Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 AS 10021/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) dem Grunde nach an die Kläger für den Zeitraum vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008.
Die 1969 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter des am.1990 geborenen Klägers zu 2) und des am 1992 geborenen Klägers zu 3).
Die Kläger sind polnische Staatsangehörige. Nach einem kurzen Aufenthalt von Juli 1997 bis April 1998 hält sich die Klägerin zu 1) seit dem 01.09.2004 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Kläger zu 2) und 3) leben seit Mai 2005 bei ihrer Mutter in Berlin.
In den Monaten Februar 2005 bis einschließlich Mai 2005 war die Klägerin zu 1) selbständig tätig, aus ihrer selbständigen Tätigkeit erzielte sie monatliche Überschüsse zwischen 389,73 Euro und 652,10 Euro. Nach Mai 2005 war die Klägerin zu 1) nicht wieder erwerbstätig.
Am 15.03.2005 erteilte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin der Klägerin zu 1) eine Bescheinigung (Bl. 9 der Verwaltungsakte) über das gemeinschaftliche Aufenthaltsrecht gemäß § 5 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU).
Am 17.01.2008 erteilte die Agentur für Arbeit Berlin-Süd der Klägerin zu 1) eine unbefristete Arbeitsberechtigung-EU (Verwaltungsakte Bl. 10).
Während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums bewohnten die Kläger gemeinsam mit dem am 27.02.1991 geborenen, weiteren Sohn der Klägerin zu 1), M A , eine 74m² große Drei-Raum-Wohnung in der P straße in Berlin, für die sie monatlich 690,00 Euro zu zahlen hatten, davon 520,00 Euro Nettokaltmiete, 80,00 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 90,00 Euro Heizkostenvorschuss (Verwaltungsakte Bl. 24ff.).
Am 31.01.2008 beantragte die Klägerin für 1) für die Kläger bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Den Antragsunterlagen fügte die Klägerin zu 1) eine Erklärung vom 05.02.2008 bei, in der sie angab, als Arbeitssuchende freizügigkeitsberechtigt zu sein (Verwaltungsakte Bl. 11).
Den Leistungsantrag der Kläger lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2008 ab mit der Begründung, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch lägen nicht vor, da sich das Aufenthaltsrecht der Kläger allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe (Verwaltungsakte Bl. 38). Den hiergegen am 25.02.2008 erhobenen Widerspruch der Kläger wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 05.03.2008 (W ) als unbegründet zurück. Die Klägerin zu 1) sei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Aufgrund der Aktenlage und nach der eingereichten Arbeitsberechtigung-EU ergebe sich, dass sich die Klägerin zu 1) lediglich zum Zweck der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte.
Mit ihrer am 18.03.2008 ursprünglich auch für M A erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 08.02.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 05.03.2008 und verfolgen ihr Leistungsbegehren weiter. Sie tragen vor, die Kläger hätten Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1) sei ursprünglich wegen ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit freizügigkeitsberechtigt gewesen, daraus hätten ihre drei Söhne ein Aufenthaltsrecht herleiten können. Durch die Aufnahme ihrer Schulausbildung hätte den Klägern zu 2) und 3) ein Aufenthaltsrecht aus § 3 Abs. 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zugestanden, von dem wiederum die Klägerin zu 1) ein Aufenthaltsrecht habe ableiten können.
Mit Schriftsatz vom 05.11.2009 hat die Klägerseite die für M A erhobene Klage zurückgenommen und den Gegenstand des Klagebegehrens in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008 beschränkt.
Die Kläger beantragen nunmehr,
den Bescheid des Beklagten vom 08.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern für die Zeit vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unbegründet und verweist insoweit auf den Inhalt seiner Verwaltungsvorgänge sowie des angegriffenen Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008.
Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.01.2011 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zugestimmt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung am 28.01.2011 sowie der Verwaltungsakten des Beklagten, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen.
Entscheidungsgründe:
1. Das Gericht konnte hier gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da beide Beteiligte hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG zulässig. Die Kläger haben den Streitgegenstand in zulässiger Weise in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008 begrenzt.
Indes ist die Klage unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 08.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten, denn diese können gegen den Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II herleiten.
Als Anspruchsgrundlage für die von den Klägern begehrten Leistungen kommt allein § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 2, 3 SGB II, §§ 19ff. SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung in Betracht.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die mindestens 15 Jahre alt sind und die Altersgrenze aus § 7a SGB II nicht überschritten haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Darüber hinaus erhalten nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch jene Personen Leistungen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, wozu gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II u. a. auch die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gehören, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
Hier bedarf keiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II bei den Klägern vorliegen, denn die Kläger waren im streitgegenständlichen Zeitraum sämtlich bereits durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der seinerzeit geltenden Fassung vom Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II – und wegen § 23 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 SGB XII auch von Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe (SGB XII) – ausgeschlossen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Dies ist im Ergebnis bei sämtlichen Klägern der Fall.
a. So kann keiner der Kläger sein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland aus einem anderen Aufenthaltszweck als jenem der Arbeitssuche bzw. – im Falle der Kläger zu 2) und 3) – anders als als Familienangehörige eines aufgrund des Aufenthaltszwecks der Arbeitssuche Aufenthaltsberechtigten, hier der Klägerin zu 1), herleiten.
