S 36 U 158/00

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
36
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 158/00
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2000 verurteilt, der Klägerin Witwenrente nach ihrem im Dezember 1998 verstorbenen Ehemann P. T. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob der 1943 geborenen Klägerin Witwenrente nach ihrem 1940 geborenen und 1998 an den Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) (durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Pericards, im Folgenden: BK 4105) gestorbenen Ehemann P. T. (im Folgenden: Versicherter) zu gewähren ist, insbesondere, ob die gesetzliche Vermutung einer so genannten Versorgungsehe widerlegt ist.

Unter dem 10. August 1998 beantragte der Versicherte die Feststellung einer Berufskrankheit. Im Juli 1998 sei bei ihm eine Krebserkrankung festgestellt worden, die laut ärztlicher Aussage ursächlich auf seinen beruflichen Umgang mit asbesthaltigen Materialien während seiner Tätigkeit bei der K. Werft GmbH & Co. KG zurückzuführen sein könnte.

Aus den beigezogenen ärztlichen Unterlagen ergab sich, dass der Versicherte erstmals am 9. Juli 1998 einen Arzt wegen der Beschwerden im Zusammenhang mit der später festgestellten Krebserkrankung aufsuchte und dass er vom 20. Juli bis 4. August 1998 stationär im Kreiskrankenhaus R. wegen eines Ascites bei peritonealem Mesotheliom behandelt worden war. Aus dem Bericht des Kreiskrankenhauses R. ergab sich, dass die Erkrankung nur symptomatisch zu behandeln sei, der Versicherte entsprechend unterrichtet und in recht gutem Allgemeinzustand entlassen worden sei.

Nach durchgehender Arbeitsunfähigkeit seit dem 20. Juli 1998 verstarb der Versicherte im Dezember 1998 an Herz-Kreislaufversagen nach Pleuramesotheliom in R., wo er bis zuletzt lebte.

Prof. Dr. M. kam in seinem fachpathologischen Gutachten vom 12. Februar 1999 ebenso wie Dr. N. in seiner gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 19. März 1999 zu der Einschätzung, dass die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 4105 vorliegen, dass trotz fehlender Obduktion mit hinreichender Sicherheit vom Vorliegen einer Erkrankung im Sinne der BK 4105 auszugehen und dass die Verursachung des Todes des Versicherten hierdurch anzunehmen sei.

Dieser Einschätzung schloss sich die Beklagte mit Bescheid vom 25. Oktober 1999 an, lehnte aber dennoch die Gewährung von Witwenrente mit der Begründung ab, dass angesichts der Eheschließung der Klägerin mit dem Versicherten im September 1998 vor dem Standesamt in R., also nach Eintritt des Versicherungsfalls am 9. Juli 1998, und des Todes des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Voraussetzungen für die Annahme einer so genannten Versorgungsehe im Sinne des § 65 Abs. 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) vorliegen und die vom Gesetz aufgestellte Vermutung nicht habe widerlegt werden können.

Vorausgegangen waren Auskünfte der Klägerin dahingehend, dass sie den Versicherten 1982 in R. kennen gelernt und seither mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt habe. Ein gemeinsamer Haushalt sei aus beruflichen Gründen nicht gegründet worden, weil beide Lebenspartner an verschiedenen Orten - der Versicherte in R., die Klägerin in H. - in gesicherten Beschäftigungsverhältnissen gestanden haben ohne Aussicht auf eine gleichwertige bzw. gleich sichere Position in der jeweils anderen Stadt. Daher habe über 16 Jahre eine Beziehung bestanden, die einer "Wochenendehe" gleichgekommen sei. Seit etwa 1990 haben wechselseitige Bankvollmachten vorgelegen, und es seien Absprachen über Beerdigungsmodalitäten mit entsprechenden Verfügungen getroffen worden. Sowohl die wechselseitigen Bankvollmachten als auch die Verfügungen zu den Beerdigungsmodalitäten waren von der Klägerin in Kopie vorgelegt worden.

