S 5 AL 131/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AL 131/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Überbrückungsgeld anlässlich der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit.

Der am 02.06.1967 geborene, ledige und soweit ersichtlich auch kinderlose Kläger war bis zum 31.12.2001 als kaufmännischer Angestellter im Vertrieb bzw. als Verkaufsdirektor versicherungspflichtig beschäftigt. Sein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt im Jahr 2001 betrug 8700,- DM monatlich.

Zum 01.01.2002 meldete sich der Kläger, der zu dieser Zeit noch in Wiesbaden wohnte, arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das ihm für die Zeit vom 01.01. bis 31.01.2002 bewilligt wurde.

Am 08.01.2002 beantragte der Kläger darüberhinaus beim Arbeitsamt Wiesbaden die Gewährung von Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für die Dauer von sechs Monaten. Er gab an, am 01.02.2002 eine selbständige Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter einer Handels-GmbH in Hamm/Westfalen aufzunehmen. Nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen ist er ab dem 01.02.2002 zum Geschäftsführer der A-GmbH bestellt worden. Die Anteile des Klägers am Stammkapital der A-GmbH betragen 50%. Er erhält für diese Tätigkeit auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages vom 01. Februar 2002 ein monatliches Gehalt von 4900 Euro. Daneben ist vereinbart, dass dem Kläger ein Leasingfahrzeug seitens der GmbH zur Verfügung gestellt wird und die dadurch entstehenden Belastungen von der GmbH zu tragen sind. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Gewerbeanmeldung vom 24.01.2002 war Betriebsbeginn der GmbH der 15.01.2002.

Die Industrie- und Handelskammer zu Dortmund gab unter dem 30. Januar 2002 als fachkundige Stelle eine positive Stellungnahme zur Tragfähigkeit der Existenzgründung des Klägers ab.

Mit Bescheid vom 07.03.2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Überbrückungsgeld ab. Zur Begründung führte sie aus, der Lebensunterhalt des Klägers sei ab Beginn der Selbstständigkeit durch das monatliche Gehalt von 4900 Euro sichergestellt.

Dagegen legte der Kläger am 05.04.2002 Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, der Ablehnungsbeischeid sei nicht genügend begründet. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der vollständige Sachverhalt ermittelt und alle Umstände in eine Prüfung einbezogen seien. Der Umstand, dass ein Gehalt von 4900 Euro pro Monat gezahlt werde, habe keine Bedeutung, da Bedürftigkeit nicht Vorraussetzung der Förderung sei. Im Übrigen habe er erhebliche Schuldverbindlichkeiten auf Grund des Erwerbs von Immobilien. Die monatlichen Belastungen gegenüber den kreditgebenden Hypothekenbanken, die vor Jahren begründet worden seien, beliefen sich auf ungefähr 2300 Euro. Außerdem habe er zuvor in Wiesbaden gewohnt und gehe nun einer Tätigkeit in Hamm nach. Deshalb habe er Kosten für eine zusätzliche Wohnung in Höhe von 680 Euro monatlich. Im Übrigen kehre er häufiger als nur 14-täglich nach Wiesbaden zu seiner Familie und zu seinem Freundeskreis zurück, was allein zu DB-Fahrtkosten in Höhe von zumindest 330 Euro pro Monat führe.

Mit Widerspruchsbesheid vom 26.04.2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Zur Begründung führte sie aus, Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die Arbeitslosikgeit beenden oder vermeiden würden, könnten zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten. Vorliegend sei im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) angesichts des beschränkten Haushaltsvolumens zu berücksichtigen gewesen, dass auch im Interesse der Solidargemeinschaft der Beitragszahler mit der Inanspruchnahme des Überbrückungsgeldes der größtmögliche Erfolg erzielt werde. Durch die Gewährung des Überbrückungsgeldes solle der Lebensunterhalt und die Aufwendungen zur sozialen Sicherung (Sozialversicherungsbeiträge) sichergestellt werden. Der Lebensunterhalt sowie die soziale Sicherung des Klägers sei zur Überzeugung der Beklagten durch die monatliche Vergütung der Tätigkeit des Klägers in Höhe von 4900 Euro sichergestellt. Ob der Kläger die sonstigen Anspruchsvorraussetzungen erfülle, sei dabei völlig rechtsunerheblich.