aa. Insbesondere können sich die Kläger nicht auf ein gemeinschaftsrechtlich begründetes, allgemeines und voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht stützen. Art. 18 Abs. 1 EGV gewährleistet das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht der Unionsbürger nur vorbehaltlich der in dem EGV und "in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen". Ein allgemeines, unbefristetes, von keinerlei Voraussetzungen abhängiges Aufenthaltsrecht für Unionsbürger in anderen Mitgliedsstaaten lässt sich hieraus nicht herleiten. Auch sieht Art. 6 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (sog. Unionsbürgerrichtlinie; Abl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77) ein – abgesehen von der Pflicht zum Besitz eines gültigen Personalausweises bzw. Reisepasses – voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern nur für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten vor, was durch § 2 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt ist. Dieser Zeitraum aber war hinsichtlich aller Kläger bei Beginn des streitbefangenen Zeitraums bereits verstrichen.
bb. Auch gehörte keiner der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum einer der sonstigen in § 2 Abs. 2 und 3 FreizügG/EU geregelten Fallgruppen zu. Insbesondere war keiner der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer oder Selbständiger erwerbstätig, auch wuchs den Klägern unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt nach dem Aufenthaltsgesetz eine günstigere Rechtsstellung als nach dem FreizügG/EU zu, die ihnen nach § 11 Abs. 1 Satz 5 FreizügG/EU erhalten bleiben würde. Überdies lagen für keinen der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU vor.
Ferner hatte im streitigen Zeitraum keiner der Kläger Arbeitnehmerstatus im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 FreizügG/EU, Art. 39 EGV erlangt. Dabei vertritt der EuGH in ständiger Rechtsprechung einen sehr weiten Arbeitnehmerbegriff, dem zufolge Arbeitnehmer jeder ist, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt – ohne dass es darauf ankäme, dass das Beschäftigungsverhältnis nach nationalem Recht ein Rechtsverhältnis sui generis ist, wie hoch die Produktivität des Betreffenden ist, woher die Mittel für die Vergütung stammen oder dass sich die Vergütung in Grenzen hält – wobei allerdings jene Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (EuGH, Urteil vom 07.09.2004, Rechtssache C-456/02 – Trojani, EuZW 2005, S. 307, 308; Urteil vom 23.03.2004, Rechtssache C-138/02 – Collins, EuZW 2004, S. 507). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, a.a.O. – Collins, Trojani). Auch diesem weiten Arbeitnehmerbegriff unterfielen die Kläger indes nicht, da sie keinerlei dergestalt geartete Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland ausübten.
Darüber hinaus stand der Klägerin zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht aufgrund ihrer unstreitig von Februar 2005 bis einschließlich Mai 2005 ausgeübten selbständigen Tätigkeit nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht als niedergelassene selbständige Erwerbstätige (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 FreizügG/EU) zu. Für ein Fortwirken des Aufenthaltsrechts aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 FreizügG/EU nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU fehlte es bereits an der erforderlichen Dauer der selbständigen Tätigkeit von mindestens einem Jahr.
Auch ein Fortwirken des Aufenthaltsrechts aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 FreizügG/EU nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU kommt nicht in Betracht. Zum einen ist die Regelung ihrem eindeutigen Wortlaut zufolge auf Fälle der Einstellung einer selbständigen Tätigkeit nach weniger als einem Jahr Dauer nicht anwendbar. Dies ergibt sich bereits aus einem Vergleich der Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU, in der die Einstellung einer selbständigen Tätigkeit ausdrücklich erwähnt wird, mit jener in § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU, die die Einstellung einer selbständigen Tätigkeit nicht erwähnt. Zum anderen lässt § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU das zuvor bestehende Aufenthaltsrecht nur für den Zeitraum von sechs Monaten unberührt. Zwischen der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit durch die Klägerin zu 1) und dem Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums lagen jedoch weitaus mehr als sechs Monate.
Ferner scheitert auch ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1) als nicht erwerbstätige Unionsbürgerin im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU daran, dass die Voraussetzungen von § 4 FreizügG/EU (ausreichender Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel) bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig nicht vorlagen.
Überdies ist den Klägern zu 2) und 3), die ihr Aufenthaltsrecht ursprünglich allein gemäß § 3 Abs. 1 FreizügG/EU von ihrer Mutter ableiten konnten, auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 4 FreizügG/EU erwachsen, denn weder ist die Klägerin zu 1) verstorben noch aus der Bundesrepublik Deutschland verzogen.
Schließlich können die Kläger zu 2) und 3) auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht unmittelbar aus Art. 12 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15.10.1968 herleiten und angesichts dessen der Klägerin zu 1) auch kein hiervon abgeleitetes, anderweitiges Aufenthaltsrecht vermitteln. Zwar begründet Art. 12 der VO 1612/68 für jene Kinder, deren Eltern ursprünglich ein Aufenthaltsrecht als Wanderarbeitnehmer hatten, auch nach Fortfall des elterlichen Aufenthaltsrechtes als Wanderarbeitnehmer für die Dauer der Teilnahme am allgemeinen (Schul-)Unterricht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.09.2002 – Rs. C-413/99; Baumbast), die Regelung aus Art. 12 der VO Nr. 1612/68 gilt auch nach Inkrafttreten der sog. Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004) fort (EuGH, Urteil vom 23.02.2010 – Rs. C-480/08; Teixeira).
