionsbürger, der nur unter der Voraussetzung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ein Recht auf Einreise und Aufenthalt hat, besteht keine Auffangversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Allein die entsprechende Verpflichtung nach § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU schließt dabei die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus; auf eine tatsächliche Absicherung für den Krankheitsfall kommt es nicht an (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R – m.w.N.). Die Patientin unterlag diesem Personenkreis, der aufenthaltsberechtigt nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.v.m. § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU sein kann. Auch sonst gibt es keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Absicherung der Patientin im Krankheitsfall, die gegenüber einem Anspruch auf Krankenhilfe nach § 48 SGB XII vorrangig wäre.

Der nach alledem dem Grunde nach bestehende Nothelferanspruch der Klägerin ist allerdings der Höhe nach auf die Erstattungen von Aufwendungen "in gebotenem Umfang" begrenzt (vgl. § 25 Satz 1 SGB XII). Maßstab für die gebotene Höhe der Aufwendungen sind (im Grundsatz) die Kosten, die die Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis ihrerseits hätte aufwenden müssen (BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 19/12 R). Soweit bei Hilfebedürftigkeit und in Kenntnis der Notlage von der Beklagten Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII hätte gewährt werden müssen, gelten für die Erbringung dieser Leistungen die Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) entsprechend (vgl. § 52 Abs.3 Satz 1 SGB XII). Auch für den Bereich der Nothilfe richtet sich das Kostenerstattungsbegehren also nach den Vorschriften des SGB V. Um "Aufwendungen in gebotenem Umfang" im Sinne des § 25 SGB XII handelt es sich jedenfalls dann, wenn die geltend gemachte Vergütung der nach dem SGB V und den sonstigen Normen und Verträgen entspricht (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Dies ist in Bezug auf Art und Höhe der in den Rechnungen vom 11.11.2016 aufgelisteten Leistungen anlässlich der Krankenausbehandlung der Patientin der Fall und zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Vergütungsansprüche der Klägerin nach dem SGB V bestimmen sich hier nach Fallpauschalen, die alle dabei in Anspruch genommenen Behandlungsmaßnahmen zu einer Abrechnungseinheit zusammenfassen, ohne dass es grundsätzlich auf die Dauer des Krankenhausaufenhaltes ankommt.

Als "Aufwendungen in gebotenem Umfang" hatte die Beklagte ausgehend von der jeweils maßgeblichen Fallpauschale eine tagesbezogene anteilige Vergütung ("pro rata temporis") zu erstatten. Eine solche Abrechnung gewährleistet einerseits den Zweck der Nothilfe, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken, ohne dass andererseits eine vom Gesetzgeber unerwünschte Durchbrechung des öffentlich-rechtlichen Systems für die Gewährung der Sozialhilfe gefördert würde. Für den Nothelfer verbleibt so der Anreiz, seiner Obliegenheit entsprechend den Sozialhilfeträger möglichst schnell vom Eilfall zu unterrichten; hierfür bestünde aus Sicht des Nothelfers bei einer Erstattung der gesamten Fallpauschale als "Aufwendung in gebotenem Umfang" für den ersten Tag des Eilfalls keine Notwendigkeit mehr. Ein Krankenhaus als Nothelfer, das sich seinen Obliegenheiten entsprechend verhält, erlangt auch bei einer Abrechnung "pro rata temporis" einen umfassenden Kostenerstattungsanspruch für die gesamte Behandlung. Soweit Hilfebedürftigkeit des Patienten tatsächlich besteht und das Krankenhaus rechtzeitig Kenntnis vom Eilfall gegeben hat, trägt der Sozialhilfeträger auch die Kosten der Behandlung im Anschluss daran (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Daraus folgt aber nicht, dass sich dieser umfassende Kostenerstattungsanspruch aus § 25 SGB XII ergibt. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers (bzw. die Obliegenheitsverletzung durch das Krankenhaus) bildet die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen (BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 19/12 R; LSG NRW, Urteil vom 18.08.2016 – L 9 SO 328/14). Allein die Nothilfe macht die Vergütung nicht zu einer untrennbaren Einheit. Nach erworbener Kenntnis im Sinne von § 18 SGB XII stehen nur dem Hilfebedürftigen selbst Sozialhilfeleistungen zu; deshalb sind Ansprüche auf Sozialhilfe nach Kenntnis des Sozialhilfeträgers allein im Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Sozialhilfeträger geltend zu machen, während ein Nothelferanspruch ab diesem Zeitpunkt ausscheidet (BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY 2/12 R). Von der Gesamtzahl an Tagen, für die die Beklagte in Kenntnis der Sozialhilfebedürftigkeit Hilfe zur Krankheit zu erbringen gehabt hätte, steht der Klägerin als Nothelfer deshalb eine Kostenerstattung nur für die Anzahl von Tagen, an denen ein Eilfall im Sinne des § 25 SGB XII vorlag, zu (LSG, Urteile vom 18.08.2016 – L 9 SO 328/14 – und vom 22.06.2017 – L 9 SO 137/15). Dies betrifft für den hier streitigen Behandlungsfall nur den ersten Behandlungstag (Donnerstag, 29.09.2016). Unter Außerachtlassung des Entlassungstages, der bei der Berechnung der Krankenhausvergütung nicht mitgezählt wird (vgl. § 8 Abs. 2 S. 1, 2. Halbs. Bundespflegesatzverordnung; § 1 Abs. 7 S. 2 Fallpauschalenvereinbarung 2016), umfasst der Vergütungsanspruch der Klägerin für die Behandlung vom 29.09. bis 05.10.2016 sechs Belegungs-/Vergütungstage (29.09. bis 04.10.2016). Der Nothelferanspruch gemäß § 25 SGB XII umfasst somit anteilig ("pro rata temporis") einen von sechs Belegungs-/Vergütungstagen und beträgt auf den Rechnungsbetrag bezogen ein Sechstel von 2.206,33 EUR, also 367,72 EUR.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der mit der Klage verfolgte Anspruch nicht aus abgetretenem Recht begründet. Die Wirksamkeit der von der Patientin unterschriebenen Erklärung vom 29.09.2016 begegnet bereits deshalb erheblichen Zweifeln, weil angesichts ihres damaliger Zustand bei der Aufnahme am 29.09.2016 um 23:07 Uhr, wie er im Bericht der Klinik anschaulich beschrieben worden ist, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hat. Dies kann aber dahin stehen, weil die Abtretungserklärung allein deshalb nicht wirksam, weil sie gegen ein gesetzliches Abtretungsverbot verstößt.

