S 18 RA 4760/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 RA 4760/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Feststellung unbegrenzter, in der Zusatzversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates der DDR versicherter Arbeitsentgelte.

Die 1929 geborene Klägerin war Mitarbeiterin des Staatlichen Komitees für Rundfunk der DDR. Sie bezog ab 1. Dezember 1989 einer Altersrente aus der Sozialversicherung der DDR und ab 1. März 1990 eine diese ergänzende Zusatzversorgung.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 13. Oktober 1995 die Daten der Zugehörigkeit zum freiwilligen Zusatzversorgungssystem der hauptamtlichen Mitarbeiter des Staatsapparates und die Begrenzungen nach den Anlagen 4, 5 und 8 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) fest. Den Widerspruch der Klägerin vom 1. November 1995 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21. März 1996 zurück. Klage dagegen hat die Klägerin nicht erhoben.

In der Folgezeit stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juli 1997 die Daten mit Wirkung ab 1. Januar 1997 neu fest, wobei sich keine Begrenzungen mehr ergaben. Auf den Antrag der Klägerin vom 1. November 1999 auf Überprüfung hinsichtlich der Versorgungszeiten Dezember 1989 bis Februar 1990 korrigierte die Beklagte für Leistungszeiträume bis 30. Juni 1993 die Daten durch Bescheid vom 14. Juni 2000, für Leistungszeiträume ab 1. Juli 1997 mit Bescheid vom 22. Juni 2000. Für die dazwischen liegenden Leistungszeiträume ergänzte die Beklagte mit Bescheid vom 2. November 2001 die Feststellungen, soweit Beitragszeiten vom Dezember 1989 bis Februar 1990 betroffen seien. Im Übrigen gelte die Ergänzung nicht für bereits bindend festgestellte Zeiten.

Mit ihrem Widerspruch vom 8. November 2001 wandte sich die Klägerin dagegen, dass für Leistungszeiträume vor 1997 nicht die unbegrenzten Arbeitsentgelte festgestellt worden seien. Sie habe gegen den Bescheid vom 13. Oktober 1995 sehr wohl Widerspruch eingelegt.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2002 zurück. Weil der Überführungsbescheid vom 13. Oktober 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 1996 mangels Klageerhebung bestandskräftig geworden sei, komme wegen Art. 11 (richtig wohl: 13) 2. AAÜG-ÄndG eine rückwirkende Überprüfung nicht in Betracht. Für die Neufeststellung der Rente sei der Rentenversicherungsträger zuständig.

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit ihrer Klage vom 20. März 2002 weiter. Sie beantragte Wiedereinsetzung in die Klagefrist, weil sie sich von März bis Mai 1996 auf einem absoluten physischen und psychischen Tiefstand befunden habe. Nach dem Tod ihrer 94-jährigen Mutter Weihnachten 1995 sei bei der Klägerin selbst der Zusammenbruch eingetreten. Erst im Herbst 1996 habe eine allmähliche Erholung angefangen. Sie sei in der Zeit, in der sie die Klage hätte einreichen müssen, dazu nicht im Stande gewesen. Sie legte dazu das Attest ihrer Internistin H vom 6. Juni 2002 vor, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

In der mündlichen Verhandlung teilte die Klägerin mit, dass über den Widerspruch der Klägerin gegen den Rentenbescheid vom 15. November 1995 bislang vom Rentenversicherungsträger nicht entschieden worden sei.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 1995 in der Form der Bescheide vom 29. Juli 1997, 14. Juni und 22. Juni 2000 und vom 2. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2002 abzuändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Feststellungen des Bescheides vom 22. Juni 2000 mit Wirkung auch für Leistungszeiträume vor dem 1. Januar 1997 zu treffen.

Die Klägerin beantragt hilfsweise, das Verfahren nach Art. 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, inwieweit das Regelungssystem der Rentenüberführung rechtsstaatlichen Grundsätzen (Art. 20 und 28 GG) entspricht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unzulässig und den Rentenversicherungsträger für die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenzen für zuständig.

