S 14 KR 272/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KR 272/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Versorgung mit einer beidseitigen Mammareduktionsplastik im Rahmen einer Krankenhausbehandlung.

Die am 00.00.0000 geborene (18-jährige) Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Am 10.12.2018 beantragte sie bei der Beklagten eine Kostenübernahme für Verkleinerungen der Brüste. Sie führte aus, bei asymmetrischen Brustgrößen komme es infolge der Schwere der Brüste zu behandlungsbedürftigen Rücken– und Nackenbeschwerden. In der Brustfalte bildeten sich Ekzeme, die sich bei Behandlung mit Salben nur für kurze Zeit besserten. Sie fügte eine entsprechende Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Frauenheilkunde und Senologie Dr. E bei, der dringend eine beidseitige Reduktionsplastik empfahl.

Mit Schreiben vom 12.12.2018 zeigte die Beklagte der Klägerin die Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) an. In der Folge leitete die Beklagte an die Klägerin konkrete Fragen des MDK mit der Bitte um Beantwortung weiter und prognostizierte unter dem 28.12.2018 eine Entscheidung bis zum 01.02.2019. Hieran erinnerte die Beklagte mit Schreiben vom 15.01.2019 unter Prognose einer Entscheidung bis zum 19.02.2019 bevor sie unter dem 21.01.2019 mitteilte, die Klägerin möge sich dem MDK am 29.01.2019 zu einer persönlichen Untersuchung vorstellen.

Nach persönlicher Begutachtung kam der MDK in einem Gutachten vom 31.01.2019 zu dem Ergebnis, eine zwingende medizinische Indikation für den gewünschten Eingriff sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu bestätigen. Zweifelsohne bestehe ein höheres Brustlastgewicht im Sinne einer mäßiggradigen Mammahypertrophie, ohne dass dieser beschreibenden Diagnose direkt Krankheitswert beigemessen werden könne. Es sei eine Fehlhaltung mit Schulterhochzug zu beobachten gewesen. Besondere muskuläre Verspannungen hätten sich nicht tasten lassen. Zur Kräftigung der Schulter – Nackenmuskulatur werde die Fortführung eines Bewegungsschulungsprogrammes unter Nutzung gut sitzender Sport – BH`s als indiziert erachtet. Zudem erscheine ein chirurgischer Eingriff verfrüht, da noch nicht mit Sicherheit ausgesagt werden könne, ob das Brustwachstum abgeschlossen sei.

Mit Bescheid vom 07.02.2019 lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf die Beurteilung des MDK ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 04.03.2019 unter Bezugnahme auf ein beigefügtes Schreiben des Dr. E. Widerspruch ein. Das Sporttreiben sei der Klägerin schmerzbedingt nicht mehr möglich. Auch Sport –BH´s könnten die Brüste zur Schmerzvermeidung nicht ausreichend stützen.

Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des MDK vom 29.03.2019 ein, der bei seiner Einschätzung blieb. Eine ultima ratio Situation werde nicht deutlich. Eine generelle Unmöglichkeit Sport auszuüben sei nicht nachvollziehbar und nicht plausibel.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf die gewünschte Operation sei mangels Vorliegen einer Erkrankung nicht gegeben. Es sei darauf hinzuweisen, dass Gerichte festgestellt hätten, dass es bislang keine einzige wissenschaftliche Studie gebe, die einen Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und dem Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden belege.

Hiergegen hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 19.06.2019 Klage erhoben.

Das Gericht hat Befundberichte der Fachärztin für Frauenheilkunde Dr. X, des Kinder und Jugendarztes Dr. C. und des Dr. E eingeholt und die dem MDK vorliegenden medizinischen Unterlagen beigezogen.

Sodann hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. C2 vom 29.01.2020 mit ergänzender Stellungnahme vom 31.05.2020 auf ein weiteres Gutachten des MDK vom 16.04.2020.

Der Sachverständige hat – bei Körpchengröße (F-G) eine ausgeprägte Makromastie mit einer Mammaptose Grad 2 nach Renault festgestellt, bei sichtbarer Asymmetrie zugunsten der rechten, voluminöseren Brust. Beidseits hat er eine dezente Rötung im Sinne einer Intertrigo in den Brustunterfalten festgestellt und im Schulter– und Nackenbereich wie auch paravertebral druckschmerzhafte muskuläre Verhärtungen und Verspannungen. Die Schulter– Nackenbeschwerden seien glaubhaft nachvollziehbar. Nachvollziehbar seien auch wiederkehrende entzündliche Veränderungen in den Brustfalten, welche mit geeigneten Cremes und Salben vorübergehend gelindert werden könnten. Das Brustwachstum sei seit 2 Jahren abgeschlossen.

Unter Berücksichtigung der orthopädischen Beschwerden und der rezidivierenden dermatologischen Veränderungen im Bereich der unter Brustfalte liege eine krankhafte Brustvergrößerung vor. Glaubhaft berichte die Klägerin, dass eine sportliche Betätigung deutlich erschwert sei. Insofern sei eine Körperfunktion beeinträchtigt. Außerdem lasse die Brustform eine Reaktion der Mitmenschen erwarten, die bei der Klägerin ein Schamgefühl auslöse. Das Interesse anderer fixierte sich etwa bei einem Schwimmbadbesuch.

Der Sachverständige empfiehlt eine Mammareduktionsplastik beidseits. Zwar sei zu bestätigen, dass eine Rückenschulung einen durchaus elementaren Teil der Behandlung darstelle. Diese könne aus seiner Sicht jedoch nur adäquat und zielführend ausgeführt werden, wenn die Beweglichkeit der Klägerin und die entstehenden Schmerzen bei körperlicher Betätigung zunächst operativ verbessert würden.

Zuletzt lägen wissenschaftliche Studien zum Zusammenhang vergrößerter Brüste mit Rücken – und Nacken- und Schulterbeschwerden vor.

Angesichts des begrenzten Ausmaßes physiotherapeutischer Beübung liege möglicherweise die von der Beklagten geforderte "ultima ratio"-Situation noch nicht vor. Es stelle sich aus Sicht des Klinikers aber die Frage, warum eine Operation, welche seit Jahrzehnten als standardisiertes und komplikationsarmes Verfahren mit großem Erfolg durchgeführt werde zwingend nur als ein "ultima-ratio-Verfahren" angesehen werde.

