Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
55
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 1349/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Kann die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens nicht nach § 18 SGB X verlangt werden, fehlt es auch am verfahrensrechtlichen Anspruch auf Bescheiderteilung, selbst wenn ein Antrag gestellt wurde.
2. Ist weder eine Pflicht zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens noch ein Anspruch auf Bescheiderteilung zumindest behauptet, fehlt der Untätigkeitsklage die Klagebefugnis im Sinne von §§ 88, 54 Abs 1, 2 SGG.
3. Verwirft die Behörde einen Antrag „als unzulässig“, weil kein Sozialrechtsverhältnis und deshalb auch kein Anspruch auf Bescheidung bestehe und lehnt damit die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens ab, handelt es sich um einen sogenannten formellen Verwaltungsakt, der im Rahmen der Kostenentscheidung einer erledigten Untätigkeitsklage nicht als Erfolg der Rechtsverfolgung gewertet werden kann.
2. Ist weder eine Pflicht zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens noch ein Anspruch auf Bescheiderteilung zumindest behauptet, fehlt der Untätigkeitsklage die Klagebefugnis im Sinne von §§ 88, 54 Abs 1, 2 SGG.
3. Verwirft die Behörde einen Antrag „als unzulässig“, weil kein Sozialrechtsverhältnis und deshalb auch kein Anspruch auf Bescheidung bestehe und lehnt damit die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens ab, handelt es sich um einen sogenannten formellen Verwaltungsakt, der im Rahmen der Kostenentscheidung einer erledigten Untätigkeitsklage nicht als Erfolg der Rechtsverfolgung gewertet werden kann.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines auf Bescheidung eines Überprüfungsantrages des Klägers gerichteten Verfahrens, das sich durch Erledigungserklärung seitens des Klägers erledigt hat.
Die Entscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Halbsatz 2 SGG, wonach das Gericht auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden hat, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn ein Gerichtsverfahren anders als durch Urteil endet, wie im vorliegenden Fall. Den dazu notwendigen Antrag hat der Kläger gestellt.
Die Entscheidung über die Kostentragungsverpflichtung erfolgt nach billigem Ermessen. Geeignete Ermessenserwägungen sind mangels eines Entscheidungsmaßstabes des SGG in Anlehnung an den Rechtsgedanken der §§ 91 ff. ZPO der Ausgang des Rechtsstreites sowie Gesichtspunkte des Veranlassungsprinzips.
Die Kostenentscheidung beruht hier auf beiden Prinzipien. Sie berücksichtigt insbesondere die tatsächliche Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung durch den Kläger. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Überprüfung eines an dessen Ehefrau gerichteten Bescheides im Hinblick auf fehlende eigene Rechte des Klägers zwar erst während des Gerichtsverfahrens "als unzulässig verworfen" und ausgeführt, dass ein Anspruch auf Bescheiderteilung nicht bestehe, weil ein Sozialrechtsverhältnis mit ihm nicht vorliege und er auch nicht Adressat des früheren Bescheides gewesen sei. Die vom Kläger begehrte Sachentscheidung hat die Beklagte damit jedoch nicht getroffen. Der "Bescheid" vom 26. April 2010 stellt vielmehr mangels Regelung einen sogenannten formellen Verwaltungsakt dar. Daher lässt sich ein Erfolg der Rechtsverfolgung nicht erkennen. Die Klage war unzulässig, weil ihr die Klagebefugnis gemäß §§ 88, 54 Abs 1, 2 SGG fehlte.
Danach ist die Verpflichtungsklage und als deren Unterfall die Untätigkeitsklage nur zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch die Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein. Dazu muss er zumindest vortragen, einen Anspruch auf Bescheiderteilung zu haben. Zwar geht die herrschende Meinung zu Recht davon aus, dass grundsätzlich ein Antrag einen Anspruch auf Bescheiderteilung (im Sinne eines Verfahrensrechts) auslöse, selbst dann, wenn ein Anspruch in der Sache nicht bestehen sollte. Dieser Grundsatz kennt jedoch Ausnahmen. Dass das Gesetz nicht generell einen Anspruch auf Bescheiderteilung annimmt, folgt daraus, dass ein Verwaltungsverfahren, dessen Ziel ja stets notwendig ein Verwaltungsakt oder ein verwaltungsrechtlicher Vertrag ist (§ 8 SGB X), gemäß § 18 Satz 1 SGB X nicht zwingend durchzuführen ist, selbst wenn ein Antrag gestellt wurde. Die Behörde hat gemäß § 18 Satz 1 SGB X Ermessen, ob sie ein Verwaltungsverfahren einleitet oder nicht. Satz 2 der Vorschrift regelt einen Ausschluss dieses Ermessens nicht für den Fall, dass ein Antrag gestellt ist, sondern nur für den Fall, dass das Gesetz vorschreibt, dass die Behörde auf Antrag tätig werden muss (Nr 1) oder sie nur auf Antrag tätig werden darf (Nr 2). Die Ermessensentscheidung nach Satz 1 muss und kann nicht durch Verwaltungsakt ergehen, denn sie ist schlichtes Verwaltungshandeln (Rixen in LPK-SGB X, 2. Aufl., § 18 RdNr 4) und beinhaltet keine Regelung. Wird über das Ergebnis der Ermessensausübung dem Antragsteller eine Benachrichtigung erteilt, kann diese kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X sondern (bei fehlerhafter äußerer Gestaltung) allenfalls ein sogenannter formeller Verwaltungsakt sein. Kann schon die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens nicht verlangt werden, fehlt es (was im Sozialrecht der Ausnahmefall ist) auch am Anspruch auf Bescheiderteilung. Ist beides noch nicht einmal behauptet, fehlt der Untätigkeitsklage die Klagebefugnis. So war es auch im Falle der hier erledigten Untätigkeitsklage.