Dem Gericht haben neben den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und die Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, soweit sie sich gegen den Bescheid vom 2. November 2001 richtet. Dafür hat die Klägerin Klagebefugnis, weil sie gegenüber der Beklagten rügen kann, durch die von der Beklagten mittels mehreren feststellenden Verwaltungsakten in ihren Rechten dadurch verletzt zu sein, als die Feststellungen die Anwendung von Begrenzungsregelungen nach § 6 AAÜG umsetzten.

Mit dem Bescheid vom 13. Oktober 1995 hat die Beklagten mit mehreren Verwaltungsakten (für jeden festgestellten Teilzeitraum jeweils ein feststellender Verwaltungsakt) der Klägerin und dem Rentenversicherungsträger die Anwendung von Begrenzungen der berücksichtigungsfähigen, rentenrechtlich relevanten Arbeitsentgelte mitgeteilt. Es handelt sich hinsichtlich der Feststellungen dieser Begrenzungen auch um Verwaltungsakte, weil nach § 8 Absatz 3 AAÜG galt:

”Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Absatz 2 durch Bescheid bekanntzugeben. Die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Ersten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.”

§ 8 Absatz 2 AAÜG lautet:

”Der Versorgungsträger hat dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder die Daten mitzuteilen, die sich nach Anwendung von §§ 6 Absatz 2 und 3 sowie 7 ergeben.”

Die Beklagte hat entgegen dieser gesetzlichen Vorgabe mit dem Bescheid vom 13. Oktober 1995 auch keine Handlung vorgenommen die sich bei Auslegung nicht als Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X erweisen würde.

Für die Frage der Auslegung von Äußerungen der Beklagten im Hinblick auf die Frage, inwieweit sich diese Äußerungen als Verwaltungsakt darstellen, ist nicht auf einen mit der Sach- und Rechtslage vertrauten Adressaten abzustellen (so aber BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001, Az.: B 4 RA 6/01 R). Eine solche Ansicht widerspricht der zutreffenden, ganz herrschenden Rechtsprechung sämtlicher oberster Bundesgerichte, weil der rechtskundige Adressat nur dann Maßstab der Auslegung nach Treu und Glauben sein kann, soweit der jeweilige Adressat nach seiner Stellung und beruflichen und sonstigen Entwicklung bei Betrachtung einer gleichartigen Vergleichsgruppe als rechtskundig bzgl. der einschlägigen Rechtsfragen zu bewerten ist. ”Ob die Erklärung einer Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, richtet sich danach, wie der Empfänger diese Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles zu deuten hatte.” (BSG Urt. vom 29.10.92, 10 RKg 4/92 m.w.N. für die ständige BSG-Rechtsprechung und den Verweis auf die Rspr. des BVerwG und des BGH in SozR 3-1300 § 50 Nr. 13) Der Empfänger einer Erklärung ist nach den Umständen des Einzelfalles jedoch regelmäßig nicht rechtskundig/mit der Rechtslage (schon gar nicht mit der gegen den Wortlaut des Gesetzes erst Dezember 2001 erfolgten Auslegung durch den 4. Senat des BSG) vertraut. Der 4. BSG-Senat hat seine zitierte Entscheidung trotz der Abweichung von der bisherigen ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte getroffen und dabei gegen § 41 Abs. 2 SGG, ggf. sogar gegen § 2 RsprEinhG verstoßen. Auch unter dem Gesichtspunkt der einheitlichen Rechtsanwendung kann daher insofern dem Urteil des 4. Senats vom 20.12.2001 keinesfalls gefolgt werden.

Die Klägerin verfügt nicht über eine juristische Ausbildung – sie hat als Buchhalterin gearbeitet – und hat auch sonst nicht entsprechende juristische Kenntnisse erlangt, die sie in die Lage versetzen würden, die Äußerungen der Beklagten unter besonderem juristischen Blickwinkel zu würdigen. Ein juristisches Sonderwissen ist bei ihr deshalb nicht anzunehmen, weshalb Auslegungsmaßstab auch in ihrem Fall der objektive, nicht rechtskundige Adressat ist.