Die Klägerseite bezieht sich auf den Vortrag im Verwaltungsverfahren. Das Gutachten des Sachverständigen sei eindeutig und werde in der ergänzenden Stellungnahme nochmals bekräftigt.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2019 zu verurteilen, die Klägerin mit einer beidseitigen Mammareduktionsplastik zu versorgen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung auf Grundlage der MDK-Gutachten für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Der Klageantrag ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juli 2018 – L 16 KR 660/17 –, Rn. 25, juris) und zulässig aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 07.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 S. 2 SGG).

B. I. Allgemeine Rechtsgrundlage für die mit der Klage beanspruchte Sachleistung ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Bei der Klägerin liegt eine Erkrankung allein in Gestalt wiederkehrender Rückenschmerzen im Schulter– Nackenbereich vor. Die (ausgeprägte) Makromastie beidseits mit Mammaptose Grad 2 nach Regnault und eine Anisomastie zugunsten der rechten Brust stellen hingegen keine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V dar.

Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, den Begriff der Krankheit im Gesetz zu definieren, da sein Inhalt ständigen Änderungen unterliege. Stattdessen hat er in der Gesetzesbegründung Bezug genommen auf die herrschende Rechtsprechung und Praxis (vgl. BT-Drs. 11/2237, S. 170).

Die Rechtsprechung versteht unter einer Krankheit einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit ärztlicher Heilbehandlung oder - zugleich oder allein - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig wird ein Zustand angesehen, der von der Norm, also vom Leitbild des gesunden Menschen, abweicht (BSG, Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 5/10 R –, SozR 4-2500 § 27 Nr 20, Rn. 10 m.w.N.).

Dabei kommt Krankheitswert im Rechtssinne nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 37/18 R –, SozR 4-2500 § 52 Nr 1, Rn. 8; BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R –, BSGE 100, 119-124, SozR 4-2500 § 27 Nr 14, Rn. 11; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 9/04 R –, Rn. 13, juris).

1. In der Rechtsprechung besteht auf Grundlage dessen breite Einigkeit, dass unter dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung einer Körperfunktion weder eine Makromastie, auch in Verbindung mit einer Mammaptose, noch eine Anisomastie eine Krankheit i. S. d. § 27 SGB V darstellen. Denn hiermit gehen Funktionsmängel der Mammae selbst, etwa wegen fehlenden Drüsengewebes, nicht einher. Die Brüste sind organisch gesund (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R –, BSGE 100, 119-124, SozR 4-2500 § 27 Nr 14, Rn. 11; Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 25. August 2016 – L 1 KR 38/15 –, Rn. 16, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. November 2017 – L 1 KR 644/15 –, Rn. 30, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2020 – L 10 KR 48/16, nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 09. Februar 2017 – L 1 KR 134/14 –, Rn. 17, juris m.w.N.; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. März 2010 – L 5 KR 118/08 –, Rn. 26, juris).

Soweit der Sachverständige eine körperliche Fehlfunktion annimmt, da sportliche Betätigungen wie das Joggen nach den glaubhaften Angaben der Klägerin infolge einer schmerzhaften Zugbelastung eingeschränkt seien, entspricht dies insofern nicht den dargelegten Maßstäben. Denn mit der Einschränkung bei der Ausübung bestimmter Ausdauersportarten ist weder eine Fehlfunktion der Brust noch – mittelbar – eines anderen Körperteiles/ Organes angesprochen. Nachvollziehbar ist insofern die Mitteilung der behandelnden Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. X, es bestünden beidseits große Brüste ohne Pathologie (Befundbericht vom 29.07.2019).

2. Entgegen der Einschätzung des Sachverständigen führen auch weder die Brustvergrößerung noch die bei der Klägerin bestehende Asymetrie zu einer entstellenden Wirkung. Der Sachverständige verkennt (auch insoweit) den ihm mit der Beweisanordnung aufgezeigten Maßstab soweit er die Situation eines Schwimmbadbesuches anführt und dabei unter Zugrundelegung des Vortrages der Klägerin das Schamgefühl in den Mittelpunkt stellt, dass bei der Klägerin durch Reaktionen von Mitmenschen ausgelöst werden könne. Der Sachverständige übernimmt damit im Ergebnis das subjektive Krankheitsmodel der Klägerin (zur Unzulässigkeit: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 9/04 R –, Rn. 16, juris), die (auch) in der Untersuchung durch den Sachverständigen ein Schamgefühl geschildert hat, das sie an der Teilnahme vom Schwimmsport abhalte.

Um eine entstellende Wirkung annehmen zu können, muss es sich jedoch objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit hervorruft und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich ziehen, zum Objekt besonderer Beachtung anderer werden und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen wird und zuvereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt etwa nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf dem Betroffenen führt (BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 35/15 R –, SozR 4-2500 § 27 Nr 28, Rn. 14). Infolge dessen ist der bekleidete Zustand maßgeblich (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – L 1 KR 160/13 –, Rn. 26, juris; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 – L 1 KR 119/11 –, Rn. 22, juris; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. November 2006 – L 4 KR 60/04 –, Rn. 24, juris). Anerkannt wurde eine entstellende Wirkung etwa für den Verlust der Kopfbehaarung bei Frauen (BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 – B 3 KR 66/01 R –, SozR 3-2500 § 33 Nr 45, Rn. 20) nicht hingegen – unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust - bei einer fehlenden oder wenig ausgeprägten weiblichen Brust (BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 35/15 R –, SozR 4-2500 § 27 Nr 28, Rn. 14f. m.w. Bsp.; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R –, BSGE 93, 252-258, SozR 4-2500 § 27 Nr 3, Rn. 14).

Die Kammer hat sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung der im Sachverständigengutachten enthaltenen Fotodokumentation selbst davon überzeugt, dass weder die Brustgröße noch die Asymmetrie zu einer entstellenden Wirkung im Sinne der dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung führen. Ein durch die Brustgröße oder -form entstelltes Erscheinungsbild liegt nicht vor. Auch weder die Klägerin selbst noch die Sie behandelnden Ärzte haben zur Begründung der avisierten Operation auf eine entstellende Wirkung des Befundes der Brüste abgestellt. Dr. E hat als Grund der ambulanten Vorstellung der Klägerin und der Befürwortung der Brustverkleinerungsoperation in seiner den Antrag der Klägerin unterstützenden Stellungnahme vielmehr insbesondere auf bestehende orthopädische Beschwerden mit starken Nacken– Schulter- und Rückenschmerzen abgestellt.

