S 38 SO 4223/05 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
38
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 38 SO 4223/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag wird abgelehnt. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin vom 4. August 2005,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die Maßnahme des betreuten Wohnens im Ambulanten Zentrum ab dem 8. August 2005 zu übernehmen,

hat keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht mit der hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würde (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Gemäß § 67 Satz 1 SGB XII sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII umfassen diese Leistungen alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Leistungsberechtigten und ihre Angehörigen, Hilfen zur Ausbildung, Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes sowie Maßnahmen bei der Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung.

Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist für die Gewährung von Sozialhilfe der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Für stationäre Leistungen ist gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt haben. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im vorgenannten Sinne in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend (§ 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Für die Leistungen an Personen, die Leistungen in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, bleibt der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt örtlich zuständig war (§ 98 Abs. 5 SGB XII).

Ausgehend hiervon besteht bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung kein Anspruch auf die begehrten Leistungen gegenüber dem Antragsgegner. Zwar begehrt die Antragstellerin die Übernahme von Kosten für Maßnahmen nach den §§ 67 ff. SGB XII (betreutes Wohnen), deren Notwendigkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Der Antragsgegner ist jedoch für die Antragstellerin nicht zuständig.

Die Antragstellerin, die bis zum 18. Oktober 2004 in Chemnitz in ihrer Wohnung wohnte und diese Wohnung kurz nach Antritt einer stationären Therapie im Zentrum Tannenhof (Berlin) vom 18. Oktober 2004 bis 8. August 2005 aufgab, begehrt die Übernahme der Kosten für ambulantes betreutes Wohnen und damit für eine Maßnahme im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Nach dieser Vorschrift bleibt jedoch der Sozialhilfeträger örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform örtlich zuständig war. Dies ist jedoch nicht der Antragsgegner, sondern vielmehr der für Chemnitz zuständige überörtliche Träger der Sozialhilfe, mithin der Beigeladene.

Die örtliche Zuständigkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII knüpft nicht an den tatsächlichen Aufenthalt an, sondern perpetuiert die örtliche Zuständigkeit des zuletzt zuständigen Trägers. Tritt der Hilfeempfänger also aus einer stationären Einrichtung in das betreute Wohnen über, so ist gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1, 2 der Träger des letzten gewöhnlichen Aufenthalts örtlich zuständig (Hauck/Noftz/Schlette, SGB XII, K § 98 Rn. 94).

So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin wechselte am 8. August 2005 aus der stationären Therapie im Zentrum Tannenhof in das Betreute Wohnen. Für die verlassene stationäre Maßnahme ist nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII der Sozialhilfeträger örtlich zuständig, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Maßnahmebeginns hatte. Die Antragstellerin wohnte jedoch bis zu ihrer Aufnahme in die stationäre Maßnahme am 18. Oktober 2004 in Chemnitz. Einen Zwischenaufenthalt in Berlin, der die Zuständigkeit des Antragsgegners begründen könnte, existierte nicht.

Soweit der Beigeladene mit seinem Schriftsatz vom 9. August 2005 geltend macht, seiner Zuständigkeit stehe entgegen, dass es bislang keinen zuständigen Sozialhilfeträger gegeben habe, weil Leistungen der Sozialhilfe erstmals im Rahmen der beantragten ambulant betreuten Wohnform erforderlich würden, ist dies unzutreffend. § 98 Abs. 5 SGB XII ist vielmehr so auszulegen, dass der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, der für die konkrete Lebenssituation, in der sich der Betroffene zuvor befunden hat, Sozialhilfe hätte leisten müssen, wenn dieser seinen Bedarf nicht selbst oder durch andere hätte decken können. Diese hypothetische Betrachtungsweise entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der mit der neuen Vorschrift des § 98 Abs. 5 SGB XII eine abschließende, die allgemeine Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 1 SGB XII verdrängende Sonderregelung schaffen wollte (Hauck/Noftz/Schenke, SGB XII, K § 98 Rn. 95; Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar, 1. Auflage 2005, § 99 Rn. 31).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 183 SGG).
Rechtskraft
Aus
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