S 3 KA 1079/00

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 1079/00
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Tatbestand:

Strittig ist, ob der Kläger bedarfsunabhängig zur vertragsärztlichen Versorgung in Hamburg zuzulassen ist

Der 1949 geborene Kläger ist approbierter Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut. Von April 1982 bis Juli 1994 war er im Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg beschäftigt und ist seit Oktober 1994 Inhaber einer Professur für Rehabilitationswissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin. Daneben ist der Kläger seit 1976 in selbständiger Praxis niedergelassen, in der er ab Februar 1993 Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Delegationsverfahren behandelt hat (im sogenannten Zeitfenster - 25.6.1994 bis 24.6.1997 – rechnete der Kläger mit der Beigeladenen zu 1) für die Behandlung von GKV-Versicherten insgesamt rund DM 86.000.- ab).

Am 29.12.1998 beantragte der Kläger beim Zulassungsausschuss für Ärzte-Hamburg (Zulassungsausschuss), ihn bedarfsunabhängig als Psychologischen Psychotherapeuten in Hamburg zuzulassen.

In einem vorgelegten Schreiben der Humboldt-Universität zu Berlin vom 16.12.1998 wurde bestätigt, dass für den Kläger als ordnungsgemäß berufenem Professor gemäß dem einschlägigen Hochschulgesetz keinerlei Anwesenheitspflicht bestehe, die über das Abhalten der Lehre von acht Stunden in der Vorlesungszeit hinausgehe. Zumindest die Hälfte der insgesamt zur Verfügung stehenden Zeit solle für Forschungsaufgaben genutzt werden. Zusätzlich stünden für Nebentätigkeiten acht Stunden wöchentlich zur Verfügung.

Mit Schreiben vom 22.12.1998, auf das ergänzend Bezug genommen wird, teilte er mit, dass an drei Tagen der Wochen und zusätzlich am Sonnabend uneingeschränkt Leistungen erbracht werden könnten, da sein Beschäftigungsverhältnis nur eine sehr geringe Präsenzpflicht erfordere (8 Stunden in der Vorlesungszeit). In der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss am 17.4.1999 führte der Kläger ergänzend aus, dass er in der Regel zwei Tage in der Woche in Berlin sei und während der übrigen Zeit – ca. 20 Stunden und einen ganzen Arbeitstag – in seiner Praxis in Hamburg zur Verfügung stünde.

Mit Beschluss vom 17.4.1999 lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag ab, da der Kläger – ungeachtet einer Erfüllung der Voraussetzungen des § 95 Abs. 10 SGB V - nicht in dem von § 20 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) geforderten erforderlichen Maße zur Verfügung stehe.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 1.10.1999 Widerspruch. Zur Begründung verwies er unter anderem darauf, dass er als Profesor für Verhaltensgestörtenpädagogik in Forschung und Lehre wesentlich eine psychoanalytisch orientierte Pädagogik entwickelt habe, welches ohne die Erfahrung aus psychoanalytischen Krankenbehandlungen nicht möglich gewesen wäre. Die jetzige Einschränkung verletze wesentliche Teile seiner Forschung und schränke das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit ein. Ergänzend wird auf den Schriftsatz vom 1.10.1999 Bezug genommen.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Beschluss vom 9.8.2000 zurück.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass einer Zulassung des Klägers neben seiner Beschäftigung als Ordentlicher Professor auf einer Vollzeitstelle § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV entgegen stehe. Die vertragsärztliche Tätigkeit sei nach dem geltenden System des Vertragsarztrechts nicht als eine Nebenbeschäftigung oder gleichrangige Tätigkeit neben einem Beschäftigungsverhältnis angelegt. Ein Beschäftigungsverhältnis mit wöchentlich regelmäßig 10 Arbeitsstunden, zumindest aber eines mit 19, 25 Arbeitsstunden sei mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nicht zu vereinbaren, wenn man berücksichtige, dass die verbleibende Arbeitszeit und –kraft zwangsläufig auch für eine Privatpraxis, administrative Arbeiten sowie Wege zwischen Wohnung, Arbeitsstätte und Praxis verwandt werden müsse. Da der Kläger eine Vollzeitstelle ausfülle, stünde es mit seiner Treuepflicht als Beamter auf Lebenszeit nicht in Einklang, die Professorentätigkeit einer Beschäftigung von nur zehn Wochenstunden gleichzusetzen. Der Umstand, dass der Kläger seine Arbeitszeit im wesentlichen frei einteilen könne, ändere nichts daran, dass er vom Pensum her vollschichtig beschäftigt sei.