3. Eine (unterhalb einer eigenständigen psychischen Erkrankung liegende) psychische Belastung der Klägerin aufgrund ihres Erscheinungsbildes wird zwar deutlich, rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes aber ebenfalls keinen operativen Eingriff zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 35/15 R –, SozR 4-2500 § 27 Nr 28, Rn. 16; BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R –, BSGE 100, 119-124, SozR 4-2500 § 27 Nr 14, Rn. 17f.; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R –, BSGE 93, 252-258, SozR 4-2500 § 27 Nr 3, Rn. 15; BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 – B 1 KR 1/02 R –, BSGE 90, 289-295, SozR 4-2500 § 137c Nr 1, Rn. 12).

4. Aber auch die zur Begründung des Antrages angeführten Rückenschmerzen im Schulter– Nackenbereich bzw. eine rezidivierende Intertrigo der Unterbrustfalten können keinen Anspruch auf die begehrte Operation begründen.

a) Hinsichtlich der Hautirritationen in der Unterbrustfalte lässt sich letztlich bereits keine Erkrankung im dargelegten Sinne objektivieren. Vielmehr werden gelegentliche Hautirritationen glaubhaft nachvollziehbar, die – ohne ärztliche Behandlungsbedürftigkeit – für die Klägerin unter Nutzung von Wund – und Heilsalben beherrschbar sind. Weder die Erforderlichkeit ärztlicher Heilbehandlung noch Arbeitsunfähigkeit sind belegt. Die Klägerin war bislang nicht in fachdermatologischer Behandlung. Aber auch der sie behandelnde Facharzt für Kinder – und Jugendmedizin Dr. C hat keine Behandlung wegen einer Hauterkrankung mitgeteilt. Er behandelt die Klägerin seit Juli 2002. Im August 2018 sei die Klägerin wegen seit 1,5 Jahren bestehender Schmerzen im Bereich des rechten Nackens und der Schulter wie auch des Rückens vorstellig geworden. Sie selbst habe die Schmerzen auf ihre erhebliche Brustvergrößerung zurückgeführt. Er hat eine Mammahypertrophie und eine paravertebrale Muskelverspannung, ein Brustwirbelsäulensyndrom festgestellt. Auch die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. X hat keine Erkrankung der Haut mitgeteilt. Erst der Facharzt für Frauenheilkunde und Senologie Dr. E. hat hingegen im Befundbericht vom 06.08.2019 zwar angegeben, er habe bei einmaliger Vorstellung im November 2018 Entzündungen und Rötungen in der Inframammärfalte festgestellt. Eine ärztliche Behandlung ist diesbezüglich jedoch auch durch ihn nicht erfolgt. Aus seinem antragsbegründen Schreiben vom 26.11.2018 lässt sich zudem erkennen, dass ob er den Befund nicht selbst erhoben hat, sondern er den Angaben der Klägerin folgt, soweit er – bei einmaliger Vorstellung der Klägerin – wiederum nicht in der Wiedergabe der Anamnese sondern im Befund schildert, im Bereich der Brustunterfalte bildeten sich immer wieder rezidivierende Entzündungen, welche sich auch mit Wund- und Heilsalben nur kurzzeitig besserten. Der MDK konnte bei persönlicher Untersuchung der Klägerin für das Gutachten vom 31.01.2019 keine Hautirritationen feststellen. Der Sachverständige hat allein eine dezente Rötung im Sinne einer Intertrigo beidseits im Bereich der Inframammärfalten erkannt. Vor dem Hintergrund dessen ist nicht nachvollziehbar, wie er dazu gelangt, die Makromastie erhalte auch aufgrund hartnäckiger Intertriginalekzembildungen in den Brustumschlagfalten Krankheitswert. Ohnedies ergäbe sich – aus denselben Gründen wie hinsichtlich des Brustwirbelsäulensyndroms – auch dann kein Anspruch auf die gewünschte Mammareduktionsplastik, wenn man die wiederkehrenden Hautirritationen bereits als Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V eingeordnet würden (vgl. II).

b) Bzgl. der Beschwerden im Schulter– Nackenbereich im Sinne einer paravertebralen Muskelverspannung/eines Brustwirbelsäulensyndroms, wie es der behandelnde Arzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. C mit Befundbericht vom 30.07.2019 als Diagnose mitgeteilt hat, geht die Kammer von einer wiederkehrenden ärztlichen Behandlungsbedürftigkeit aus, insofern von einer - indes gering ausgeprägten - Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V. Die Klägerin hat zwar im Fragebogen zu ärztlichen Untersuchungen keine Angabe zu einer orthopädischen Behandlung gemacht. Ausweislich des Leistungsausdruckes der Beklagten hat eine fachorthopädische Behandlung zwar im Juli 2019 stattgefunden, indes wegen einer Verstauchung und Zerrung des Handgelenkes. Im Januar 2018 erfolgte einmalig eine Vorstellung beim Orthopäden Dr. L, für die eine Behandlung wegen der Diagnose einer idiopathischen Skoliose beim Jugendlichen abgerechnet worden ist. Die Behandlung einer Radikulopathie im Thorakalbereich ist im Weiteren durch den behandelnden Arzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. C. erfolgt. Zwar hat Dr. C. in seinem Befundbericht vom 30.07.2019 keine aktuelle Behandlung wegen Beschwerden im Rückenbereich mitgeteilt. Derzeit erfolge die Behandlung einer subklinischen Hypothyreose. Indes wird hinreichend erkennbar und nachvollziehbar, dass es sich bei den Schmerzen im Bereich des rechten Nackens und der Schulter wie auch des Rückens aufgrund von Muskelverspannungen und Verhärtungen um ein rezidivierendes Krankheitsbild handelt, dass intermittierend ärztlichen Behandlungsbedarf ausgelöst hat. So hatte Dr. C. angegeben, die Klägerin sei im August 2018 wegen seit 1,5 Jahren bestehenden Schmerzen im Bereich des rechten Nackens und der Schulter wie auch des Rückens vorstellig geworden. Es habe sich ein paravertebraler Muskelhartspann bei ansonsten unauffälliger Wirbelsäule und unauffälligen Befunden im Bereich des Nackens und der Schulter gezeigt. Der Allgemeinzustand der Klägerin zum Untersuchungszeitpunkt sei gut gewesen. Auch die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. X hat das Bestehen von Rückenschmerzen angegeben (Befundbericht vom 29.07.2019). Bei der letzten Vorstellung am 05.11.2018 sei durch HWS – Beschwerden die seitliche Kopfbeweglichkeit schmerzhaft eingeschränkt gewesen. Es hätten sich paravertebraler Verspannungen im BWS – Bereich mit schmerzhaften Myogelosen gefunden (Stellungnahme vom 27.11.2018) Dr. E. hat im Befundbericht vom 06.08.2019 allgemein von orthopädischen Beschwerden berichtet, die er im antragsbegründenden Schreiben vom 26.11.2018 als starken Nacken– Schulter und Rückenschmerzen beschrieben hat. Soweit er angegeben hat, die Klägerin befinde sich in regelmäßiger orthopädischer Behandlung und erhalte fortlaufend Krankengymnastik zur Erleichterung der Wirbelsäule, waren diese Angaben offensichtlich unrichtig. Die Klägerin hatte gegenüber dem MDK im Januar 2019 angegeben, im Jahr 2018 insgesamt dreimal krankengymnastische Anwendungen verordnet bekommen zu haben. Tatsächlich lassen sich – wie die Beklagte belegt hat – drei Heilmittelverordnungen bestätigen, indes jeweils eine in den Jahren 2018 (September), 2019 (Dezember) und 2020 (März).

