S 2 R 447/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 2 R 447/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten sind.

Mit Bescheid vom 02.04.2019 gewährte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente ab 01.04.2019. Dem Bescheid beigefügt waren folgende Anlagen: Berechnung der Rente, Versicherungsverlauf, Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte. Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 23.04.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, der Bescheid sei nicht hinreichend nachvollziehbar/begründet. Er bat um Übersendung der Berechnungsgrundlagen. Mit Schreiben vom 26.04.2019 übersandte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten die weiteren Berechnungsanlagen zum Rentenbescheid vom 02.04.2019. Mit Schreiben vom 09.05.2019 führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, nachdem er nunmehr erstmalig eine umfassende Prüfung der Berechnung der Rente habe vornehmen können, könne er den Widerspruch für erledigt erklären. Die Beklagte treffe die Kostenlast, so dass er darum bitte, einen rechtsmittelfähigen Bescheid hierüber zu erteilen. Beigefügt war eine Rechnung über einen Gesamtbetrag in Höhe von 380,80 Euro. Mit Bescheid vom 15.05.2019 lehnte die Beklagte die Erstattung von Kosten für das Widerspruchsverfahren ab. Zur Begründung führte sie aus, der Widerspruch sei nicht erfolgreich im Sinne von § 63 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die Tatsache, dass ergänzende Anlagen übersandt worden seien, begründe ebenfalls keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Der angefochtene Bescheid sei schon bei seinem Erlass mit der nach § 35 Abs. 1 SGB X erforderlichen Begründung versehen gewesen. Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die der Entscheidung über den Rentenanspruch zu Grunde liegen, seien in dem Bescheid und den Anlagen, die Gegenstand des Bescheids waren, mitgeteilt worden. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass der Bescheid ursprünglich nicht mit der erforderlichen Begründung versehen worden war, sei dies aufgrund des nachträglichen Übersendung der ergänzenden Anlagen gemäß §§ 41, 42 SGB X unbeachtlich. Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte am 12.06.2019 Widerspruch ein. Wegen der mangelnden Begründung des Bescheides treffe die Beklagte die Kostenlast. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie aus, die dem Bescheid beigefügten Anlagen enthielten die im Sinne der Begründungspflicht wesentlichen Gründe für die Entscheidung über die Rentenhöhe, die mit dem Rentenbescheid getroffen wurde, insbesondere sämtliche der Rentenberechnung zu Grunde gelegten rentenrechtlichen Zeiten und Werte.

Hiergegen richtet sich die am 29.08.2019 erhobene Klage. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führt aus, Bestandteil der jahrzehntelang erteilten Rentenbescheide seien unter anderem folgende Anlagen gewesen: "Entgeltpunkte für Beitragszeiten", "Entgeltpunkte für ständige Arbeiten unter Tage", "Entgeltpunkte für verdrängte deutsche freiwillige Beiträge", "Zuschlag an Entgeltpunkten", "Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten", "Versorgungsausgleich", "Höherversicherung", "Berechnung der Zinsen". Nehme man beispielsweise die Anlage "Entgeltpunkte für Beitragszeiten" und die Anlage "Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten", sei festzustellen, dass anhand dieser Anlagen z.B. nachvollziehbar war bzw. ist, bei welchen Zeiten es sich nach der Auffassung der deutschen Rentenversicherung um Beitragszeiten, beitragsfreie oder beitragsgeminderte Zeiten gehandelt habe und wie diese im Einzelnen bewertet wurden. Diese Anlagen fehlten nun völlig. Die Ausführungen dazu, wie zusätzliche Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten ermittelt werden, seien eher verwirrend. Die Beklagte habe keineswegs alle "wesentlichen" Umstände mitgeteilt, die der Entscheidung zu Grunde liegen. Insoweit sei eine Nachholung der Begründung nicht zulässig. Eine Anwendung des § 42 SGB X komme nicht in Betracht. Von einer "Offensichtlichkeit" könne bereits nicht die Rede sein, da im vorliegenden Fall erst nach Übersendung und Prüfung der Berechnungsanlagen festgestellt werden konnte, ob die Beklagte das Recht richtig angewandt habe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2019 zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten im Widerspruchsverfahren zu übernehmen, sowie im Falle einer negativen Entscheidung die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest. Die Kammer hat die Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.12.2019 ausführlich angehört. Diesbezüglich wird auf das Protokoll Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz, SGG) ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 02.04.2019 inklusive der notwendigen Kosten für die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten.