Aus der Sicht eines solchen Adressaten stellen sich die Feststellungen des Bescheides vom 13. Oktober 1995 als Verwaltungsakte dar. Dies ergibt sich aus der Form (Kennzeichnung als ”Bescheid”, Vorhandensein eines Abschnittes ”Ergänzende Hinweise” und einer Rechtsbehelfsbelehrung) der gleichrangig festgestellten Entgeltdaten, der Kennzeichnung der entsprechenden Nummer als ”maßgebliche Anlage” und dem ausdrücklichen Hinweis, dass ”zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus der Zusatzversorgung in die Rentenversicherung ... die Daten nach dem AAÜG festgestellt” werden. Überdies hat die Beklagte ausdrücklich vermerkt, dass sie die Begrenzungen nach den jeweils gekennzeichneten Anlagen vorgenommen hat: ”Mit ”4” gekennzeichnete Zeiten überschreiten den Wert der Anlage 4 zum AAÜG und wurden auf den Wert der Anlage begrenzt” (S. 4 gleichlautende Formulierungen für Anlagen 5 und 8). Darüber hinaus ergibt sich aus dem hier angefochtenen Bescheid vom 2. November 2001, dass die Feststellungen des Bescheides vom 13. Oktober 1995 bindend geworden seien, dass es sich um Feststellungen handelte, für die ein entsprechender Erklärungs- und Regelungswille seinerzeit und noch bei Erlass des jüngsten Bescheides vorhanden war. Eine Auslegung, dass es sich dabei um bloße unverbindliche Mitteilungen gehandelt haben könnte hält die Kammer für völlig ausgeschlossen. Aus der Sicht eines objektiven Adressaten stellen sich mithin die getroffenen Feststellungen als Regelungen im Einzelfall durch hoheitliche Entscheidung dar.

Da die feststellenden Regelungen durch die Beklagte vorgenommen wurden, richtet sich die Klage auch gegen die richtige Behörde und kann die Klägerin geltend machen gerade durch Entscheidungen der Beklagten beschwert zu sein.

Da sich die Klage auf § 44 SGB X stützt und seit den Entscheidungen des BVerfG vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 ff.) feststeht, dass jedenfalls die Entgeltbegrenzungen für Zeiträume nach Juni 1993 grundsätzlich verfassungswidrig waren, kann die Klägerin auch geltend machen, durch den eine Korrektur des Bescheides vom 13. Oktober 1995 ablehnenden Bescheid vom 2. November 2001 beschwert zu sein.

Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich unmittelbar gegen den Bescheid vom 13. Oktober 1995 richten sollte. Wiedereinsetzungsgründe waren spätestens seit Herbst 1996 nicht mehr gegeben , so dass die Klägerin spätestens bis Ende 1996 die Klage hätte erheben können. Sie kann sich auch nicht auf § 41 Abs. 3 SGB X berufen, etwa mit dem Hinweis, dass ihr die verfassungsrechtlichen Bedenken, die zur Vorlage der Vorschriften des AAÜG durch die verschiedensten Gerichte nicht mitgeteilt worden wären, weil die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat:

”Sofern verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden, die sich direkt gegen ein Gesetz richten, ist nach dem Subsidiaritätsprinzip eine Verfassungsbeschwerde erst dann möglich, wenn der Rechtsweg vollständig ausgeschöpft wurde.” Insoweit wurde angedeutet, dass verfassungsrechtliche Bedenken zu diskutieren sind und der Rechtsweg zu beschreiten ist. Es lässt sich dadurch nicht erkennen, dass die Klägerin durch eine unrichtige Begründung abgehalten worden wäre, den Rechtsweg zu beschreiten, so dass eine Fristablaufhemmung nach § 41 Abs. 3 SGB X nicht bestand.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf rückwirkende Feststellung von Daten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach dem AAÜG ohne die bereits bestandskräftig und damit für die Beteiligten bindend angewandten Begrenzungsregelungen. Die angefochtenen Feststellungen waren von der Beklagten zu treffen. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht rechtswidrig.