Ergänzend – auch zu den weiteren Einzelheiten des vorprozessualen Sachverhalts - wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den am 4.9.2000 zur Post gegebenen Beschluss des Beklagten vom 9.8.2000 hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 21.9.2000 Klage erhoben. Zur Begründung hat er mit Schriftsatz vom 10.9.2001 zunächst darauf verwiesen, das das Sozialgericht Bremen mit (nicht rechtskräftigem) Urteil vom 26.1.2000 (Az. S 1 KA 171/99) in einem gleich gelagerten Rechtsstreit der Klage eines Universitätsprofessors und Psychotherapeuten stattgegeben habe.

Mit weiterem Schriftsatz vom 16.5.2002, auf dessen weiteren Inhalt Bezug genommen wird, hat der Kläger ausgeführt, dass die Tatsache, dass noch ein Beschäftigungsverhältnis eines Arztes bestehe, unter Berücksichtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit allein nicht ausreiche, um seine fehlende Eignung zu begründen. Es fehle eine gesetzliche Grundlage für Zulassungsbeschränkungen wegen einer Teilzeittätigkeit als Nebenbeschäftigung. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse ein Arzt lediglich zu den üblichen Sprechstunden und für Notfallbehandlungen zur Verfügung stehen. Als Hochschulprofessor sei der Kläger weitgehend frei in der Gestaltung seiner beruflichen Verpflichtungen. Er halte Sprechstunden in der für die psychotherapeutischen Behandlung üblichen Weise ab.

§ 20 Abs. 1 Ärzte-ZV enthalte keine Arbeitszeit-Regelung, wie das BSG im sogenannten Pathologenurteil ausgeführt habe. Das bislang nur aus Pressemitteilungen bekannte Urteil des BSG vom 30.1.2002 beziehe sich auf weisungsabhängige, fremdbestimmte Erwerbstätigkeiten. Aus der bisherigen BSG-Rechtsprechung ergebe sich kein Anhalt dafür, dass Bedarfsplanungsgesichtspunkte bei der Prüfung des Zurverfügungstehens gemäß § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV eine wesentliche Rolle spielten. Den Delegationspsychotherpeuten, die unabhängig von ihrem Nebenbeschäftigungsumfang jahrelang die psychotherapeutische Versorgung sichergestellt hätten, könne nicht im Wege der Auslegung des § 20 Ärzte-ZV der vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollte Bestandsschutz genommen werden. Es sei auch nicht erkennbar, warum angesichts der in Hamburg bestehenden hohen Überversorgung die Ausbung einer Teilzeit- bzw. Nebentätigkeitspraxis im Wege der Übergangsregelung aufgrund Bestandschutzgarantie höherrangige Rechtsgüter, namentlich die Sicherstellung der Versorgung, verletze. Die Rechtsauffassung des Beklagten würde demgegenüber zu unverhältnismäßigen Eingriffen in die durch Art. 12 Grundgesetz (GG) geschützte Praxissubstanz des Klägers führen.

Der Gesetzgeber habe sich gerade für die Möglichkeit einer bedarfsunabhängigen Zulassung entschieden, ohne diese allein auf vollschichtig tätige Psychotherapeuten zu beschränken, wie sich schon daraus ergebe, dass er für die Teilnahme eine relativ geringe Tätigkeit im Zeitfenster habe ausreichen lassen. Die tragenden Gründe der BSG-Entscheidungen vom 8.11.2000 seien auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht anwendbar.

Die Behandlungstätigkeit des Klägers gehe weit über eine bloße Nebenbeschäftigung hinaus und erreiche einen etwa halbtägigen Umfang. Sie diene darüber hinaus der Anbindung untereinander und gegenseitigen Durchdringung von Wissenschaft, Forschung und Praxis und werde vom Kläger deshalb nicht als geringfügige oder unerhebliche Nebentätigkeit angesehen oder betrieben. Im Gesundheitsbereich gelte ganz allgemein, dass Forschung eng mit klinischer und rehabilitativer Arbeit und Erfahrung verzahnt sein müsse. Dies gelte erst recht im Bereich der Psychotherapie, wo Laborstudien ausgeschlossen seien.