Für die Frage, ob der Widerspruch erfolgreich ist, ist zunächst entscheidend, ob ein (förmlicher) Abhilfe- (§ 85 Abs. 1 SGG) oder ein Widerspruchsbescheid (§ 85 Abs. 2 SGG) ergangen ist. "Abhilfe" ist jeder Verwaltungsakt, mit dem dem Widerspruchsführer ein weiteres oder erweitertes "Recht" zugestanden wird. Unbeachtlich ist, ob damit die Rechtsposition des Widerspruchsführers tatsächlich verbessert wurde. Erfolgreich ist der Widerspruchsführer ebenfalls dann, wenn die Behörde einer dem Widerspruchsführer günstigen förmlichen Entscheidung über den Widerspruch durch Rücknahme bzw. entsprechende Verpflichtung zur Neubescheidung zuvorkommt (vgl. Roos, in: von Wulffen, SGB X, 8. Aufl., § 63 Rn. 18 f.). Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.04.2019 hatte nach dieser Maßgabe keinen Erfolg, denn ihm wurde von der Beklagten nicht stattgegeben. Vielmehr erklärte die Klägerin ihren Widerspruch nach Übersendung der gewünschten Unterlagen für erledigt, ohne dass eine Entscheidung der Beklagten in der Sache ergangen wäre.

Auch die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X sind vorliegend nicht gegeben. Danach gilt die Rechtsfolge des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X (Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren) auch, wenn der Widerspruch "nur" deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist. Nach § 41 Abs. 1 SGB X ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, wenn u.a. die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird (Nr. 2). Die Regelung des § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X stellt also nur eine eng begrenzte Ausnahme gegenüber dem in Satz 1 als Grundregel formulierten Erfolgs- oder Unterliegensprinzip dar, welches aber nicht zugunsten eines allgemeinen Billigkeitsprinzips aufgegeben wird (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 05.10.2016, L 18 AS 284/15, juris). Anders als die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten im Rahmen eines Gerichtsverfahrens nach § 193 SGG, die auch die Kosten eines vorangegangenen - nicht isolierten - Widerspruchsverfahrens umfasst, steht der Inhalt der Kostenentscheidung nach § 63 Abs. 1 SGB X nicht im "billigen Ermessen" der Widerspruchsbehörde. Während § 193 Abs. 1 SGG dem Gericht mangels inhaltlicher Vorgaben ein solches Ermessen einräumt (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 193 Rn. 12 ff.), fehlt eine solche Regelung in § 63 Abs. 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil v. 20.10.2010, B 13 R 15/10 R, juris). Gleiches gilt für § 80 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG), dem § 63 Abs. 1 SGB X nach gesetzgeberischem Willen nachgebildet ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 05.10.2016 a.a.O. unter Verweis auf BT-Drucks. 8/2034 S. 36 zu § 61 des Entwurfs). Die § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X entsprechende Vorschrift des § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG wurde zwar aus Billigkeitsgründen eingeführt (BT-Drucks. 7/910 S. 92 zu § 76 des Entwurfs). Der Regelung bedurfte es jedoch, weil auch § 80 VwVfG nur bei einem erfolgreichen Widerspruch eine Kostenerstattung vorsieht und der Widerspruchsführer im Verwaltungsverfahren im Gegensatz zum Verwaltungsprozess im Fall einer nachträglichen Heilung des streitigen Verwaltungsaktes nicht bereits durch eine Erledigungserklärung die Kostenlast abwenden kann. Der Grund für die Kostenerstattung trotz Erfolglosigkeit des Widerspruches liegt demnach auch bei § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X in der - ursprünglichen - Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes aufgrund des Verfahrens- oder Formmangels und der damit einhergehenden Berechtigung des Widerspruches. Soweit in Satz 2 also Billigkeitsgründe in die Kostenentscheidung einfließen, sind sie unverändert verknüpft mit einem Erfolg des Widerspruches, der hier nur durch nachträgliche Heilung "entfällt" (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 05.10.2016 a.a.O.). Das Erfolgsprinzip wird demnach nicht zugunsten eines allgemeinen Billigkeitsprinzip aufgegeben, das die Berücksichtigung von Veranlassungsgesichtspunkten erlaubte (LSG Stuttgart, Urteil v. 19.05.2011, L 7 AS 109/11, juris). Im gesetzlichen Wortlaut findet dies seinen Niederschlag durch die ausdrückliche Formulierung, dass der Widerspruch "nur" wegen der Unbeachtlichkeit des Fehlers nach § 41 SGB X keinen Erfolg hat. Eine Kostenerstattung nach § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X kommt nicht in Betracht, wenn neben der Unbeachtlichkeit nach § 41 SGB X auch andere Gründe dem Erfolg entgegenstehen. Die nachträgliche Heilung muss der einzige Grund sein, der den Erfolg letztlich vereitelt.