aa) Nach § 27 Abs. 1 S 2 Nr. 5 SGB V umfasst die Krankenbehandlung auch die Krankenhausbehandlung. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 S. 2 SGB V). Es ist nicht zweifelhaft, dass die begehrte Mammareduktionsplastik nur im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung, nicht hingegen ambulant durchführbar wäre. Mit dem zum 01.01.2020 in Kraft getretenen Gesetz zur Errichtung des Implantatregisters Deutschland und zu weiteren Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (EIRD) vom 12.12.2019 hat der Gesetzgeber in § 39 Abs. 1 S. 1 HS 2 SGB V geregelt, dass Krankenhausbehandlung auch Untersuchungs– und Behandlungsmethoden umfasst, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs. 1 SGB V getroffen hat.

Nach § 137c Abs. 3 S. 1 SGB V in der seit dem 01.01.2020 gültigen Fassung dürfen Untersuchungs– und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung nach Abs. 1 getroffen hat im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sind.

bb) Bei der operativen Mammareduktionsplastik zur Behandlung von Erkrankungen der Wirbelsäule handelt es sich zweifelsfrei um eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch – wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen, konservativen Verfahren wie etwa Krankengymnastik oder Rehabilitationssport unterscheidet und dass ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten (hier der (Brust-)Wirbelsäule) rechtfertigen soll, also um eine Methode i. S. d. gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. zum Begriff der Methode u.a.: BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 6/16 R –, SozR 4-2500 § 33 Nr 51, Rn. 31). Eine Überprüfung im Sinne des § 137c Abs. 1 SGB V des G-BA hierzu ist nicht ersichtlich (vgl. https://www.g-ba.de/sys/suche/?suchbegriff=mammareduktionsplastik)

cc) Zwar bietet Sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative, sie ist aber im Falle der Klägerin nicht i. S. d. Krankenversicherungsrechtes notwendig.

(1) Ein Anspruch der Klägerin kann nicht bereits deshalb abgelehnt werden, weil - worauf die Beklagte unter Bezugnahme auf Rechtsprechung der Landessozialgerichte hinweist – ein Zusammenhang zwischen übergroßen Brüsten und Wirbelsäulenbeschwerden nicht (abschließend) wissenschaftlich belegt ist (so z. B. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. November 2017 – L 1 KR 644/15 –, Rn. 43, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. September 2013 – L 1 KR 625/11 –, juris m.w.N.; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. April 2012 – L 1 KR 224/11 B –, Rn. 16, juris).

(a) Zwar hat zuletzt etwa das Landessozialgericht Hamburg mit Urteil vom 14. Juni 2018 (L 1 KR 133/17 –, Rn. 28, juris; aktuell: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2020 – L 10 KR 48/16, nicht veröffentlicht) unter Bezugnahme auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten dargelegt, es gebe keine Studienlage von solcher Qualität, dass mit hohem Grad der Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhangs zwischen der Größe der Brust und Rückenbeschwerden feststehe. Danach gebe es zwar erstaunlich viele Studien, aus denen sich ein solcher Zusammenhang ableiten lasse. Allerdings handele es sich um Studien auf niedrigem Evidenzniveau. Gerade vor dem Hintergrund, dass es um eine mittelbare Krankenbehandlung durch Operation an einem an sich gesunden Organ gehe, sei eine solches Evidenzniveau nicht ausreichend. Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein – Westfalen ist mit Urteil vom 28. November 2017 (L 1 KR 644/15 -, Rn. 43, juris) zu der Einschätzung gelangt, es handele sich um Studien und Anwendungsbeobachtungen der Evidenzklasse III (von V), die "eine Evidenz aufgrund gut angelegter, nicht experimenteller, deskriptiver Studien, wie z.B. Vergleichsstudien, Korrelation und Fall – Kontrollstudien" beschreibe und bei weitem nicht vergleichbar mit Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien (Evidenzklasse Ib) oder allgemein mit randomisierten, kontrollierten Studien der Evidenzklasse Ia sei. Damit hat das LSG – im Einklang mit dem einfachen Recht stehende (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 42) Maßstäbe des G-BA bei der Nutzenbewertung einer Methode angesprochen. Danach ist der Nutzen einer Methode durch qualitativ angemessene Unterlagen zu belegen. Dies sollen, soweit möglich, Unterlagen der Evidenzstufe I mit patientenbezogenen Endpunkten (z. B. Mortalität, Morbidität, Lebensqualität) sein. Soweit qualitativ angemessene Unterlagen dieser Aussagekraft nicht vorliegen, erfolgt die Nutzen-Schaden-Abwägung einer Methode aufgrund qualitativ angemessener Unterlagen niedrigerer Evidenzstufen. Die Anerkennung des medizinischen Nutzens einer Methode auf Grundlage von Unterlagen einer niedrigeren Evidenzstufe bedarf jedoch - auch unter Berücksichtigung der jeweiligen medizinischen Notwendigkeit - zum Schutz der Patientinnen und Patienten umso mehr einer Begründung, je weiter von der Evidenzstufe I abgewichen wird. Dafür ist der potentielle Nutzen einer Methode, insbesondere gegen die Risiken der Anwendung bei Patientinnen oder Patienten abzuwägen, die mit einem Wirksamkeitsnachweis geringerer Aussagekraft einhergehen (vgl. Verfahrensordnung des G-BA, 2. Kap § 13 Abs. 2; zur Klassifizierung und Bewertung von Unterlagen vgl. VerfO 2. Kap § 11 Abs. 3, 5 bis 7, abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2231/VerfO 2020-04-02 iK-2020-08-08.pdf).