Dagegen hat der Kläger am 29.05.2002 Klage erhoben. Zur Begründung verweist er im wesentlichen auf seine Widerspruchsbegründung vom 05.04.2002. Ergänzend trägt er vor, das Haushaltsvolumen der Beklagten könne nicht Grundlage für eine Entscheidung sein.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 07.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag vom 08.01.2002 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, Kundennummer ... . Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 07.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2002 nicht in seinen Rechten verletzt im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte, die im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung von Überbrückungsbeihilfe ermächtigt ist, Ermessen auszuüben, hat die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens weder überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Emächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 54 Abs 2 S 2 SGG).

Nach § 57 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten.

Ermessen ist gem. § 39 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Der Zweck der Gewährung von Überbrückungsgeld ergibt sich unmittelbar aus § 57 Abs. 1 SGB III: Das Überbrückungsgeld soll nämlich zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung dienen. Es soll für eine Übergangs- und Anfangszeit, in der aus der neu aufgenommenen selbstständigen Tätigkeit keine vollen Einnahmen zu erwarten sind, den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen sichern (Stratmann in Niesel § 57 SGB III Rz 1).

Daneben hat das Arbeitsamt gem. § 7 Abs. 1 SGB III bei der Auswahl von Ermessensleistung der aktiven Arbeitsförderung, zu denen nach § 3 Abs 4 SGB III auch das Überbrückungsgeld zählt, stets die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.

Schließlich ist von Bedeutung, dass es sich bei dem Überbrückungsgeld um eine Sozialleistung handelt, sodass die allgemeinen Aufgaben des Sozialgesetzbuches berücksichtigt werden müssen. Diese bestehen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB I u.a. darin, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Vorraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schaffen, den Erwerb des Lebensunterhaltes durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens auch durch Hilfe zur Selbsthilfe abzuwenden und auszugleichen.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte war die Beklagte berechtigt, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Überbrückungsgeld abzulehnen, allein gestützt darauf, dass der Kläger eine monatliche Vergütung in Höhe von 4900 Euro erhält. Durch diese Vergütung ist der Lebensunterhalt des Klägers sichergestellt, selbst dann, wenn man Schuldverbindlichkeiten des Klägers in Höhe von 2300 Euro, Miete für eine Zweitwohnung in Höhe von 680 Euro und DB-Fahrtkosten in Höhe von 330 Euro berücksichtigt. Es verbleibt dem Kläger immer noch ein monatlicher Betrag in Höhe 1590 Euro. Damit ist der Kläger uU zwar gehalten, seinen Lebensstandard etwas einzuschränken, insbesondere dann, wenn er - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung dargelegt - sein offensichtlich vorhandenes Vermögen nicht angreifen möchte. Der Gewährung von Sozialleistungen bedarf es allerdings weder, um dem Kläger ein menschenwürdiges Dasein - zu messen an dem weitaus geringeren sozialhilferechtlichen Bedarf - zu sichern, noch sind besondere Belastungen im Leben des Klägers ersichtlich, die durch Hilfe abzuwenden oder auszugleichen wären. Die den Kläger treffenden Belastungen aus Immobiliengeschäften sind nicht als Belastungen im Sinne des § 1 Abs 1 SGB I anzuerkennen, zumal der Kläger durch seine Zahlungen den Erwerb von Vermögen finanziert.

Die Erwägungen der Beklagten, dass angesichts der Beschränktheit der Haushaltsmittel diese zielgerichteter und mit grösserem Erfolg eingesetzt werden können als durch die Zahlung von Überbrückungsgeld an den Kläger, sind daher zutreffend und entsprechen dem Zweck der Sozialleistung Überbrückungsgeld.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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