Nach Auffassung der Kammer hat der Versorgungsträger, also hier die Beklagte, die Begrenzung der Entgelte nach den § 6 Absätze 2 und 3 AAÜG, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, vorzunehmen und dem Berechtigten die begrenzten Entgelte durch Bescheid bekanntzugeben (s.o. § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG). Die Kammer folgt nicht dem Urteil des BSG vom 20. Dezember 2001 (s.o.), mit dem es entschieden hatte, dass der Versorgungsträger lediglich die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenzen festzustellen hat, nicht aber dem Rentenversicherungsträger die für die Entscheidung über den ”Rentenanspruch” maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenzen oder die Höhe der als versichert geltenden Arbeitsverdienste vorzuschreiben hat. Diese Rechtsprechung des vierten Senats des BSG überschreitet nach Auffassung der Kammer die Grenzen der Befugnisse der Gerichte zur Anwendung der Gesetze, weil sie mit dem Wortlaut und der Systematik der Regelungen des 2. AAÜG-ÄndG und dessen Regelungsgeschichte nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.

Die Regelungen des § 8 Abs. 2, 3 und 5 AAÜG besagen, dass die Entgelte, die dem Rentenversicherungsträger vom Versorgungsträger mitzuteilen sind, diejenigen sind, die sich nach Anwendung von § 6 Absatz 2 und 3 bzw. § 7 AAÜG ergeben, d. h.- gegebenenfalls - nach Begrenzung. Diese Entgelte, also ebenfalls nach Begrenzung, sind dem Berechtigten durch Bescheid bekanntzugeben (§ 8 Absatz 3 AAÜG). An diese, durch Bescheid bekanntgegebenen Entgelte, ist der Rentenversicherungsträger gemäß § 8 Absatz 5 AAÜG gebunden. Der Gesetzgeber hat eine hinsichtlich der Formulierung klare und eindeutige Regelung geschaffen, die eine lückenfüllende systematische Auslegung/erst recht Analogie ausschließt. Die Grenzen der grammatischen Auslegung sind trotz gewisser systematischer Vorzüge der genannten Rechtsprechung überschritten. Es lässt sich semantisch nicht miteinander vereinbaren, wenn der Versorgungsträger die Daten festzustellen hat, ”die sich nach Anwendung der Vorschriften der §§ 6 Abs. 2 und 3 sowie 7 ergeben” bzw. die lediglich in tatsächlicher Hinsicht Voraussetzung der Anwendung niedrigerer Beitragsbemessungsgrenzen sind (so BSG a.a.O.).

Dass der Gesetzgeber von einer Zuständigkeit des Versorgungsträgers für die Begrenzung ausging, ergibt sich auch aus den mit dem 2. AAÜG-ÄndG vorgenommenen Änderungen des § 8 Abs. 2 AAÜG und den Materialien zu diesem Gesetz. In § 8 Abs. 2 wurde das Wort ”sowie” durch das Wort ”oder” und die Angabe ”§§ 6 und 7” durch die Angabe ”§§ 6 Abs. 2 und 3 sowie 7” ersetzt. Die Ersetzung des Wortes ”sowie” durch das Wort ”oder” zeigt, dass der Versorgungsträger nach dem Willen des Gesetzgebers auch tatsächlich die Begrenzung vornehmen sollte, denn es würde keinen Sinn ergeben, wenn er in Begrenzungsfällen neben den anderen Daten auch die begrenzten Entgelte an den Rentenversicherungsträger melden sollte, obwohl er die Begrenzung gar nicht vorzunehmen hätte. (vgl. Urt. SG Berlin vom 12. November 2002, Az.: S 9 RA 2089/02)

