S 4 SO 45/05 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Bayreuth (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 4 SO 45/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antragsgegner zu 1. wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Kosten der Unterbringung des Antragstellers im Therapiezentrum "M.";, J. Str., B., ab 11.4.2005 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Hauptsacheverfahrens zu übernehmen.

II. Der Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, ab Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsteller vorläufig einen angemessenen Barbetrag für die Dauer seines Aufenthalts im Therapiezentrum "M.", J. Str., B. zu leisten.

III. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind vom Antragsgegner zu 1. zu 9/10 und vom Beigeladenen zu 1/10 zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten seiner Unterbringung im Therapiezentrum "M." (§§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 26 SGB IX) und die Zahlung eines Barbetrages (§ 35 (2) SGB XII).

Der Antragsteller hatte bis zum 10.12.2003 seinen Wohnsitz in der N. Str. in M.; zum 15.12.2003 wurde er von seiner Betreuerin dort abgemeldet. Vom 10.12.2003 bis 22.5.2004 war er in B. gemeldet, ab 11.4.2005 in B. Vom 10.12.2003 bis 22.5.2004 befand sich der Antragsteller in der S. Klinik in B., vom 22.5.2004 bis 24.5.2004 im Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie in W., vom 24.5.2004 bis 25.5.2004 im Kreiskrankenhaus in B., vom 25.5.2004 bis 29.6.2004 im Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie in W., vom 29.6.2004 bis 5.7.2004 im Bezirkskrankenhaus in T., vom 5.7.2004 bis 9.7.2004 ist der Aufenthalt des Antragstellers ungeklärt. Vom 9.7.2004 bis 12.7.2004 befand sich der Antragsteller wiederum im Kreiskrankenhaus in B., vom 12.7.2004 bis 22.7.2004 im Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie in W., vom 22.7.2004 bis 25.7.2004 ist der Aufenthalt des Antragstellers unbekannt. Ab 25.7.2004 befand er sich bis 22.12.2004 wieder im Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie in W. Vom 22.12.2004 bis 20.3.2005 befand sich der Antragsteller im Fachkrankenhaus R. in W., am 20.3.2005 wurde er von dort ins Zentrum für Psychiatrie "Die W." in R. verlegt. Seit 11.4.2005 hält er sich im Therapiezentrum "M." in B. auf.

Mit Schreiben vom 25.2.2005 hat der Antragsteller vertreten durch seine Betreuerin beim Antragsgegner zu 3. formlos Kostenübernahme für die Unterbringung im Therapiezentrum "M." in B. sowie Gewährung sonstiger Leistungen nach dem SGB XII beantragt. Am 3.3.2005 wurden dem Antragsgegner zu 3. als medizinische Unterlagen eine Stellungnahme des Ärztl. Leiter des Fachkrankenhauses R. sowie ein Entlassungsbericht der S. Klinik in B. übersandt. In seiner Stellungnahme führt der Ärztl. Leiter des Fachkrankenhauses R. u.a. aus, aus ärztlich-therapeutischer Sicht sei als weitere Nachsorgemaßnahme Versorgung in einer betreuten Wohneinrichtung indiziert. Vor dem Hintergrund der neben der Suchtmittelabhängigkeit vorliegenden psychiatrischen Komorbidität sei eine weitere Versorgung des Antragstellers in einer Einrichtung wie dem Therapiezentrum für Psychosoziale Rehabilitation "M." in B. sinnvoll. Am 16.3.2005 ging beim Antragsgegner zu 3. das Antragsformular für die Gewährung von Hilfe nebst weiterer Unterlagen ein.

Mit Schreiben vom 17.3.2005 wurde der Antrag vom Antragsgegner zu 3. an den Antragsgegner zu 1. mit der Bitte weitergeleitet, über diesen in eigener Zuständigkeit im Rahmen des § 98 SGB XII zu entscheiden. Eine Zuständigkeit des Antragsgegners zu 3. sei nicht gegeben. An die Betreuerin des Antragstellers wurde ein Abdruck des Schreibens gesandt.

Mit Bescheid vom 7.4.2005 lehnte der Antragsgegner zu 1. den Antrag ab. Begründet wurde dies damit, daß gem. § 98 Abs. 2 Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) für die stationäre Leistung derjenige Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig sei, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt hatte. Bei Übergängen von einer Einrichtung in die andere sei der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Der Antragsteller habe im Landkreis R. nie einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Für die Sozialhilfe während der Langzeittherapie in B. sei der Antragsgegner zu 1. somit nicht zuständig. Mit Schreiben vom gleichen Tag leitete der Antragsgegner zu 1. den Antrag an den Antragsgegner zu 2. weiter, versehen mit der Bitte, darüber in eigener Zuständigkeit im Rahmen des § 98 Abs. 2 SGB XII zu entscheiden. Gegen den Bescheid vom 7.4.2005 legte der Antragsteller vertreten durch seine Betreuerin mit Schreiben vom 8.4.2005 und 15.4.2005 Widerspruch ein.