Nachdem die beiden Lebenspartner, die jeweils bereits eine geschiedene Ehe hinter sich gehabt haben, eine Heirat zunächst nicht in Erwägung gezogen haben, sei etwa ab 1995 über Heiratspläne gesprochen worden. Ein entsprechender Entschluss sei 1996 oder 1997 gefasst worden. Schließlich sei eine Eheschließung für den xx. September 1997, den Geburtstag der Klägerin, während einer Rundreise durch die USA geplant gewesen. Die Rundreise sei gemeinsam mit der in Kalifornien lebenden Schwester der Klägerin und deren Ehemann durchgeführt worden. Man habe sich auch in L. V. beim dortigen Standesbeamten eingefunden, um die Ehe miteinander einzugehen. Dies sei jedoch gescheitert, weil die Klägerin und der Versicherte jeweils ihr Scheidungsurteil aus 1. Ehe nicht dabei gehabt haben. Eine Anforderung aus Deutschland auf dem Postweg sei nicht mehr möglich gewesen, weil der Rückflug schon wenige Tage danach bevorgestanden habe.

Daraufhin sei die Eheschließung für das Folgejahr 1998 in gleicher Form am gleichen Ort geplant gewesen. Dieses Vorhaben sei jedoch fallen gelassen worden, nachdem Anfang 1998 der Ehemann der Schwester der Klägerin erkrankt und im Mai 1998 gestorben sei.

Daraufhin seien die Pläne dahingehend geändert worden, dass im September ein Urlaub in Deutschland und auch eine Eheschließung in Deutschland habe erfolgen sollen. Zum Zeitpunkt der Anmeldung der Eheschließung und der Eheschließung selbst sei der Klägerin nicht bekannt gewesen, wie ernst der Gesundheitszustand des Versicherten gewesen sei. Jener habe zum Krankheitsbild nie nähere Angaben gemacht, möglicherweise, um die Klägerin nicht damit zu belasten. Das Motiv für die Eheschließung im September 1998 sei eine Nachholung der fehlgeschlagenen Eheschließung 1997 gewesen, wie bei den meisten Eheschließungen die persönliche Verbundenheit, eine rechtliche Absicherung der Ehegatten sowie eine evtl. Steuerersparnis.

Die Beklagte hatte schriftliche Aussagen der Schwester der Klägerin sowie weiterer Verwandter und Bekannter der Klägerin und des Versicherten eingeholt, nämlich von J. und G. J., E. G., H.-L. St., G. und G. St., E. A., U. R., E. und H. T., U. B., A. H., H. B., I. M. sowie E. und B. T. Alle hatten angegeben, dass die Klägerin und der Versicherte in den letzten Jahren Heiratspläne erwähnt hatten, einige auch konkret die Planung einer Eheschließung im September 1997 und die Verschiebung auf den September 1998, ursprünglich jeweils während einer USA-Reise.

Das Standesamt R. hatte auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass die Klägerin und der Versicherte am 15. September 1998 persönlich die Eheschließung angemeldet haben und dass dabei keine Auffälligkeiten bezüglich des Gesundheitszustandes des Versicherten vorgelegen haben.

Der behandelnde Arzt B. hatte mitgeteilt, dass er, seine in Gemeinschaftspraxis mit ihm praktizierende Ehefrau sowie die behandelnde Stationsärztin den Versicherten zwar über die Ernsthaftigkeit seiner Erkrankung aufgeklärt, aber niemals Aussagen über die noch zu erwartende Restlebenszeit gemacht haben, schon um jenen nicht unnötig seelisch zu belasten.

Auf Anforderung der Beklagten hatte Dr. S. festgestellt, dass die beim Versicherten aufgetretene Erkrankung über eine kurze Zeit relativ stabil bleiben könne, um dann schnell und rasch zum Tode zu führen. Der Verlauf sei individuell recht unterschiedlich. Es könne aber durchaus angenommen werden, dass der Versicherte sich einige Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eines relativ guten Wohlbefindens erfreuen konnte und es somit nicht unwahrscheinlich sei, dass die Eheschließung in dem Glauben stattgefunden habe, dass die Erkrankung durch Medikation auf einem gewissen Niveau gehalten werden könne, welches mit einem weiteren, wenn auch begrenzten Leben vereinbar sei.