Auch die zweite Änderung in § 8 Abs. 2 AAÜG, nämlich die Ersetzung von ”§§ 6 und 7” durch ”§§ 6 Abs. 2 und 3 sowie 7” zeigt, dass der Gesetzgeber von einer Zuständigkeit des Versorgungsträgers für die Vornahme der Begrenzung ausgegangen ist. In den Materialien (Drucksache 14/5640 Deutscher Bundestag) findet sich hierzu die Anmerkung, dass dies eine ”Klarstellung aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts über die Bedeutung der Entgeltmitteilung für die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze” sei. Daraus, dass der Gesetzgeber § 6 Abs. 1 AAÜG, also die Begrenzung der Entgelte auf die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze, herausgenommen hat, ergibt sich, dass er entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (hier insbesondere Urteil vom 18. Juli 1996, Az. 4 RA 7/95) davon ausgeht, dass diese Begrenzung (erst) durch den Rentenbescheid vorzunehmen ist. Im Umkehrschluss ergibt sich aber daraus, dass § 6 Abs. 2 und 3 sowie § 7 in § 8 Abs. 2 AAÜG belassen wurden, dass der Versorgungsträger nach dem Willen des Gesetzgebers die besonderen Begrenzungen auf Grund dieser Vorschriften vornehmen soll. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber auch diese Vorschriften aus § 8 Absatz 2 AAÜG entfernen bzw. klarstellen müssen, dass insoweit nur die Feststellung über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen durch Bescheid festgelegt wird.(vgl. SG Berlin a.a.O.)

Dem Ergebnis, dass der Zusatzversorgungsträger die besondere Begrenzung vornimmt, steht auch nicht entgegen, dass das Bundessozialgericht evtl. bereits mit der genannten Entscheidung vom 18. Juli 1996 davon ausgegangen ist, dass der Versorgungsträger auch für die besonderen Begrenzungen nicht zuständig ist bzw. nur für die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung dieser Begrenzungen. Darauf deuten insbesondere die Ausführungen unter II 1 b (Umdruck Seite 7) hin, wonach vom Versorgungsträger die Entscheidung darüber vorgemerkt werden soll, ob der Betroffene die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2, 3 und 5 oder des § 7 AAÜG erfüllt. Der Gesetzgeber ist dem BSG, wie sich - wie oben erläutert - aus den Änderungen in § 8 Absatz 2 AAÜG ergibt, nur insoweit gefolgt, als er nun eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für die Begrenzung nach § 6 Abs. 1 AAÜG annimmt, nicht aber eine Zuständigkeit für die Vornahme der besonderen Begrenzungen nach § 6 Abs. 2 und 3 und § 7 AAÜG. (SG Berlin a.a.O.)

Ein weiterer Hinweis darauf, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Versorgungsträger die besonderen Begrenzungen vorzunehmen hat, ist die Inkrafttretensregelung in Artikel 13 des 2. AAÜG-ÄndG, die nur dann folgerichtig ist, wenn man von einer entsprechenden Zuständigkeit ausgeht.

Artikel 13 Absatz 1 Zweites AAÜG-ÄndG lautet:

”Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Mai 1999 in Kraft, soweit in den folgenden Absätzen nichts Abweichendes bestimmt ist.”

Artikel 13 Abs. 7 Zweites AAÜG-ÄndG lautet:

”Mit Wirkung vom 1. Juli 1993 treten § 6 Abs. 2 und 3 sowie Anlage 4 und 5 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes vom 11. November 1996 (BGBl. I S. 1674) für Personen in Kraft, für die am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend war; Absatz 8 bleibt unberührt. ( ...)”

Artikel 13 Absatz 8 Zweites AAÜG-ÄndG lautet:

”Mit Wirkung vom 1. Januar 1992 treten Artikel 1 Nr. 3, 12 und Artikel 3 und 4 für Personen in Kraft, für die am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend war. ( ...)”