Indessen scheitert ein Aufenthaltsrecht aus Art. 12 der VO Nr. 1612/68 hier an dem Umstand, dass die Klägerin zu 1) bereits nach ihrem eigenen Vorbringen nicht im Sinne von Art. 12 Satz 1 der VO 1612/68 in der Bundesrepublik Deutschland – als Arbeitnehmerin – beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist. Selbst wenn man – was fern liegt – insofern die selbständige Tätigkeit der Klägerin zu 1) im Zeitraum von Februar 2005 bis Mai 2005 genügen lassen würde, ergäbe sich nichts anderes, denn in dem Zeitraum, in dem die Klägerin zu 1) in der Bundesrepublik selbständig tätig war, nahmen die Kläger zu 2) und 3) in Deutschland nicht am allgemeinen Unterricht teil. Den Schulbesuch in Deutschland nahmen die Kläger zu 2) und 3) erst im August 2005 und damit mehrere Monate nach Fortfall des Aufenthaltsrechts der Klägerin zu 1) als niedergelassene selbständige Erwerbstätige auf. Insoweit können die Kläger zu 2) und 3) aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Baumbast nichts für sich herleiten, denn diese Entscheidung zielt ersichtlich darauf, den freizügigkeitsrechtlich erreichten status quo für mitgereiste, schulpflichtige Kinder eines Arbeitsnehmers und ihre Eltern für den Fall zu sichern, dass die Arbeitnehmereigenschaft der Eltern während des Schulbesuchs der Kinder entfällt. So liegt der Fall aber gerade nicht, vielmehr war den Klägern zu 2) und 3) zum Zeitpunkt des Fortfalls des Aufenthaltsrechts der Klägerin zu 1) als niedergelassene selbständige Erwerbstätige noch keine vergleichbare Rechtsposition zugewachsen.
Vielmehr vermögen nach alledem sämtliche Kläger im streitigen Zeitraum ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Aufenthaltszweck der Arbeitssuche im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 FreizügG/EU herzuleiten (Klägerin zu 1) bzw. nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU von dem zur Arbeitssuche aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen abzuleiten (Kläger zu 2) und 3) ).
b. Schließlich ist nach Überzeugung der Kammer der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II jedenfalls insofern mit höherrangigem Recht – insbesondere mit den Vorschriften des europäischen Primär- sowie Sekundärrechts – vereinbar, als hierdurch Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union, der nicht Vertragspartei des Europäischen Fürsorgeabkommens ist, vom Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sind, soweit sie ihr Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein aus dem Zweck der Arbeitssuche herleiten können (ebenso im Ergebnis LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009 – L 34 AS 790/09 B ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 03.04.2008 – L 9 AS 59/08 B ER; OVG Bremen, Beschluss vom 15.11.2007 – S 2 B 426/07, Rn. 15ff.; Mangold/Pattar, Ausschluss von Leistungen für arbeitssuchende Ausländer: Notwendigkeit einer europa-, völker- und grundrechtskonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, in: VSSR 2008, 243ff.; ebenso, aber einen Anspruch nach dem SGB XII bejahend: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.06.2007 – L 9 B 80/07 AS ER, Rn. 25ff.; Beschluss vom 03.11.2006 – L 20 B 248/06 AS ER, Rn. 22ff.; a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.04.2007 – L 19 B 116/07 AS ER; Schreiber, Frank, Der Arbeitslosengeld II-Anspruch von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen, in: info also 2008, 3ff.; ausdrücklich offen gelassen: BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R, Rn. 41; alle Entscheidungen zitiert nach juris).
aa. Zwar ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des EuGH auch jene Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates, die in einem anderen Mitgliedsstaat eine Beschäftigung suchen, in den Anwendungsbereich von Art. 39 EGV fallen und daher einen Anspruch auf die in Art. 39 Abs. 2 EGV vorgesehene Gleichbehandlung haben mit der Folge, dass es nicht mehr möglich ist, vom Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EGV eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates erleichtern soll (EuGH, a.a.O. – Collins, ebenso EuGH, Urteil vom 15.09.2005, Rechtssache C-258/04 – Ioannidis, EuZW 2005, 663, 664; Urteil vom 04.06.2009, Rechtssachen C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras, Koupatantze). Indes ist es legitim, dass ein Mitgliedsstaat solche Beihilfen erst gewährt, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitssuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates festgestellt wurde, wobei sich eine solche Verbindung auch aus der Feststellung ergeben kann, dass der Betroffene in dem in Rede stehenden Mitgliedsstaat während eines angemessenen Zeitraumes tatsächlich eine Beschäftigung gesucht hat. Daher können sich Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates, die zur Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedsstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um in diesem Mitgliedsstaat eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll (EuGH, a.a.O. – Vatsouras, Koupatantze, Rn. 38ff.).
Vor diesem Hintergrund ist auch die Regelung in Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie im Einklang mit Art. 39 Abs. 2 EGV auszulegen, und zwar dahingehend, dass finanzielle Leistungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, nicht als "Sozialhilfeleistungen" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie angesehen werden können, wobei es Sache der nationalen Behörden und Gerichte ist, die grundlegenden Merkmale einer finanziellen Leistung, ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung zu prüfen (EuGH, a.a.O. – Vatsouras, Koupatantze; Rn. 41, 45).