Den Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2000 mit der Begründung zurück, dass kein Vollbeweis von Tatsachen gelungen sei, die die gesetzliche Rechtsvermutung einer Versorgungsehe außer Kraft setzen. Nach den Ermittlungen haben nur lose Heiratspläne vorgelegen. Anderenfalls wäre schon eine bessere Vorbereitung der angegebenen geplanten Eheschließung 1997 zu erwarten gewesen. In jedem Fall sei die Eheschließung ausschließlich im Rahmen einer USA-Reise geplant gewesen, nicht jedoch im September 1998 in Deutschland.

Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass § 65 Abs. 6 SGB VII nicht eine Versorgungsabsicht schlechthin meine, die bei den meisten Eheschließungen eine Rolle spielen dürfte, sondern die Vermutung zu Grunde läge, dass sich eine Heiratsabsicht erst in Kenntnis des Versicherungsfalls gebildet und zur Eheschließung geführt habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Aus den mehrfach gegenüber Verwandten und Bekannten geäußerten Heiratsabsichten und der Tatsache, dass bereits 1997 während der USA-Rundreise eine Eheschließung allein an fehlenden Papieren gescheitert sei, sei erkennbar, dass eine feste Heiratsabsicht schon vor Eintritt des Versicherungsfalls bestanden habe. Im Übrigen sei zumindest die Klägerin bis zuletzt nicht davon ausgegangen, dass die Erkrankung des Versicherten innerhalb so kurzer Zeit zum Tode führen könne. Er sei in gutem gesundheitlichen Zustand aus der stationären Behandlung entlassen worden, habe selbst nicht über seine Erkrankung gesprochen und sei trotz eines gewissen "Auf und Abs" seines Gesundheitszustandes bis Anfang Dezember 1998 noch in recht guter Verfassung gewesen. Im Dezember 1998 habe man noch zusammen seinen Geburtstag gefeiert. Ihr sei zwar klar gewesen, dass der Versicherte nicht mehr würde arbeiten können und sie habe sich deswegen auf die Suche nach einer gemeinsamen Wohnung in Norderstedt begeben. Angesichts eigener Erfahrungen im Bekanntenkreis, in dem jemand noch 5 Jahre mit einer Krebserkrankung gelebt habe, sei sie jedoch davon ausgegangen, dass auch ihre Ehe noch Jahre bestehen würde. Im Übrigen sei sowohl bei der Anmietung einer gemeinsamen Wohnung als auch bei zu erwartender Intensivierung der medizinischen Betreuung und weiteren Krankenhausaufenthalten eine Verheiratung von Vorteil gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. März 2000 zu verurteilen, ihr Witwenrente nach ihrem im Dezember 1998 verstorbenen Ehemann P. T. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und hält die gesetzliche Vermutung einer so genannten Versorgungsehe für nicht widerlegt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen G. und G. S.

Wegen des Inhalts des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Oktober 2001 sowie den weiteren Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist statthaft (§ 54 Abs. 1, 2 und 4 SGG). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. März 2000 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Witwenrente nach ihrem im Dezember 1998 verstorbenen Ehemann P. T. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer so genannten Versorgungsehe ist widerlegt.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VII in Verbindung mit § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erhalten Witwen von Versicherten Witwenrente, wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist, solange sie nicht wieder geheiratet haben.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. M. sowie des Gewerbearztes Dr. N., denen sich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden anschloss, lag beim Versicherten eine BK 4105 vor, an deren Folgen er starb. Zum Zeitpunkt seines Todes war der Versicherte mit der Klägerin verheiratet, die bis heute nicht wieder geheiratet hat.

Nach § 65 Abs. 6 SGB VII haben Witwen keinen Anspruch, wenn die Ehe erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden und der Tod innerhalb des 1. Jahres dieser Ehe eingetreten ist, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige ober überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Versicherungsfall trat am 9. Juli 1998 mit dem 1. Arztbesuch wegen der berufsbedingten Beschwerden ein. Die Eheschließung erfolgte danach im September 1998, und der Tod trat innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung, nämlich im Dezember 1998, ein.

Damit besteht die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe.