Gerade hieran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass der Bescheid vom 02.04.2019 nicht mit einer ordnungsgemäßen Begründung im Sinne des § 35 Abs. 1 SGB X versehen war, wäre dieser Formfehler durch die im Widerspruchsverfahren übersandten Unterlagen gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X unbeachtlich geworden (nachträgliche Heilung). Dem Erfolg des Widerspruches stand jedoch ein weiterer Grund entgegen. Denn selbst wenn die Klägerin ihren Widerspruch auf die isolierte Anfechtung des ihrer Ansicht nach formell rechtswidrigen Bescheides beschränkt haben sollte und ein solcher isolierter Anfechtungswiderspruch statthaft wäre, stünde dem Erfolg des Widerspruchs als weiterer Grund die Regelung des § 42 SGB X entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Kammer schließt sich ausdrücklich nicht der in der Literatur zum Teil vertretene Auffassung an, § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X sei auf die Fälle des § 42 SGB X entsprechend anzuwenden (so etwa Roos a.a.O. § 63 Rn. 24 m.w.N.), da es nach obigen Ausführungen bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Dass die Anwendungsfälle des § 42 SGB X vom Wortlaut des § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X nicht erfasst werden, entspricht gerade dem beschriebenen gesetzgeberischen Regelungskonzept, die Kostenentscheidung allein an den Erfolg des Widerspruches zu knüpfen und Billigkeitserwägungen nur in einem eng begrenzten - ebenfalls erfolgsbezogenen - Ausnahmefall zu berücksichtigen. In den Anwendungsfällen des § 42 SGB X hat der Gesetzgeber aber abstrakt und unabhängig von einer späteren (Nachholungs-)Handlung der Behörde Widersprüchen den Erfolg versagt. Eine Ausdehnung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auf solche Fallkonstellationen stellte eine systemwidrige Einführung von Veranlassungsgesichtspunkten im Sinne allgemeiner Billigkeitserwägungen in die Kostenentscheidung dar und widerspräche damit dem gesetzgeberischen Willen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 05.10.2016 a.a.O.; gegen eine Ausdehnung auf § 42 SGB X auch LSG Stuttgart, Urteil v. 19.05.2011 a.a.O.; LSG Thüringen, Beschluss v. 25.08.2011, L 4 AS 1223/11 NZB, juris; LSG Hessen, Urteil v. 29.07.2004, L 12 RJ 1144/03, juris; LSG Celle, Beschluss v. 08.05.2012, L 7 AS 52/11 B, juris).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 Satz 1 SGB X für den Ausschluss des Aufhebungsanspruches liegen vor. Hierzu hat das LSG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 05.10.2016 (a.a.O.) ausgeführt:

