S 205 AS 13830/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
205
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 205 AS 13830/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Grundlagendaten des Berliner Mietspiegels 2013 sind repräsentativ erhoben und unter Einhaltung mathematisch-statistischer Grundsätze ausgewertet.
2. Maßgebend für die Frage, welche Anforderungen an die Repräsentativität eines Mietspiegels zu stellen sind, ist die Auffassung der Mehrheit der Fachwissenschaftlicher.
3. Es widerspricht nicht anerkannten mathematisch-statistischen Grundsätzen, wenn eine Datenbereinigung anhand des 95-Prozent-Konfidenzintervalls erfolgt.
4. Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines sogenannten Preissprungs im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R).
5. Die angemessene Wohnfläche für einen 3-Personen-Haushalt in Berlin beträgt 80 m² (Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg, 20.3.2014 – L 25 AS 2038/10; LSG Berlin-Brandenburg, 25.11.2015 – L 18 AS 1467/14).
6. Selbst wenn die Bestimmung der abstrakt angemessenen Bedarfe für die Unterkunft nicht auf einem qualifizierten Mietspiegel beruht, tragen die Leistungsberechtigten die Beweislast für die Behauptung, es gäbe innerhalb des örtlichen Vergleichsraums keine Wohnungen zu den abstrakt angemessenen Bedarfen für die Unterkunft.
7. Sofern in einer Bedarfsgemeinschaft schulpflichtige minderjährige Kinder leben, entfällt nicht die Obliegenheit zur Senkung der Aufwendungen für die Unterkunft, sondern sie bezieht sich lediglich auf einen engeren Umkreis als den örtlichen Vergleichsraum.
8. Wegen einer Tatsachenfrage (hier: Wohnungsmangellage) kann die Berufung nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden.
9. Eine Divergenz liegt nicht mehr vor, wenn die Entscheidung des Obergerichts, von der abgewichen wird, durch höchstrichterliche Rechtsprechung überholt ist.
10. Sogenannte Angebotsmieten müssen bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen Bedarfe für die Unterkunft durch ein schlüssiges Konzept nicht berücksichtigt werden, da die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch die §§ 22a bis 22c SGB II begrenzt wird (Anschluss an BSG, 12.12.2017 – B 4 AS 33/16 R) und § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II allein die Berücksichtigung von Neuvertrags- und Bestandsmieten vorsieht.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für Februar bis Juli 2015.

Die 1969 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1.) ist die Mutter der 1997 geborenen Klägerin zu 2.) und des 2003 geborenen Klägers zu 3.) Die Kläger beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Kläger wohnen in Berlin. Die Miete der Kläger betrug von Februar bis Mai 2015 785,79 EUR bestehend aus Nettokaltmiete 529,36 EUR, Betriebskostenvorauszahlungen 173,69 EUR, Aufzugskostenvorauszahlungen 27,71 EUR, Heizkostenvorauszahlungen 55,03 EUR. Ab Juni 2015 erhöhte sich die Miete auf 826,51 EUR monatlich durch eine Erhöhung der Nettokaltmiete auf 570,08 EUR. Das Gebäude, in dem die angemietete Wohnung belegen ist, wird mit Heizöl beheizt und verfügt über eine beheizbare Gesamtgrundfläche von 704 m² oder 1.642 m². Die Warmwasserversorgung erfolgt dezentral.

Bereits im Juni 2011 hörte der Beklagte die Kläger zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft an. Danach betrage die angemessene Miete für einen 3-Personen-Haushalt 542,00 EUR. Die Miete der Kläger übersteige diese Richtwerte. Im Juli 2011 entschied der Beklagte aus Wirtschaftlichkeitsgründen von einer Kostensenkungsaufforderung abzusehen.

Im Juli 2012 hörte der Beklagte die Kläger erneut zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft an. Die jetzige Miete übersteige die neuen Richtwerte.

Im September 2012 forderte der Beklagte die Kläger auf, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken. Es sei beabsichtigt, ab 1. Oktober 2013 nur noch die angemessenen Kosten zuzüglich 10 Prozent, mithin insgesamt 634,70 EUR zu berücksichtigen.

Ab Oktober 2013 berücksichtigte der Beklagte nur noch diese Bedarfe für Unterkunft und Heizung. So bewilligte der Beklagte den Klägern für Februar bis Juli 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 957,39 EUR (Bewilligungsbescheid vom 9. Januar 2015). Als Bedarf für Unterkunft und Heizung berücksichtigte er 634,71 EUR.

Mit Änderungsbescheid vom 19. März 2015 bewilligte der Beklagte höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Februar bis Juli 2015. Bedarfe für Unterkunft und Heizung berücksichtigte der Beklagte nunmehr in Höhe von 688,79 EUR.

Hiergegen erhoben die Kläger am 2. April 2015 Widerspruch.