Geht man davon aus, dass die Begrenzung nach § 6 Abs. 2 und 3 sowie § 7 AAÜG (erst) mit dem Rentenbescheid vorgenommen wird, erhielte derjenige, der den Bescheid des unzuständigen Trägers, nämlich den Feststellungsbescheid angefochten hätte, eine Nachzahlung, nicht jedoch derjenige, der den Bescheid des zuständigen Trägers, also den Rentenbescheid angefochten hätte, da dann die Inkrafttretensregelung des Artikel 13 Abs. 1 Zweites AAÜG-ÄndG gälte. Dies widerspräche jedoch den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. April 1999 und dem Grundsatz, dass bezüglich noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakte die beanstandete Norm auch für die Vergangenheit nicht mehr anzuwenden ist. Gemäß § 82 Abs. 1 i. V. m. § 79 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die noch anfechtbaren und bereits angefochtenen Entscheidungen im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (rückwirkend) korrigiert werden müssen. (SG Berlin a.a.O.) Dies ist auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. 4. 1999 (Az.:1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95 und 1 BvR 1560/97) zu entnehmen, in dem es im letzten Satz heißt: ”Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen und die Wirkung der vorliegenden Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide zu erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht.”

Dieser Grundsatz gilt auch für die Fälle, in denen - wie bei der Entscheidung des BVerfG bezüglich § 6 Absatz 2 und 3 AAÜG (BVerfG, Urteil vom 28. April 1999, Az. 1 BvL 22/95 und 1 BvL 34/95) - die beanstandete Norm nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit dem GG erklärt wird. Die Regelungspflicht des Gesetzgebers erfasst dann alle noch nicht rechtskräftigen Entscheidungen, die auf den für verfassungswidrig erklärten Regelungen beruhen (vgl. Lechner/Zuck, BVerfGG, 4. Aufl., § 78, Rn. 12; SG Berlin a.a.O.)).

Die Materialien zeigen, dass der Gesetzgeber diesen Vorgaben auch nachkommen wollte. In der Bundestagsdrucksache 14/5640 zu Artikel 11 (Art. 11 entspricht im Entwurf dem späteren Art. 13), Seite 20 heißt es: ”Die Absätze 5 bis 11 bestimmen , dass sich das Inkrafttreten der Änderungsvorschriften für bestandskräftige Bescheide entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes auf den Zeitpunkt nach Bekanntgabe der Entscheidungen, also mit Wirkung vom 1. Mai 1999 beschränkt. Eine Aufhebung von Bescheiden mit Rückwirkung ist in Fällen der Entgeltbegrenzung auf nicht bestandskräftige Überführungs- oder Begrenzungsbescheide und in Fällen der Neuberechnung von Bestandsrenten auf Rentenbescheide beschränkt.” Die Tatsache, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Rückwirkung auf die Überführungsbescheide des Versorgungsträgers abstellt macht deutlich , dass er sie für die maßgebenden Bescheide bzgl. der Begrenzung hält. Anderenfalls hätte er auf den Rentenbescheid abstellen müssen. Zumindest jedenfalls wird damit deutlich, dass der Gesetzgeber bisher die Zuständigkeit für die Feststellung der Entgeltbegrenzungen bei Versorgungsträger gesehen hat und davon ausgeht, dass diese Feststellungen weiterhin Wirkung entfalten können.

Eine Auslegung der Vorschriften des Artikel 13 Abs. 7 und 8 Zweites AAÜG-ÄndG dahingehend, dass mit ”Überführungsbescheid” der Rentenbescheid gemeint sein könnte, ist nicht möglich. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Bezeichnung ”Überführungsbescheid des Versorgungsträgers” gewählt hat macht deutlich, dass er den (Feststellungs-)Bescheid des Versorgungsträgers meint.