Hilfsweise werde ausgeführt, dass beim Kläger eine unbillige Härte vorliege, da zahlreiche Aufwendungen im Falle einer Verweigerung der Zulassung entwertet würden.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 9.8.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bedarfsunabhängig als Psychologischen Psychotherapeuten in Hamburg zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er sich mit Schriftsatz vom 1.11.2000 zunächst auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses bezogen und mit Schriftsatz vom 20.11.2001 ergänzend ausgeführt, er sei weiterhin der Auffassung, dass ein Psychotherapeut bereits dann nicht geeignet sei, wenn er auch nur für 19, 25 Stunden einer anderweitigen Beschäftigung nachgehe.

Das Gericht hat die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen vorgenommen.

Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 5.3.2001 beantragt, die Klage abzuweisen und zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses verwiesen sowie ergänzend ausgeführt, dass sich die Lehr- und Forschungstätigkeit des Klägers als Hauptamt darstelle, da ihm ausweislich der Bestätigung der Humboldt-Universität für Nebentätigkeiten nur acht Wochenstunden zur Verfügung stünden.

Die Beigeladenen zu 5) und 6) beantragen, die Klage abzuweisen.

Die übrigen Beigeladenen haben sich im Verfahren nicht geäußert.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten ist rechtmäßig.

Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts allein die Entscheidung des Beklagten vom 9.8.2000 (BSG SozR 3-2500 § 96 Nr. 1; zuletzt BSG, Urteil vom 18.3.1998, Az. B 6 KA 37/96 R m.w.N.).

Der Beklagte hat dem Kläger zu Recht keine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung in Hamburg erteilt, da Zulassungshindernisse nach § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV bestehen.

Die Kammer hat hierzu in ständiger Rechtsprechung (siehe Urteile vom 1.11.2000 - S 3 KA 61/00 = MedR 2001, 376 ff. und S 3 KA 184/00 -, vom 21.3.2001 - S 3 KA 47/00 -, vom 20.6.2001 - S 3 KA 1055/00 - vom 21.11.2001 - S 3 KA 1353/00 und S 3 KA 1626/00 – und vom 19.12.2001 - S 3 KA 1663/00) entschieden, dass die Ausübung einer im Umfang einer halben Stelle (19, 25 Wochenstunden) ausgeübten Nebentätigkeit mit § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV gerade noch vereinbar ist, da sie die Möglichkeit beläßt, überwiegend vertragsärztlich tätig zu sein. Bei einer als ´Nebentätigkeit` ausgeübten Vollzeittätigkeit ist dies aber nicht der Fall.

Nach § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV ist für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses oder wegen anderer nicht ehrenamtlicher Tätigkeit für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht.

Da der unbestimmte Rechtsbegriff des ´erforderlichen Maßes` nicht aus sich heraus erkennen läßt, in welchem Umfang ein Vertragsarzt oder –psychotherapeut zur Verfügung stehen muss, ist dies im Wege der Auslegung zu ermitteln. Steht fest, in welchem Umfang der Arzt oder

Psychotherapeut für die vertragsärztliche Tätigkeit zur Verfügung stehen muss, ergibt sich daraus im Umkehrschluss auch das zulässige Ausmaß einer daneben ausgeübten Nebentätigkeit.

Die Kammer folgt der Auffassung des BSG, dass ein Arzt (oder Psychotherapeut) nicht seine gesamte Arbeitszeit der vertragsärztlichen Tätigkeit widmen muss, sondern es – wie das BSG in seinem Urteil vom 5.11.1997 (BSGE 81, 143 ff = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16) unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung ausgeführt hat - nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV genügt, dass der die Zulassung anstrebende Arzt bzw. Psychologische Psychotherapeut in dem Bereich der vertragsärztlichen Versorgung in dem dort üblichen Umfang für die ambulant zu behandelnden Versicherten zur Verfügung steht (BSGE 81, 143, 149). Diese Rechtsprechung hat das BSG mit Urteilen vom 17.11.1999 (B 6 KA 15/99 R - BSGE 85, 145 ff. -, B 6 KA 28/99 R, B 6 KA 29/99 R und B 6 KA 30/99 R) ausdrücklich bestätigt (das Urteil vom 30.1.2002 – B 6 KA 20/01 R liegt noch nicht im Wortlaut vor). Auf die Ausführungen des BSG wird Bezug genommen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (a.a.O.) ist der übliche Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne eines Mindestumfangs dahingehend zu bestimmen, dass zumindest ein einer Halbtagstätigkeit entsprechender Arbeitseinsatz in der vertragsärztlichen Tätigkeit notwendig ist. Hierfür spricht neben dem pragmatischen Gesichtspunkt, dass eine Halbtagstätigkeit dem rechnerischen Mittel zwischen Null und einer Vollzeittätigkeit entspricht, der Gesichtspunkt, dass aus Bedarfsplanungs- und Sicherstellungsgründen gewährleistet sein muss, dass die vertragsärztliche Tätigkeit nicht als bloßes Hobby, sondern als Schwerpunkt der Tätigkeit ausgeübt wird.