Am 11.4.2005 stellte der Antragsteller vertreten durch seine Betreuerin beim Sozialgericht München jeweils gegen den Antragsgegner zu 1., zu 2. und zu 3. Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung wurde ausgeführt, da alle drei Antragsgegner ihre Zuständigkeit verneint und auf den jeweils anderen verwiesen hätten, sei nicht bekannt, welcher Kostenträger nun zuständig sei. Vorsorglich werde daher gegen alle drei angegangenen und in Frage kommenden Kostenträger Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gestellt. Nur unter größten Schwierigkeiten habe sich das Therapiezentrum "M." in B. bereit erklärt, den Antragsteller auch ohne Kostenzusicherung aufzunehmen. Es gehe aber nicht nur um die Übernahme der Heimkosten, sondern auch um die Zahlung von Taschengeld, um davon z.B. Praxis- und Rezeptgebühren bezahlen zu können. Der Antragsteller habe keinerlei Rücklagen und sei auf regelmäßige medizinische Versorgung angewiesen.

Mit Schreiben vom 18.4.2005 übersandte der Antragsgegner zu 2. den Antrag an den Beigeladenen zur weiteren Bearbeitung gem. § 98 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 SGB XII. Weiter wurde in dem Schreiben ausgeführt, bis zum 2.6.2004 sei der Bezirk Oberbayern zuständig gewesen, ab 3.6.2004 der Bezirk Unterfranken. Die Betreuerin erhalte einen Abdruck dieses Schreibens.

Der Beigeladene sandte mit Schreiben vom 26.4.2005 den Sozialhilfeantrag an den Antragsgegner zu 2. zurück, versehen mit der Anmerkung, der Bezirk Oberfranken sei nicht zweitangegangene Stelle im Sinne des § 14 SGB IX.

Mit Beschlüssen des Sozialgerichts München vom 6.5.2005 wurden die Verfahren gegen die Antragsgegner zu 1., 2. und 3. wegen örtlicher Unzuständigkeit an das örtlich zuständige Sozialgericht Bayreuth verwiesen.

Mit Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.6.2005 wurden die Verfahren gem. § 113 (1) SGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit weiterem Beschluss vom 27.6.2005 wurde der Bezirk Oberfranken zum Verfahren beigeladen.

Am 5.7.2005 teilte das Therapiezentrum "M." in B. auf Anfrage des Gerichts mit, der Antragsteller sei als chronisch suizidal einzuordnen. Im Zuge seiner Persönlichkeitsstörung komme es immer wieder zu schweren Angst- und Erregungszuständen mit impulsiven Durchbrüchen in Form von Alkoholkonsum, Selbstverletzungen und Suizidversuchen. Oberstes Ziel der Behandlung sei daher die Suizidprophylaxe. Zusätzlich sei an der Alkoholabstinenz zu arbeiten. Der Antragsteller sei bislang spätestens nach 3 Monaten wieder alkoholrückfällig geworden. Mittelfristig gehe es um den konstruktiven Umgang mit Ängsten und Depressionen durch Entspannung, Aktivitätenaufbau, kognitive Umstrukturierung und Desensibilisierung. Schließlich sollten auch die Verlassenheitsängste des Antragstellers bearbeitet werden. Der Antragsteller könne im Therapiezentrum betreut werden, sofern dies notwendig und sinnvoll sei. Aufgrund der Schwere der Erkrankung gehe man von einem 1,5- bis 2-jährigen Aufenthalt aus, bevor eine Anschlußbehandlung im ambulanten Rahmen erfolgen könne. Dem Schreiben des Therapiezentrums war ein Befundbericht des Zentrums für Psychiatrie "Die W." in R. beigefügt, in dem "Gemischte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und ängstlichen Anteilen sowie passagerer psychotischer Symptomatik F61" und "Psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom F10.2" als Diagnosen für den Antragsteller gestellt wurden.

Mit Schriftsatz vom 7.7.2005 zeigte der Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers die Vertretung im gerichtlichen Verfahren an. Zur Begründung des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird ausgeführt, bislang habe nicht geklärt werden können, welcher Kostenträger für den Antragsteller derzeit zuständig sei bzw. für die Bezahlung des Therapiezentrums in Vorleistung treten müsse. Es bestünde daher die erhebliche Gefahr, daß eine weitere Heimunterbringung abgelehnt werde. Zudem sei der Antragsteller mittellos und benötige dringend Taschengeld zur Begleichung von Praxis- und Rezeptgebühren und sonstigen Zuzahlungen sowie zum Kauf von notwendigen alltäglichen Dingen wie z.B. Körperpflegemittel.

Es wird beantragt,

durch Beschluss einen Sozialleistungsträger zu bestimmen und diesen Sozialleistungsträger zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine vorläufige Leistung zu erbringen.