Dies zugrunde gelegt, ergibt sind dennoch kein Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist nicht im Hinblick auf den Ausschluss von Unionsbürgern aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II europarechtskonform einschränkend auszulegen, denn jedenfalls bei den hier im Streit stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des 2. Abschnitts des 3. Kapitels des SGB II handelt es sich nicht um "finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen" in dem vorgenannten Sinne.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II soll die Grundsicherung für Arbeitssuchende erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern. Indes ist die Regelung in § 1 Abs. 1 SGB II nach Auffassung der Kammer nicht so zu verstehen, dass jede Grundsicherungsleistung nach dem SGB II gleichermaßen jedem der in § 1 Abs. 1 SGB II beschriebenen Zwecke zu dienen bestimmt ist. Vielmehr unterscheidet das SGB II, wie sich aus § 1 Abs. 2 SGB II ergibt, grundlegend zwischen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit einerseits, die zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit dienen, und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts andererseits. Diese Unterscheidung zwischen aktiven Leistungen, die den Erwerbsfähigen bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen sollen, und passiven Leistungen, die den Lebensunterhalt der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und ihrer Familienangehörigen sichern sollen, war von Anfang an im Gesetzgebungsverfahren zu dem Vierten Gesetz über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, dem u.a. das SGB II entstammt, angelegt (so ausdrücklich: Gesetzentwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 15/1516, S. 50) und wurde durch den Gesetzgeber seither nicht aufgegeben. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die an die Stelle der früheren Arbeitslosenhilfe sowie Sozialhilfe traten, staatliche Fürsorgeleistungen darstellen, die allein der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens der Hilfebedürftigen dienen und gerade nicht "den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen". Sie sind als "Sozialhilfe" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie anzusehen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009 – L 34 AS 790/09 B ER, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de; OVG Bremen, Beschluss vom 15.11.2007 – S2 B 426/07, Rn. 14, zitiert nach JURIS). Dies zugrunde gelegt, überschreitet der Leistungsausschlusstatbestand aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Hinblick auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die im Wesentlichen durch Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie gezogenen Grenzen nicht.
Offen bleiben kann hier, ob andere Leistungen nach dem SGB II – insbesondere solche nach dem 1. Abschnitt des 3. Kapitels – als finanzielle Leistungen im vorgenannten Sinne, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, anzusehen sind und der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Lichte dessen europarechtskonform einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass er sich nicht auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erstreckt, denn solche Leistungen machen die Kläger in dem hiesigen Verfahren nicht geltend.
bb. Überdies sieht die Kammer keine Veranlassung, an der Vereinbarkeit von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie mit europäischem Primärrecht, namentlich mit Art. 12 EGV in Verbindung mit Art. 39 EGV, zu zweifeln mit der Folge, dass unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt auch der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. SGB II mit Blick auf Unionsbürger möglicherweise insgesamt gegen europäisches Primärrecht verstieße. Diese Frage kann im Lichte der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in den Rechtssachen Vatsouras und Koupatantze (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – Rs. C-22/08 und C 23-08; veröffentlicht im Internet unter www.curia.europa.eu) als geklärt angesehen werden. Auf die Vorlagefrage des Sozialgerichts Nürnberg hin, ob Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Art. 12 in Verbindung mit Art. 39 EGV vereinbar sei, sah der EuGH keinen rechtlichen Gesichtspunkt, der die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie berühren könnte (EuGH, a.a.O. – Rechtssachen Vatsouras, Koupatantze – Rn. 46).
cc. Außerdem verstößt die Leistungsausschlussregelung aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung nach Überzeugung der Kammer auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 4 der Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Abl. L 166 vom 30.04.2004, S. 1).
Hiernach haben jene Personen, für die die Verordnung 883/2004 gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Diese Regelung galt im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch noch nicht. Nach Art. 91 Satz 2 der Verordnung 883/2004 gilt diese ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung (gemäß Art. 89 VO 883/2004). Diese Durchführungsverordnung trat indes in Gestalt der Verordnung Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Abl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1) erst am 01.05.2010 und damit weit nach Ende des hier streitbefangenen Leistungszeitraumes in Kraft (vgl. Art. 97 Satz 2 VO 987/2009).
dd. Überdies kann die Kammer auch keinen Verstoß des Leistungsausschlusses aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Abl. L 149 vom 05.07.1971, S. 2) erkennen. Auch diese Regelung beinhaltet ein Gleichbehandlungsgebot, indes ist der persönliche Geltungsbereich der Verordnung für Arbeitssuchende und deren Familien-angehörige nicht eröffnet. Nach ihrem Art. 2 gilt die Verordnung 1408/71 nur für Arbeitnehmer und deren Familienangehörige, für Hinterbliebene von Arbeitnehmern und für Beamte und die Beamten gleichgestellten Personen. Arbeitssuchende und deren Familienangehörige gehören keinem der in Art. 2 der VO 1408/71 genannten Personenkreise zu (ebenso: Mangold/Pattar, a.a.O., S. 253 mit weiteren Nachweisen).
c. Schließlich verstößt der Leistungsausschluss aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, soweit er sich auf polnische Staatsangehörige wie die Kläger bezieht, auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 (EFA, BGBl. 1956 Teil II, S. 564; Vertragstext veröffentlicht im Internet unter http://conventions.coe.int) in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz vom 15.05.1959.
Zwar ist der Leistungsausschluss aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf jene Personen nicht anwendbar, die sich auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 1 EFA berufen können (Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R, Rn. 21 mit weiteren Nachweisen; zitiert nach JURIS), das ist bei den Klägern jedoch nicht der Fall. Die Kläger sind polnische Staatsangehörige, die Republik Polen ist bislang kein Signatarstaat des Europäischen Fürsorgeabkommens und damit nicht Partei dieses völkerrechtlichen Vertrages.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt dem Unterliegen der Kläger in der Hauptsache.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) dem Grunde nach an die Kläger für den Zeitraum vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008.
