S 3 KA 1585/00

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 1585/00
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Strittig ist die Durchführung der Degression für das Jahr 1999.

Der Kläger ist als Kieferorthopäde zur vertragszahnärztlichen Versorgung in Hamburg zugelassen.

Mit Bescheid vom 13.3.2000 setzte die Beklagte den vom Kläger aufgrund der im Quartal IV/99 eingetretenen Überschreitung der Degressionsgrenzen zurückzuzahlenden Honoraranteil auf DM 70.609, 85 fest; der Punktestand des Klägers für 1999 betrug 655.608 Punkte.

Aufgrund der in den Anlagen zum Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagte in der maßgeblichen Fassung vom 9.4.1997 enthaltenen Honorarbegrenzungsregelungen wurden im Quartal IV/99 zudem Honorare in Höhe von DM 3.100, 40 einbehalten.

Gegen den Bescheid vom 13.3.2000 erhob der Kläger mit Schreiben vom 14.3.2000, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, Widerspruch.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19.9.2000, auf den ergänzend Bezug genommen wird, zurück. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass ein Verstoß gegen die rechnerische Richtigkeit bzw. die richtige Anwendung des HVM nicht festzustellen sei. Solange das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz, hier die gesetzlich vorgeschriebene Degression, nicht für verfassungswidrig erkläre, sei die öffentliche Verwaltung an dieses Gesetz gebunden und hätte es anzuwenden. Auch Leistungen, die zur Wiederherstellung kieferorthopädischer Apparate dienten, seien Kassenleistungen, solange sie nach der richtigen Gebührenordnungsposition abgerechnet und von den Krankenkassen vergütet würden.

Gegen den am 22.9.2000 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 19.9.2000 richtet sich die vom Kläger durch seine damaligen Bevollmächtigten am 23.10.2000 erhobene Klage, die mit Schreiben des Klägers vom 3.4.2001 begründet wurde. Die Höhe der Degression berechne sich aus Punktwerten und – summen, die aufgrund der Honorarabsenkung durch den Honorarverteilungsmaßstab gar nicht zur Auszahlung anstünden. Die vom Gesetzgeber geforderte Absenkung sei daher zu hoch. Dies gelte auch für die Einbeziehung von Leistungen, die allein deswegen zu erbringen seien, weil es zu vom Patienten zu verantwortende Beschädigungen und Verlusten von Behandlungsmitteln gekommen sei. Der Gesetzgeber müsse dem von der Degression betroffenen Zahnarzt die Möglichkeit geben, die Höhe der Degression selbst durch Einschränkung seiner Arbeitskraft zu bestimmen; die Höhe dürfe nicht durch das Verhalten anderer bestimmt werden.

Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt des Schriftsatzes vom 3.4.2001 Bezug genommen. wird

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 13.3.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.9.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich mit Schriftsatz vom 14.2.2001 zunächst auf die Gründe des angefochtenen Bescheides bezogen und mit weiterem Schriftsatz vom 5.4.2002, auf den ergänzend Bezug genommen wird, ausgeführt, dass der Gesetzgeber die verschiedenen unterschiedlichen Zwecken dienenden Kürzungs- und Begrenzungsregelungen nebeneinander gestellt habe.

Das Gericht hat die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen vorgenommen; die Beigeladenen haben sich im Verfahren weder geäußert noch Anträge gestellt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Die Klagefrist gegen den am 22.9.2000 zugestellten Widerspruchsbescheid endete, da der 22.10.2000 ein Sonntag war, am Montag den 23.10.2000, dem Tag der Klageerhebung.

Die Klage ist aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.

Streitgegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Rechtmäßigkeit des Degressionsbescheides für das Jahr 1999, nicht hingegen die Rechtmäßigkeit weiterer, den gleichen Zeitraum betreffender Honorarkürzungen aufgrund von Bestimmungen des HVM der Beklagten.