Der Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2015). Es sei nur die angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung anzuerkennen. Angemessen seien lediglich 668,80 EUR. Die tatsächliche Miete liege bei 785,79 EUR und übersteige die Kosten der Angemessenheit bei Weitem.

Mit der am 6. Juli 2015 zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Für Juli 2015 bewilligte der Beklagte den Klägern später Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Anerkennung eines Bedarfs für Unterkunft und Heizung von 785,76 EUR (Änderungsbescheid vom 21. August 2015).

Die Kläger meinen, der Berliner Mietspiegel 2013 sei nicht qualifiziert und sei auch nicht als Schätzgrundlage verwertbar. Der Wohnungsmarkt in Berlin sei angespannt und Angebotsmieten lägen "viel zu hoch" über den "Mietspiegelwerten". Der Rückschluss von Mietspiegelwerten auf das tatsächliche Vorhandensein einer Wohnung gehe an der Realität vorbei. In Berlin stehe aufgrund der erlassenen Mietenbegrenzungsverordnung fest, dass die Versorgung mit Wohnraum nicht mehr sichergestellt sei.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 9. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 19. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 19. Juni 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 21. August 2015 zu verurteilen, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Bedarfs für Unterkunft und Heizung i.H.v. 785,79 EUR monatlich für Februar bis Mai 2015 und i.H.v. 826,51 EUR für Juni 2015 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die der Kammer bei Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage unbegründet.

Die angefochtenen Bewilligungsbescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten sowie der nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand dieses Verfahrens gewordene Änderungsbescheid des Beklagten sind rechtmäßig und beschweren die Kläger daher nicht (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Kläger haben keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Rechtsgrundlage ist § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. April 2011 gültigen Fassung. Hiernach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Die Kläger können nicht die Anerkennung weiterer Bedarfe für Unterkunft und Heizung beanspruchen, da der Beklagte bereits mehr als die angemessenen Bedarfe anerkannt hat.

Die Angemessenheit kann nicht nach der Wohnaufwendungenverordnung (WAV) vom 3. April 2012 bestimmt werden, da diese für den Zeitraum 1.5.2012 bis 31.7.2013 unwirksam ist (LSG Berlin-Brandenburg, 4.9.2013 – L 36 AS 1987/13 NK; BSG, 4.6.2014 – B 14 AS 53/13 R) und die Fortschreibungsverordnungen für nachfolgende Zeiträume aufgehoben wurden (Verordnung zur Aufhebung der Wohnaufwendungenverordnung (WAV-AufhebungsVO) vom 16. Juni 2015, GVBl 275).

Die erkennende Kammer ist in der Lage, anhand der Grundlagendaten des Berliner Mietspiegels 2013 ein eigenes schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Bedarfe für die Unterkunft in Berlin zu entwickeln (1.). Danach belaufen sich die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft für einen 3-Personen-Haushalt auf 524,80 EUR und die anzuerkennenden Bedarfe für Heizkosten betragen 55,03 EUR (2.). Wegen eines Preissprungs sind ab April 2015 552,80 EUR als angemessen anzuerkennen (3.). Die hiernach angemessenen Bedarfe hat der Beklagte bereits durch die von ihm bewilligten Leistungen gedeckt (4.). Einen weitergehenden Anspruch können die Kläger weder aus einer abweichenden konkreten Bestimmung ihrer angemessenen Bedarfe (5.) noch aus Gründen der Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Senkung der Kosten (6.) herleiten.

1. Soweit die Kläger unter Bezugnahme auf zivilgerichtliche Rechtsprechung meinen, die Grundlagendaten des Berliner Mietspiegels seien nicht geeignet, um ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, da sie nicht hinreichend repräsentativ seien, vermag dies die erkennende Kammer nicht zu überzeugen.

Dabei ist zunächst festzustellen, dass rechtlich unerheblich ist, ob es sich bei dem Berliner Mietspiegel um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne von § 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handelt. Bereits nach zivilrechtlicher Rechtsprechung stellt schon ein einfacher Mietspiegel ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (BGH, Urt. v. 21.11.2011 - VIII ZR 46/12, NJW 2013, 775, Rn. 16). Auch das Bundessozialgericht hat konsequent bestätigt, dass u. a. auch ein einfacher Mietspiegel Grundlage eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der Bedarfe für Unterkunft sein kann (vgl. BSG, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Rn. 27).

