S 12 RA 382/02

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 12 RA 382/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3. Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) wird zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe der von der Beklagten an den Kläger zu leistenden Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beim Zusammentreffen dieser Rente mit einer Rente der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der 1941 geborene Kläger erhält Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die ihm erstmals mit Rentenbescheid vom 2. Februar 1995 bewilligt worden ist. Außerdem erhält er Rente der gesetzlichen Unfallversicherung, die von der Großhandels- und Lagerei-BG zur Auszahlung gebracht wird und auf einem Arbeitsunfall in der ehemaligen DDR beruht, der einen Körperschaden von 25 % zur Folge hatte.

Schon im Rentenbescheid vom 2. Februar 1995 wurde von der Beklagten wegen des Zusammentreffens von Rente der gesetzlichen Unfallversicherung mit Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ermittelt, in welchem Maße die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zur Auszahlung zu bringen war. Sie ermittelt dabei den Grenzbetrag bis zu dem die zusammentreffenden Leistungen gewährt werden, indem sie die Grundrente bei einer MdE von 30 v. H. nach § 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG) unter Berücksichtigung der Abschläge für das sog. Beitrittsgebiet nach § 84a BVG ermittelte. Die Erwerbsunfähigkeitsrente wurde mit Bescheid vom 17. Mai 1995 neu berechnet; dabei wurde ebenfalls der Grenzbetrag unter Verwendung der dem MdE-Grad der Unfallversicherung entsprechenden MdE der Rente nach dem BVG (30 %) unter Berücksichtigung der Regelung des § 84a BVG errechnet.

Die gleiche Rechenweise nahm die Beklagte im Rentenbescheid vom 9. Februar 1996 vor.

Der Kläger hatte sich gegen diese Bescheide nicht gewandt.

Mit Antrag vom 7. August 2001 bat er jedoch um die Überprüfung der Rentenhöhe nach § 44 SGB X wegen der Höhe des Freibetrages, gemeint war dabei offensichtlich der Grenzbetrag nach § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI.

Der Kläger berief sich dabei auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 14. März 2000 (Az.: 1 BvR 284/96 und 1 BvR 1659/96). Nach diesen Entscheidungen sei davon auszugehen, dass es ab dem 1. Januar 1999 (im vereinten Deutschland) nur noch eine einheitliche Grundrente des Bundesversorgungsgesetzes gebe. Dies ergebe sich auch aus der 9. Verordnung zur Anpassung des Bemessungsbetrages von Geldleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz vom 21. Juni 2000 (Bundesgesetzblatt I, Nr. 28). Dort sei eine Unterscheidung von Grundrenten "West" und "Ost" im Gegensatz zu früheren Verordnungen nicht mehr erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht habe die Regelung des § 84a BVG, der die Absenkung der Grundrente für das Beitrittsgebiet gesehen habe, ab dem 1. Januar 1999 für verfassungswidrig erklärt.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2001 lehnte die Beklagte die Änderung des Rentenbescheides ab. Zur Begründung führte sie (lapidar) aus, die Berechnung entspreche den gesetzlichen Vorschriften.

Der Kläger wandte sich dagegen mit Widerspruch vom 5. November 2001, den er ausführlich mit Schriftsatz vom 28. November 2001 begründete.

Der Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es, die Berücksichtigung von höheren Grundrentenbeträgen nach dem "BVG West" sei (auch) für die Zeit ab 1. Januar 1999 bei der Anwendung von § 93 SGB VI ausgeschlossen. Auch über den 31. Dezember 1998 sei von der niedrigeren Grundrente nach BVG "Ost" auszugehen, weil sich der Kläger am 18. Mai 1990 im Betrittsgebiet aufgehalten habe.

Der Kläger wendet sich dagegen mit der Klage vom 26. Februar 2002, die am Folgetag bei Gericht eingegangen ist.

Das Verfahren wurde im Hinblick auf das Revisionsverfahren B 4 RA 32/02 R im Einvernehmen der Verfahrensbeteiligten mit Beschluss vom 22. Januar 2003 zum Ruhen gebracht, auf Antrag des Kläger-Bevollmächtigten vom 7. Mai 2003 wieder aufgerufen und fortgeführt.

