S 81 KR 1003/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
81
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1003/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin will festgestellt wissen, dass sie seit dem 1. Januar 2005 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten ist.

Die am 25. Mai 1917 geborene Klägerin reiste am 5. Juni 2002 von der Ukraine aus nach Deutschland ein. Von diesem Tage an bezog sie ununterbrochen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Seit dem 1. Januar 2005 erhält sie Leistungen zur Grundsicherung nach dem vierten Kapitel des Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII).

Am 12. November 2004 beantragte sie bei der Beklagten, die für sie seit dem 1. Januar 2004 die Krankenbehandlung gemäß § 264 Abs. 2 SGB V übernommen hatte, die Aufnahme als freiwilliges Mitglied nach § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB V. In ihrem Antrag erklärte sie, in Deutschland noch nie gesetzlich oder privat krankenversichert gewesen zu sein.

Mit Bescheid vom 17. Januar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Deren gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2005 als unbegründet zurück. In der Begründung des Widerspruchsbescheids heißt es, dass ein Beitrittsrecht nach § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB nicht bestehe, wenngleich anerkannt werde, dass die Klägerin in Deutschland zu keinem Zeitpunkt gesetzlich oder privat gegen Krankheit versichert gewesen sei. Die Vorschrift verlange jedoch, dass nicht noch nach dem 31. Dezember 2004 Leistungen eines Sozialhilfeträgers bezogen würden.

Mit ihrer am 19. April 2005 auf Veranlassung des Bezirksamts Mitte von Berlin erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Sie beantragt sinngemäß, den Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2005 aufzuheben und festzustellen, dass sie seit dem 1. Januar 2005 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags verweist sie auf die Begründung aus ihrem Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, dass die Krankenbehandlung der Klägerin weiterhin über § 264 Abs. 2 SGB V übernommen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies und der Sachverhalt geklärt war. Die Beteiligten wurden hierzu vorher gehört.

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, die Klägerin als freiwillig versichertes Mitglied aufzunehmen.

Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin ist § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB V. Danach können der Versicherung beitreten innerhalb von sechs Monaten ab dem 1. Januar 2005 Personen, die in der Vergangenheit laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bezogen haben und davor zu keinem Zeitpunkt gesetzlich oder privat krankenversichert waren.

Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB V sind vorliegend nicht erfüllt. § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB V verlangt nämlich nicht nur, dass der Bezug von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem BSHG zum 31. Dezember 2004 geendet hat, sondern auch, dass über diesen Zeitpunkt hinaus keine diesen Leistungen vergleichbare Leistungen, insbesondere nach dem SGB XII, bezogen werden (so auch: Baier, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 9 SGB V Rn. 23; Peters, in: KassKomm, § 9 SGB V Rn. 48; a. A.: Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, K § 9 Rn. 78.).

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Wäre nämlich in § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB V die Betonung auf das Wort "Bundessozialhilfegesetz" zu legen – allein dann wäre der Bezug von Leistungen zum Lebensunterhalt oder ähnlichen Leistungen über den 1. Januar 2005 hinaus nach einem anderen Gesetz als dem BSHG, insbesondere dem SGB XII, unschädlich – , wären die Worte "in der Vergangenheit" überflüssig, da das Bundessozialhilfegesetz nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 1, 70 Abs. 1 des Gesetzes zur Eingliederung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch (BGBl. I S. 3022.) zum 1. Januar 2005 aufgehoben wurde. Die Einfügung der Worte "in der Vergangenheit" ergibt nur dann einen Sinn, sofern sie zum Ausdruck bringen sollen, dass nur demjenigen ein Recht, der Krankenversicherung als freiwilliges Mitglied beizutreten, eingeräumt wird, der seit dem 1. Januar 2005 keine Leistungen eines Sozialhilfeträgers mehr bezieht.

Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Dessen Absicht nämlich war es, durch § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB V eine Gleichstellung derjenigen ehemaligen Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt, die die Voraussetzungen (insbesondere) des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht erfüllen, mit denjenigen Personen herbeizuführen, die aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld (AlG) II Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung werden (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V) "und diese Mitgliedschaft in der Regel bei Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit fortsetzen können" (vgl. BT-Drucksache 15/1749, S. 36.). Nur im Hinblick darauf, dass Personen, die AlG II beziehen, durch die Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V die Möglichkeit gegeben wird, die Vorversicherungszeiten zu erfüllen, die notwendig sind, um nach dem Bezug des AlG II der Krankenversicherung als freiwilliges Mitglied beizutreten, soll also eine Gleichstellung erfolgen, nicht jedoch im Hinblick auf die durch § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB begründete Mitgliedschaft an sich (so aber wohl: Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, K § 9 Rn. 78.). Dies bedeutet, dass nach dem Willen des Gesetzgebers § 9 Abs. 1 Nr. 8 SGB V nur diejenigen Personen erfasst, die in der Vergangenheit laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG bezogen haben, nunmehr jedoch einer versicherungsfreien Beschäftigung – etwa nach § 6 SGB V – oder einer selbständigen Tätigkeit nachgehen, gleichwohl aber der gesetzlichen Krankenversicherung nicht als freiwilliges Mitglied beitreten könnten, weil sie in der Vergangenheit keine Zugangsmöglichkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung hatten und damit die notwendigen Vorversicherungszeiten nicht erfüllen konnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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