Ein höheres Evidenzniveau ist auch seit der Entscheidung des LSG NRW aus dem November 2017 bzw. des LSG HH aus dem Juni 2018 nicht erreicht worden. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C., der neben 2 prospektiven, nicht vergleichenden Studien (Evidenzklasse IV) aus den Jahren 1993 und 2000 auf einen Übersichtsartikel (Papanastasiou et. al., The Effects of Breast Reduction on Back Pain an Spine Measurements: A Systematic Review. Plast Reconstr. Surg Glob Open. (2019. 7:e2324) aus dem Jahr 2019 Bezug nimmt, in dem 11 Studien aus dem Zeitraum von 2005-2015 ausgewertet worden sind. Zusammenfassend sei hier beschrieben, dass Patientinnen nach einer Mammareduktionsplastik eine verbesserte Körperhaltung, eine Reduktion von Rückenschmerzen und auch in den meisten Studien eine Verbesserung der radiologisch bestimmten Wirbelsäulenwinkel aufwiesen. Darüber hinaus ist der Kammer bekannt, dass in einer biomechanischen Untersuchung im Rahmen einer Inauguraldissertation der Universität Marburg in Zusammenarbeit mit dem Institut für biomechanischen und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule Köln aus dem Jahr 2013 (Sycha, Biomechanische Belastungen vor und nach operativer Therapie der Mammahypertrophie – abrufbar: http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2013/0442/pdf/das.pdf) nachgewiesen worden ist, dass sich etwa bei einer gehenden Patientin das maximale Drehmoment präoperativ und postoperativ durchschnittlich um rund Dreiviertel verringert hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass kaum eine Wirksamkeit konservativer Maßnahmen wie Gewichtsabnahme, Physiotherapie oder das Tragen eines speziellen BH`s die Beschwerden der Patientinnen habe lindern könnten. Ein Nachweis, der über die Evidenzklasse III hinausgeht ist hiermit aber nicht verbunden (entsprechend zuletzt noch: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2020 – L 10 KR 48/16, nicht veröffentlicht unter Auswertung eines plastisch-chirurgischen Sachverständigengutachtens Fachärztin für Chirurgie, Plastische Chirurgie, Sozialmedizin Dr. Diederich-Voigtmann vom 20.03.2017, dass die Studienlage eingehend bewertet hat).

(b) Indes darf die Modifizierung der Rechtslage für einen Anspruch auf stationäre Behandlungen seit den dargelegten Entscheidungen der Landessozialgerichte nicht übersehen werden.

Zwar hatte der Gesetzgeber schon mit dem zum 23.07.2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) (BGBl I 2015, 1211) in der Anfügung eines Abs. 3 des § 137c SGB V die Intention verbunden, Versicherten die Teilhabe am medizinischen Fortschritt in der stationären Versorgung mit besonderem Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen vielversprechende Heilungs– und Behandlungschancen zeitnah zu verschaffen, auch wenn deren Nutzen noch nicht auf hohem Evidenzlevel belegt sei, sofern die noch nicht allgemein anerkannte Methode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative biete, sofern ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge (BT-Drs. 18/5123, S. 135) (zur Entwicklung: Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 137c SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 38ff.). Nach der auf das GKV-VSG folgenden Rechtsprechung des BSG ergab sich jedoch aus der Einfügung des § 137c Abs. 3 SGB V keine Absenkung der Qualitätsanforderungen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potenzial einer Behandlungsalternative. Die hiervon abweichende Intention des Gesetzgebers habe keinen Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden (u. a. BSG, Urteil vom 08. Oktober 2019 – B 1 KR 3/19 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 2 Nr 14, Rn. 13). Die Anforderungen des Qualitätsgebotes des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus §§ 2 Abs. 4, 12 Abs. 1 SGB V seien nur gewahrt, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürworte und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehe. Dies setze im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg müsse sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie müsse in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 25 m.w.N.).

In Anbetracht dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit dem EIRD zum Januar diesen Jahres in Absatz 3 die Formulierung zur Anwendung von Methoden mit dem Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative im Rahmen einer Krankenhausbehandlung dahingehend ergänzt, dass diese auch von den Versicherten beansprucht werden dürfen. Zudem wurde in § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V ein zweiter Halbsatz angefügt, wonach die Krankenhausbehandlung auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden umfasst, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs. 1 SGB V getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Nach den Ausführungen im Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des EIRD werde durch die Ergänzung auch leistungsrechtlich klargestellt, dass Versicherte im Rahmen einer Krankenhausbehandlung Anspruch auf die Versorgung mit Methoden haben, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten (BT-Drs 19/13589, S. 64f.).

(c) Das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative der Mammareduktionsplastik zur Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen ist auf Grund der dargelegten Studienlage grundsätzlich anzunehmen. Denn die Annahme ist bereits gerechtfertigt, wenn der Nutzen einer Methode mangels aussagekräftiger wissenschaftlicher Unterlagen weder eindeutig belegt noch deren Schädlichkeit oder Unwirksamkeit festgestellt werden kann, die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips und den bisher vorliegenden Erkenntnisse aber mit der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwändigere, für den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patienten nicht erfolgreich einsetzbare Methoden ersetzt werden können, die Methode weniger Nebenwirkungen hat, sie eine Optimierung der Behandlung bedeutet oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann. Auf Grundlage dessen hat der G-BA, vom BSG als rechtmäßig bestätigt, etwa hinsichtlich der Liposuktion bei Lipödem ein entsprechendes Potenzial aufgrund vorliegender Studien der Evidenzklasse IV erkannt (BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn. 43f.).

dd) Da nach § 137c Abs. 3 S. 1 SGB V indes (weiterhin) die Regeln der ärztlichen Kunst zu beachten sind, die Methode, hier die Mammareduktionsplastik zur Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig (entsprechend auch § 39 Abs. 1 SGB V) sein muss, ist mit der Einführung eines Anspruches auf potentiell erfolgreiche Behandlungsalternativen im stationären Bereich aber keine eine Aufgabe des Qualitäts– und Wirtschaftlichkeitsgebotes verbunden. Qualität und Wirksamkeit haben nach der umspannenden allgemeinen Voraussetzung für alle Leistungen des SGB V nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Dies bestätigt sich in der Bezugnahme auf § 28 Abs. 1 SGB V durch die Festlegung auf die Regeln der ärztlichen Kunst, nachdem die ärztliche Behandlung ausreichend und zweckmäßig zu sein hat (vgl. Roters, in: KassKomm, 109. EL Mai 2020, SGB V § 137c Rn. 19).

