S 2 KR 18/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 2 KR 18/17
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Kostenfreistellung für einen durchgeführten Endo Predict Test (Genexpressionstest) in Höhe von 1.832,39 EUR streitig.

Bei der am 06.01.1958 geborenen Klägerin wurde ein Mammakarzinom festgestellt. Zur wei-teren Abklärung der notwendigen Behandlungsschritte wurde ihr der sogenannte Endo Predict Test (Genexpressionstest) empfohlen. Am 14.11.2016 unterzeichnete die Klägerin eine Bevollmächtigung und Abtretungserklärung mit der sie Prof. Dr. K. und/oder Dr. O. von der Molekularpathologie in T. bevollmächtigte, einen Antrag auf Kostenübernahme für die Durchführung des Endo Predict Test bei ihrer gesetzlichen Krankenversicherung zu stellen. Darüber hinaus trat die Klägerin im Falle der Ablehnung der Kostenübernahme ihre Ansprüche auf Erstattung der Kosten für die Durchführung des Endo Predict Test in Höhe von 1.811,00 EUR (Verkaufspreis) voll umfänglich an die bevollmächtigten Pathologen ab. Sie ermächtigte die bevollmächtigten Pathologen, diese Kosten direkt bei der Krankenversicherung unter Vorlage einer Kopie dieser Abtretungserklärung und unter Beifügung der entsprechenden ärztlichen Verordnungen geltend zu machen.

Ebenfalls am 14.11.2016 stellte die behandelnde Frauenärztin der Klägerin Frau Dr. G. einen Begutachtungsauftrag für den Endo PredictTest aus und veranlasste die Übersendung der von der Klägerin entnommenen Gewebeprobe an die Molekularpathologie in T. Dieser Begutachtungsauftrag sowie die Gewebeproben gingen am 15.11.2016 in der Molekularpathologie in T. ein, woraufhin in den folgenden Tagen der Endo Predict Test durchgeführt wurde. Am 18.11.2016 lag das Begutachtungsergebnis des Testes vor und wurde per Fax an die behandelnde Gynäkologin der Klägerin übersandt.

Weiterer Aufträge bzw. Verträge hinsichtlich der Durchführung des Endo Predict Test unter-zeichnete die Klägerin nicht. Ebenso erfolgte noch keine Rechnungslegung durch die Molekularpathologie T. und demzufolge auch keine Zahlung der Klägerin.

Am 15.11.2016 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Kostenübernahme durch die Molekularpathologie in T. für einen Endo Predict Test bei der Klägerin ein. Es wurde eine Begründung des Antrags auf Kostenübernahme vorgelegt, die Bevollmächtigung und Abtretungserklärung der Klägerin vom 14.11.2016 sowie der Begutachtungsauftrag durch die behandelnde Gynäkologin Frau Dr. G. vom 14.11.2016.

Mit Bescheid vom 15.11.2016 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Genexpressionsanalyse (Endo Predict Test) ab, da es sich hierbei um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sei. Da der Endo Predict Test vom gemeinsamen Bundesausschuss nicht als Behandlungsmethode benannt werde, dürfe dieser daher in der vertragsärztlichen Versorgung nicht angewendet werden. Eine Kostenübernahme sei somit leider nicht möglich.

Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch, erhoben durch die Pathologen der Molekularpathologie T., wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass seit August 2016 der Endo Predict Test in das Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden sei durch die Neufassung der Richtlinien zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung ( ASV ). Somit liege die von der Beklagten geforderte positive Bewertung des Gemeinsamen Bundes-ausschusses vor. Wenn in der Praxis noch keine Teams zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung existieren würden, führe das zu einem Systemversagen, sodass die Versicherten aus diesem Grund einen Anspruch auf Kostenübernahme für den Genexpressionstest hätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da es sich bei dem Endo Predict Test um eine neue Untersuchungs- von Behandlungsmethode handele. Solche dürften zulasten der gesetzlichen Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschusses in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben habe über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung anerkannt sei. Vorliegend sei der Endo Predict Test nicht als Behandlungsmethode benannt, welche die Voraussetzungen für die Anerkennung des therapeutischen Nutzens erfülle und dürfe daher nicht in der vertragsärztlichen Versorgung angewendet werden. Darüber hinaus sei in diesem Zusammenhang wichtig, dass die neuen ambulanten spezialfach-ärztlichen Versorgungsichtlinien nicht für eine allgemeine Aufnahme der biomarkerbasierten Testverfahren in die ambulante vertragsärztliche Versorgung gesetzlich Krankenversicherter Menschen stehen würden. Vielmehr gelten die in dem ASV Richtlinien beschriebenen Regelungsinhalte, deren praktische Umsetzung nun abzuwarten bleibe.

Mit der am 05.01.2017 bei dem Sozialgericht Nordhausen eingegangenen Klage trägt die Klä-gerin im Wesentlichen vor, dass im vorliegenden Fall die positive Bewertung des GBA der Gestalt vorliege, das in den Richtlinien zur ASV Versorgung die Genexpressionsanalyse aufgenommen worden sei. Wenn in der Praxis noch keine ASV Teams existieren würden, handele es sich um ein Systemversagen, sodass die Klägerin bereits aus diesem Grund einen Anspruch auf Kostenfreistellung gegenüber der Beklagten habe.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt:

Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2016 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 08.12.2016 zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten des durchgeführten Endo PredictTests in Höhe von 1.832,39 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Sie verweist hierzu im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sowie auf die im Klageverfahren abgegebenen Stellungnahmen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- sowie Verwaltungsakte der Beklagten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie geheimen Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15.11. 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in Ihren Rechten.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Freistellung hinsichtlich der Kosten des durchgeführten Endo Predict Test in Höhe von 1.832,39 EUR.

Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (b) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind (a), soweit die Leistungen notwendig waren.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes umfasst der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative SGB V auch den Freistellungsanspruch, wenn der Versicherte die Kosten noch nicht an den Leistungserbringer erbracht hat, sondern einen Zahlungsanspruch aufgrund vertraglicher Vereinbarung ausgesetzt ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Versicherte für die Selbstbeschaffung auch tatsächlich Kosten zu tragen hat, d. h. eine wirksame und fällige Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Leistungserbringer besteht.

Im vorliegenden Fall ist für das Gericht bereits zweifelhaft, ob die Klägerin tatsächlich einen wirksamen Behandlungs- bzw. Begutachtungsvertrag mit der Molekularpathologie in T. abgeschlossen hat, da außer der Bevollmächtigung und Abtretungserklärung vom 14.11.2016 keine weiteren schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Molekularpathologie in T. abgeschlossen wurden. Ob die Klägerin tatsächlich Zahlungsansprüchen gegenüber der Molekularpathologie in T. ausgesetzt ist, bleibt daher mehr als zweifelhaft. Welche mündlichen Absprachen hier getroffen wurden, kann nach Auffassung des Gerichtes im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen, da ein Freistellungsanspruch der Klägerin mangels Kausalität nicht besteht. Wie § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V eindeutig zu entnehmen ist, muss zwischen der Leistungsablehnung der Krankenkasse und der Zahlungsverpflichtung des Versicherten ein Kausalzusammenhang bestehen. Dies wird durch die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes bestätigt. Im vorliegenden Fall fehlt es an dieser Kausalität, da sich die Klägerin entsprechend der vorliegenden Bevollmächtigung und Abtretungserklärung bereits am 14.11.2016 für die Durchführung des Endo Predict Test entschieden hat. Dies wird anhand der Tatsache deutlich, dass bereits am 14.11.2016 ihre behandelnde Frauenärztin den Begutachtungsauftrag für die Molekularpathologie in T. auslöste und das Material noch am gleichen Tag nach T. versandte, wo es bereits am 15.11.2016 einging. Diese Vorgänge machen in der Praxis keinerlei Sinn, wenn sich die Klägerin nicht bereits am 14.11.2016 verbindlich entschieden hätte, den EndoPredict Test durchführen zu lassen. Die Bevollmächtigung und Abtretungserklärung enthält auch keine Einschränkung, dass der Test nur durchgeführt werden soll, wenn die Krankenkasse eine Kostenzusage erteilt. Der Begutachtungsauftrag vom 14.11.2016 erfolgte ebenfalls bedingungslos, sodass sich die Klägerin zweifelsfrei bereits an diesem Tag endgültig für die Durchführung des Endo Predict Test entschieden haben muss und damit vor der ablehnenden Verwaltungsentscheidung der Beklagten vom 15.11.2016.

Falls im vorliegenden Fall tatsächlich eine wirksame und fällige Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber dem Leistungserbringer bestehen sollte, scheitert ein Freistellungsanspruch der Klägerin an der fehlenden Kausalität zwischen der ablehnenden Verwaltungsentscheidung der Beklagten und ihrer Zahlungsverpflichtung.

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht, sollte man im vorliegenden Fall von einer unaufschiebbaren Leistung i. S. d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V ausgehen. Denn in solch einem Fall hätte die Entscheidung der Beklagten ebenfalls vor Durchführung des Tests herbeigeführt und auch zumutbar abgewartet werden können.

Wie der vorliegende Fall zeigt, ging der Antrag bei der Beklagten am 15.11.2016 per Fax ein und wurde bereits am gleichen Tag beschieden. Dies zeigt deutlich, dass eine zügige Verwaltungsentscheidung der Beklagten möglich ist und auch im Falle der Klägerin vor Entscheidung über den Test hätte abgewartet werden können. Im Zeitalter der Möglichkeiten der Kommunikation per Fax oder per E-Mail sind die Kommunikationswege so kurz, dass hier eine Entscheidung der Beklagten vor der Auftragserteilung an die Molekularpathologie in T. hätte abgewartet werden können, auch wenn eine zügige Entscheidung der Beklagten notwendig war. Dass im vorliegenden Fall nicht noch 1 – 3 Tage hätte abgewartet werden können, ist weder vorgetragen noch begründbar. Trotz des Vorliegens einer Krebserkrankung war kein sofortiges ärztliches Eingreifen notwendig, wie hier bereits die Tatsache belegt, dass man erst noch einen zusätzlichen Test, der ebenfalls drei Tage dauert, abwarten wollte. Somit wäre nach Auffassung der Kammer das Abwarten der Verwaltungsentscheidung der Beklagten zumutbar gewesen und die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V liegen ebenfalls nicht vor.

Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind nicht erfüllt, sodass auch ein Freistellungsanspruch der Klägerin ausscheidet.

Abschließen weist das Gericht daraufhin, dass es sich der Auffassung der Beklagten anschließt, dass die neuen ASV Richtlinien nicht für eine allgemeine Aufnahme der biomarkerbasierten Testverfahren in die ambulante vertragsärztliche Versorgung gesetzlich Krankenversicherter Menschen stehen. Der am 10.08.2016 in Kraft getretene Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Aufnahme der gynäkologischen Tumore in die Richtlinie der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116 b SGB V beschränkt die Anwendung der Genexpressionsanalyse auf die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach § 116 b SGB V und begründet keinen Anspruch der Versicherten auf Durchführung von Genexpressionsanalysen im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung.

Nach alle dem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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