Die Klägerseite sieht sich durch Entscheidungen des Bundessozialgerichtes, nämlich des 4. Senates (Az.: B 4 RA 32/02 R vom 10.04.2003) und des 13. Senates (Az.: B 13 RJ 5/03 R vom 20.11.2003) in seiner Auffassung bestätigt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 2. Oktober 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei der Anrechnung der Unfallrente ab dem 01.01.1999 den Freibetrag wegen dem Zusammentreffen der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung mit Rente der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI unter Verwendung des Freibetrages, ausgehend von der ungekürzten Grundrente nach § 31 Bundesversorgungsgesetz bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v. H. zu bilden und die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung dementsprechend zur Auszahlung zu bringen,

hilfsweise,

die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden.

Die Beklagte hat es abgelehnt, die Rechtsprechung des 4. und 13. Senates auf das vorliegende Verfahren anzuwenden.

Nunmehr beruft sie sich auf die Änderungen des § 93 SGB VI durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004). Die Beklagte sieht sich in der Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a in ihrer die Entscheidung des Bundessozialgerichtes ablehnenden Auffassung bestätigt.

Die Klägerseite ist weiterhin der Auffassung, der Kläger habe einen Anspruch auf die Ermittlung des Grenzbetrages unter Zugrundelegung der ungekürzten Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz bei einer MdE von 30 v. H. und daß die Gründe, die zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit von § 84a Bundesversorgungsgesetz geführt hatten (Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 14. März 2000, Az.: 1 BvR 284/96, 1 BvR 1659/96), die Differenzierung der Grundrentenbeträge, jedenfalls nach dem 31. Dezember 1998 nicht mehr erlaubten.

Nach Artikel 1 Nr. 19 des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes wurde § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI in seinem Wortlaut geändert: statt auf den "Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz geleistet würde", bezieht sich die Regelung nunmehr auf den "Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach § 31 i. V. m. § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes geleistet würde".

Nach Artikel 15 Abs. 2 des Gesetzes gilt diese Regelung rückwirkend ab 1. Januar 1992.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift vom 26. November 2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht vor dem örtlich zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Mit der Klage wendet sich der Kläger allein gegen die Höhe des Teiles der Rente der gesetzlichen Unfallversicherung, der von der Zusammenrechnung mit der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ausgenommen worden ist, insofern als die Beklagte hier lediglich die Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz unter Berücksichtigung der Abschlagsregelung des § 84a BVG zu Grunde gelegt hat.

Sonstige Einwände gegen die Höhe der von der Beklagten ausgezahlten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat der Kläger weder im Verwaltungsverfahren geäußert, noch im Klageverfahren auch nur andeutungsweise geltend gemacht, so dass das Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Rentenbescheide des Klägers auch hinsichtlich anderer Berechnungsfaktoren, die für die Höhe der von der Beklagten auszuzahlenden Erwerbsunfähigkeitsrente maßgeblich sind, zu überprüfen.

Der Bescheid vom 2. Oktober 2001, mit dem die Beklagte die vom Kläger begehrte Änderung des Rechenganges beim Zusammentreffen von Rente der gesetzlichen Unfallversicherung mit Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Anlage 7 der Bescheide) abgelehnt hat, ist nach Ansicht der Kammer rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Rechengang der Beklagten entspricht dem geltenden Recht, jedenfalls nach dem Erlass des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes.

Die Beklagte hat nach Ansicht der Kammer die Unfallrente des Klägers in zutreffender Anwendung von § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI in der Fassung des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21. Juli 2004 angerechnet; insbesondere hat sie hierbei den dem Kläger zustehenden Freibetrag durch Abzug des Teiles der Unfallrente, der der entsprechenden Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz im Beitrittsgebiet entspricht, rechnerisch offensichtlich fehlerfrei ermittelt.

Nach § 93 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI wird beim Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung und einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung die Rente der Rentenversicherung ganz oder teilweise nicht geleistet, als die Summe der zusammen treffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Bei der Ermittlung der zusammen treffenden Rentenbeträge bleiben bei einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung (Abs. 2 Nr. a) der Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente "nach dem Bundesversorgungsgesetz" (alte Fassung) bzw. "nach § 31 i. V. m. § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes" (neue Fassung) geleistet würde, in Höhe von 2/3 der "Mindestgrundrente" unberücksichtigt.

Als Freibetrag ist nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI in der Fassung des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes, das am 21. Juli 2004, also nach Klageerhebung zustande gekommen ist, das aber nach Artikel 15 Abs. 2 dieses Gesetzes rückwirkend bereits ab 1. Januar 1992 gilt, der Betrag von der Anrechnung auszunehmen, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente West (§ 31 Bundesversorgungsgesetz) bzw. Grundrente Ost (§ 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes) geleistet würde und zwar in Höhe von 2/3 dieser Grundrentenbeträge.