Die 1969 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter des am.1990 geborenen Klägers zu 2) und des am 1992 geborenen Klägers zu 3).
Die Kläger sind polnische Staatsangehörige. Nach einem kurzen Aufenthalt von Juli 1997 bis April 1998 hält sich die Klägerin zu 1) seit dem 01.09.2004 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Kläger zu 2) und 3) leben seit Mai 2005 bei ihrer Mutter in Berlin.
In den Monaten Februar 2005 bis einschließlich Mai 2005 war die Klägerin zu 1) selbständig tätig, aus ihrer selbständigen Tätigkeit erzielte sie monatliche Überschüsse zwischen 389,73 Euro und 652,10 Euro. Nach Mai 2005 war die Klägerin zu 1) nicht wieder erwerbstätig.
Am 15.03.2005 erteilte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin der Klägerin zu 1) eine Bescheinigung (Bl. 9 der Verwaltungsakte) über das gemeinschaftliche Aufenthaltsrecht gemäß § 5 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU).
Am 17.01.2008 erteilte die Agentur für Arbeit Berlin-Süd der Klägerin zu 1) eine unbefristete Arbeitsberechtigung-EU (Verwaltungsakte Bl. 10).
Während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums bewohnten die Kläger gemeinsam mit dem am 27.02.1991 geborenen, weiteren Sohn der Klägerin zu 1), M A , eine 74m² große Drei-Raum-Wohnung in der P straße in Berlin, für die sie monatlich 690,00 Euro zu zahlen hatten, davon 520,00 Euro Nettokaltmiete, 80,00 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 90,00 Euro Heizkostenvorschuss (Verwaltungsakte Bl. 24ff.).
Am 31.01.2008 beantragte die Klägerin für 1) für die Kläger bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Den Antragsunterlagen fügte die Klägerin zu 1) eine Erklärung vom 05.02.2008 bei, in der sie angab, als Arbeitssuchende freizügigkeitsberechtigt zu sein (Verwaltungsakte Bl. 11).
Den Leistungsantrag der Kläger lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2008 ab mit der Begründung, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch lägen nicht vor, da sich das Aufenthaltsrecht der Kläger allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe (Verwaltungsakte Bl. 38). Den hiergegen am 25.02.2008 erhobenen Widerspruch der Kläger wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 05.03.2008 (W ) als unbegründet zurück. Die Klägerin zu 1) sei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Aufgrund der Aktenlage und nach der eingereichten Arbeitsberechtigung-EU ergebe sich, dass sich die Klägerin zu 1) lediglich zum Zweck der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte.
Mit ihrer am 18.03.2008 ursprünglich auch für M A erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 08.02.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 05.03.2008 und verfolgen ihr Leistungsbegehren weiter. Sie tragen vor, die Kläger hätten Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1) sei ursprünglich wegen ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit freizügigkeitsberechtigt gewesen, daraus hätten ihre drei Söhne ein Aufenthaltsrecht herleiten können. Durch die Aufnahme ihrer Schulausbildung hätte den Klägern zu 2) und 3) ein Aufenthaltsrecht aus § 3 Abs. 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zugestanden, von dem wiederum die Klägerin zu 1) ein Aufenthaltsrecht habe ableiten können.
Mit Schriftsatz vom 05.11.2009 hat die Klägerseite die für M A erhobene Klage zurückgenommen und den Gegenstand des Klagebegehrens in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008 beschränkt.
Die Kläger beantragen nunmehr,
den Bescheid des Beklagten vom 08.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern für die Zeit vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unbegründet und verweist insoweit auf den Inhalt seiner Verwaltungsvorgänge sowie des angegriffenen Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008.
Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.01.2011 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zugestimmt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung am 28.01.2011 sowie der Verwaltungsakten des Beklagten, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen.
Entscheidungsgründe:
1. Das Gericht konnte hier gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da beide Beteiligte hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG zulässig. Die Kläger haben den Streitgegenstand in zulässiger Weise in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum vom 31.01.2008 bis einschließlich 14.04.2008 begrenzt.
Indes ist die Klage unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 08.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten, denn diese können gegen den Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II herleiten.
Als Anspruchsgrundlage für die von den Klägern begehrten Leistungen kommt allein § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 2, 3 SGB II, §§ 19ff. SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung in Betracht.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die mindestens 15 Jahre alt sind und die Altersgrenze aus § 7a SGB II nicht überschritten haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Darüber hinaus erhalten nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch jene Personen Leistungen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, wozu gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II u. a. auch die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gehören, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
Hier bedarf keiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II bei den Klägern vorliegen, denn die Kläger waren im streitgegenständlichen Zeitraum sämtlich bereits durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der seinerzeit geltenden Fassung vom Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II – und wegen § 23 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 SGB XII auch von Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe (SGB XII) – ausgeschlossen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Dies ist im Ergebnis bei sämtlichen Klägern der Fall.
a. So kann keiner der Kläger sein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland aus einem anderen Aufenthaltszweck als jenem der Arbeitssuche bzw. – im Falle der Kläger zu 2) und 3) – anders als als Familienangehörige eines aufgrund des Aufenthaltszwecks der Arbeitssuche Aufenthaltsberechtigten, hier der Klägerin zu 1), herleiten.
