S 77 AL 6581/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
77
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AL 6581/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld im Hinblick auf den Eintritt einer Sperrzeit. Der 1960 geborene Kläger war seit 1998 bei der S AG als Produkt-Berater beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag vom 30. November 2002 zum 28. Februar 2003 beendet. Es wurde eine Abfindung von 27.968 EUR vereinbart. Darüber hinaus verpflichtete sich der Arbeitgeber, für den Fall des Eintritts einer Sperrzeit die Abfindung entsprechend zu erhöhen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Aufhebungsvertrages wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Am 21. Februar 2003 meldete sich der Kläger persönlich bei der Beklagten arbeitslos zum 1. März 2003 und beantragte Arbeitslosengeld. Hinsichtlich der Gründe für den Abschluss des Aufhebungsvertrages teilte der Kläger der Beklagten mit, dass auf einer Mitarbeiterversammlung vom 23. September 2002 allen Mitarbeitern der Geschäftsstelle Berlin mitgeteilt worden sei, dass zum Jahresende die Geschäftsstelle vollständig geschlossen werde. Der Grund dafür sei die schlechte Auftragslage. Die Belegschaft habe den Arbeitgeber aufgefordert, der Geschäftsstelle noch ein Jahr eine Chance zu geben. Auf den ausdrücklichen Vorschlag des Klägers, für den S -Konzern auch in Frankreich zu arbeiten, sei die Arbeitgeberin wegen der schlechten Auftragslage nicht eingegangen. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 26. Mai 2003 den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. März bis 23. Mai 2003 (12 Wochen) fest und lehnte für diesen Zeitraum die Gewährung von Arbeitslosengeld ab. Dagegen wendete sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 19. August 2003. Darin teilte er mit, dass er bezweifle, ob überhaupt ein wirksamer Sperrzeitbescheid vorliege. Am 18. Juli 2003 sei ihm ein entsprechendes Schreiben mit dem Vermerk "Entwurf" zugegangen. Bereits am 10. Juni 2003 hatte der Kläger die Beklagte über seinen Umzug nach Frankreich informiert, wo er ab 22. Mai 2003 für die französische Konzerntochter von S beruflich tätig geworden ist. Auf die Anfrage der Beklagten vom 8. September 2003 äußerte sich die S AG noch im September 2003 mit einem undatierten Schreiben. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Den Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2003 als unzulässig. Der Bescheid gelte am 18. Juli 2003 als bekannt gegeben. Der Kläger habe bestätigt, dass Schreiben vom 15. Juli 2003 am 18. Juli 2003 erhalten zu haben. Der Widerspruch sei erst am 19. August 2003 bei der Beklagten eingegangen. Wiedereinsetzungsgründe würden nicht vorliegen.

Der Kläger verfolgt sein Begehren mit seiner am 10. Dezember 2003 erhobenen Klage vom 6. Dezember 2003 weiter. Er hätte sich gegen eine Kündigung nicht erfolgreich wehren können, weil der Standort Berlin vollständig geschlossen worden und sein Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen sei. Nach entsprechendem gerichtlichem Hinweis korrigierte die Beklagte ihre Entscheidung und stellte mit dem Bescheid vom 28. September 2004 eine Sperrzeit von drei Wochen für den Zeitraum vom 1. bis 21. März 2003 fest. Dazu äußerte sich der Kläger, der zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen wurde und auch dort nicht erschien, nicht mehr.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2003 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger seit dem 1. März 2003 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kammer haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte in Abwesenheit des Klägers auf Grund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil der Kläger zum Termin ordnungsgemäß geladen war und mit der Ladung darüber informiert worden war, dass auch bei seinem Fernbleiben entschieden werden könne. Ausweislich des Rückscheines hatte er die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2004 erhalten.