Diese Vermutung ist nur dann widerlegt, wenn die Abwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten ergibt, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen, zum Beispiel weil die Folgen des Arbeitsunfalls zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht vorausgesehen werden konnten, das Ableben des Versicherten bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten war oder auch eine feste Heiratsabsicht der Eheschließung vor dem Versicherungsfall bestand (Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Loseblattkommentar, § 65 SGB VII Rz. 25.1 m. w. N.).

Das Gericht ist davon überzeugt, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen.

Zum Einen war zumindest aus Sicht der Klägerin der Tod des Versicherten auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Sie hat nachvollziehbar ausgeführt, dass ihr die Schwere der Erkrankung des Versicherten bis kurz vor dessen Tod nicht bewusst war.

Der Versicherte war, wie auch die Zeugen G. und G. S. bestätigt haben, ein introvertierter Mensch, der versuchte, Probleme mit sich selbst auszumachen, und sprach nicht über seine Krankheit. Genauere Auskünfte erhielt die Klägerin - wahrscheinlich auf Wunsch des Versicherten - auch nicht von den behandelnden Ärzten.

Es ist gut nachvollziehbar, wenn die Klägerin vorträgt, dass sie angesichts der Erfahrungen im Bekanntenkreis, in dem jemand 5 Jahre lang mit einer Krebserkrankung weiterlebte, von dem mehrjährigen Bestehen ihrer Ehe ausging. Dem widerspricht auch nicht die Tatsache, dass ihr Schwager in den USA innerhalb kurzer Zeit an einer Krebserkrankung starb, wie der Zeuge G. S. aussagte. Wenn man selbst betroffen ist, macht man sich in der Regel hoffnungsvolle Beispiele zu eigen.

Der Gesundheitszustand des Versicherten bis Anfang Dezember ließ diese Hoffnungen auch begründet erscheinen. Er wurde nach Aussage der behandelnden Ärzte in gutem Allgemeinzustand aus der stationären Behandlung entlassen und war trotz gelegentlicher Verschlechterungen mit der Notwendigkeit erneuter Flüssigkeitsabsaugung aus dem Bauchraum bis nach seinem Geburtstag im Dezember 1998, der noch gemeinsam gefeiert wurde, in relativ guter Verfassung. Daher passt es auch ins Bild, wenn die Klägerin angibt, dass sie zwar nicht annahm, dass der Versicherte noch einmal arbeiten würde, jedoch noch länger mit seiner Krankheit würde leben können, und daher eine gemeinsame Wohnung suchte.

Der nach außen relativ gute Gesundheitszustand des Versicherten, der keinen Gedanken an einen schnellen Tod aufkommen ließ, wird auch von den glaubhaften Aussagen der Zeugen G. und G. S. bestätigt, der Auskunft des Standesamts R. sowie von Dr. S., der die Möglichkeit einräumte, dass angesichts des äußeren Bildes es nicht auszuschließen sei, dass die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung von einem längeren Bestehen der Ehe ausgegangen sind.

Im Übrigen steht auch nicht fest, ob der Versicherte selbst von der Möglichkeit eines schnellen Todes ausging. Der behandelnde Arzt B. gab an, dass weder er, noch seine Ehefrau noch die behandelnde Stationsärztin jemals eine Aussage über die noch zu erwartende Restlebenszeit gemacht haben, schon um ihn nicht unnötig seelisch zu belasten. Stattdessen erfolgte eine symptomatische Behandlung der Beschwerden, was durchaus auch dem Versicherten Hoffnung auf ein Weiterleben mit der Krankheit gemacht haben kann.

Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe ist jedoch auch dadurch widerlegt, dass eine feste Heiratsabsicht der seit vielen Jahren in einer Wochenendbeziehung lebenden Lebenspartner bereits vor dem Versicherungsfall bestand. Die Eheschließung stellt sich somit als Verwirklichung eines bereits vor Bekanntwerden der Erkrankung vorhandenen Heiratswunsches dar.

Die Einlassungen der Klägerin dazu, dass ab Mitte der 90er Jahre Heiratspläne bestanden und dann konkret die Eheschließung für 1997 geplant wurde, werden von sämtlichen im Vorverfahren von der Beklagten angeschriebenen Zeugen und sehr anschaulich und glaubhaft von den Zeugen G. und G. S. bestätigt - je nach Intensität des Kontaktes der / des jeweiligen Zeugin / Zeugen zu der Klägerin und dem Versicherten mehr oder weniger konkret, wobei die Grundaussage bei allen übereinstimmt.