Die Beklagte war schon vor dem Erlass des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21. Juli 2004 der Auffassung, dass die Bezugnahme auf die "Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz" im sog. Beitrittsgebiet die nach § 84a Bundesversorgungsgesetz abgesenkte Grundrente des Beitrittsgebietes meinen würde. Sie ging von dem abgesenkten Rentenbetrag auch ungeachtet der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 14. Mai 2000 über die Verfassungswidrigkeit von § 84a BVG ab dem 1. Januar 1999 aus; sie war der Ansicht, diese Entscheidung habe im Zusammenhang mit der Anrechnung von Unfallrente auf Rente der gesetzlichen Rentenversicherung keine Auswirkungen. Die Beklagte hat ihre Auffassung auch in Ansehung der die o. g. Entscheidungen des 4. und 13. Senates des Bundessozialgerichtes revidiert, sondern sah hierin Einzelfallentscheidungen, deren Tenor sie auf den vorliegenden Fall nicht anwenden wollte.

Mit der Änderung von § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 ist der Gesetzgeber ebenfalls der Rechtsprechung des 4. und 13. Senates des Bundessozialgerichtes zu dieser Frage entgegen getreten. Der Gesetzgeber sieht in der Änderung des § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a Bundesversorgungsgesetz lediglich die Klarstellung einer gesetzlichen Norm und damit offensichtlich offenbar keine (rückwirkende) Gesetzesänderung.

Die Kammer ist insoweit der Auffassung, dass die ursprüngliche Fassung von § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI, die auf die "Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz" Bezug genommen hatte, insoweit in der Tat sprachlich nicht völlig eindeutig erkennen ließ, ob insoweit für das Beitrittsgebiet eine andere Rechengröße als für das übrige Bundesgebiet gewollt war. Diese Unklarheit hängt auch damit zusammen, worauf das Bundessozialgericht in den o. g. Entscheidungen zutreffend hinweist, dass die Norm gesetzgeberisch zu einem Zeitpunkt abgefasst worden war, als von der Vereinigung der beiden deutschen Staaten noch nicht ausgegangen wurde, so dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der ursprünglichen Textfassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI (a. F.) kaum an seine Wirkung im sog. Beitrittsgebiet und damit die Frage differenter Rentenhöhen im Geltungsbereich des BVG gedacht haben konnte.

Das Bundesversorgungsgesetz wurde nach Maßgabe des Einigungsvertrages in seinem Geltungsbereich auf das Beitrittsgebiet erstreckt (Anlage 1, Kapitel VIII, Sachgebiet K, Abschnitt III), dass die in § 31 Abs. 1 und 5 in der jeweils geltenden Fassung genannten Deutsche Mark-Beträge mit dem jeweiligen Vomhundertsatzes zu multiplizieren (sind), der sich aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente (§ 68 Abs. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet (= Beitrittsgebiet) zur verfügbaren Standardrente in dem Gebiet, in dem das Bundesversorgungsgesetz schon vor dem Beitritt gegolten hat, ergibt. Weiter heißt es in der Maßgabe, die sich ergebenden Beträge sind auf volle Deutsche Mark-Beträge abzurunden und zwar bis 0,49 DM nach unten und von 0,50 DM an nach oben. Weiter heißt es, dass der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den maßgebenden Vomhundertsatz und den Veränderungstermin jeweils im Bundesanzeiger bekannt gibt. Die Relation zwischen der verfügbaren Standardrente im Beitrittsgebiet zur Standardrente des Altbundesgebietes hat ab 1. Juli 1998 85,54 %, ab 1. Juli 1999 86,71 %, ab 1. Juli 2000 86,76 %, 1. Juli 2001 87,06 %, ab 1. Juli 2002 87,78 % betragen und liegt gegenwärtig bei 87,91 %.

Diese Abschläge von der Mindestgrundrente West sind nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 14. März 2000, Az. 1 BvR 284/96, 1 BvR 1659/96 insoweit mit dem Gleichheitsgebot des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz für unvereinbar erklärt worden, dass die den Kriegsopfern nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG gewährte Beschädigtengrundrente in den alten und neuen Bundesländern über den 31. März 1998 hinaus bei gleicher Beschädigung ungleich hoch ist. Nur insoweit wurde § 84a Bundesversorgungsgesetz durch das o. g. Urteil seit dem 1. Januar 1999 für nichtig erklärt.