aa. Insbesondere können sich die Kläger nicht auf ein gemeinschaftsrechtlich begründetes, allgemeines und voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht stützen. Art. 18 Abs. 1 EGV gewährleistet das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht der Unionsbürger nur vorbehaltlich der in dem EGV und "in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen". Ein allgemeines, unbefristetes, von keinerlei Voraussetzungen abhängiges Aufenthaltsrecht für Unionsbürger in anderen Mitgliedsstaaten lässt sich hieraus nicht herleiten. Auch sieht Art. 6 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (sog. Unionsbürgerrichtlinie; Abl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77) ein – abgesehen von der Pflicht zum Besitz eines gültigen Personalausweises bzw. Reisepasses – voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern nur für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten vor, was durch § 2 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU in nationales Recht umgesetzt ist. Dieser Zeitraum aber war hinsichtlich aller Kläger bei Beginn des streitbefangenen Zeitraums bereits verstrichen.
bb. Auch gehörte keiner der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum einer der sonstigen in § 2 Abs. 2 und 3 FreizügG/EU geregelten Fallgruppen zu. Insbesondere war keiner der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer oder Selbständiger erwerbstätig, auch wuchs den Klägern unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt nach dem Aufenthaltsgesetz eine günstigere Rechtsstellung als nach dem FreizügG/EU zu, die ihnen nach § 11 Abs. 1 Satz 5 FreizügG/EU erhalten bleiben würde. Überdies lagen für keinen der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU vor.
Ferner hatte im streitigen Zeitraum keiner der Kläger Arbeitnehmerstatus im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 FreizügG/EU, Art. 39 EGV erlangt. Dabei vertritt der EuGH in ständiger Rechtsprechung einen sehr weiten Arbeitnehmerbegriff, dem zufolge Arbeitnehmer jeder ist, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt – ohne dass es darauf ankäme, dass das Beschäftigungsverhältnis nach nationalem Recht ein Rechtsverhältnis sui generis ist, wie hoch die Produktivität des Betreffenden ist, woher die Mittel für die Vergütung stammen oder dass sich die Vergütung in Grenzen hält – wobei allerdings jene Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (EuGH, Urteil vom 07.09.2004, Rechtssache C-456/02 – Trojani, EuZW 2005, S. 307, 308; Urteil vom 23.03.2004, Rechtssache C-138/02 – Collins, EuZW 2004, S. 507). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, a.a.O. – Collins, Trojani). Auch diesem weiten Arbeitnehmerbegriff unterfielen die Kläger indes nicht, da sie keinerlei dergestalt geartete Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland ausübten.
Darüber hinaus stand der Klägerin zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht aufgrund ihrer unstreitig von Februar 2005 bis einschließlich Mai 2005 ausgeübten selbständigen Tätigkeit nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht als niedergelassene selbständige Erwerbstätige (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 FreizügG/EU) zu. Für ein Fortwirken des Aufenthaltsrechts aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 FreizügG/EU nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU fehlte es bereits an der erforderlichen Dauer der selbständigen Tätigkeit von mindestens einem Jahr.
Auch ein Fortwirken des Aufenthaltsrechts aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 FreizügG/EU nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU kommt nicht in Betracht. Zum einen ist die Regelung ihrem eindeutigen Wortlaut zufolge auf Fälle der Einstellung einer selbständigen Tätigkeit nach weniger als einem Jahr Dauer nicht anwendbar. Dies ergibt sich bereits aus einem Vergleich der Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU, in der die Einstellung einer selbständigen Tätigkeit ausdrücklich erwähnt wird, mit jener in § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU, die die Einstellung einer selbständigen Tätigkeit nicht erwähnt. Zum anderen lässt § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU das zuvor bestehende Aufenthaltsrecht nur für den Zeitraum von sechs Monaten unberührt. Zwischen der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit durch die Klägerin zu 1) und dem Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums lagen jedoch weitaus mehr als sechs Monate.
Ferner scheitert auch ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1) als nicht erwerbstätige Unionsbürgerin im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU daran, dass die Voraussetzungen von § 4 FreizügG/EU (ausreichender Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel) bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig nicht vorlagen.
Überdies ist den Klägern zu 2) und 3), die ihr Aufenthaltsrecht ursprünglich allein gemäß § 3 Abs. 1 FreizügG/EU von ihrer Mutter ableiten konnten, auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 4 FreizügG/EU erwachsen, denn weder ist die Klägerin zu 1) verstorben noch aus der Bundesrepublik Deutschland verzogen.
Schließlich können die Kläger zu 2) und 3) auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht unmittelbar aus Art. 12 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15.10.1968 herleiten und angesichts dessen der Klägerin zu 1) auch kein hiervon abgeleitetes, anderweitiges Aufenthaltsrecht vermitteln. Zwar begründet Art. 12 der VO 1612/68 für jene Kinder, deren Eltern ursprünglich ein Aufenthaltsrecht als Wanderarbeitnehmer hatten, auch nach Fortfall des elterlichen Aufenthaltsrechtes als Wanderarbeitnehmer für die Dauer der Teilnahme am allgemeinen (Schul-)Unterricht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.09.2002 – Rs. C-413/99; Baumbast), die Regelung aus Art. 12 der VO Nr. 1612/68 gilt auch nach Inkrafttreten der sog. Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004) fort (EuGH, Urteil vom 23.02.2010 – Rs. C-480/08; Teixeira).