Entgegen der Auffassung des Klägers spielen Bedarfsplanungsgesichtspunkte bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes des erforderlichen bzw. des üblichen Umfangs sehr wohl eine Rolle. Ebenso wie § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV (vgl. schon BSGE 76, 59, 62) dient auch die Bedarfsplanung der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung, wie sich zweifelsfrei aus § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt. Zur Sicherstellung gehört eine bedarfsgerechte und gleichmäßige ärztliche Versorgung in zumutbarer Entfernung (so ausdrücklich § 368 Abs. 3 RVO a.F.), also auch die Vermeidung einer Unterversorgung. Diesem Zweck dienen auch die nach den §§ 92, 101 SGB V aufzustellenden Bedarfsplanungs-Richtlinien.

Das Ziel, durch eine Bedarfsplanung auch eine ausreichende Versorgung der Versicherten sicherzustellen, könnte im Prinzip gefährdet werden, wenn Ärzte oder Psychotherapeuten zugelassen würden, die nur in geringem Umfang an der Versorgung der Versicherten teilnehmen. Da bei der Umsetzung der Bedarfsplanung nicht berücksichtigt wird, in welchem Umfang ein Arzt oder Psychotherapeut tatsächlich an der Versorgung der Versicherten teilzunehmen bereit ist, sondern immer mit dem Faktor 1, 0 (vgl. Nr. 8 Buchstabe c Abs. 2 Satz 2 Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte in der Fassung vom 21.9.1999, BAnz Nr. 202 vom 26.10.1999) - bzw. überwiegend psychotherapeutisch tätige Ärzte mit dem Faktor 0, 7 (§ 101 IV 4 SGB V) - berücksichtigt wird, könnte grundsätzlich der Fall einer unzureichenden Versorgung eintreten, wenn ein signifikanter Teil der Leistungserbringer nur in eingeschränktem Umfang an der Versorgung teilnimmt.

Soweit der Kläger darauf verweist, dass angesichts einer in Hamburg bestehenden Überversorgung die Zulassung von nicht in vollem Umfang der Versorgung der GKV-Versicherten zur Verfügung stehenden Psychotherapeuten nicht zu einer Beeinträchtigung der Versorgung führe, vermag ihm die Kammer schon deswegen nicht zu folgen, weil nach ihren Erkenntnissen die Frage des Bestehens einer Überversorgung in Hamburg zumindest als offen anzusehen ist. Einerseits ist der sich aus der Bedarfsplanung ergebende Bedarf in Hamburg mit einem Versorgungsgrad von 144, 5% HÄB 2001, 563) formal mehr als gedeckt. Andererseits ist dem Gericht aus verschiedenen Quellen, unter anderem aus Gesprächen mit den als Psychotherapeuten zugelassenen Beisitzern und Beisitzerinnen der Kammer wie aus dem Vorbringen zahlreicher Kläger und Klägerinnen, bekannt, dass bei einer Reihe von Psychotherapeuten lange Wartelisten bestehen und Patienten abgewiesen werden müssten. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass ungeachtet einer formalen Bedarfsdeckung faktische, unter Umständen auf einen geringen Tätigkeitsumfang zahlreicher Psychotherapeuten zurückzuführende, Versorgungslücken bestehen könnten.

Die neben der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit ausgeübte Beschäftigung muss - den zeitlichen Anforderungen an eine vertragspsychotherapeutische Tätigkeit entsprechend - vom zeitlichen Umfang her als Nebenbeschäftigung erkennbar sein, um zu verhindern, dass statt der fortgesetzten ´Nebentätigkeit` die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit als Nebenbeschäftigung betrieben wird. Wenn die vertragsärztliche bzw. –psychologische Tätigkeit mindestens den Umfang einer Halbtagstätigkeit haben muss, und zugunsten der Psychotherapeuten unterstellt wird, dass ihre Wochenarbeitszeit insgesamt den Umfang einer normalen Vollzeittätigkeit überschreitet, ist daher allenfalls eine Nebenbeschäftigung im Umfang einer Halbtagstätigkeit akzeptabel.