Der Gesetzgeber hat dem Spruch des Bundesverfassungsgerichtes durch die Neufassung von § 84a Bundesversorgungsgesetz Rechnung getragen, indem er einen Abschlag auf die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz für Kriegsopfer des 2. Weltkriegs und anschließend auch für Berechtigte nach dem Häftlingshilfegesetz und dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und dem verwaltungsrechtlichen Habilitierungsgesetz ausdrücklich nicht mehr vorsieht. Im Übrigen ist die Bestimmung weiterhin in Kraft geblieben.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die unterschiedliche Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz hinsichtlich der Kriegsopfer befunden, weil der nach dem Einigungsvertrag und der gesetzlichen Regelung als vorübergehend konzipierte Abschlag nach der Relation der Standardrente in Ost und West sich im Hinblick auf das Alter der Kriegsteilnehmer für diese als endgültige Regelung erweisen werde. Seit 1998 sei erkennbar, dass die § 84a BVG unterfallenden Leistungen der Kriegsopferversorgung Ost das Leistungsniveau West in absehbarer Zeit, also zu Lebzeiten der Kriegsteilnehmer nicht mehr erreichen werde. Für die Kriegsteilnehmer in den neuen Ländern müsse deshalb auf Grund ihres Lebensalters damit gerechnet werden, dass sie gleich hohe Renten, wie entsprechend Rentenberechtigte "im Westen" nicht mehr erleben würden. Damit werde die durch § 84a BVG nur auf Zeit angestrebte Ungleichbehandlung zu einer Ungleichbehandlung auf Dauer. Dies sei auf Grund der Besonderheiten der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG vor Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht zu rechtfertigen.

Mit dieser Argumentation hat das Bundesverfassungsgericht nach Ansicht der Kammer deutlich zu erkennen gegeben, dass ausschlaggebend für seine Feststellung der Ungleichbehandlung die besondere biographische Lage der Kriegsopfer war. Bei ihnen handelt es sich weit überwiegend um Kriegsteilnehmer, also Menschen, die bei Kriegsende 1945 auch unter Berücksichtigung der Heranziehung von Heranwachsenden zum sog. Volkssturm durchweg mindestens 14 bis 15 Jahre alt waren, so dass sie in jedem Falle bereits zum Zeitpunkt des Verdiktes des Bundesverfassungsgerichtes das reguläre Alter für den Zugang zur Altersrente bereits deutlich überschritten hatten und bei der statistischen Lebenserwartung von Männern nach der aktuellen Entwicklung des nahezu zum Stehen gekommenen Angleichungsprozesses der Mindestgrundrenten in Ost und West mit dem Erleben der Angleichung der Grundrente nicht mehr rechnen konnten.

Diese Fallkonstellation ist nach Ansicht der Kammer mit der Anrechnung von Unfallrente der gesetzlichen Unfallversicherung auf Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vergleichbar. Zwar ist durchaus nicht auszuschließen, dass Bezieher beider Leistungen im gleichen Alter oder älter sind als Teilnehmer und Opfer des 2. Weltkrieges, aber diese Rentenarten beziehen sich auf Versicherte in allen Altersgruppen, so dass nicht von vornherein wie bei der Kriegsopferversorgung von Kriegsteilnehmern hiervon weit überwiegend Personen betroffen sind, die das 70. Lebensjahr fast erreicht oder bereits überschritten haben.

Auf Grund der bei Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung breiter gefächerten Altersstruktur ist trotz der gegenwärtig stagnierenden Anpassung der Standardrenten zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht feststellbar, dass die Gruppe der Unfallrentner in den sog. neuen Bundesländern das Leistungsniveau der alten Bundesländer nicht mehr erleben wird.

Auf Grund dessen begegnet es derzeit nach Ansicht der Kammer nicht von vornherein verfassungsrechtlichen Bedenken, bei dem Zusammentreffen der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Rente der gesetzlichen Unfallversicherung sich beim Freibetrag der nicht zu berücksichtigenden Unfallrente an dem entsprechend dem Verhältnis der Grundrenten nach dem SGB VI geringeren Betrag nach § 84a BVG n. F. zu orientieren.