Indessen scheitert ein Aufenthaltsrecht aus Art. 12 der VO Nr. 1612/68 hier an dem Umstand, dass die Klägerin zu 1) bereits nach ihrem eigenen Vorbringen nicht im Sinne von Art. 12 Satz 1 der VO 1612/68 in der Bundesrepublik Deutschland – als Arbeitnehmerin – beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist. Selbst wenn man – was fern liegt – insofern die selbständige Tätigkeit der Klägerin zu 1) im Zeitraum von Februar 2005 bis Mai 2005 genügen lassen würde, ergäbe sich nichts anderes, denn in dem Zeitraum, in dem die Klägerin zu 1) in der Bundesrepublik selbständig tätig war, nahmen die Kläger zu 2) und 3) in Deutschland nicht am allgemeinen Unterricht teil. Den Schulbesuch in Deutschland nahmen die Kläger zu 2) und 3) erst im August 2005 und damit mehrere Monate nach Fortfall des Aufenthaltsrechts der Klägerin zu 1) als niedergelassene selbständige Erwerbstätige auf. Insoweit können die Kläger zu 2) und 3) aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Baumbast nichts für sich herleiten, denn diese Entscheidung zielt ersichtlich darauf, den freizügigkeitsrechtlich erreichten status quo für mitgereiste, schulpflichtige Kinder eines Arbeitsnehmers und ihre Eltern für den Fall zu sichern, dass die Arbeitnehmereigenschaft der Eltern während des Schulbesuchs der Kinder entfällt. So liegt der Fall aber gerade nicht, vielmehr war den Klägern zu 2) und 3) zum Zeitpunkt des Fortfalls des Aufenthaltsrechts der Klägerin zu 1) als niedergelassene selbständige Erwerbstätige noch keine vergleichbare Rechtsposition zugewachsen.
Vielmehr vermögen nach alledem sämtliche Kläger im streitigen Zeitraum ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Aufenthaltszweck der Arbeitssuche im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 FreizügG/EU herzuleiten (Klägerin zu 1) bzw. nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU von dem zur Arbeitssuche aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen abzuleiten (Kläger zu 2) und 3) ).
b. Schließlich ist nach Überzeugung der Kammer der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II jedenfalls insofern mit höherrangigem Recht – insbesondere mit den Vorschriften des europäischen Primär- sowie Sekundärrechts – vereinbar, als hierdurch Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union, der nicht Vertragspartei des Europäischen Fürsorgeabkommens ist, vom Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sind, soweit sie ihr Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein aus dem Zweck der Arbeitssuche herleiten können (ebenso im Ergebnis LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009 – L 34 AS 790/09 B ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 03.04.2008 – L 9 AS 59/08 B ER; OVG Bremen, Beschluss vom 15.11.2007 – S 2 B 426/07, Rn. 15ff.; Mangold/Pattar, Ausschluss von Leistungen für arbeitssuchende Ausländer: Notwendigkeit einer europa-, völker- und grundrechtskonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, in: VSSR 2008, 243ff.; ebenso, aber einen Anspruch nach dem SGB XII bejahend: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.06.2007 – L 9 B 80/07 AS ER, Rn. 25ff.; Beschluss vom 03.11.2006 – L 20 B 248/06 AS ER, Rn. 22ff.; a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.04.2007 – L 19 B 116/07 AS ER; Schreiber, Frank, Der Arbeitslosengeld II-Anspruch von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen, in: info also 2008, 3ff.; ausdrücklich offen gelassen: BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R, Rn. 41; alle Entscheidungen zitiert nach juris).
aa. Zwar ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des EuGH auch jene Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates, die in einem anderen Mitgliedsstaat eine Beschäftigung suchen, in den Anwendungsbereich von Art. 39 EGV fallen und daher einen Anspruch auf die in Art. 39 Abs. 2 EGV vorgesehene Gleichbehandlung haben mit der Folge, dass es nicht mehr möglich ist, vom Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EGV eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates erleichtern soll (EuGH, a.a.O. – Collins, ebenso EuGH, Urteil vom 15.09.2005, Rechtssache C-258/04 – Ioannidis, EuZW 2005, 663, 664; Urteil vom 04.06.2009, Rechtssachen C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras, Koupatantze). Indes ist es legitim, dass ein Mitgliedsstaat solche Beihilfen erst gewährt, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitssuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates festgestellt wurde, wobei sich eine solche Verbindung auch aus der Feststellung ergeben kann, dass der Betroffene in dem in Rede stehenden Mitgliedsstaat während eines angemessenen Zeitraumes tatsächlich eine Beschäftigung gesucht hat. Daher können sich Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates, die zur Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedsstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um in diesem Mitgliedsstaat eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll (EuGH, a.a.O. – Vatsouras, Koupatantze, Rn. 38ff.).
Vor diesem Hintergrund ist auch die Regelung in Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie im Einklang mit Art. 39 Abs. 2 EGV auszulegen, und zwar dahingehend, dass finanzielle Leistungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, nicht als "Sozialhilfeleistungen" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie angesehen werden können, wobei es Sache der nationalen Behörden und Gerichte ist, die grundlegenden Merkmale einer finanziellen Leistung, ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung zu prüfen (EuGH, a.a.O. – Vatsouras, Koupatantze; Rn. 41, 45).