Die Behauptung eines Anspruchs des Klägers auf Beginn eines Verwaltungsverfahrens nach § 18 Satz 1 Nr 1 SGB X lässt sich nicht erkennen. Für einen solchen Anspruch kann sich der Kläger insbesondere nicht auf § 44 SGB X berufen, weil diese Vorschrift nur den Antrag eines vom belastenden Verwaltungsakt Betroffenen anspricht. Der ursprüngliche Bescheid war an die Frau des Klägers adressiert, ohne Regelungen auch für den Kläger, der seit April 2004 eine Altersrente bezieht, zu treffen. Es nicht einmal behauptet, dass der Kläger betroffen sei oder Anspruch auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gehabt hätte. Eine Klagebefugnis lässt sich auch sonst nicht erkennen. Der Fall einer zulässigen Prozessstandschaft liegt nicht vor. Die Klage war deshalb unzulässig. Dies wird auch nicht durch einen tatsächlichen Erfolg durch Erteilung des begehrten Verwaltungsaktes im Sinne des § 31 SGB X kompensiert.
Der Bescheid vom 26. April 2010 erweist sich, weil er lediglich die Durchführung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X ablehnt und den Antrag "als unzulässig verwirft", als sogenannter formeller Verwaltungsakt, weil er sich der Sache nach lediglich mit einem Anspruch auf Verfahrenseinleitung befasst, jedoch keine Regelung trifft.
Die Beklagte hat den Rechtsstreit auch nicht veranlasst. In der vorliegenden Fallkonstellation (ersichtlich keine eigenen Ansprüche) konnte der Kläger nicht ernsthaft auch nur mit einer Benachrichtigung über die Bearbeitung seines Antrages rechnen, wiewohl eine solche Benachrichtigung im Sinne bürgerfreundlichen Verwaltungshandelns sicher auch sachgerecht gewesen wäre. Insofern hätte es vor Klageerhebung einer Rückfrage bei der Beklagten bedurft, wie mit dem Antrag verfahren wurde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs 3 Nr 3 SGG).
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Kosten eines auf Bescheidung eines Überprüfungsantrages des Klägers gerichteten Verfahrens, das sich durch Erledigungserklärung seitens des Klägers erledigt hat.
Die Entscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Halbsatz 2 SGG, wonach das Gericht auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden hat, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn ein Gerichtsverfahren anders als durch Urteil endet, wie im vorliegenden Fall. Den dazu notwendigen Antrag hat der Kläger gestellt.
Die Entscheidung über die Kostentragungsverpflichtung erfolgt nach billigem Ermessen. Geeignete Ermessenserwägungen sind mangels eines Entscheidungsmaßstabes des SGG in Anlehnung an den Rechtsgedanken der §§ 91 ff. ZPO der Ausgang des Rechtsstreites sowie Gesichtspunkte des Veranlassungsprinzips.
Die Kostenentscheidung beruht hier auf beiden Prinzipien. Sie berücksichtigt insbesondere die tatsächliche Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung durch den Kläger. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Überprüfung eines an dessen Ehefrau gerichteten Bescheides im Hinblick auf fehlende eigene Rechte des Klägers zwar erst während des Gerichtsverfahrens "als unzulässig verworfen" und ausgeführt, dass ein Anspruch auf Bescheiderteilung nicht bestehe, weil ein Sozialrechtsverhältnis mit ihm nicht vorliege und er auch nicht Adressat des früheren Bescheides gewesen sei. Die vom Kläger begehrte Sachentscheidung hat die Beklagte damit jedoch nicht getroffen. Der "Bescheid" vom 26. April 2010 stellt vielmehr mangels Regelung einen sogenannten formellen Verwaltungsakt dar. Daher lässt sich ein Erfolg der Rechtsverfolgung nicht erkennen. Die Klage war unzulässig, weil ihr die Klagebefugnis gemäß §§ 88, 54 Abs 1, 2 SGG fehlte.