Zur Überzeugung der Kammer kann aber auch die Entscheidung der zivilrechtlichen Frage dahingestellt bleiben, ob der Berliner Mietspiegel nach § 558c BGB als einfacher Mietspiegel einzuordnen ist, da es hierauf aus sozialrechtlicher Sicht nicht entscheidend ankommt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird lediglich verlangt, dass das vom Grundsicherungsträger gewählte Konzept auf einer Datengrundlage beruht, welche eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (BSG, Urt. v. 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16f.). Insbesondere muss die zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe durchgeführte Datenerhebung und -auswertung überprüfbar sein und gewisse Mindeststandards bei der Datenerhebung und -auswertung im Sinne der Folgerichtigkeit erfüllen (Knickrehm, SozSich 2015, 287, 289). Notwendig, aber auch ausreichend ist in diesem Sinne die Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten, die Validität der Datenerhebung sowie die Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung (BSG, SozR 4-4200 § 22 Nr 30, Rn. 19).

Die nach § 128 Abs. 1 SGG notwendige Überzeugung, dass die Daten des Berliner Mietspiegels nicht repräsentativ seien, kann die erkennende Kammer nicht aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere den eingeholten Sachverständigengutachten des Wirtschafts- und Sozialstatistikers Prof. Dr. Krämer vom 17. April 2014 und vom 26. Mai 2014 betreffend die Mietspiegel 2009 und 2013, gewinnen. Denn bei kritischer Auseinandersetzung ist zu konstatieren, dass dieses Gutachten die Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit nicht erfüllt, da eine Auseinandersetzung mit der maßgeblichen statistisch-mathematischen Literatur und den rechtlichen Vorgaben zur Frage der richtigen Methode der Erstellung von Mietspiegeln nicht einmal ansatzweise stattfindet (so zutreffend auch Börstinghaus, NJW 2015, 3200, 3201). Jedenfalls ist die Kammer von der fehlenden Repräsentativität schon deshalb nicht überzeugt, weil der Sachverständige schon selbst hiervon nicht überzeugt ist ("Zumindest sind beträchtliche Zweifel an der Repräsentativität erlaubt."). Entgegen der Auffassung des 32. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG Berlin-Brandenburg, 31.1.2018 – L 32 AS 1223/15) verletzt die Heranziehung der Daten des Berliner Mietspiegels weder hinsichtlich des Fehlens einer bestimmten Rücklaufquote noch hinsichtlich der bis 2013 angewandten Methode der Extremwertbereinigung anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze der Datenauswertung.

Die Existenz eines anerkannten mathematisch-statistischen Grundsatzes, wonach die Datengrundlage eines Mietspiegels erst dann hinreichend repräsentativ ist, wenn eine "Rücklaufquote" von mehr als 10 Prozent erreicht wird (so LSG Berlin-Brandenburg, aaO), ist nicht belegt.

Kommt es für die Entscheidung eines Rechtsstreits darauf an, ob ein Konzept zur Ermittlung abstrakt angemessener Unterkunftskosten auf einer ausreichenden Datengrundlage beruht, muss das zuständige Gericht sich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Die heranzuziehenden Quellen, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums etc hat das jeweilige Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin ggf durch Sachverständige zu überprüfen (vgl. zu den Anforderungen an medizinische Ermittlungen etwa BSG, 23.4.2015 – B 2 U 6/13 R – SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7, Rn. 20). Maßgeblich ist dabei die Auffassung der Mehrheit der im jeweils maßgeblichen Gebiet tätigen Fachwissenschaftler, einzelne Gegenstimmen sind hierfür nicht beachtlich (Bieresborn, in Francke/Gagel/Bieresborn, Der Sachverständigenbeweis im Sozialrecht, 2. Aufl. 2017, § 2 Rn. 39).

Nach diesem Maßstab lässt sich nicht feststellen, dass eine Mindestrücklaufquote von 10 Prozent bei der Datenermittlung für einen Mietspiegel erforderlich ist. Im Gegenteil: Nach wohl herrschender wissenschaftlicher Auffassung ist es grundsätzlich ausreichend, dass eine Zufallsstichprobe erhoben wird, bei der jede Wohnung die gleichen Chancen hat, in der Stichprobe vertreten zu sein (Börstinghaus, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 558d Rn. 65; Fleindl, in BeckOGK-BGB, § 558d Rn. 6, Stand 1.1.2018; Cischinsky/von Mallotki/Rodenfels/Vaché, WuM 2014, 239, 240; Schlittgen/Uhlig, WuM 1997, 314ff). Nirgends in der einschlägigen Literatur findet sich das Erfordernis einer Mindestrücklaufquote von 10 Prozent, insbesondere auch nicht in den Hinweisen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zur Erstellung von Mietspiegeln (abrufbar unter www.bbsr.bund.de). Dort heißt es ausdrücklich vielmehr, dass die Anforderungen an den Stichprobenumfang von der Größe und Struktur des Wohnungsmarktes und von der Anzahl der Wohnwertmerkmale abhängig sind, die im Mietspiegel berücksichtigt werden sollen (S. 25).

Die Kammer kann auch nicht aus dem Gutachten, welches der Entscheidung des Landgerichts Berlin zum Berliner Mietspiegel 2009 zugrunde lag (LG Berlin, 17.7.2015 – 63 S 220/11), die nach § 128 Abs. 1 SGG notwendige Überzeugung von der Existenz eines derartigen mathematisch-statistischen Grundsatzes gewinnen.

Dabei befremdet es zunächst, dass der 32. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg allem Anschein nach dieses Gutachten allein anhand der vom Landgericht Berlin getroffenen Feststellungen und nicht anhand einer eigenen Auswertung zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat. Denn bei kritischer Auseinandersetzung ist zu konstatieren, dass dieses Gutachten die Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit nicht erfüllt, da eine Auseinandersetzung mit der maßgeblichen statistisch-mathematischen Literatur und den rechtlichen Vorgaben zur Frage der richtigen Methode der Erstellung von Mietspiegeln nicht einmal ansatzweise stattfindet (so zutreffend auch Börstinghaus, NJW 2015, 3200, 3201).

In dem Gutachten wird zur Untermauerung der vermeintlichen Notwendigkeit einer Rücklaufquote von 10 Prozent lediglich ein (!) Werk zitiert (Theobald/Dreyer/Starsetzki, "Online Marktforschung – Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen"). Diesem lässt sich jedoch eine entsprechende These nicht entnehmen. Im Gegenteil wird hierin zwar die angesprochene Selbst- oder Teilnehmerselektion problematisiert (Hauptmanns/Lander, "Zur Problematik von Internet-Stichproben", in: Theobald/Dreyer/Starsetzki, "Online Marktforschung – Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen", 2. Aufl., S. 33f.), jedoch andererseits verdeutlicht, dass die Qualität der Stichprobe davon abhängt, ob es systematische Unterschiede zwischen Teilnehmern und Nichtteilnehmern gibt (Hauptmanns/Lander, aaO, S. 34) und die reine Anzahl der Teilnehmer keineswegs ein Kriterium für die Repräsentativität ist (Hauptmanns/Lander, aaO, S. 30). Die in dem Gutachten geäußerte Vermutung, dass die Stichprobe nicht repräsentativ sei, ist damit in keiner Weise durch statistische Forschungsergebnisse belegt. Gleiches gilt für die an gleicher Stelle getroffene Annahme, dass "brave Beamte" eher "lästige Befragungen" beantworten würden als "vielbeschäftigte Jungmanager". Ohne Angabe entsprechender Untersuchungsergebnisse handelt es sich hierbei um bloße Spekulation. Dies erkennt das Gutachten auch selbst, weil es selbst lediglich von "möglichen" beträchtlichen Zweifeln an der Repräsentativität spricht (mit Recht kritisch daher Börstinghaus, NJW 2015, 3200, 3201). Entgegen der Auffassung des 32. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg existiert auch keinen anerkannten wissenschaftlichen Grundsatz, dass bei der Extremwertbereinigung ausschließlich die sogenannte "Boxplot-Methode" Verwendung finden darf (so im Ergebnis auch LSG Berlin-Brandenburg, 15.3.2018 – L 20 AS 2478/15) Bei Schaffung des § 558d Abs. 1 BGB ist die Festlegung einer bestimmten Methode zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel, bewusst unterblieben, da es mehrere von der Wissenschaft anerkannte Methoden gebe (BT-Drs. 14/4553, S. 57). Gesetzlich besteht keine Vorgabe, unter mehreren möglichen statistischen Berechnungsmethoden eine bestimmte zu verwenden (vgl. AG Charlottenburg, 12.03.2015 – 203 C 527/14 juris Rn. 35). Die Hinweise des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zur Erstellung von Mietspiegel sagen insoweit lediglich aus, dass die Bruttostichprobe um Ausfälle, unplausible und unvollständige Daten zu bereinigen sei (aaO, S. 25). Das Vorgehen zur Extremwertbereinigung nach dem sog. 95-Prozent-Konfidenzintervall, wie bis 2013 im Berliner Mietspiegel praktiziert, ist eine wissenschaftlich gebräuchliche Methode zur Verdichtung der Mietwerte auf das Übliche (so zutreffend LSG Nordrhein-Westfalen, 24.4.2017 – L 20 SO 418/14 – juris Rn. 86; LG Berlin, 13.6.2016 – 18 S 36/16 – juris Rn. 8; vgl. hierzu Mummenhoff, in jurisPR-MietR 6/2017 Anm. 6). Kritikpunkt an dieser Methode ist, dass sie rein mechanisch-statistisch vorgehe (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, aaO, juris Rn. 84). Eine "rein mechanisch-statistische Vorgehensweise des Mietspiegels" ist jedoch offenbar eine statistische Methode, welche nach wissenschaftlichen Grundsätzen vertretbar ist. Ein anerkannter mathematisch-statistischer Grundsatz der Datenauswertung, dem dieses Vorgehen widerspricht oder der belegt, dass zwischenzeitlich allein noch die Boxplot-Methode wissenschaftlich anerkannt sei, ist durch nichts belegt. Auch aus dem vom 32. Senat des LSG Berlin-Brandenburg herangezogenen Gutachten, welches der Entscheidung des Landgerichts Berlin zugrunde lag, lässt sich nicht die Überzeugung gewinnen, dass allein die Boxplot-Methode wissenschaftlich anerkanntermaßen geeignet ist, eine Extremwertbereinigung vorzunehmen. Das Gutachten nennt für diese These keinerlei nachvollziehbare wissenschaftliche Anhaltspunkte oder gar Quellen. 2. Die abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung betragen hier 579,83 EUR.