Dies zugrunde gelegt, ergibt sind dennoch kein Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist nicht im Hinblick auf den Ausschluss von Unionsbürgern aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II europarechtskonform einschränkend auszulegen, denn jedenfalls bei den hier im Streit stehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des 2. Abschnitts des 3. Kapitels des SGB II handelt es sich nicht um "finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen" in dem vorgenannten Sinne.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II soll die Grundsicherung für Arbeitssuchende erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern. Indes ist die Regelung in § 1 Abs. 1 SGB II nach Auffassung der Kammer nicht so zu verstehen, dass jede Grundsicherungsleistung nach dem SGB II gleichermaßen jedem der in § 1 Abs. 1 SGB II beschriebenen Zwecke zu dienen bestimmt ist. Vielmehr unterscheidet das SGB II, wie sich aus § 1 Abs. 2 SGB II ergibt, grundlegend zwischen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit einerseits, die zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit dienen, und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts andererseits. Diese Unterscheidung zwischen aktiven Leistungen, die den Erwerbsfähigen bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen sollen, und passiven Leistungen, die den Lebensunterhalt der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und ihrer Familienangehörigen sichern sollen, war von Anfang an im Gesetzgebungsverfahren zu dem Vierten Gesetz über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, dem u.a. das SGB II entstammt, angelegt (so ausdrücklich: Gesetzentwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 15/1516, S. 50) und wurde durch den Gesetzgeber seither nicht aufgegeben. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die an die Stelle der früheren Arbeitslosenhilfe sowie Sozialhilfe traten, staatliche Fürsorgeleistungen darstellen, die allein der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens der Hilfebedürftigen dienen und gerade nicht "den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen". Sie sind als "Sozialhilfe" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie anzusehen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009 – L 34 AS 790/09 B ER, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de; OVG Bremen, Beschluss vom 15.11.2007 – S2 B 426/07, Rn. 14, zitiert nach JURIS). Dies zugrunde gelegt, überschreitet der Leistungsausschlusstatbestand aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Hinblick auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die im Wesentlichen durch Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie gezogenen Grenzen nicht.
Offen bleiben kann hier, ob andere Leistungen nach dem SGB II – insbesondere solche nach dem 1. Abschnitt des 3. Kapitels – als finanzielle Leistungen im vorgenannten Sinne, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, anzusehen sind und der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Lichte dessen europarechtskonform einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass er sich nicht auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erstreckt, denn solche Leistungen machen die Kläger in dem hiesigen Verfahren nicht geltend.
bb. Überdies sieht die Kammer keine Veranlassung, an der Vereinbarkeit von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie mit europäischem Primärrecht, namentlich mit Art. 12 EGV in Verbindung mit Art. 39 EGV, zu zweifeln mit der Folge, dass unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt auch der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. SGB II mit Blick auf Unionsbürger möglicherweise insgesamt gegen europäisches Primärrecht verstieße. Diese Frage kann im Lichte der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in den Rechtssachen Vatsouras und Koupatantze (EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – Rs. C-22/08 und C 23-08; veröffentlicht im Internet unter www.curia.europa.eu) als geklärt angesehen werden. Auf die Vorlagefrage des Sozialgerichts Nürnberg hin, ob Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Art. 12 in Verbindung mit Art. 39 EGV vereinbar sei, sah der EuGH keinen rechtlichen Gesichtspunkt, der die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie berühren könnte (EuGH, a.a.O. – Rechtssachen Vatsouras, Koupatantze – Rn. 46).
cc. Außerdem verstößt die Leistungsausschlussregelung aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung nach Überzeugung der Kammer auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 4 der Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Abl. L 166 vom 30.04.2004, S. 1).
Hiernach haben jene Personen, für die die Verordnung 883/2004 gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Diese Regelung galt im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch noch nicht. Nach Art. 91 Satz 2 der Verordnung 883/2004 gilt diese ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung (gemäß Art. 89 VO 883/2004). Diese Durchführungsverordnung trat indes in Gestalt der Verordnung Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Abl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1) erst am 01.05.2010 und damit weit nach Ende des hier streitbefangenen Leistungszeitraumes in Kraft (vgl. Art. 97 Satz 2 VO 987/2009).
dd. Überdies kann die Kammer auch keinen Verstoß des Leistungsausschlusses aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Abl. L 149 vom 05.07.1971, S. 2) erkennen. Auch diese Regelung beinhaltet ein Gleichbehandlungsgebot, indes ist der persönliche Geltungsbereich der Verordnung für Arbeitssuchende und deren Familien-angehörige nicht eröffnet. Nach ihrem Art. 2 gilt die Verordnung 1408/71 nur für Arbeitnehmer und deren Familienangehörige, für Hinterbliebene von Arbeitnehmern und für Beamte und die Beamten gleichgestellten Personen. Arbeitssuchende und deren Familienangehörige gehören keinem der in Art. 2 der VO 1408/71 genannten Personenkreise zu (ebenso: Mangold/Pattar, a.a.O., S. 253 mit weiteren Nachweisen).
c. Schließlich verstößt der Leistungsausschluss aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, soweit er sich auf polnische Staatsangehörige wie die Kläger bezieht, auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 (EFA, BGBl. 1956 Teil II, S. 564; Vertragstext veröffentlicht im Internet unter http://conventions.coe.int) in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz vom 15.05.1959.
Zwar ist der Leistungsausschluss aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf jene Personen nicht anwendbar, die sich auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 1 EFA berufen können (Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R, Rn. 21 mit weiteren Nachweisen; zitiert nach JURIS), das ist bei den Klägern jedoch nicht der Fall. Die Kläger sind polnische Staatsangehörige, die Republik Polen ist bislang kein Signatarstaat des Europäischen Fürsorgeabkommens und damit nicht Partei dieses völkerrechtlichen Vertrages.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und folgt dem Unterliegen der Kläger in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved