S 179 AS 3515/19 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
179
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 179 AS 3515/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.
Die Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums ist auch im Bereich des SGB II die geeignete Schätzgrundlage zur Bestimmung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit, wenn die Buchführung des Selbständigen zu verwerfen ist.

2.
Im Bereich des SGB II ist die Richtsatzsammlung besonders für die Beurteilung des Verhältnisses zwischen Wareneinsatz und Umsatz geeignet, bei Abschätzung des Verhältnisses zwischen Wareneinkauf und Gewinn ist sie hingegen mit besonderer Vorsicht anzuwenden.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweilen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 9. April 2019 bis 30. September 2019, längstens jedoch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens S 179 AS 3539/19, in Höhe von monatlich 539,30 EUR, für April anteilig, gewähren und auszuzahlen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Hälfte notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes um den Anspruch der Antragsteller auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Streitig sind im Wesentlichen die voraussichtlichen Einnahmen der Antragstellerin zu 1) aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Betreiberin eines Cafés.

Die Antragsteller beziehen mindestens seit 2017 Arbeitslosengeld II. Die Antragsteller zu 1) und 2) sind Eltern der minderjährigen Antragsteller zu 3) und 4). Die Antragstellerin zu 1) betreibt seit Dezember 2016 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ein Café. Der Antragsteller zu 2) bezieht seit April 2018 bis auf weiteres Krankengeld in Höhe von monatlich 703,80 EUR. Aufgrund eines Unterhaltstitels zahlt der Antragsteller zu 2) an seinen weiteren Sohn monatlich 15,00 EUR. Die Antragsteller erhalten für ihre im Haushalt lebenden Kinder Kindergeld i.H.v. jeweils 194 EUR pro Monat. Der Antragsgegner berücksichtigt bei der Bedarfsprüfung Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 680,40 EUR sowie Kosten für die Heizung von 104,72 EUR, deren Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.

Die Antragstellerin zu 1) beantragte im Dezember 2018 die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für ihre Familie. Sie gab an, im Jahr 2019 voraussichtlich monatliche Betriebseinnahmen von 7.452,00 EUR netto zu erzielen. Als monatliche Betriebsausgaben gab die Antragstellerin zu 1) an: 3.600,00 EUR netto für den Wareneinkauf, 2.096 EUR Lohnkosten für Beschäftigte, Raumkosten von 1.373 EUR, Aufwendungen für betriebliche Versicherungen von quartalsweise 176,22 EUR, Aufwendungen für die Kfz-Versicherung von quartalsweise 197,00 EUR sowie laufende Betriebskosten für das Kraftfahrzeug von monatlich 420 EUR, Werbungskosten von monatlich 75 EUR, Nebenkosten des Geldverkehrs von 50,00 EUR, für die Miete von Einrichtungsgegenständen 210 EUR sowie die Tilgung betrieblicher Darlehen von 500 EUR. Einen konkreten monatlichen Gewinn gab die Antragstellerin zu 1) nicht an. Wegen der Einzelheiten der Einkommensprognose den Antrag vom 4. Dezember 2018 verwiesen.

Mit Schreiben 7. Dezember 2018 rügte der Antragsgegner die unvollständigen Angaben in der Einkommensprognose. Nach Einreichung einiger Nachweise lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragsteller mit Bescheid vom 20. Dezember 2018 ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Antragsteller nicht hilfebedürftig seien. Entgegen den Angaben der Antragstellerin zu 1) sei von einem monatlichen Gewinn i.H.v. 3.272 EUR auszugehen. Auf Grundlage der Richtsätze des Bundesfinanzministeriums sei der Wareneinsatz zu korrigieren, der Mittelwert des Rohertragszuschlag für Cafés liege nach den Richtsätzen bei 257 %, was 72 % des Umsatzes entspreche. Der von der Antragstellerin zu 1) angegebene Wareneinsatz sei zu hoch und damit unwirtschaftlich. Die Aufwendungen für Personal seien auf 600,00 EUR zu kürzen, da die Antragstellerin zu 1) im August 2018 angegeben habe, das Beschäftigungsverhältnis des Vollzeitbeschäftigten zu Oktober 2018 zu beenden. Nachweise für die Raumkosten seien nicht vorgelegt worden, so dass die Werte des Vorjahres von 1.073,01 EUR heranzuziehen seien. Die Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs könne nicht anerkannt werden, da die betriebliche Notwendigkeit nicht nachgewiesen sei, insbesondere da sich die Antragsteller weigerten, ein Fahrtenbuch zu führen.

Hiergegen erhoben die Antragsteller am 28. Januar 2019 Widerspruch. Zur Widerspruchsbegründung reichten sie eine erneute Prognose ein. Diese enthielt Personalkosten in Höhe von nun 2.797,28 EUR, deutlich höhere Versicherungsbeträge, laufende Betriebskosten für das Fahrzeug von 300 EUR. Wegen der weiteren Angaben wird auf die Widerspruchsbegründung verwiesen. Ergänzend erklärte die Antragstellerin zu 1), dass sie auf Drängen des Antragsgegners sich wieder vollschichtig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt habe und daher nicht voll in ihrem Café arbeiten könne. Sachentnahmen würden durch Familienmitglieder nicht getätigt, private Einkäufe würden gesondert bezahlt. Die Ertragslage des Unternehmens lasse es nicht zu, dass zurzeit ein Gewinn ausgezahlt werde. Die Antragsteller seien mittellos.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04. April 2019 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies er auf die Ausführungen im angefochtenen Ablehnungsbescheid. Die vorgenommenen Änderungen bzw. Anpassungen der vorläufigen Betriebseinnahmen/Betriebsausgaben seien nicht zu beanstanden. Hiergegen haben die Kläger vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben, die zum Aktenzeichen S 179 AS 3539/19 registriert worden ist. Am 9. April 2019 haben die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie haben vorgetragen, mittellos zu sein. Die ihnen vorgeworfenen Einnahmen stünden ihnen nicht zur Verfügung. Auf Nachfrage des Gerichts haben die Antragsteller weitere Unterlagen eingereicht. Zudem haben sie eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) für die Monate Januar bis März 2019 vorgelegt. Danach hat die Antragstellerin zu 1) in drei Monaten insgesamt Einnahmen von 21.170,36 EUR netto erzielt. Als Wareneinsatz hat die Antragstellerin zu 1) 10.007,42 EUR angegeben, für Personalkosten 4.950,87 EUR, für Raumkosten 3.004,33 EUR, für den Betrieb des Kfz 1.820,55 EUR, Rechtsberatungskosten von 366,50 EUR. Der Eigenverbrauch wurde in den drei Monaten mit 0,00 EUR angegeben. Die Abrechnung weist eine Entnahme im Januar 2019 von 15.201,35 EUR aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Unterlagen verwiesen.

Die Antragsteller beantragen,

den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen. Am 7. Mai 2019 hat das Gericht den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Im Rahmen der 2,5-stündigen Erörterung haben die Antragsteller weitere Angaben gemacht. Sie haben eingeräumt, dass die Höhe der Ausgaben für das Kfz nicht nachvollziehbar sei, es entstünden monatlich Kosten von etwa 300 EUR, es müsse ein Fehler des Steuerberaters vorliegen. Die Rechtsberatungskosten seien angefallen, da ehemalige Arbeitnehmer sie verklagt hätten, die früheren Arbeitnehmer würden Ansprüche wegen behaupteter Schwarzarbeit geltend machen, was jedoch ein unberechtigter Vorwurf sei. Bei den fehlenden Angaben zum Eigenverbrauch müsse dem Steuerberater ein Fehler unterlaufen sein, da der Eigenverbrauch stets gesondert erfasst werde. Auch die Privatentnahme sei falsch gebucht, da es sich um eine Einlage handele, da das Café keinen Gewinn abwerfe. Die betriebswirtschaftliche Auswertung für Januar bis März 2019 gebe die Situation des Unternehmens auch nicht zutreffend wieder, da es der Antragstellerin zu 1) aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei, alle Forderungen zu bedienen. Zu Januar 2019 habe die Antragstellerin zu 1) eine private Rentenversicherung abgeschlossen. Diese werde von der Familie finanziert. Wegen der weiteren Einzelheiten der gemachten Angaben wird die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die vom Antragsgegner übersandten Verwaltungsakten und die Akten zu dem Verfahren S 179 AS 3539/19 verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag hat teilweise Erfolg.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach der Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird. Zum anderen muss eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten ist, den Ausgang eines Hauptverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).

Die Anspruchsvoraussetzungen für den materiellen Anspruch sind glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist, vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch X (SGB X), mithin, wenn mehr für ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren als dagegen spricht.

1.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes kommt grundsätzlich keine Leistungsgewährung für den Zeitraum vor Antragstellung bei Gericht in Betracht. Dies ergibt sich bereits aus dem Bedarfsdeckungscharakter des Arbeitslosengelds II. Ein wesentlicher Nachteil, der durch die vorläufige Leistungsgewährung abzuwenden wäre, kann in der Vergangenheit nicht entstehen. Der Antrag konnte daher für die Zeit vor der Antragstellung am 9. April 2019 keinen Erfolg haben. Ein Nachholbedarf – z.B. wegen ausstehender Mietzahlungen für die von den Antragstellern bewohnte Wohnung – wurde nicht glaubhaft gemacht.

2.
Für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht hat der Antrag teilweise Erfolg. Die Antragsteller haben nach summarischer Prüfung Anspruch auf eine vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Das prognostische Einkommen der Antragsteller genügt nicht, um den Gesamtbedarf der Antragsteller nach dem SGB II zu decken.

Rechtsgrundlage für die vorläufige Entscheidung ist § 41a Abs. 1 SGB II. Danach ist über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn

1. zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geld- und Sachleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen oder

2. ein Anspruch auf Geld- und Sachleistungen dem Grunde nach besteht und zur Fest- stellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist.

Besteht eine Bedarfsgemeinschaft aus mehreren Personen, ist in diesen Fällen über den Leistungsanspruch aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft vorläufig zu entscheiden. Eine vorläufige Entscheidung ergeht nicht, wenn Leistungsberechtigte die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, zu vertreten haben.

Vorliegend ist die Höhe des Gewinns der Antragstellerin zu 1) aus ihrer selbständigen Tätigkeit ungewiss.
Für die Feststellung des Anspruchs nach dem SGB II ist längere Zeit erforderlich.

Die vorläufige Leistung ist nach § 41a Abs. 2 Satz 2 SGB II so zu bemessen, dass der monatliche Bedarf der Leistungsberechtigten zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt ist; dabei kann der Absetzbetrag aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Hierbei sind die im Zeitpunkt der Entscheidung bekannten und prognostizierten Verhältnisse zugrunde zu legen.

a.
Die Antragsteller erfüllen die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach dem SGB II, §§ 7, 9, 19, 20, 22 SGB II – was zwischen den Beteiligten mit Ausnahme der Hilfebedürftigkeit auch unstreitig ist. Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Der Leistungsbewilligung steht nach summarischer Prüfung auch kein zu berücksichtigendes Vermögen gegenüber, § 12 SGB II.

b.
Der monatliche Bedarf der vier Antragsteller summiert sich – was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist – auf 2.153,12 EUR. Dieser setzt sich zusammen aus den Regelbedarf von insgesamt 1.368,00 EUR, dem Unterkunftsbedarf von 680,40 EUR und dem Bedarf für Heizkostenvorauszahlungen von 104,72 EUR.

c.
Auf den Bedarf anzurechnen sind nach § 11 ff. SGB II das Einkommen des Antragstellers zu 2) aus Krankengeld von monatlich 703,80 EUR (abzüglich eines Freibetrages von 30,00 EUR) sowie das Kindergeld für die minderjährigen Antragsteller zu 3) und 4) von je 194,00 EUR. Nach den nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben des Antragstellers zu 3) ist er bis auf weiteres nicht arbeitsfähig und wird voraussichtlich bis September 2019 Krankengeld beziehen. Vom Einkommen des Antragstellers zu 2) ist ein weiterer Betrag von 15,00 EUR für Unterhaltszahlungen an seinen weiteren Sohn abzusetzen, § 11b Abs.1 Satz 1 Nr. 7 SGB II. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, auf einen weit höheren Unterhaltstitel monatlich 15,00 EUR an seinen Sohn zu zahlen. Die Zahlungen ergeben sich aus den vorgelegten Kontoauszügen.

d.
Auf den Bedarf ist ferner das voraussichtliche Einkommen der Antragstellerin zu 1) aus dem Betrieb ihres Cafés anzurechnen. Der Prognoseentscheidung können die Einkommensschätzungen der Antragstellerin zu 1) nicht zugrunde gelegt werden (dazu aa). Jedoch auch die Korrekturentscheidung des Antragsgegners ist zu beanstanden (dazu bb). Unter Berücksichtigung der Angaben der Antragsteller ist das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit auf monatlich 808,78 EUR zu schätzen (dazu cc).

Nach § 3 Abs. 1 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (ALG II-VO) ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen. Nach § 3 Abs. 2 ALG II-VO sind zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge (Erwerbstätigenfreibeträge) ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. § 3 Abs. 3 ALG II-VO ermöglicht und verlangt Korrekturen. Danach sollen tatsächliche Ausgaben nicht abgesetzt werden, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen. Nachgewiesene Einnahmen können bei der Berechnung angemessen erhöht werden, wenn anzunehmen ist, dass die nachgewiesene Höhe der Einnahmen offensichtlich nicht den tatsächlichen Einnahmen entspricht. Ausgaben können bei der Berechnung nicht abgesetzt werden, soweit das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht. Ausgaben sind ferner nicht abzusetzen, soweit für sie Darlehen oder Zuschüsse nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erbracht oder betriebliche Darlehen aufgenommen worden sind. Dies gilt auch für Ausgaben, soweit zu deren Finanzierung andere Darlehen verwandt werden.

aa.
Die Einkommensangaben der Antragstellerin zu 1) können für die Prognose des Einkommens nicht übernommen werden. Sie sind unschlüssig und daher zu verwerfen.

Für das Gericht ergibt sich in der Gesamtwürdigung der Verdacht, dass ein Teil des betrieblichen Wareneinkaufs privat verbraucht wird, so dass daraus kein Umsatz erzielt werden kann, und dass ein Teil der tatsächlich erzielten Umsätze zur Minderung der Steuerlast und zur Ermöglichung eines höheren Bezuges von SGB II-Leistungen nicht als Einnahme gebucht wird. Im Einzelnen:

Die Antragstellerin zu 1) hat im Verwaltungsverfahren unplausible Angaben gemacht. Ihre Prognose vom 4. Dezember 2018 enthält z.B. Personalkosten von 2.396 EUR/Monat, die Prognose vom 31. Januar 2019 hingegen von 2.797,28 EUR, die mutmaßlich tatsächlichen Ausgaben für Personal von Januar bis März 2019 beliefen sich nach den eingereichten Kostenübersichten – und auch abweichend zur BWA – jedoch nur auf 1.657,16 EUR. Die Höhe der betrieblichen Versicherungen hat die Antragstellerin in der zweiten Aufstellung um 36 Prozent höher angegeben, auch die Angaben zu den Raumkosten weichen ab. Darüber hinaus werden im Januar 2019 als Betriebsausgaben die Kosten für die Anmietung einer privaten Garage angegeben. Die Antragsteller haben eingeräumt, dass diese nicht betrieblich genutzt wird.

Auch die Angaben der Antragstellerin aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung für Januar bis März 2019 sind nicht plausibel. Auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts haben die Antragsteller eingeräumt, gelegentlich betrieblich erworbene Nahrungsmittel für den Privatverbrauch zu nutzen, was legitim ist und der Lebenserfahrung bei dem Betrieb eines Cafés entspricht. Rechtlich geboten ist es aber in diesem Fall, den Eigenverbrauch der Antragstellerin zu 1) und auch der vier Angestellten zu erfassen. Die BWA weißt für drei Monate hierfür jedoch insgesamt 0,00 EUR aus. Ferner konnten die Antragsteller keine Angaben dazu machen, aus welchen Gründen von Januar bis März 2019 neben den Kosten für die Versicherung des Kfz laufende Betriebskosten von weiteren 972 EUR angefallen sein sollen. Eine Reparatur des Leasingfahrzeugs haben sie verneint. Schließlich weist die BWA eine Entnahme von 15.201,35 EUR aus. Auf die Frage, ob dies Indiz für erheblich höhere als angegebene Einnahmen sei, haben die Antragsteller angegeben, dass es sich um einen Fehler des Buchhalters handele, vielmehr sei dies eine Privateinlage. Gleichzeitig haben die Antragsteller angegeben, einen früheren Geschäftspartner ausgezahlt zu haben, nachdem dieser mit körperlicher Gewalt gedroht habe. Hierfür hätten sie bei einer Freundin ein weiteres Darlehen aufgenommen. Die Details waren im Eilverfahren nicht weiter aufklärbar, die Buchungen scheinen jedoch einer ordnungsgemäßen Buchführung zu widersprechen.

Als Indiz für ein höheres als bislang angegebenes Einkommen ist heranzuziehen, dass sich die Antragsteller trotz mehrjährigen Bezugs von Leistungen nach dem SGB II zwei Kfz "leisten" und für die Antragstellerin im Dezember 2018 eine private Rentenversicherung mit einer Verpflichtung von 200,00 EUR /Monat abgeschlossen haben. Dies scheint angesichts der behaupteten prekären Einnahmesituation in besonderem Maße ungewöhnlich.

Nach summarischer Prüfung ist daher davon auszugehen, dass der Einkommensprognose keine sorgfältigen und belastbaren Angaben zugrunde liegen und die BWA der Antragstellerin zu 1) nicht kaufmännisch sorgfältig erstellt und daher keiner ordnungsgemäßen Buchführung entspricht.

Ein Indiz für fehlerhafte Angaben ist schließlich das Verhältnis zwischen Wareneinkauf und Umsatz. Es weicht – ohne dass hierfür ein Grund ersichtlich ist oder von den Antragstellern eine nachvollziehbare Erklärung gegeben werden kann – von statistischen Werten ab. Das Gericht ist sich bewusst, dass allein die Abweichung von statistischen Kennzahlen eine Verwerfung der Buchführung nicht rechtfertigen kann (so auch Sozialgericht Neuruppin, Urteil vom 18. Februar 2016 – S 18 AS 882/15 –, juris). In Zusammenhang mit den sich aus den Angaben ergebenden Zweifeln indiziert jedoch – lediglich ergänzend – diese Abweichung die Unrichtigkeit der Angaben, da keine Rechtfertigungs- bzw. Erklärungsgründe vorliegen.

Das Gericht greift zur Prüfung des Verhältnisses zwischen Wareneinkauf und Umsatz auf die Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums zurück (https:// www.bundesfinanzministerium.de/ Web/ DE/ Themen/Steuern/ Steuerverwaltungu-Steuerrecht/ Betriebspruefung/ Richtsatzsammlung Pauschbetraege/ richtsatzsammlung pauschbetraege.html). Die Richtsätze sind ein Hilfsmittel für die Finanzverwaltung, Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer geeigneter Unterlagen zu schätzen. Rechtsgrundlage hierfür ist im Steuerrecht § 162 Abgabenordnung. Im Bereich des SGB II ermächtigt nach Überzeugung des Gerichts § 3 Abs. 3 ALG II-VO zur Anwendung der Richtssatzsammlung als Schätzgrundlage.

Die Richtsätze sind in besonderem Maße geeignet, als valide Schätzgrundlage Ausgangspunkt der Prüfung des Einkommens Selbständiger auch im Bereich des SGB II zu sein (ebenfalls bejahend Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. Mai 2018 – L 19 AS 2316/17 B ER –, Rn. 18, juris; SG Neuruppin, Urteil vom 18. Februar 2016 – S 18 AS 882/15 –, juris). Die nach § 3 Abs. 3 ALG II-VO zulässige Korrektur der Angaben des Leistungsberechtigten hat sich an nachvollziehbaren Maßstäben zu orientieren. Die Rechtsätze liefern solche und sind mit Augenmaß auf den Bereich der existenzsichernden Leistungen zu übertragen. Soweit das LSG Hamburg im Urteil vom 10. September 2018 – L 4 AS 316/15, juris Rn. 28 – die Anwendbarkeit verneint und ausführt, die Richtsätze seien "nicht für Zwecke der Einkommensberechnung nach dem SGB II, sondern als Hilfsmittel für die Finanzverwaltung erstellt" worden, übersieht es, dass die Richtsätze lediglich einen Schätzmaßstab darstellen, anstelle einer Korrektur "nach Bauchgefühl" anzuwenden sind und gerade für die Beurteilung von Einkommen Selbständiger geschaffen wurden. Anhand der Einzelfallumstände ist zu prüfen, ob "eine Abweichung von den Richtsätzen schlicht Abbild der Unwirtschaftlichkeit der Betriebsführung" ist (so LSG Hamburg, a.a.O.) oder Indiz für ein manipulatives Verhalten (zur Privatentnahme ohne Buchung LSG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2018 – L 19 AS 2316/17 B ER –, Rn. 18, juris).

Insbesondere für die Kalkulation des Verhältnisses zwischen Wareneinkauf und Umsatz geben die Richtsätze ein verlässliches Indiz. Während die Abschätzung des Verhältnisses zwischen Wareneinkauf und Gewinn im Bereich des SGB II mit besonderer Vorsicht anzuwenden ist – weil sich Abweichungen von üblichen Geschäftsergebnissen durch die geringere Investitions- und Lagerhaltungskraft, durch die ggf. höhere Kreditbelastung sowie durch möglichweise geringere unternehmerische Erfahrung ergeben können –, ist die Betrachtung des Verhältnisses zwischen Wareneinsatz und Umsatz unabhängig von weiteren individuellen Betriebsausgaben, also unabhängig von Investitionsvolumen, Verschuldung oder uneffektiven Betriebsmethoden möglich. Es ist – gerade bei dem Betrieb eines Cafés wie hier – davon auszugehen, dass regelmäßig aus der gleichen Menge an Einkauf für Kaffee, Torten und weiteren Lebensmitteln der gleiche Umsatz, d.h. die statistisch gleiche Menge an Betriebseinnahmen erzielt werden kann. Dies gilt hier insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei dem Betrieb des Cafés der Antragstellerin zu 2) nicht von schwankenden Umsätzen im Jahreslauf auszugehen ist, da es sich nicht um ein Saisongeschäft handelt.

Die Richtsätze bestehen aus einem oberen und einem unteren Rahmensatz sowie einem Mittelsatz. Die Rahmensätze tragen den unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung. Der Mittelsatz ist das gewogene Mittel aus den Einzelergebnissen der geprüften Betriebe einer Gewerbeklasse. Die Richtsatzsammlung sieht für Cafés einen Rohgewinnaufschlag auf den Wareneinsatz von durchschnittlich 257 % (Mittelsatz) vor. Angegeben wird ein unterer Rahmensatz von 186 % und ein oberer von 376 %. Danach erzielen Cafés aus 10.000 EUR Wareneinkauf im Mittel einen Umsatz von 35.700 EUR (10.000 Wareneinkauf zzgl. Rohgewinnaufschlag von 25.700 EUR). Berücksichtigt man lediglich den unteren Rahmenwert ergibt sich ein Umsatz von 28.600 EUR (10.000 Wareneinkauf zzgl. Rohgewinnaufschlag von 186 %). Aus den Angaben zum Rohgewinn ergibt sich, dass Cafés im Mittel 28 % ihres Umsatzes für Wareneinkauf aufwenden (unterer Rahmen 35 %, oberer Rahmen 21 % des Umsatzes).

Der Waren-/Materialeinsatz im Sinne der Richtsätze wird nach Ziffer 8.2 der Richtsatzsammlung mit den steuerlichen Anschaffungskosten - ohne abziehbare Vorsteuer - unter Abzug der unentgeltlichen Wertabgaben (ggf. mit den festgesetzten Pauschbeträgen), der Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG, der unentgeltlichen Waren- und Materialabgaben an das Personal und des Waren-/Materialverbrauches für eigenbetriebliche Zwecke angesetzt. Zum Waren-/Materialeinsatz zählen danach auch: Nebenkosten bis zur Einlagerung (z.B. Frachten, Porti, Transportversicherungen, Warenumschließung, Umschlagskosten, Zölle, Verbrauchsteuern) oder Werklieferungen und Werkleistungen fremder Unternehmen. Zum Waren-/Materialeinsatz zählen nicht: Betriebsstoffe (z.B. Energie- und Brennstoffe); Gebühren (z.B. Schlacht- und Fleischbeschaugebühren); Getränkesteuer.

Wirtschaftlicher Umsatz im Sinne der Richtsätze nach Ziffer 8.1 der Richtsatzsammlung ist die Jahresleistung des Betriebes zu Verkaufspreisen - ohne Umsatzsteuer - abzüglich der Preisnachlässe und der Forderungsverluste. Zum wirtschaftlichen Umsatz zählen auch: Einnahmen aus sonstigen branchenüblichen Leistungen (z.B. aus Materialabfällen, aus Automatenaufstellung in Gaststätten, Werbezuschüsse); Bedienungsgelder sowie Verbrauchsteuern (z.B. Biersteuer, Tabaksteuer, Getränkesteuer; Schaumweinsteuer), die entgeltmäßig miterhoben werden. Zum wirtschaftlichen Umsatz zählen nicht: Erträge aus gewillkürtem Betriebsvermögen; Einnahmen aus Hilfsgeschäften; Einnahmen aus in Vorjahren ausgebuchten Kundenforderungen; Einnahmen aus nicht branchenüblichen Leistungen (z.B. aus ehrenamtlicher oder gutachtlicher Tätigkeit, aus Lotto- und Totoannahme); unentgeltliche Wertabgaben; Leistungen an das Personal; Leistungen für eigenbetriebliche Zwecke.

Nach den Angaben der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren stand einem Wareneinkauf von monatlich 3.600 EUR netto ein Umsatz von monatlich 7.452 EUR netto gegenüber. Das entspricht einem Rohgewinnaufschlag von 107 Prozent. Die BWA des ersten Quartals 2019 weist einen Wareneinkauf von 10.007,42 EUR und einen Umsatz von 21.175,36 EUR aus. Das entspricht einem Rohgewinnaufschlag von 111 Prozent. Die Antragstellerin wendet nach ihren Angaben fast 50 % des Umsatzes für den Wareneinkauf auf.

Bei Berücksichtigung des unteren Rahmenwertes erzielen vergleichbare Cafés aus einem Wareneinkauf von 10.007,42 EUR jedoch 28.621,22 EUR Umsatz. Im Mittel erzielen Cafés aus diesem Wareneinsatz einen Umsatz von 35.726,48 EUR (257 % Aufschlag).

Es sind trotz mehrstündiger Befragung der Antragsteller keine Anhaltspunkte ersichtlich, aus welchen Gründen im vorliegenden Einzelfall von den statistischen Werten der Finanzverwaltung abgewichen werden sollte. Das Café der Antragstellerin zu 1) liegt an einer Hauptstraße im dicht besiedelten Bezirk Berlin-Hohenschönhausen. die Antragstellerin verkauft die Ware zu handelsüblichen Preisen (Kuchen ca. 3,80 EUR/Stück, Tasse Kaffee 2 EUR /Tasse, Kaffeekreationen teurer). Die Einkäufe erledigt sie im Großhandel, bei günstigeren Angeboten auch bei den üblichen Lebensmitteldiscountern. Sie bezieht ihre Ware daher zu vergleichbaren Preisen wie die Konkurrenz, die verkauft ihre Produkte zu ebenso üblichen Preisen wie die Konkurrenz. Auf Nachfrage hat die Antragstellerin angegeben, den üblichen Schwund zu verzeichnen. Als Rechtfertigung des Verhältnisses hat sie lediglich angegeben, hochpreisige Torten und sehr guten Kaffee einzukaufen, jedoch keine Möglichkeit zu haben, diese mit dem üblichen Aufschlag anzubieten. Jedoch handelt es sich bei den Richtsatzangaben um eine Mischkalkulationen. So wird ein geringerer Rohgewinnaufschlag z.B. auf Torten durch einen weit höheren bei Kaffee, Tee und Getränken kompensiert. Die Handelsspanne bei Erfrischungsgetränken und Frühstück weicht nicht ab. Dem Umstand, dass die Antragstellerin zu 1) nach ihren Angaben hochwertige Backware zu normalem Preisen verkauft, wird die Berücksichtigung der unteren Richtsatzgrenze gerecht. Gründe für eine darüber hinausgehende Abweichung sind nicht ansatzweise ersichtlich.

bb.
Die vom Antragsgegner vorgenommene Korrektur der Einkommensprognose kann nach summarischer Prüfung nicht Grundlage der Einkommensschätzung sein. Denn der Antragsteller hat bei der Berechnung lediglich Personalkosten von 600,00 EUR pro Monat angesetzt. Das erscheint angesichts der Forderung, die Antragstellerin zu 1) solle sich vollschichtig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen, widersprüchlich. Für übliche Öffnungszeiten des Cafés benötigt die Antragstellerin zu 1), auch Mutter von zwei Kindern, Personal. Darüber hinaus hat der Antragsgegner keine Kfz-Kosten anerkannt. Zwar ist ein Misstrauen nachvollziehbar, wenn die Antragsteller kein Fahrtenbuch führen und das Verhältnis zwischen betrieblicher und privater Nutzung dadurch schwer feststellbar wird. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Antragstellerin zu 1) nahezu täglich frische Ware einkaufen muss, die betriebliche Nutzung eines Kfz ist branchenüblich. Darüber hinaus haben die Antragsteller glaubhaft gemacht, dass einige Positionen der Betriebsausgaben tatsächlich höher ausfallen, als von Antragsgegner berücksichtigt.

cc.
Das Gericht hat daher von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Einkünfte der Antragstellerin zu 1) aus selbständiger Tätigkeit zu schätzen. Dabei hat das Gericht als Schätzgrundlage den durchschnittlichen Umsatz auf Basis des Wareneinkaufs anhand der Werte der Richtsatzsammlung hochgerechnet.

Der durchschnittliche monatliche Wareneinkauf nach der vorgelegten BWA für Januar bis März 2019 und in gleicher Höhe nach den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Zahlen beträgt 3.335 EUR. Das Gericht geht davon aus, dass die Antragstellerin diese monatlichen Kosten für den Wareneinkauf tatsächlich ausgibt. Anhaltspunkte für ein Interesse, geringere Betriebsausgaben anzugeben bestehen nicht.

Der Wareneinsatz ist vor der Hochrechnung um Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) zu vermindern. Die Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben werden auf der Grundlage der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Aufwendungen privater Haushalte für Nahrungsmittel und Getränke festgesetzt. Sie beruhen auf Erfahrungswerten. Der jeweilige Pauschbetrag stellt einen Jahreswert für eine Person dar. Für Kinder bis zum vollendeten 2. Lebensjahr entfällt der Ansatz eines Pauschbetrages. Bis zum vollendeten 12. Lebensjahr ist die Hälfte des jeweiligen Wertes anzusetzen. Tabakwaren sind in den Pauschbeträgen nicht enthalten. Soweit diese entnommen werden, sind die Pauschbeträge entsprechend zu erhöhen (vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Downloads/BMF Schreiben/Weitere Steuerthemen/Betriebspruefung/Richtsatzsammlung/2018-12-12-pauschbetraege-2019.html; die Anwendbarkeit bezweifelnd SG Berlin, Beschluss vom 25. Januar 2011 – S 201 AS 328/11 ER –, juris, bejahend LSG NRW, Beschluss vom 07. Mai 2018 – L 19 AS 2316/17 B ER –, Rn. 18, juris). Die Berücksichtigung der Pauschbeträge stellt sich bei einer Kalkulation des Umsatzes aus dem Wareneinsatz im Ergebnis als für die Leistungsberechtigten nach dem SGB II als begünstigend dar. Denn der Abzug des vollen Pauschbetrages vermindert die Menge des hochzurechnenden Wareneinsatzes, so dass sich im Ergebnis ein geringerer Umsatz ergibt, der nach Abzug der weiteren Betriebsausgaben die Höhe des Gewinns definiert.

Ausgehend von einem Jahreswert für den Gewerbezweig Café und Konditorei (Kalenderjahr 2019) für eine Person ohne Umsatzsteuer von 1.810 EUR und Berücksichtigung von zwei Erwachsenen und zwei Kindern ergibt sich hier ein monatlicher Pauschbetrag von 452,50 EUR.

Nach Verminderung des Nettowareneinkaufs von 3.335,00 EUR um den Pauschbetrag von 452,50 EUR ergibt sich ein – dem betrieblichen Umsatz zugänglicher – Wareneinkaufswert von 2.882,50 EUR. Nach Addition des um den Mindestfaktor 1,86 erhöhten Rohgewinnaufschlages ergibt sich ein prognostizierter Umsatz von monatlich 8.243,95 EUR (2.882,50 Wareneinsatz + 5.361,45 EUR Aufschlag).

Die vereinnahmte Umsatzsteuer ist bei der Prognose nicht zu berücksichtigen, da sie der abziehbaren Vorsteuer und die Umsatzsteuerzahllast gegenübersteht und sie insoweit einen gewinnneutralen, durchlaufenden Posten darstellt.

Von den Betriebseinnahmen sind die Betriebsausgaben zu subtrahieren. Nach den Sachverhaltsermittlungen und der Befragung der Antragsteller geht das Gericht von folgenden monatlichen Betriebsausgaben aus:

Wareneinkauf:3.335,00 EUR, durchschnittliche Löhne einschließlich Sozialabgaben für die vier geringfügig Beschäftigten nach den letzten drei Monaten: 1.657,16 EUR; glaubhaft gemachte Kosten für Miete und Strom: 1.437,21 EUR; durchschnittliche Versicherungskosten: 93,30 EUR; durchschnittliche Kosten für das betrieblich genutzte Kfz: 300,00 EUR (das Gericht hat keine Zweifel an der betrieblichen Notwendigkeit eines Kfz für den täglich frischen Wareneinkauf sowie an der überwiegend betrieblichen Nutzen dieses Fahrzeugs, jedoch erhebliche Zweifel an der Höhe der angegebenen Kosten, welche die Antragsteller im Erörterungstermin nicht erklären konnten); Werbekosten: 50,00 EUR; Bewirtungskosten: 20,00 EUR (soweit sie nach Ansicht des Gerichts branchen- und geschäftsüblich sind); durchschnittliche Beratungskosten: 85,00 EUR; Post: 30,00 EUR (die angegeben Kosten von 85,00 EUR monatlich erscheinen angesichts üblicher digitaler Kommunikation zu hoch); Nebenkosten Geldverkehr: 50,00 ER (die Antragsteller haben glaubhaft gemacht für das Betriebskonto 30,00 EUR und für Transaktionsgebühren für das EC-Gerät von 20 EUR pro Monat aufwenden zu müssen); Gerätemiete und Sonstiges: 330,00 EUR. Ferner ist die Rückzahlung eines Investitionsdarlehens von 500,00 EUR monatlich zu berücksichtigen (die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, für die Rückzahlung von Privatdarlehen, die sie für den Ausbau des Landes im Jahr 2016 aufgenommen haben, mindestens 500,00 EUR zurückzahlen zu müssen). Er ergeben sich prognostizierte Betriebsausgaben von 7.387,67 EUR.

Bei geschätzten Einnahmen 8.243,95 EUR zzgl. der pauschalen Sachentnahmen von 452,50 EUR abzüglich der geschätzten Betriebsausgaben ergibt sich ein monatlicher Gewinn von 808,78 EUR.

Auf den Gewinn der Antragstellerin zu 1) ist nach § 11b SGB II ein Freibetrag von monatlich 241,76 EUR anzurechnen. Das Gericht hat nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Erwerbstätigenfreibeträge im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung unberücksichtigt zu lassen, da der Antragsteller zu 1) für ihre Erwerbstätigkeit auch Aufwendungen entstehen, welche mit den Freibeträgen abgedeckt werden sollen.

e.
Die monatlich anrechenbaren Einkünfte der Antragsteller – vermindert um die Freibeträge – summieren sich auf 1.613,82 EUR. Nach Anrechnung auf den monatlichen Bedarf ergibt ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II von insgesamt 539,30 EUR. Auf die Darstellung der individuellen Bedarfe der einzelnen Antragsteller hat das Gericht verzichtet, da es sich lediglich um eine vorläufige Leistungsbewilligung handelt.

Die Kosten für die private Rentenversicherung der Antragstellerin hat das Gericht nicht einkommensmindernd berücksichtigt, da diese Kosten nach den Angaben der Antragsteller (zweckgebunden) von Familienmitgliedern getragen werden.

f.
Das Gericht hat den Antragstellern abweichend vom üblichen Lauf des Bewilligungsabschnittes (bis Juni 2019) Leistungen bis einschließlich September 2019 zugesprochen. Denn anderenfalls würde sich der Streit um die vorläufige Leistungsbewilligung bereits im nächsten Monat fortsetzen.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG. Sie berücksichtigt die Anteile des Unterliegens und Obsiegens der Antragsteller.
Rechtskraft
Aus
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