Die Degressionsberechnung beruht auf den durch das Gesundheitstrukturgesetz zum 1.1.1993 eingeführten, zunächst bis zum 1.7.1997 geltenden und mit Wirkung vom 1.1.1999 durch das GKV-Solidaritätsgesetz weitgehend unverändert wieder in Kraft gesetzten Regelung des § 85 Abs. 4 b bis 4 f SGB V.

Gemäß § 85 Abs. 4 b Satz 1 SGB V verringern sich ab einer Gesamtpunktmenge je Vertragszahnarzt von 350.000 Punkten je Kalenderjahr die Vergütungsansprüche für die weiteren vertragszahnärztlichen Behandlungen um 20 %, ab einer Punktmenge von 450.000 um 30 % und ab einer Punktmenge von 550.000 um 40 %.

Die sich aus den Vergütungsminderungen ergebenden Beträge verbleiben nicht bei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, sondern sind gemäß § 85 Abs. 4 e Satz 3 SGB V den Krankenkassen bei der nächsten Gesamtvergütungsabrechnung gutzuschreiben.

Das BSG hat diese Regelung und die damit verbundenen Ziele der Sicherung der Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und der Verhinderung von Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung als verfassungskonforme Regelung der Berufsausübung der Zahnärzte angesehen (BSGE 80, 223, 225/226 = SozR 3-2500 § 85 Nr.22 sowie die weiteren Urteile vom 14.5.1997, Az. 6 RKa 29/96, 30/96, 49/96 und 50/96; siehe auch Urteile vom 3.12.1997, Az. 6 RKa 79/96 und vom 13.5.1998, Az. B 6 Ka 53/97 R, B 6 KA 38/97 R, B 6 KA 39/97 R, B 6 KA 42/97 R und B 6 KA 45/97 R und die Beschlüsse vom 17.11.1999 – B 6 KA 7/99 B und B 6 KA 50/99 B und vom 13.12.2000 – B 6 KA 61/00 B) und auch die Höhe der Abstaffelungsbeträge gebilligt (BSGE 80, 223, 230 f. = SozR a.a.O.).

Das Bundesferassungsgericht hat hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Beschlüsse vom 12.7.2000 – 1 BvR 2260/97, vom 7.8.2000 – 1 BvR 73/00 und vom 21.6.2001 – 1 BvR).

Die Durchführung der Degressionsberechnung als solche steht zu Recht nicht im Streit.

Der Rechtmäßigkeit des Degressionsbescheides steht auch nicht der vom Kläger geltend gemachte Umstand entgegen, dass es im Quartal IV/99 zeitgleich zu einer Honorarminderung aufgrund der Degressionsregelung des § 85 Abs. 4 b SGB V sowie aufgrund der im HVM der Beklagten enthaltenen Honorarbegrenzungsregelung gekommen ist.

Zutreffend ist, dass sich beide Maßnahmen auf die vom Kläger abgerechneten Punktmengen beziehen und daher bei großen bzw. größeren Praxen eine kumulierende Wirkung eintritt. Da dies nicht Streitgegenstand ist, kann es die Kammer dahingestellt sein lassen, ob degressionsbedingte Honorarkürzungen im Rahmen der Honorarverteilung Berücksichtigung finden müssen.

Eine Berücksichtigung HVM-bedingter Honorarkürzungen im Rahmen der Degressionsberechnung ist jedenfalls weder geboten noch zulässig.

Die Kammer folgt zwar nicht der vom LSG Bremen (Urteil vom 29.11.2000, L 1 KA 27/99, Seite 21) vertretenen Auffassung, dass eine kumulierende Wirkung schon deshalb außer Betracht zu bleiben habe, weil der Gesetzgeber die verschiedenen, unterschiedlichen Zwecken dienenden Kürzungs- und Begrenzungsregelungen nebeneinander gestellt und eine gegenseitige Berücksichtigung nicht vorgeschrieben habe.