Soweit das Bundessozialgericht mit den Urteilen des 4. und 13. Senates zu der Auffassung gekommen war, § 93 SGB VI beziehe sich in der Textfassung, die diesen Entscheidungen zu Grunde lag, also vor dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz auf die Mindestgrundrente nach § 31 Bundesversorgungsgesetz, handelte es sich insoweit um die richterliche Auslegung einer Gesetzesnorm, deren Wortlaut mit den Argumenten des 4. und 13. Senates die Auslegung in diesem Sinne sehr wohl zuließ.

Soweit sich jedoch die Beklagte und vorausgehend einige Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, insbesondere SG Nordhausen (Az.: S 4 RA 649/01, Urteil vom 7. März 2002, vorhergehend dem Urteil B 4 RA 32/02 R) bzw. SG Leipzig (Az.: S 12 RJ 346/01 vom 12. Dezember 2001, Sächsisches Landessozialgericht Az.: L 5 RJ 23/02 vom 22. Oktober 2002) zu einer hiervon abweichenden Auslegung des § 93 SGB VI veranlasst sahen, zeigt dies deutlich, dass die Gesetzesbestimmung durchaus Gelegenheit zu unterschiedlicher Auslegung gegeben hat und dass die von der Beklagten praktizierte, klägerseitig auch in diesem Verfahren beanstandete Auslegung, nicht offensichtlich abwegig ist.

Soweit der Gesetzgeber sich in dieser Fallgestaltung, dass eine gesetzliche Norm von Gerichten verschiedener Instanzen unterschiedlich ausgelegt wird und darüber hinaus letztinstanzliche sozialgerichtliche Entscheidungen verschiedener Senate des Bundessozialgerichtes den Rechtsfrieden nur in den entschiedenen Einzelfällen herbeiführen, kann dem Gesetzgeber nach Ansicht der Kammer nicht die Legitimation zur gesetzgeberischen Klarstellung einer Rechtsform versagt sein, mit der er gewissermaßen als der Normgeber zum Ausdruck bringt, wie er "seine" Regelung verstanden wissen will. Das hat der Gesetzgeber hier nach Ansicht der Kammer mit der Änderung des § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI unternommen, indem er klargestellt hat, dass er bei der Bezugnahme auf die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz im Beitrittsgebiet den Betrag meint, der sich aus der Relation der verfügbaren Standardrente Ost zur verfügbaren Standardrente West ergibt.

Soweit die Klägerseite einwendet, dass eine "Mindestgrundrente Ost" seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 14. März 2000 über den 31. Dezember 1998 hinaus nicht mehr existiere und dies durch die Mitteilung der Mindestgrundrenten zum Ausdruck komme, greift diese Argumentation zu kurz. Auf die Mitteilung der Zahlenwerte der Mindestgrundrenten kommt es nämlich nicht an. Grundlage für die hier rechnerisch zu Grunde zu legende geringere Grundrente ist die Maßgabe des Einigungsvertrages, die in § 84a BVG übernommen worden ist. Der Prozentwert, der sich hieraus über den 31. Dezember 1998 hinaus ergibt, lässt sich aus den Standardrentenbeträgen West und Ost ohne weiteres rechnerisch bilden.

Die Auslegung von § 93 Abs. 2 SGB VI a. F. durch den 4. und 13. Senat ging jeweils davon aus, dass die gesetzliche Ausgangslage nicht völlig eindeutig war; dies hat bereits die unterschiedliche Auslegung der Norm durch die Verfahrensbeteiligten und durch die Instanzgerichte gezeigt. Im Wege der Auslegung einer Norm wurde der Versuch unternommen, ihr den Inhalt zu geben, der vom Gesetzgeber beabsichtigt war bzw. zur Verfassungskonformität der Regelung unterstellt werden müsste (sog. verfassungskonforme Auslegung).

Der 13. Senat hat in seinen Entscheidungsgründen mehrere Argumente zusammen getragen, die für die Auslegung des § 93 SGB VI a. F. in der Weise sprächen, dass unabhängig vom Wohnort des Klägers in jedem Anwendungsfall von einer einheitlichen Grundrente nach § 31 BVG auszugehen sei.

Der 4. Senat war bzw. ist darüber hinausgehend der Auffassung, dass allein diese Auslegung der Norm zu einem verfassungsmäßigen Regelungsinhalt führe.