Bei dem Anspruch auf Krankenhilfe nach § 48 SGB XII handelt es sich um einen Sachleistungsanspruch, zu dessen Erfüllung sich der Sozialhilfeträger der Mitwirkung Dritter (Krankenhäuser, Ärzte, Hilfsmittellieferanten u.a.m.) bedient (Flint in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflg. 2014, § 48 Rn. 11; für die Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY 2/12 R). § 53 Abs. 1 SGB I bestimmt allgemein für alle Sozialleistungsbereiche, dass Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen weder übertragen noch verpfändet werden können. Eine Übertragung solcher Leistungen ist aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur nicht möglich, sodass eine Abtretung entsprechend § 399 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeschlossen ist. Unter das Abtretungsverbot fallen nicht nur die Sachleistungen selbst, sondern auch ihre Surrogate, insbesondere Geldleistungen, wenn sie zweckgebunden zur Anschaffung einer konkreten Dienst- oder Sachleistung gezahlt werden (BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY 2/12 R – m.w.N.). Soweit das BSG im Urteil vom 30.10.2013 (B 7 AY 2/12 R) eine Abtretung von Sozialleistungsansprüchen dann für möglich hält, wenn der Berechtigte die Leistung selbst vorfinanziert hat oder gegenüber dem zuständigen Leistungsträger zur Vermeidung eines Rückgriffs einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten der Krankenhausbehandlung hat, den er an den Gläubiger abtritt und der sich dadurch in der Person des Gläubigers der zu tilgenden Leistung in einen Zahlungsanspruch umwandelt, kann die Klägerin gleichwohl daraus keinen Anspruch auf Übernahme der (vollständigen) Kosten der Krankenhausbehandlung der Patientin herleiten. Denn zum einen gilt im Bereich des Sozialhilferechts das weitergehende – absolute – Abtretungsverbot des § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Zum anderen setzt wegen des höchstpersönlichen Charakters des Sozialhilfeanspruchs eine Abtretung voraus, dass der Anspruch bereits festgestellt ist. Außerdem kann der Zessionar (Abtretungsempfänger) – hier: die Klägerin – die Feststellung des Anspruchs nicht selbst betreiben. Würde nämlich mit der Abtretung zugleich die Befugnis übertragen, die Feststellung des Kostenerstattungsanspruchs zu betreiben, bestünde die Gefahr, dass sich – etwa unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung von Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) der Hilfebedürftige vom Datensubjekt zum Zeugen wandeln würde, der grundsätzlich auszusagen hätte, eingeschränkt nur durch die allgemeinen Grenzen der Zeugnisverweigerung. Dieser Gedanke wohnt auch § 17 SGB XII inne, der wegen der höchstpersönlichen Natur sozialhilferechtlicher Ansprüche – unabhängig davon, ob Geld- oder Sachleistungen betroffen sind – ein generelles Abtretungsverbot vorsieht (so ausdrücklich: BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY 2/12 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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