Die Fortsetzung des Rechtsstreites nach Erlass des Bescheides vom 28. September 2004 war unzulässig, soweit für Zeiträume über den 21. März 2003 hinaus die Gewährung von Leistung und die Korrektur der Sperrzeitentscheidung der Beklagten verlangt wurden. Durch den Bescheid der Beklagten vom 28.09.04 hatte die Beklagte den Kläger insoweit klaglos gestellt. Im Hinblick auf die derart eingetretene Erledigung des Klagebegehrens hatte der Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Trotz gerichtlicher Anfrage vom 11. Oktober 2004 hat sich der Kläger zu diesem neuen Bescheid nicht geäußert.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Beginn der Leistung von Arbeitslosengeld vor dem 22. März 2003. Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass für den Kläger vom 1. bis 21. März 2003 gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) eine Sperrzeit eingetreten ist. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten in der Fassung des Korrekturbescheides vom 28. September 2004 nicht rechtswidrig.

Wegen dieses neuen Bescheides kommt es nicht darauf an, inwieweit der Bescheid vom 26. Mai 2003 bestandskräftig geworden sein könnte.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Nach Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift reduziert sich die Sperrzeit auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte. Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung. Aus dem auch in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung geltenden Versicherungsprinzip folgt, dass der Versicherte den Versicherungsfall selbst nicht auslösen oder an seinem Eintritt maßgeblich mitwirken darf. Durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages ohne Aussicht auf eine Anschlussbeschäftigung wirkt der Versicherte vorsätzlich beim Eintritt der Arbeitslosigkeit mit. Grundsätzlich hat der Versicherte eine Kündigung durch den Arbeitgeber abzuwarten. Dies entspricht der zutreffenden ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Anderes kann nur gelten, wenn der Versicherte für sein Verhalten einen wichtigen Grund hat. Ein solcher kann dann vorliegen, wenn durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages die Wiedereingliederungs-chancen günstiger als im Falle einer Kündigung sind und das Arbeitsverhältnis zum selben Zeitpunkt durch rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung beendet worden wäre.

Im Falle des Klägers hatte dieser durch Abschluss des Aufhebungsvertrages die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Weil jedoch nach den glaubhaften Angaben des Klägers und seines ehemaligen Arbeitgebers eine Kündigung zum selben Zeitpunkt rechtmäßig ausgesprochen worden wäre, umfasst die Sperrzeit lediglich drei Wochen nach § 144 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III.

Ein wichtiger Grund lässt sich im Falle des Klägers nicht annehmen. Er trägt selbst vor, dass sein Arbeitsplatz durch die vollständige Schließung der Geschäftsstelle seines Arbeitgebers in Berlin entfallen ist. Unter diesen Umständen kann nach Auffassung der Kammer nicht angenommen werden, dass das Abwarten einer betriebsbedingten Kündigung auf dem Arbeitsmarkt zu einer Verschlechterung der Chance auf Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes geführt haben könnte. Zum Einen ist für jeden Marktteilnehmer leicht erkennbar, dass der Kläger für den Eintritt seiner Beschäftigungslosigkeit keinerlei Schuld trägt. Zumal es sich bei dem Arbeitgeber des Klägers um einen Branchenriesen handelt, muss davon ausgegangen werden, dass die Schließung der Hauptstadt-Geschäftsstelle des Konzerns in der Branche bekannt ist. Zum Anderen bedeutet die Hinnahme und das Abwarten einer evident rechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung, dass sich der Betroffene im Rechtsverkehr korrekt verhält und nicht rechtswidrige Vorteile (eine Abfindung) aus der Nutzung prozessualer Befugnisse gegenüber den sich im Rechtsverkehr rechtmäßig verhaltenden Arbeitgeber zu erlangen versucht. Allein deswegen erschiene es der Kammer nicht nachvollziehbar, wie sich Nachteile für den Kläger aus dem Abwarten einer Kündigung ergeben können sollten. Weitere für das Verhalten des Klägers wichtige Gründe lassen sich nicht erkennen.

Da die Beklagte bereits unter Härtegesichtspunkten die kürzeste rechtlich zulässige Sperrzeit ausgesprochen hat, ist die Prüfung weiterer Härtegesichtspunkte nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz. Sie berücksichtigt, dass der Kläger den Rechtsstreit trotz Erledigung großer Teile der Streitforderung fortgesetzt hat und die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung im Übrigen.
Rechtskraft
Aus
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