Im Hinblick darauf, dass das Bundesverfassungsgericht seinerseits in dem Urteil vom 14. März 2000 die abgesenkte Grundrente ausdrücklich (nur) für Kriegsopfer des Beitrittsgebietes im Hinblick auf deren Lebensalter über den 31. Dezember 1998 hinaus für verfassungswidrig befunden hat, lässt sich die Übertragung dieser Entscheidung über den dort genannten Personenkreis hinaus nicht mit den Entscheidungsgründen dieser Entscheidung begründen.

Auf Grund dessen erscheint es für die Kammer derzeit nicht zwingend bzw. allein verfassungskonform, dass allein die Auslegung des § 93 SGB VI in der Weise, dass hiermit in der alten Fassung ausschließlich die Mindestgrundrente nach § 31 BVG, also nicht abgesenkte Mindestgrundrente gemeint sein konnte und jede andere Regelung verfassungswidrig wäre. Der 13. Senat ist dieser Linie, die den Spielraum der Normauslegung gewissermaßen auf Null reduziert, in seinem Urteil nicht gefolgt, wenn er sich auch dem 4. Senat im Ergebnis angeschlossen hat.

Soweit der Gesetzgeber nunmehr mit dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz die Klarstellung des § 93 Abs. 2 SGB VI vorgenommen und den Inhalt der Regelung klargestellt hat, begegnet das Ergebnis dieser Klarstellung, welches zur Absenkung des Betrages der anrechnungsfreien Unfallrente beim Zusammentreffen bei Rente mit der gesetzlichen Rentenversicherung führt, aus den o. g. Gründen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Wenngleich es sicherlich sozialpolitisch nicht erwünscht sein kann, Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern auf Dauer festzuschreiben und damit die Angleichung der Arbeits- und Lebensbedingungen hinauszuschieben oder gänzlich zu verhindern, zumal Regelungen, wie im Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz faktisch den Angleichungsprozess, den das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 14. März 2000 punktuell wieder angestoßen hatte, über diese Konstellation hinaus seitens der Legislative wieder zum Stillstand gebracht worden ist.

Das Gericht sieht sich jedoch an den im Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers gebunden.

§ 93 SGB VI wurde von der Beklagten schon vor dem Erlass des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes so angewendet, wie es die o. g. textliche Veränderung der Norm durch dieses Gesetz ergeben hat, so dass die Rechtsanwendung der Beklagten der geltenden, vom Gesetzgeber klargestellten Rechtslage entspricht.

Die rechnerische Anwendung von § 93 SGB VI wurde von der Klägerseite im Klageverfahren und im Verwaltungsverfahren zu keinem Zeitpunkt beanstandet. Die Beklagte hatte den rechnerischen Rechengang zwar nicht bei jeder Anpassung der Rentenwerte bescheidmäßig festgestellt, jedoch mit dem Bescheid vom 2. Februar 1995, 17. Mai 1995, 9. Februar 1996 und dort jeweils in Anlage 7 den Rechengang im einzelnen erläutert, so dass der Kläger die nach seiner Ansicht zu geringe Höhe der Rente, die er mit dem Antrag vom 7. August 2001 im Überprüfungsantrag geltend machte, allein auf den zu geringen Freibetrag, ausgehend von einem zu geringen Betrag der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz ab dem 1. Januar 1999 verantwortlich gemacht hat.

Die Kammer hat auf Grund dessen keine Veranlassung dazu gesehen, die Rentenhöhe des Klägers ab 1. Januar 1999 in rechnerischer Höhe zu überprüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Das Gericht hat die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) zugelassen wegen grundsätzlicher Bedeutung des Verfahrens. Die vorliegende Fallgestaltung ist kein Einzelfall. Am hiesigen Gericht ist bereits eine größere Anzahl vergleichbarer Fälle anhängig. Zudem besteht das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung, gerade auch im Hinblick auf die Auswirkungen des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Die Kammer sieht allerdings keinen Grund, die Revision zuzulassen, darin, dass sie von den Entscheidungen des Bundessozialgerichtes, nämlich dem Urteil des 4. Senates vom 10. April 2003 (Az.: B 4 RA 32/02 R) und des 13. Senates vom 20. November 2003 (B 13 RJ 5/03 R) abgewichen sei (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG), denn die Kammer sieht beide Entscheidungen auf Grund der gesetzgeberischen Neufassung des § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz als von der Gesetzgebung überholt und damit als nicht mehr entgegenstehend an.
Rechtskraft
Aus
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