Dem steht – zumindest nicht im Sinne des Klägers – die Rechtsprechung des Bundesozialgerichts nicht entgegen. Zwar hatte das BSG bis zu seinem noch nicht im Wortlaut vorliegenden Urteil vom 30.1.2002 (B 6 KA 20/01 R) den Begriff des ´üblichen Umfangs` nicht näher präzisiert, doch ließ sich der jüngeren Rechtsprechung des BSG zumindest entnehmen, dass allenfalls eine im Umfang einer Halbtagstätigkeit ausgeübte Nebenbeschäftigung den Anforderungen des § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV entspricht.

Die vom Kläger zitierten Ausführungen des BSG entstammen nahezu ausnahmslos Entscheidungen, die vor Einführung der Bedarfsplanung, also vor dem 1.1.1993, ergangen sind. Insbesondere die älteren Entscheidungen lassen erkennen, dass seinerzeit kein Überangebot, sondern eher ein Mangel an Ärzten bestand, wie die Ausführungen im Urteil vom 4.6.1964 (BSGE 21, 118, 122) belegen: es sei den Interessen der Versicherten immer noch mehr damit gedient, wenn an ihrem Wohnort ein (Zahn)Arzt mit einem begrenzten Teil seiner Arbeitskraft zur Verfügung stehe, als überhaupt keiner.

Wenn der Kläger darauf verweist, dass er als Hochschullehrer in seiner Arbeitszeitgestaltung weitgehend frei sei, so ist dies allein für die Frage der Zeiteinteilung, der nach Auffassung der Kammer bei Psychotherapeuten ohnehin nur geringe Bedeutung zukommt, von Bedeutung, doch besagt dies noch nichts über den möglichen Tätigkeitsumfang (den Zeitaufwand). Insofern kommt es auch nicht darauf, dass sich die bisherigen Entscheidungen des BSG allein auf weisungsabhängige, fremdbestimmte Tätigkeiten bezogen haben.

In Bezug auf die für die ambulanten psychotherapeutische Behandlung von GKV-Versicherten zur Verfügung stehende Zeit haben die Erklärungen des Klägers, hierfür 20 Stunden pro Woche und einen ganzen Arbeitstag aufwenden zu können, die Kammer nicht überzeugt. Selbst wenn dies faktisch so sein sollte, fehlt es insoweit an einem rechtlich abgesicherten Dauerzustand. Die Auffassung des Klägers, dass es sich bei seiner Tätigkeit als niedergelassener Psychotherapeut zugleich im vollen Umfang um Forschungstätigkeit handelt, ist nicht zwingend und könnte angesichts zunehmend beschränkter Haushaltsmittel durchaus kritisch hinterfragt werden.

Hinzu kommt der auch vom BSG in seinem Urteil vom 30.1.2002 (ausweislich der Presse-Mitteilung vom 31.1.2002) hervorgehobene Aspekt, dass die Tätigkeit in niedergelassener Praxis für die Berufstätigkeit insgesamt prägend sein muss. Dies ist vorliegend zu verneinen. Nach eigenem Vorbringen des Klägers stellt sich dessen Tätigkeit als Hochschullehrer als Hauptberuf dar, dem (beziehungsweise den Zwecken von Forschung und Lehre) auch eine (Neben-)Tätigkeit in niedergelassener Praxis zu dienen bestimmt ist. Daher ist der Umfang der in nierdergelassener Praxis ausgeübten Tätigkeit auch nicht als konstant und lediglich durch den Patientenzuspruch bedingt anzusehen, sondern (auch) von den jeweiligen Forschungsschwerpunkten des Klägers abhängig.

Eine andere Betrachtung rechtfertigt auch nicht das Argument des Klägers, dass die Belange von Forschung und Lehre eine enge Verzahnung mit der Praxis erforderten und die Verweigerung einer Zulassung das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit einschränke.