Die Gesetzesmaterialien bestätigen dies. Weiterhin soll durch die Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt (lediglich) die Teilhabe der Versicherten am medizinischen Fortschritt gewährleistet werden. Sie diene dazu, dass den typischerweise schwerer erkrankten Versicherten in der stationären Versorgung mit besonderem Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen vielversprechende Heilungs– und Behandlungchancen weiterhin zeitnah gewährt werden können. Voraussetzung sei die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst, also insbesondere dass die konkrete Behandlung nach fachgerechter Indikationsstellung medizinisch notwendig im Sinne des § 39 SGB V sei. Korrigiert werden sollte (lediglich) ein durch den Gesetzgeber erkannter Widerspruch in der Rechtsprechung des BSG (angeführt wird das Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 R), wonach jede einzelne Krankenkasse einem Versicherten die Kostenübernahme für eine Methode mit Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative verwehren könne, während der G – BA die gleiche Methode nicht unmittelbar nach § 137c Abs. 1 SGB V aus der Versorgung ausschließen dürfe. Im Übrigen bleibe es dabei, dass das Krankenhaus etwa im Rahmen einer Abrechnungsprüfung darlegen müsse, dass die angewandte Untersuchungs– oder Behandlungsmethode zulasten der Krankenkasse habe erbracht werden dürfen (BT-Drs 18/5123, S. 135).

Auch wenn zweifelhaft erscheint, ob der Gesetzgeber die zitierte Rechtsprechung damit vollständig zutreffend erfasst hat, wird jedenfalls klar erkennbar, dass die Intention nicht die Aufgabe und des überkommenen Verständnisses des Qualitäts– und Wirtschaftlichkeitsgebotes war, sondern allein einer erkannten Rechtsprechungsentwicklung entgegengewirkt werden sollte, Behandlungsmethoden (auch) im stationären Sektor allein auf Grundlage eines fehlenden Qualitäts- und Wirksamkeitsnachweises auf hohem Evidenzlevel grds. auszuschließen (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 R –, BSGE 113, 167-177, SozR 4-2500 § 137c Nr 6, Rn. 12 m.w.N.).

Insofern korrespondieren Wortlaut, Systematik und Teleologie der früheren Rechtsprechung des BSG, als schon hiernach – unter Beachtung der Erlaubnis unter Verbotsvorbehalt – die Geltung des Qualitätsgebotes aus § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V auch im stationären Bereich nicht außer Kraft gesetzt worden ist. So hatte das BSG etwa mit Urteil vom 28. Juli 2008 (B 1 KR 5/08 R –, BSGE 101, 177-192, SozR 4-2500 § 109 Nr 6, Rn. 53) darauf hingewiesen, dass Gegenteiliges bedeutete, die Einheit der Rechtsordnung zu gefährden. Eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehe, müsse von den Krankenkassen nicht bezahlt werden. Anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Leistungen sei allein nicht in einem generalisierten, zentralisierten formellen Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit formalisiert zu überprüfen, sondern die Prüfung der eingesetzten Methode im zugelassenen Krankenhaus erfolge präventiv durch das Krankenhaus selbst und retrospektiv lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post. Das BSG gab in der Entscheidung aus Juli 2008 - korrespondierend der späteren Gesetzesbegründung zu § 137c Abs. 3 SGB V – die Annahme auf, die Prüfung, ob die in einem Krankenhaus angewandte Untersuchungs– oder Behandlungsmethode die vom Gesetz geforderten Qualitätsstandards erfülle, obliege ausschließlich dem hierfür eingesetzten G-BA bzw. (in der Zeit von 2000 bis 2003) dem Ausschuss Krankenhaus und dürfe insoweit grundsätzlich stationär erbracht werden, bis sie ausgeschlossen worden sei (BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 – B 1 KR 5/08 R –, BSGE 101, 177-192, SozR 4-2500 § 109 Nr 6, Rn. 53; entgegen Roters, in: KassKomm, 109. EL Mai 2020, SGB V § 137c Rn. 16 wäre es insofern nicht an sich systematisch "richtig" gewesen mit dem EIRD § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V "klarstellend" zu modifizieren. Denn das BSG selbst hat in seiner früheren Rspr. eine innere Wechselbezüglichkeit zwischen dem allgemeinen Qualitätsgebot und den bereichsspezifisch geregelten Leistungs(erbringungs)voraussetzungen berücksichtigt und erst in der jüngeren Rspr. §§ 2 Abs. 1 S. 3, 12 SGB V einheitliche Maßstäbe implementiert, an denen sich die spezielleren Vorschriften des Leistungs- und Leistungserbringungsrechtes messen lassen mussten; in diesem Sinne: Murawski, in: LPK-SGB V, 5. Aufl. 2016 § 137c Rn. 6).

Selbst unter der insoweit aufgegebenen, weiter als die Zielsetzung des § 137c Abs. 3 SGB V gehenden, Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 – B 1 KR 1/02 R –, BSGE 90, 289-295, SozR 4-2500 § 137c Nr 1, Rn. 19) hatte es das BSG indes als selbstverständlich angesehen, dass auch Behandlungen im Krankenhaus den in § 2 Abs. 1 S. 3, § 12 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 SGB V für die gesamte Krankenversicherung festgelegten Qualitätskriterien genügen müsse (a.a.O., Rn. 13, 20).

Gerade dieser Rechtsprechung gemäß aber bedarf eine mittelbare operative Therapie – wie sie eine Mammareduktionsplastik zur Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden darstellt – einer speziellen Rechtfertigung. Sie ist allein dann ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich und somit notwendig im Sinne des (§ 137c Abs. 3 S. 1) SGB V, wenn sich der operative Eingriff unter Abwägung der Art und Schwere der Erkrankung, der Dringlichkeit der Intervention, der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Therapie sowie etwaiger Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander rechtfertigen lässt. Dabei kann von Bedeutung sein, ob es sich bei der Operation um die ultima ratio handelt, also alle zur Verfügung stehenden konservativen Behandlungsmöglichkeit ausgeschöpft worden sind. (BSG, a.a.O., Rn. 12,21; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 2/08 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr 20, Rn. 22, 23, hinsichtlich der chirurgischen Therapie der Adipositas; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 3/03 R –, BSGE 93, 252-258, SozR 4-2500 § 27 Nr 3, Rn. 17; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. November 2017 – L 1 KR 644/15 –, Rn. 34, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. September 2013 – L 1 KR 625/11 –, Rn. 21, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09. Februar 2017 – L 5 KR 555/15 –, Rn. 32, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. April 2012 – L 1 KR 224/11 B –, Rn. 16, juris; vgl. auch BeckOK SozR, 57. Ed. 1.6.2020, SGB V § 137c Rn. 30 i.V.m.13).