S "Mit der Neufassung dieser Vorschrift durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) bezweckte der Gesetzgeber eine Erweiterung der Heilungsmöglichkeiten auf Ermessensentscheidungen (BT-Drucks 14/4375 S 59 iVm BT-Drucks. 13/3995 S 8) und nicht etwa eine Einschränkung bereits bestehender Heilungsmöglichkeiten; für den Bereich der gebundenen Verwaltung gelten die bisherigen Grundsätze fort (vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nr. 15). Danach greift § 42 SGB X nicht ein, wenn sich der Fehler auf die Entscheidung ausgewirkt hat; das ist anzunehmen, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Behörde ohne den Verfahrens- oder Formfehler anders entschieden hätte (BVerwGE 69, 256). Der Fehler ist (nur) folgenlos, wenn die getroffene Entscheidung aus zwingenden rechtlichen Gründen nicht hätte anders ausfallen dürfen (BVerwGE 71, 63). Abzustellen hierbei ist wiederum auf die materielle Rechtsposition. Der Rechtsbehelf kann also nur Erfolg haben, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des überprüften Verwaltungsakts nicht erfüllt sind. Die fehlende Darstellung der zugrunde liegenden Berechnung im angefochtenen Ausgangsbescheid eröffnete jedoch nicht die konkrete Möglichkeit einer abweichenden Sachentscheidung. Vielmehr ist es offensichtlich, dass bei - objektiv – nicht gegebenem höheren Zinsanspruch nur eine Ablehnung des Leistungsantrags in Betracht kommt. Offensichtlich bedeutet dabei nicht, dass bereits aus dem Verwaltungsakt selbst die Alternativlosigkeit zu ersehen ist. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht eines objektiven Betrachters, der als Hintergrundwissen die Umstände kennt, Einsicht in die Akten und Kenntnis der sonstigen Beweismittel hat (vgl Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 42 Rdnr. 20 mwN). Andernfalls wäre im Sinne eines Zirkelschlusses bei einer fehlenden oder unvollständigen Begründung immer die Offensichtlichkeit ausgeschlossen, so dass dieser formale Fehler stets beachtlich wäre, was dem Wortlaut und Zweck der Regelung nicht gerecht wird. Es wäre dann auch zu erwarten gewesen, dass für die Begründung eine ausdrückliche Regelung erfolgt - wie in § 42 Satz 2 SGB X für die Anhörung."

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Auch bei vollständiger Darlegung der Berechnung im Ausgangsbescheid wäre im vorliegenden Fall keine Gewährung einer höheren Rente möglich gewesen.

Die begehrte Kostenerstattung kann daher nicht auf § 63 SGB X gestützt werden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch scheidet als Anspruchsgrundlage ebenfalls aus (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2010, B 13 R 15/10 R, juris). In Betracht käme allenfalls ein Anspruch auf Schadenersatz im Rahmen eines Amtshaftungsanspruches, der hier aber nicht geltend gemacht wurde und für den auch nicht die Kammer, sondern die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig wären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Sache war nicht kraft Gesetzes berufungsfähig, da die Beteiligten um die Übernahme von Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 380,80 Euro streiten und der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro nicht übersteigt, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Die Berufung war jedoch zuzulassen nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, da die Sache nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung hat. Nach der Versendung neuer Rentenbescheide seit März 2018 durch die Deutsche Rentenversicherung gibt es nach Kenntnis der Kammer eine Vielzahl von dem vorliegenden Fall vergleichbaren Verfahren. Höchstrichterlich ungeklärt ist in diesem Zusammenhang die Rechtsfrage zur erweiterten Auslegung des § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X auf die Fälle des § 42 SGB X.
Rechtskraft
Aus
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