Eine vertragsärztliche Zulassung dient nicht den Belangen von Forschung und Lehre, sondern dem Zweck, die Versorgung der GKV-Versicherten sicherzustellen. So hatte bereits das BSG im sogenannten ´Remedacen-Urteil` vom 5.7.1995 (1 RK 6/95 = BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 5) darauf hingewiesen, dass es nicht Aufgabe der Krankenkassen sei, die medizinische Forschung zu finanzieren.

Sofern der Gesetzgeber eine den Interessen von Forschung und Lehre dienende Beteiligung an der Versorgung der GKV-Versicherten für erforderlich erachtet hat, hat er dies ausdrücklich geregelt. Hochschulkliniken gehören gemäß § 108 Nr. 1 SGB V zu den Kraft Gesetzes zugelassenen Krankenhäusern. Zudem ist der Zulassungsausschuss gemäß § 117 Satz 1 SGB V verpflichtet, Polikliniken (poliklinische Institutsambulanzen der Hochschulkliniken) auf Verlangen ihrer Träger zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten (in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang, vgl. Satz 2) zu ermächtigen.

Da entsprechende Vorschriften für den niedergelassenen Bereich fehlen, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Beteiligung der Polikliniken an der ambulanten Versorgung als ausreichend erachtet hat, um den Zwecken der Lehre und Forschung zu genügen. Eine Beteiligung einzelner Hochschullehrer an der vertragsärztlichen Versorgung mag zwar gegebenenfalls sinnvoll sein; sie ist aber nicht zwingend geboten.

Im übrigen ist darauf zu verweisen, dass dem Kläger weiterhin die Behandlung von Privatpatienten offen steht.

Ein Zulassungsanspruch des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt seiner langjährigen Tätigkeit als Delegationspsychotherapeut. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis des Umstandes, dass vor dem 1.1.1999 zahlreiche Psychotherapeuten im Wege des Delegationsverfahrens an der Versorgung der GKV-Versicherten beteiligt waren, diesen keinen absoluten Bestandsschutz gewährt. Vielmehr hat er sie (weitgehend) den Kostenerstattungstherapeuten gleichgestellt und den übergangsrechtlichen Bestandsschutz auf Erleichterungen bei den nach § 95 SGB V zu erfüllenden Zulassungsvoraussetzungen sowie die Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtsstellung bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Zulassungsantrag (Art. 10 Psychotherapeutengesetz) beschränkt. Vom Übergangsrecht unberührt geblieben sind dagegen die zusätzlich zu erfüllenden Bestimmungen der Ärzte-ZV, bei der es sich entgegen der Bezeichnung als Verordnung um ein formelles Gesetz handelt (vgl. BSGE 76, 59). Hierzu hat der Gesetzgeber lediglich in § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV die entsprechende Geltung der Bestimmungen für Psychotherapeuten angeordnet, auf Übergangsregelungen jedoch verzichtet.

Ein weitergehender - ´absoluter` - Bestandsschutz war nach Auffassung der Kammer auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Im Delegations- oder gar im Kostenerstattungsverfahren tätige Psychotherapeuten konnten nicht darauf vertrauen, ihre bisherige Tätigkeit in ihrer jeweils speziellen Ausprägung fortsetzen zu können. Wenn der Gesetzgeber ihnen durch die Übergangsvorschriften eine Fortsetzung der Tätigkeit zu den für alle übrigen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten) geltenden Bedingungen ermöglicht hat, so ist dies ausreichend. Ein darüber hinausgehender Bestandsschutz für Nebentätigkeitspraxen ist nicht erforderlich; eine Privilegierung gegenüber den anderer Leistungserbringern ist nicht zu rechtfertigen.

Angesichts des Umstandes, dass der Kläger auch ohne die begehrte Zulassung über eine berufliche Lebensstellung verfügt, vermag die Kammer keine unverhältnismäßige Härte zu erkennen. Letztlich hat der Kläger die freie Wahl, sich für eine Tätigkeit als niedergelassener Psychotherapeut oder als Hochschullehrer zu entscheiden

Die Ausführungen des SG Bremen im Urteil vom 26.1.2000 (S 1 KA 171/99) überzeugen aus den bereits dargelegten Gründen nicht.

Da ein Zulassungsanspruch des Klägers zumindest an § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV scheitert, bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob der Kläger überhaupt - wie dies der Zulassungsausschuss angenommen und der Beklagte unterstellt oder offen gelassen hat - die Voraussetzungen des § 95 Abs. 10 SGB V, insbesondere das einer ausreichenden Teilnahme im Zeitfenster, erfüllt.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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