Dies wiederrum fügt sich – den Maßstab im Falle operativer Eingriffe an einem Körperteil/Organ zur Behandlung einer Krankheit an anderer Stelle des Körpers (ver)schärfend - in das Verständnis des Rechtsbegriffes der Regeln der ärztlichen Kunst in der Rechtsprechung des BSG vor dem Anlassurteilaus dem März 2013 zur Einführung des § 137c Abs. 3 SGB V. Denn aus der Pflicht, die Regeln der ärztlichen Kunst zu beachten, folgt die Notwendigkeit, nicht nur abstrakt, sondern auch konkret bezogen auf den Einzelfall Risiken und Nutzen zu ermitteln. Bei beiden Prüfungen ist es geboten, jeweils das erreichbare Behandlungsziel i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu berücksichtigen. Der bei beiden Analysen von Nutzen und Risiken zu beachtende Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der den Zurechnungszusammenhang zwischen Therapie, Erfolg und Risiken betrifft, unterliegt Abstufungen je nach Schwere und Stadium der Erkrankung und Ausmaß sowie Eintrittswahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebenwirkungen (BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 1 KR 24/06 R –, BSGE 97, 190-203, SozR 4-2500 § 27 Nr 12, Rn. 25, weitere Aspekte des Begriffes unter Rn. 26f.; vgl. auch Ihle in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 137c SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 49).

ee) Dem Beklagten bzw. dem MDK ist zuzustimmen, dass die Befürwortung des Eingriffes durch den Sachverständigen Prof. Dr. C. diesen Maßstab – teils im offenen Widerspruch zu mit der Beweisanordnung aufgezeigten Maßstäben – verkennt. Der Sachverständige hat letztlich sein medizinisches Verständnis als plastischer Chirurg, nicht die ihm vorgegebenen Maßstäbe zur Grundlage seiner Beantwortung der Beweisfragen gemacht. Dies wird überdeutlich in der Formulierung, letztlich stelle sich aus Sicht eines klinisch – praktisch tätigen Chirurgen die Makromastie mit ihren subjektiv und objektiv nachvollziehbaren Beschwerden, wie sie in diesem Fall vorlägen, als eigene Krankheitsentität dar. Er sehe regelmäßig mit hoher Häufigkeit Patientinnen mit beschriebenen Symptomen wie Rückenschmerzen, die sich postoperativ deutlich besserten. Unter diesem Gesichtspunkt sehe er eine Mammareduktionsplastik, im Gegensatz zu den postulierten "alternativen Therapieverfahren" (Physiotherapie, Rückenschule), als kausale Behandlungsmöglichkeit der Beschwerden. Dass er den Boden der mit der Beweisanordnung aufgezeigten Maßstäbe verlässt belegt der Sachverständige ferner mit der Äußerung, zu den Indikationen einer Mammareduktionsplastik gehörten u.a. auch ausgesprochene Schwierigkeiten beim Finden von Kleidung und in diesem Zusammenhang einer medizinischen Literaturfundstelle eine höhere Aufmerksamkeit zu Teil werden lässt, als den ihm aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe. Entsprechend hat er keine spezielle Rechtfertigung unter Auseinandersetzung unter Abwägung mit Art und Schwere der Erkrankung, der Dringlichkeit der Intervention, den Risiken und dem zu erwartenden Nutzen der Therapie sowie etwaigen Folgekosten für die Krankenversicherung aufzuzeigen vermocht. Auch eine objektive – von der Anamnese gelöste – eingehende Auseinandersetzung mit konservativen Behandlungsmethoden hat er versäumt. Zuletzt hat er im Hinblick auf den begrenzten Rahmen bisheriger physiotherapeutischer Beübung in seiner ergänzenden Stellungnahme eingeräumt, eine ultima ratio – Situation sei möglicherweise noch nicht erreicht, um sodann das ihm mit der Beweisanordnung aufgezeigte Kriterium als "fragwürdig" zurückzuweisen.

Eine spezielle Rechtfertigung des Eingriffes nach darlegten Maßstäben ist nicht zu erreichen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei den Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin nicht um eine schwerwiegende Erkrankung behandelt. Eine Schädigung des Achsorganes ist nach dem Befundbericht des behandelnden Arztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. C. nicht zu erkennen. Anders als zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den MDK fand sich bei der klinischen Untersuchung durch den Kinderarzt ein paravertebraler Muskelhartspann bei ansonsten unauffälliger Wirbelsäule und unauffälligen Befunden im Bereich des Nackens und der Schultern. Dies entspricht dem durch die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. X. (Stellungnahme vom 27.11.2018) und den Sachverständigen erhobenen Befund, der bei sonst unauffälligen Verhältnissen im Schulter– Nackenbereich, wie auch paravertebral muskuläre Verhärtungen und druckschmerzhafte Verspannungen getastet hat

Für die Kammer ist es der tatrichterlichen Erfahrung nach ohne weiteres nachvollziehbar, dass muskuläre Dysbalancen/Insuffizienzen konservativen Behandlungsmöglichkeiten zugänglich sind, wie sie der MDK aufgezeigt hat. Dies gilt insofern erst recht, als sowohl der MDK als auch der Sachverständige eine Fehlhaltung mit Schulterhochzug und deutlich vorwärtsgerichteter Beugung des Oberkörpers beobachtet haben. Der MDK empfiehlt nachvollziehbar die langfristige Durchführung eines Rückenschulungsprogrammes. In seiner ergänzenden Stellungnahme räumt der Sachverständige ein, dass eine Rückenschulung einen durchaus elementaren Teil der Behandlung darstelle. Die Einschätzung, dass diese nur adäquat und zielführend ausgeführt werden könne, wenn die Beweglichkeit der Klägerin und die entstehenden Schmerzen bei körperlicher Betätigung durch eine Mammareduktionsplastik verbessert würden, überzeugt die Kammer ebenso wenig wie den MDK, der darauf hinweist, dass eine objektive Entlastung des Stütz– und Halteapparates weniger durch die operative Reduktion des Organgewichtes der Brüste zu erreichen sei, als vielmehr durch die Korrektur der Körperfehlhaltung. Zudem sei selbst bei der Adipositas permagna eine sportliche Betätigung möglich. Der Hinweis, dass ein operativer Eingriff in ein an sich gesundes Organ nicht durch die Erleichterung einer sportlichen Betätigung gerechtfertigt werden könne (Gutachten vom 16.04.2020 mit weiteren Ausführungen) entspricht dabei zweifelsohne den hier dargelegten rechtlichen Maßstäben (vgl. auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. April 2006 – L 11 KR 24/05 –, Rn. 22f., juris).

Neben weiterer Physiotherapie kommt auch die Verordnung von Rehabilitationssport in Betracht. Dabei ist mit den auch insoweit nachvollziehbaren Ausführungen des MDK auf die Bedeutung einer präzisen und kontinuierlichen Durchführung geeigneter muskelkräftigerer Maßnahmen unter Anleitung hinzuweisen (vgl. auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. April 2006 – L 11 KR 24/05 –, Rn. 22f., juris, Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2020 – L 10 KR 48/16, nicht veröffentlicht). Eine klägerseitig als erfolglos angeführte sportliche regelmäßig durchgeführte sportliche Betätigung im Fitnessstudio in der Vergangenheit (vergleiche auch Stellungnahme der Frau Dr. X. vom 27.11.2018, Anamnese im Gutachten des MDK vom 31.01.2019) entspricht dem nicht.

Der Übersicht über in Anspruch genommene vertragsärztliche Leistungen zufolge hat die Klägerin bis dato über die Jahre 2018-2020 lediglich jeweils einmal sechs physiotherapeutische Behandlungen in Anspruch genommen. Die Angabe der Klägerin im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung, sie sei in kontinuierlicher physiotherapeutischer Behandlung und führe auch regelmäßig die erlernten Übungen selbstständig durch, lässt sich insofern nicht bestätigen. Eine ärztliche Leistung des Dr. C. aufgrund einer wirbelsäulenbezogenen Diagnose (Radikulopathie, Thorakalbereich) erfolgte lediglich zweimal im August und Oktober 2018. Eine fachorthopädische Behandlung ist nur einmalig, im Januar 2018, zu erkennen (vgl. demgegenüber die Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. November 2017 – L 1 KR 644/15 –, Rn. 35, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09. Februar 2017 – L 5 KR 555/15 –, Rn. 32, juris). Soweit dabei eine idiopathische Skoliose diagnostiziert worden ist, bleibt diese von den behandelnden Ärzten der Klägerin der Klägerin, die den operativen Eingriff befürworten, hinsichtlich einer möglichen Beziehung zu den Muskelverspannungen/Muskelschmerzen völlig außer Betracht (vgl. auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. November 2017 – L 1 KR 644/15 –, Rn. 38, juris). Die konservativen Behandlungsmethoden sind insofern bei weitem nicht ausgeschöpft (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 14. Juni 2018 – L 1 KR 133/17 –, Rn. 24, juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2011 – L 1 KR 197/08 –, Rn. 30, juris).

Zudem bestehen – im Gegensatz zu den bestehenden konservativen Behandlungsmethoden – erhebliche Risiken einer operativen Therapie, die der Sachverständige erst mit der ergänzenden Stellungnahme betrachtet und dargelegt hat, auch wenn der Sachverständige zu dem Schluss kommt, dass es sich insgesamt prinzipiell um ein sehr sicheres Operationsverfahren handele und bei der Klägerin keine risikoerhöhenden Faktoren vorlägen. Insbesondere birgt ein operativer Eingriff die Gefahr, dass ein bis dato gesundes Körperteil beschädigt wird. Es besteht das seltene Risiko einer Infektion im Operationsgebiet mit Eiteransammlungen und dem Absterben von involviertem Gewebe. Je nach Befund könnten hier auch Folgeeingriffe zur Sanierung eines Infektes erforderlich werden. Generell kann es - wie der Sachverständige ausführt – nach einem operativen Eingriff zur Entstehung von auffälligen Narben, Narbenwucherungen oder Keloiden kommen (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 14. Juni 2018 – L 1 KR 133/17 –, Rn. 24, juris). Der Kammer sind entsprechende Komplikationen aus Streitigkeiten über die Versorgung mit Folgeoperationen bekannt.

Dem steht gegenüber, dass – wie dargelegt - der Zusammenhang einer Makromastie und Wirbelsäulenbeschwerden lediglich im Sinne der Evidenzklasse III validiert werden kann und medizinische Forschungsergebnisse in Bezug auf eine Überlegenheit zu konservativen Therapiemethoden nicht angeführt werden.

II. Auch ein Anspruch aufgrund des Eintrittes einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ist nicht gegeben. Unabhängig davon, dass das BSG in seiner jüngsten Rechtsprechung einen Sachleistungsanspruch aufgrund des Eintrittes einer Genehmigungsfiktion generell verneint (Urteile vom 26.05.2020 – B 1 KR 8/18, B 1 KR 21/19, Terminbericht unter www.bsg.bund.de) liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor. Die Krankenkasse hat nach § 13 Abs. 3a S. 1 über ein Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von 5 Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und den Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (S. 2). Kann die Krankenkasse Fristen nicht einhalten, teilt sie dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (S. 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (S. 6).

Eine den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V verhindernde Mitteilung nach S. 5 der Norm setzt nicht nur die rechtzeitige Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes an den Versicherten voraus. Es bedarf insoweit vielmehr einer Prognose der Dauer des Bestehens eines solchen Grundes, die taggenau anzugeben ist, damit die Leistung trotz Ablaufes der Frist aus § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht als genehmigt gilt. Stellt sich erst nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die Krankenkasse zur Vermeidung der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggfs. wiederholt - mitteilen (BSG, Urteil vom 08. März 2016 - B 1 KR 25/15 R -, BSGE 121, 40-49, SozR 4-2500 § 13 Nr 33, Rn. 20; BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 - B 1 KR 26/16 R -, BSGE (vorgesehen), SozR 4 (vorgesehen), Rn. 31 f. m.w.Nachw.; SG Aachen, Urteil vom 28. November 2017 – S 14 KR 311/17 –, Rn. 26 ff., juris).

Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin unverzüglich nach Antragstellung am 10.12.2018, am 12.12.2018, die Einholung eines Gutachtens des MDK angezeigt. Zwar hat sie erst nach Ablauf von fünf Wochen seit Antragseingang, am 07.02.2019, über den Antrag entschieden. Sie hat aber jeweils vor Ablauf der Frist unter taggenauer Prognose die Gründe dafür mitgeteilt, weshalb sie nicht fristgerecht entscheiden konnte. Nach Anzeige der Einholung eines MDK – Gutachtens richtete die Beklagte an die Klägerin konkrete Fragen des MDK mit der Bitte um Beantwortung und prognostizierte unter dem 28.12.2018 eine Entscheidung bis zum 01.02.2019. Die Beklagte erinnerte die Klägerin mit Schreiben vom 15.01.2019 unter Korrektur der Prognose auf den 19.02.2019 bevor sie unter dem 21.01.2019 mitteilte, der MDK halte eine persönliche Untersuchung für angezeigt, die Klägerin möge sich am 29.01.2019 dort vorstellen.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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