Danach ist die Verpflichtungsklage und als deren Unterfall die Untätigkeitsklage nur zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch die Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein. Dazu muss er zumindest vortragen, einen Anspruch auf Bescheiderteilung zu haben. Zwar geht die herrschende Meinung zu Recht davon aus, dass grundsätzlich ein Antrag einen Anspruch auf Bescheiderteilung (im Sinne eines Verfahrensrechts) auslöse, selbst dann, wenn ein Anspruch in der Sache nicht bestehen sollte. Dieser Grundsatz kennt jedoch Ausnahmen. Dass das Gesetz nicht generell einen Anspruch auf Bescheiderteilung annimmt, folgt daraus, dass ein Verwaltungsverfahren, dessen Ziel ja stets notwendig ein Verwaltungsakt oder ein verwaltungsrechtlicher Vertrag ist (§ 8 SGB X), gemäß § 18 Satz 1 SGB X nicht zwingend durchzuführen ist, selbst wenn ein Antrag gestellt wurde. Die Behörde hat gemäß § 18 Satz 1 SGB X Ermessen, ob sie ein Verwaltungsverfahren einleitet oder nicht. Satz 2 der Vorschrift regelt einen Ausschluss dieses Ermessens nicht für den Fall, dass ein Antrag gestellt ist, sondern nur für den Fall, dass das Gesetz vorschreibt, dass die Behörde auf Antrag tätig werden muss (Nr 1) oder sie nur auf Antrag tätig werden darf (Nr 2). Die Ermessensentscheidung nach Satz 1 muss und kann nicht durch Verwaltungsakt ergehen, denn sie ist schlichtes Verwaltungshandeln (Rixen in LPK-SGB X, 2. Aufl., § 18 RdNr 4) und beinhaltet keine Regelung. Wird über das Ergebnis der Ermessensausübung dem Antragsteller eine Benachrichtigung erteilt, kann diese kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X sondern (bei fehlerhafter äußerer Gestaltung) allenfalls ein sogenannter formeller Verwaltungsakt sein. Kann schon die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens nicht verlangt werden, fehlt es (was im Sozialrecht der Ausnahmefall ist) auch am Anspruch auf Bescheiderteilung. Ist beides noch nicht einmal behauptet, fehlt der Untätigkeitsklage die Klagebefugnis. So war es auch im Falle der hier erledigten Untätigkeitsklage.
Die Behauptung eines Anspruchs des Klägers auf Beginn eines Verwaltungsverfahrens nach § 18 Satz 1 Nr 1 SGB X lässt sich nicht erkennen. Für einen solchen Anspruch kann sich der Kläger insbesondere nicht auf § 44 SGB X berufen, weil diese Vorschrift nur den Antrag eines vom belastenden Verwaltungsakt Betroffenen anspricht. Der ursprüngliche Bescheid war an die Frau des Klägers adressiert, ohne Regelungen auch für den Kläger, der seit April 2004 eine Altersrente bezieht, zu treffen. Es nicht einmal behauptet, dass der Kläger betroffen sei oder Anspruch auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gehabt hätte. Eine Klagebefugnis lässt sich auch sonst nicht erkennen. Der Fall einer zulässigen Prozessstandschaft liegt nicht vor. Die Klage war deshalb unzulässig. Dies wird auch nicht durch einen tatsächlichen Erfolg durch Erteilung des begehrten Verwaltungsaktes im Sinne des § 31 SGB X kompensiert.
Der Bescheid vom 26. April 2010 erweist sich, weil er lediglich die Durchführung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X ablehnt und den Antrag "als unzulässig verwirft", als sogenannter formeller Verwaltungsakt, weil er sich der Sache nach lediglich mit einem Anspruch auf Verfahrenseinleitung befasst, jedoch keine Regelung trifft.
Die Beklagte hat den Rechtsstreit auch nicht veranlasst. In der vorliegenden Fallkonstellation (ersichtlich keine eigenen Ansprüche) konnte der Kläger nicht ernsthaft auch nur mit einer Benachrichtigung über die Bearbeitung seines Antrages rechnen, wiewohl eine solche Benachrichtigung im Sinne bürgerfreundlichen Verwaltungshandelns sicher auch sachgerecht gewesen wäre. Insofern hätte es vor Klageerhebung einer Rückfrage bei der Beklagten bedurft, wie mit dem Antrag verfahren wurde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs 3 Nr 3 SGG).
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