Vorliegend fehlt jedoch nicht allein eine Rechtsgrundlage für eine Anrechnung HVM-bedingter Honorarkürzungen; eine Anrechnung widerspräche vielmehr dem Gesetz. Dies ergibt sich zwingend aus § 85 Abs. 4 e Satz 2 SGB V.

Danach erfolgt die Durchführung der Vergütungsminderung durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung durch Absenkung der vertraglich vereinbarten Punktwerte ab dem Zeitpunkt der jeweiligen Grenzwertüberschreitungen nach Absatz 4 b. Bei den vertraglich vereinbarten Punktwerten kann es sich allein um die zwischen den Krankenkassenverbänden und der Kassenärztlichen Vereinigungen in den Gesamtvergütungsvereinbarungen festgelegten Punktwerte (bzw. die sich bei Vorliegen aller für die Gesamtvergütungsvereinbarung relevanten Daten – Gesamtvergütungshöhe und abgerechnete Leistungsmenge – rechnerisch ergebenden Punktwerte) handeln. Das Gesetz stellt somit ausdrücklich nicht auf die für den konkreten Vergütungsanspruch des Vertragszahnarztes maßgeblichen, ggf. durch Honorarbegrenzungsregelungen im HVM verringerten, Punktwerte ab.

Im übrigen wäre für die Krankenkassen, denen die Zahlungen zufließen sollen, die Degressionsberechnung nicht mehr überprüfbar, wenn der Berechnung an Stelle der vertraglich vereinbarten Punktwerte die sich als Ergebnis ggf. komplizierter Honorarverteilungsregelungen und zudem ggf. nur vorläufig ergebenden Punktwerte zugrunde gelegt würden.

Der Kläger wird durch das Zusammentreffen beider Regelungen auch nicht unzumutbar in seiner Berufsausübung behindert, da ihm ausweislich der Quartalsabrechnung trotz der Kürzungen im Quartal IV/99 noch Brutto-Einnahmen aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit in Höhe von ca. DM 245.000.- verblieben sind und die HVM-Einbehalte mit DM 3.100, 40 eine zu vernachlässigende Größe darstellen.

Nicht folgen konnte die Kammer auch der weiteren Argumentation des Klägers, dass Leistungen, welche allein eine Ersatzbeschaffung für von den Patienten zu verantwortende Beschädigungen und Verluste von Behandlungsmitteln beträfen, aus der Degressionsberechnung herauszunehmen seien.

Diese Regelung ist auch nicht zu beanstanden. Der Kläger übersieht zum einen, dass in die Degressionsberechnung alle Leistungen einzubeziehen sind, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht wurden. Die Gesamtpunktmenge nach § 85 Abs. 4 b Satz 1 SGB V umfasst gemäß § 85 Abs. 4 b Satz 9 SGB V alle vertragszahnärztlichen Leistungen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGB V - unabhängig davon, aus welchem Grunde diese erbracht werden. Ebenso sind gemäß § 85 Abs. 4 c SGB V der Ermittlung der Gesamtpunktmenge die zahnprothetischen und kieferorthopädischen Rechnungen sowie die abgerechneten Leistungen nach § 28 Abs. 2 Satz 1, 3, 7, 9 – unabhängig vom Grund der Leistungsinanspruchnahme - zugrunde zu legen.

Die Leistungspflicht der GKV ist nach dem Gesetz allein dann eingeschränkt, wenn sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich oder bei einem von ihnen begangenen Verbrachen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen haben (§ 52 SGB V). Dass diese Norm zumindest auf (grob)fahrlässigen Umgang mit Behandlungsmitteln keine Anwendung finden kann, dürfte auf der Hand liegen.

Zum anderen stellt sich das Problem des notwendigen Ersatzes von Behandlungsmitteln nicht allein beim Kläger, sondern bei allen von der Degression betroffenen Zahnärzten, sei es in Bezug auf kieferorthopädische Behandlungsmittel oder auf Zahnersatz. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber diesen Umstand bei der Festlegung der Degressionsgrenzen bereits mit berücksichtigt hat.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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