Die Angemessenheitsprüfung setzt eine Einzelfallprüfung voraus und hat für die Unterkunftskosten und für die Heizkosten getrennt zu erfolgen (vgl. Urteile des Bundessozial-gerichts vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 18/06 R – sowie vom 2. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R, Rn. 18, zitiert nach juris).

Nach Überzeugung des Gerichts ist für einen 3-Personen-Haushalt eine Bruttokaltmiete von 524,80 EUR abstrakt angemessen. Dies berechnet sich aus dem Produkt der für die hier zu beurteilende Haushaltsgröße höchstens angemessenen Wohnungsgröße (80 m²) und der angemessenen Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete zzgl. Betriebskosten), nämlich (5,01 EUR + 1,55 EUR) = 6,56 EUR. Diese Werte wurden auf Grundlage des qualifizierten Berliner Mietspiegels des Landes Berlin 2013 (Amtsblatt für Berlin 2013, Nr. 21 vom 23. Mai 2013) und dem darin angegebenen durchschnittlichen Berliner Betriebskostenwert errechnet. Dabei wurden die Kaltmietwerte jeweils nach dem Verhältnis der den Wohnungsangaben zugrundeliegenden Wohnungsanzahl zum insgesamt vom Berliner Mietspiegel erfassten Wohnungsbestand gewichtet. Wegen der Einzelheiten der Berechnungsmethode und der weiteren Quellenangaben verweist das Gericht auf die Darstellung von Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin. Ein Projekt von Richterinnen und Richtern des Sozialgerichts Berlin, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit Nr. 1/2010 S. 28 – 42; bestätigt durch BSG,. 19.10. 2010 – B 14 AS 50/10 R; B 14 AS 65/09 R; B 14 AS 2/10 R; zitiert jeweils nach juris.

Zusätzlich sind vom Grundsicherungsträger angemessene Heizkosten zu übernehmen. Die tatsächlichen Heizkosten von 55,03 EUR sind nach jeder Betrachtungsweise angemessen.

Danach wären für die Kläger Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 579,83 EUR monatlich angemessen.

3. Wegen eines Preissprungs sind die angemessenen Bedarfe für Unterkunft ab April 2015 auf 552,80 EUR zu erhöhen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die "Ausgangsdaten" eines schlüssigen Konzeptes "zu korrigieren", wenn in nachfolgenden Rechtsmittelverfahren Preissprünge festgestellt werden (BSG, 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R, Rn. 21; 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R, Rn. 28; 17.2.2014 – B 14 AS 295/13 B, Rn. 4). Rechtsfolge ist also eine Anpassung der Daten, nicht etwa ein Erkenntnisausfall (Schleswig-Holsteinisches LSG, 31.1.2017 – L 6 AS 135/15 – juris Rn 100).

Im Hinblick auf rechtswissenschaftliche Literatur zur Fortschreibungspflicht nach § 22c Abs. 2 SGB II nimmt die erkennende Kammer einen Preissprung bei einer Steigerung der angemessen Bedarfe von mehr als 5 Prozent an (SG Berlin, 13.6.2014 – S 205 AS 16758/11 – juris Rn. 38; vgl. Marx in Estelmann, SGB II, § 22c Rn. 18, Stand Juni 2017). Für die Annahme eines Preissprungs – der gerade im unteren Marktsegment festgestellt werden muss – verbieten sich Allgemeinplätze und pauschale Bezugnahmen, eine stichprobenartige Erhebung von Angebotsmieten genügt nicht (BSG, 12.12.2017 – B 4 AS 33/16 R, Rn. 19). Ein Preissprung kann erst nach Veröffentlichung eines neuen Mietspiegels festgestellt werden (vgl. BSG, 12.12.2017 – B 4 AS 33/16 R, Rn. 19, wonach die Feststellung von Preissprüngen "notwendigerweise mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung verbunden” ist). Sofern im maßgeblichen unteren Marktsegment ein Preissprung festgestellt wurde, soll eine "Korrektur" der Ausgangsdaten erfolgen. Die Anpassung ist unter Nutzung der Markterkenntnisse des neuen Mietspiegels vorzunehmen. Da nicht bestimmt werden kann, wie sich die Mieten im jeweiligen Monat verändert haben, besteht nur die Möglichkeit, die festgestellte Mietsteigerung innerhalb von 2 Jahren zwischen der Veröffentlichung der Mietspiegel linear auf die einzelnen Monate zu verteilen. Ab dem Monat, in dem mit dieser Berechnungsmethode ein Preissprung festgestellt wird, hat eine Anpassung zu erfolgen.

Grundlage für die Bestimmung eines Preissprungs sind damit die Daten des Berliner Mietspiegels 2015. Hierzu hat der Beklagte anhand der Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen 2015) vom 16. Juni 2015 (Amtsblatt Berlin 2015, S. 1339ff., dort S. 1352f.) schlüssig für einen 3-Personen-Haushalt abstrakt angemessene Bedarfe für Unterkunft in Höhe von 6,91 EUR pro Quadratmeter ermittelt.

Entgegen der AV-Wohnen 2015 beträgt die angemessene Wohnfläche für einen 3-Personen-Haushalt 80 m² (LSG Berlin-Brandenburg, 20.3.2014 – L 25 AS 2038/10 – juris Rn. 40; LSG Berlin-Brandenburg, 25.11.2015 - L 18 AS 1467/14 juris Rn. 19).

Somit ergeben sich auf der Grundlage des Berliner Mietspiegels 2015 angemessene Bedarfe für Unterkunft für einen 3-Personen-Haushalt von (80 m² x 6,91 EUR=) 552,80 EUR.

Damit liegt eine Steigerung von 5,34 Prozent zwischen Mai 2013 und Mai 2015 und somit ein Preissprung vor. Bei unterstellter linearer Preissteigerung ist eine Steigerung von mehr als 5 Prozent im April 2015 gegeben. Ab April 2015 sind daher als angemessene Bedarfe für die Unterkunft 552,80 EUR anzuerkennen, mithin angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von (552,80 EUR + 55,03 EUR=) 607,83 EUR.

4. Die angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 579,83 EUR für Februar bis März 2015 und 607,83 EUR für April bis Juli 2015 in Höhe von 607,83 EUR hat der Beklagte bereits gewährt, da er den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Anerkennung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 688,79 EUR bzw. ab Juli 2015 in Höhe von 785,76 EUR bewilligt hat. Ein weitergehender Anspruch der Kläger besteht mithin hiernach nicht.

5. Nach der Bestimmung der abstrakt angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung ist eine konkrete Angemessenheitsprüfung vorzunehmen. Hierdurch ergibt sich kein weitergehender Anspruch der Kläger.

Die konkrete Angemessenheit bedeutet, die tatsächliche Möglichkeit der entsprechenden Kostenreduzierung anhand der abstrakt als angemessen ermittelten Aufwendungen im Einzelfall zu prüfen.

Dies erschließt sich aus einer systematischen Auslegung der Vorschrift anhand des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Erst "soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen", ist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Senkung der Kosten zu prüfen. Somit ist, wenn eine Überschreitung der abstrakten Obergrenzen vorliegt, zu prüfen, ob relevante persönliche Besonderheiten vorliegen, auf Grund derer im Einzelfall die abstrakten Parameter modifiziert oder gegebenenfalls sogar außer Kraft gesetzt werden.

Zur konkreten Angemessenheit gehört auch das Bestehen einer konkreten Unterkunftsalternative (BSG, info also 2010, 88). Sofern eine kostengünstigere Unterkunftsalternative im Vergleichsraum nicht besteht, sind die Aufwendungen für die angemietete Unterkunft als konkret angemessen anzusehen und damit vom Leistungsträger zu übernehmen (BSG, SozR 4–4200 § 22 Nr. 3). Denn solange eine Alternative konkret nicht gegeben ist, wird das angemessene Maß vom tatsächlichen Zustand bestimmt.

Notwendig ist der Nachweis, dass der Leistungsberechtigte tatsächlich auch die konkrete Möglichkeit hat, eine abstrakt als angemessen (bedarfsgerechte und kostengünstigere) eingestufte Wohnung auf dem Wohnungsmarkt des konkreten Vergleichsraums anmieten zu können (vgl. bereits BVerwG, FEVS 45, 363) d.h. eine Unterkunftsalternative muss konkret verfügbar und zugänglich sein (BVerwG, NJW 1996, 3427, 3428). Die Anforderungen an einen solchen Nachweis werden durch die Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes entscheidend mitbestimmt (BVerwG, NJW 1996, 3427, 3428).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in Berlin wegen der Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft mit Hilfe eines schlüssigen Konzeptes, welches die Grundlagendaten des qualifizierten Berliner Mietspiegels nutzt, die Tatsachenvermutung besteht, dass eine abstrakt angemessene Unterkunft konkret anmietbar ist (so BSG, 13.04.2011 – B 14 AS 32/09 R Rn. 29).

Denn selbst wenn diese Vermutung nicht gilt, ist es Sache der Kläger nachzuweisen, dass sie keine Wohnung zu den abstrakt angemessenen Bedarfen finden konnten. Es gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, §013 Rn 19a). Das gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale (B. Schmidt, aaO). Wird geltend gemacht, dass eine angemessene Unterkunftsalternative konkret nicht erreichbar sei, muss der Leistungsberechtigte detailliert darlegen, dass er im Rahmen des Zumutbaren umzugsbereit ist und sich intensiv um eine kostenangemessene Unterkunftsalternative bemüht hat (LSG Berlin-Brandenburg, 13.12.2006 – L 5 B 1010/06 AS ER; Berlit, in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 22 Rn. 101); nicht ausreichend ist der Verweis auf Berichte zur allgemeinen Lage auf dem Wohnungsmarkt oder Anzeigen aus Tagespresse oder Internet zu teureren Wohnungen (Hessisches LSG, 28.3.2006 – L 7 AS 122/05 ER, NVwZ-RR 2006, 704; Berlit, aaO). In solchen Fällen hat alleine der Leistungsberechtigte die Möglichkeit, substantiiert darzulegen, dass trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen eine angemessene Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht auffindbar oder für ihn nicht zugänglich ist (Lauterbach, in Gagel, SGB II/III, § 22 Rn. 64, Stand Dezember 2017; vgl. Krauß, in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 Rn. 142, Stand Dezember 2012).

Die Kläger haben im vorliegenden Fall in keiner Weise irgendwelche fehlgeschlagenen Bemühungen um die Anmietung einer Wohnung zu den angemessenen Mieten vorgetragen.

6. Aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II können die Kläger keine weitergehenden Ansprüche herleiten.

Nach dieser Regelung sind die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

An die Unzumutbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen (BSG, 19.02.2008 - B 4 AS 30/08 R; LSG Berlin-Brandenburg, 26.01.2011 - L 28 AS 2276/07, Rn. 41, juris; Zimmermann, NJ 2010, 400, 403). Selbst bei Bestehen einer Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Kostensenkung sind sechs Monate die regelmäßige Höchstfrist (BSG, aaO, Rn. 32; Bayerisches LSG, 26.05.2011 - L 7 AS 331/11 B ER, Rn. 21, juris). Um über diese sechs Monate hinaus höhere als angemessene Unterkunftskosten zu erhalten, muss eine besondere Bedarfssituation bestehen, die eine nochmalige Ausnahme von der Ausnahme (sechsmonatige Schonfrist) rechtfertigt (Bayerisches LSG, aaO).

Den Klägern ist eine Senkung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht etwa deshalb unzumutbar, weil sie vom Beklagten nicht oder nur unzureichend auf ihre Obliegenheit, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken, hingewiesen worden wären. Der Beklagte hat die Kläger auf die Unangemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft und auf die nach seiner Ansicht angemessene Höhe der Aufwendungen und darauf hingewiesen, dass Leistungen in Höhe der tatsächlichen (unangemessenen) Aufwendungen nur noch bis zum 1. Oktober 2013 erbracht werden würden; dies genügt den Anforderungen an eine "Kostensenkungsaufforderung" (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 28.02.2011 - L 14 AS 205/11 B ER, Rn. 12, juris). Eine Kostensenkung wäre allenfalls dann als unmöglich anzusehen, wenn der Grundsicherungsträger dem Hilfeempfänger zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft über die als angemessen angesehene Referenzmiete hinaus unrichtige Richtgrößen (Parameter) mitteilt und der Hilfeempfänger gerade deshalb keine angemessene Wohnung findet (BSG, 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R). Dafür gibt es indes keinen ausreichenden Anhalt. Es ist daher unschädlich, wenn der Beklagte wider § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine Bruttowarmmiete als Referenzmiete angibt (vgl. BSG, 19.03.2008 – B 11b AS 43/06; BSG, 28.09.2009 – B 14 AS 41/08 R).

Im Übrigen sind weitere Gründe, aus denen sich die Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Senkung der Kosten der Unterkunft und der Heizung ergeben könnten, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Dabei verkennt die erkennende Kammer nicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts minderjährige Schulkinder möglichst nicht durch einen Wohnungswechsel zu einem Schulwechsel gezwungen werden sollen (BSG 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R, SozR 4-4200 §&8201;22 Nr.&8201;19). Denn die erkennende Kammer konnte nicht feststellen, dass der damals 12-jährige Kläger zu 3.) hätte die Schule wechseln müssen. In dem Fall eines schulpflichtigen minderjährigen Kindes entfällt nicht die Obliegenheit zur Kostensenkung, sondern sie bezieht sich lediglich auf einen engeren Umkreis als den örtlichen Vergleichsraum (Krauß, aaO, § 22 Rn. 135). In diesem Fall müsste also substantiiert dargelegt werden, dass ein Schulwechsel notwendig gewesen wäre, gerade weil die Kläger keine Unterkunft zu den angemessenen Bedarfen für Unterkunft und Heizung in der Nähe der bisherigen Schule gefunden hätten. Die Kläger haben nicht einmal behauptet, in der Nähe des bisherigen Schulorts Wohnungen gesucht und nicht gefunden zu haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.

Die Berufung bedarf der Zulassung, da die Beschwer eine Geldleistung betrifft, die 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und die Klage keine laufende Leistung für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Zwar ist ungeklärt, wann ein Preissprung anzunehmen ist und welche rechtlichen Folgen hieran geknüpft sind, indes setzt grundsätzliche Bedeutung voraus, dass eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die in dem angestrebten Berufungsverfahren klärungsfähig sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (Sommer, in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 144 Rn. 35). Voraussetzung ist daher, dass die rechtsgrundsätzlich bedeutsame Frage einer Klärung zugeführt werden kann (Körner, in Brandt/Sachs, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 2. Aufl. 2003, Kapitel R Rn. 9). Dies ist hier nicht der Fall, da kein Preissprung in einer Höhe ersichtlich wäre, der dazu führen könnten, dass der Klage stattzugeben wäre. Voraussetzung für eine grundsätzliche Bedeutung wäre im Übrigen, dass eine Rechtsfrage im Raum steht und nicht eine Tatsachenfrage (Körner, aaO, Kapitel R Rn. 6). Ob das Modell von Schifferdecker/Irrgang/Silbermann nicht anwendbar ist, weil in Berlin eine Wohnungsmangellage herrscht, ist eine Tatsachenfrage (LSG Berlin-Brandenburg, 19.3.2018 – L 31 AS 2758/16 NZB – juris Rn. 20ff.).

Dieses Urteil weicht nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Eine Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG kommt nur dann in Betracht, wenn ein SG in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung eines Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (Sommer, aaO, § 144 Rn 37). Das SG muss dabei den mit der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht übereinstimmenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt haben, insoweit eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt und damit der obergerichtlichen Rechtsprechung im grundsätzlichen widersprochen haben (Sommer, aaO). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die mehrfach erwähnte Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31.1.2018 (L 32 AS 1223/15) nicht gegeben. Die Frage, ob ein Mietspiegel hinreichend repräsentativ ist, ist eine Tatsachenfrage, sodass dazu keine Rechtssätze aufgestellt werden können. Soweit der 32. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg deswegen zu dem Schluss kommt, dass ein nicht repräsentativer Mietspiegel keine Vermutung begründen könne, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu den abstrakt angemessenen Bedarfe für die Unterkunft gebe, ist die dadurch aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich, da die erkennende Kammer ihre Entscheidung nicht auf die angesprochene Tatsachenvermutung stützt (vgl. zur "doppelten" Voraussetzung der Entscheidungserheblichkeit nur Körner, aaO, Kapitel R Rn 26). Zudem kommt eine Zulassung der Berufung wegen Divergenz nicht mehr in Betracht, wenn die divergierende Rechtsprechung überholt ist (Knittel, in Hennig/Bernsdorff, SGG, § 144 Rn 53 Stand Oktober 2017). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn obergerichtliche Rechtsprechung inzwischen durch höchstrichterliche Rechtsprechung überholt ist (vgl. Roth, in Posser/Wolff, VwGO, § 124 Rn 69, Stand April 2018). Die Rechtsprechung des 32. Senats des Landessozialgerichts zur Berücksichtigung von Angebotsmieten ist in zweierlei Hinsicht durch die nachfolgend (veröffentlichte) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts überholt. Zum einen sind hiernach allein stichprobenartige Erhebungen von Angebotsmieten nicht geeignet, die Schlüssigkeit eines Konzeptes zur Bestimmung abstrakt angemessener Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Frage zu stellen (BSG, 12.12.2017 – B 4 AS 33/16 R – Rn. 19). Zum anderen ist nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 2017 (B 4 AS 33/16 R) die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGG durch die §§ 22a-22c SGB II begrenzt mit der Folge, dass sogenannte Angebotsmieten keine Berücksichtigung bei der Erstellung eines schlüssigen Konzeptes finden müssen, da nach § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II bei der Auswertung von Daten zur Bestimmung eines schlüssigen Konzeptes Neuvertrags- und Bestandsmieten einfließen sollen und damit die Heranziehung von Angebotsmieten nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht rechtlich vorgegeben ist (vgl. Šušnjar in GK-SGB II, § 22c Rn. 3, Stand Januar 2017; Marx, in Estelmann, SGB II, § 22c Rn. 14, Stand Juni 2017).
Rechtskraft
Aus
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