Die Tatsache, dass der Versicherte und die Klägerin 1997 während der USA-Rundreise bereits vor dem Standesbeamten in L. V. standen und innerhalb weniger Minuten die Verbundenheit durch Heirat erwarteten, was nur an den fehlenden Scheidungspapieren scheiterte, zeigt die Ernsthaftigkeit und den festen Entschluss zur Eheschließung.

Auch die geplante Verschiebung auf 1998 - zunächst während einer USA-Rundreise, die dann an der Erkrankung des Schwagers der Klägerin scheiterte - und die Mitteilung hiervon an verschiedene Bekannte und Verwandte, so auch die Zeugen G. und G. S., zeigt, dass an dem festen Heiratswunsch festgehalten werden sollte.

Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass diese feste Heiratsabsicht nach Scheitern der USA-Rundreise 1998 fallen gelassen worden sein könnte. Wenn die Beklagte anführt, dass die Eheschließung allein an eine USA-Rundreise geknüpft gewesen sei und im Übrigen auch kein fester Termin bekannt geworden sei und die Kurzfristigkeit der tatsächlichen Eheschließung dem langen Vorsichherschieben vor Bekanntwerden der Erkrankung widerspreche, kann das Gericht dem zum Einen nicht folgen und zum Anderen keine Bedeutung beimessen.

Es ist nachvollziehbar, dass die Klägerin und der Versicherte, die fest zur Heirat entschlossen waren, sich nach Verschieben der Eheschließung um ein Jahr von 1997 auf 1998 in dem Moment, als auch die USA-Rundreise 1998 nicht mehr durchführbar war, für eine Eheschließung an einem anderen Ort entschieden.

Es ist weiter nachvollziehbar, wenn die Klägerin vorträgt, dass nach Bekanntwerden der Erkrankung des Versicherten eine Eheschließung schon wegen der zu erwartenden weiteren medizinischen Betreuung, insbesondere während Krankenhausaufenthalten, und auch bei der geplanten Wohnungssuche von Vorteil war, so dass schon deshalb eine kurzfristige Eheschließung angezeigt war.

Dass das Bekanntwerden der Erkrankung des Versicherten möglicherweise den Ausschlag für ein Vorziehen der geplanten Eheschließung gegeben haben könnte, führt jedoch nicht dazu, den Lebenspartnern die tatsächlich bestehende feste Heiratsabsicht vor Bekanntwerden der Erkrankung abzusprechen. Der Versorgungsaspekt mag Einfluss auf das Datum der Eheschließung gehabt haben, nicht jedoch auf den Entschluss zur Heirat an sich. Dieser war bereits vorher fest gefasst worden.

Auf eine feste Heiratabsicht kann nicht nur dann geschlossen werden, wenn bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls ein konkreter Hochzeitstermin feststand, wie die Beklagte offenbar meint. Eine solche Wertung und damit verbunden eine solche Auslegung der Vorschrift des § 65 Abs. 6 SGB VII wäre verfassungswidrig, weil es dem besonderen Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zuwiderlaufen würde, wie folgende - fiktive - Fallgestaltung zeigt: Wenn der Bezieher einer Witwerrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und die Bezieherin einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung sich dem Grunde nach entschlossen hätten, die Ehe miteinander einzugehen, ohne einen festen Termin im Auge zu haben, würden sie mittelbar durch den Eintritt eines Versicherungsfalls bei einem / einer von ihnen von der dem Grunde nach beabsichtigten Eheschließung abgehalten werden. Mit der Eheschließung würden sie ihren bisherigen Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente verlieren bei Zahlung einer Abfindung (§ 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Verbindung mit § 80 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), ohne einen neuen Versorgungsanspruch aus der neu eingegangenen Ehe zu erwerben, weil - wenn man der Auffassung der Beklagten folgen würde - die gesetzliche Vermutung einer so genannten Versorgungsehe nicht widerlegt werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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