Auch waren die den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts jeweils zu Grunde liegenden Ausgangsbescheide solche der Sonder- bzw. Zusatzversorgungsträger, so dass sich auch aus diesen Urteilen kein Hinweis darauf ergibt, dass der Versorgungsträger die Begrenzung nicht festzustellen hat. Der erklärte Wille des Gesetzgebers, die Entscheidungen des BVerfG umzusetzen spricht vielmehr auch für die Annahme, dass er weiterhin wie bisher die Zuständigkeit des Versorgungsträgers für die Feststellung der Begrenzungen sieht.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nur deshalb auf den Überführungsbescheid abgestellt hat, weil in der Vergangenheit die Versorgungsträger sich tatsächlich für die Begrenzung zuständig gesehen haben und auch entsprechende Bescheide erteilt haben und auch in Literatur und Rechtsprechung nahezu einhellig davon ausgegangen wurde, dass Gegenstand des Bescheides des Versorgungsträgers die verbindliche Feststellung der Entgeltbegrenzungen nach § 6 Abs. 2 und 3 und § 7 AAÜG ist (vgl. zum Beispiel Kreikebohm, Sozialgesetzbuch VI, § 8 AAÜG, Rn. 13 und 14; Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, § 8 Art. 3 RÜG (AAÜG), Rn. 9 - Stand 1. Januar 1997-; Landessozialgericht (LSG) Berlin, Urteil vom 24. Januar 2002, Az. L 8 RA 246/95 W 99; LSG Berlin, Urteil vom 22. April 2002, Az.: L 16 RA 29/94 W 99 ). Hätte der Gesetzgeber (bei von ihm angenommener Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für die Begrenzung) dieser (dann falschen) oben genannten jahrelangen Praxis der Versorgungsträger Rechnung tragen wollen um Rechtsnachteile für die diejenigen Personen zu vermeiden, die im Vertrauen auf die Zuständigkeit des Versorgungsträgers nur gegen den Feststellungsbescheid vorgegangen waren, so hätte er die Rückwirkung sowohl auf den Rentenbescheid als auch auf den Überführungsbescheid erstrecken müssen. Anderenfalls hätte er bezüglich des Rentenbescheides gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und den oben erläuterten Grundsatz verstoßen, dass für die noch nicht bestandskräftigen Bescheide die beanstandete Norm auch für die Vergangenheit nicht mehr anzuwenden ist. (SG Berlin a.a.O)

Da also nach Auffassung der Kammer der Versorgungsträger die begrenzten Entgelte nach § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG verbindlich festzustellen hat, - sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen, hat er auch festzustellen, für welchen Zeitraum die begrenzten bzw. nicht begrenzten Entgelte jeweils gelten.

Nach den oben zitierten Übergangsvorschriften des Art. 13 Abs. 7 des 2. AAÜG-ÄndG kommt ein rückwirkendes Inkrafttreten der günstigeren Regelungen des § 6 AAÜG jedoch nur für Fälle in Betracht, in denen am 28. April 1999 der Überführungsbescheid des Versorgungsträgers noch nicht bestandskräftig war. Dies war im Falle der Klägerin jedoch der Fall. Die Vorschriften des Art. 13 des 2. AAÜG-ÄndG verdrängen als spezielle Vorschriften auch die Anwendbarkeit des § 44 SGB X, zumal für die Betroffenen mit bereits bestandskräftigem Bescheid eine Rückwirkung gerade nicht eingreift und es deshalb beim bisherigen Recht verbleibt, was vom BVerfG ausdrücklich für zulässig erachtet wurde (s.o.).

Inwieweit der Rentenversicherungträger im Hinblick auf die vom BVerfG tatsächlich festgestellte Verfassungswidrigkeit von § 6 AAÜG für Leistungszeiträume ab 1. Juli 1993 verpflichtet ist, die Feststellungen der Beklagten umzusetzen (das wäre nach § 8 Abs. 5 Satz 2 AAÜG eigentlich notwendig), wenn sein Bescheid im Gegensatz zum Bescheid des Versorgungsträgers noch nicht bindend geworden ist, hat die Kammer nicht zu entscheiden. Insoweit erscheint eine teleologische Reduktion von § 8 Abs. 5 AAÜG denkbar, weil Zweck der Vorschrift eine rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtete klare und einfache Verfahrensgestaltung ist, die angesichts der auch durch die völlig unübersichtliche und zum Teil kaum noch nachzuvollziehende Rechtsprechung deutlich gefährdet erscheint. Dies ist jedoch im Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger zu klären. Insoweit hat dieser bereits eine zügige Entscheidung in Aussicht gestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz. Sie berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.
Rechtskraft
Aus
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