Der Antragsgegner zu 1. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe im Bereich des Landkreises R. nie seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Eine örtliche Zuständigkeit gem. § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII bestünde daher nicht. Da die Anstaltskette durch die kurzen Zeiten der Obdachlosigkeit des Antragstellers nicht unterbrochen worden sei, sei der Antragsgegner zu 2. für die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe zuständig. Deshalb seien auch die Antragsunterlagen an ihn weitergeleitet worden. Es könne aber auch sein, daß der Antragsteller in den Zeiten der Obdachlosigkeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Antragsgegners zu 3. begründet habe. Ein Indiz hierfür könnte sein, daß der Antragsteller von der Agentur für Arbeit B. im Zeitraum 13.7.2004 bis 21.12.2004 Arbeitslosenhilfe bezogen habe. Unabhängig davon wäre außerdem noch zu prüfen, ob die Unterbringung in der "M." in B. die Voraussetzungen der §§ 53 ff SGB XII erfüllt und damit die geeignete Maßnahme sei. Mit Schriftsatz vom 18.7.2005 wird ergänzend vorgetragen, eine Zuständigkeit des Antragsgegners zu 1. sei auch nach § 14 SGB IX nicht gegeben. Die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX gelte nur für Fälle, in denen es um die Klärung der Zuständigkeit zwischen unterschiedlichen Rehabilitationsträgern (z.B. Arbeitsverwaltung, Rentenversicherungsträger und Sozialhilfeträger) gehe. Hier ginge es aber um die Zuständigkeitsermittlung zwischen vier Sozialhilfeträger. Deshalb sei § 98 SGB XII als abschließende Regelung, die als spezialgesetzliche Norm § 14 SGB IX vorgehe, einschlägig. Da bislang nicht geklärt sei, ob bzw. wo ein gewöhnlicher Aufenthalt des Antragstellers bestanden habe, und sich der Antragsteller seit seinem Eintritt in das Therapiezentrum im Bereich des Bezirks Oberfranken aufhalte, habe der Beigeladene entsprechend den Regelungen des SGB XII vorläufig einzutreten und könne dann ggf. Kostenerstattung bei einem anderen Sozialhilfeträger geltend machen.

Der Antragsgegner zu 2. beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, es sei für ihn nicht erkennbar, ob für den Aufenthalt des Antragstellers im Therapiezentrum Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII zu gewähren sei, da ihm keine aktuellen Unterlagen vorlägen, aus denen die diagnostische Klassifikation der möglichen Erkrankungen des Antragstellers hervorgehen. Da Erforderlichkeit und Geeignetheit der Hilfe nicht dargelegt seien, bestehe kein Anordnungsgrund, da nicht erkennbar sei, welche Nachteile vom Antragsteller abgewendet werden sollen. Außerdem bestünde gegen ihn auch kein Anordnungsanspruch, da er nicht der örtlich zuständige Träger sei. Zwar habe der Antragsteller bis Dezember 2003 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Bezirks Oberbayern gehabt. Ein Rückgriff auf diesen gewöhnlichen Aufenthalt sei allerdings nicht mehr möglich, weil sich der Antragsteller im Anschluß in verschiedenen Kliniken aufgehalten habe, aber nicht jeder der Einrichtungswechsel ein Übertritt i.S.d. § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII (bzw. § 97 Abs. 2 S. 2 BSGH) gewesen sei. Bei unbekanntem oder nicht vorhandenem gewöhnlichem Aufenthalt sowie in Eilfällen habe der Träger, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält, über die Hilfe zu entscheiden. Da sich der Antragsteller in einem Therapiezentrum im Bereich des Bezirks Oberfranken aufhalte, sei somit der Beigeladene gem. § 98 Abs. 2 S. 3 SGB XII als "Vor-Ort-Träger" vorläufig, u.U. aber auch endgültig örtlich zuständig.

Der Antragsgegner zu 3. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe weder das Vorliegen eines Anordnungsanspruches noch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Es sei nicht bekannt, welcher Bedarf beim Antragsteller besteht. Zudem wäre im Rahmen des Gesamtplanverfahrens nach § 58 SGB XII zu prüfen, ob die Unterbringung im Therapiezentrum "M." noch geeignet ist. Im übrigen sei eine örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners zu 3. nicht gegeben, da der Antragsteller in seinem Bereich zu keiner Zeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe. Vielmehr habe er den letzten maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 98 Abs. 2 SGB XII zum Zeitpunkt der Aufnahme in eine Einrichtung im Bereich des Antragsgegners zu 2. gehabt. Die dauernde Unterbringung in Einrichtungen sei anschließend nicht unterbrochen worden. Soweit die Voraussetzungen für eine Vorleistung im Rahmen des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII erfüllt seien, wäre der Beigeladene zuständig, da sich der Antragsteller tatsächlich in B. aufhalte.

Der Beigeladene hat sich im Rechtsstreit nicht geäußert.

Mit Schreiben von 12. u. 13.7.2005 teilte das Therapiezentrum "M." dem Gericht mit, normalerweise nehme man Patienten nur auf, wenn eine schriftliche Kostenzusage vorliegt. Im Falle des Antragstellers habe man aus humanitären Gründen eine Ausnahme gemacht. Seit 11.4.2005 halte sich dieser nun im Therapiezentrum auf. Eine weitere Verzögerung der Kostenzusage sei nicht mehr zumutbar. Sollte die Kostenzusage für die bisherig erbrachten und die weiter zu erbringenden Leistungen weiterhin ausbleiben, sähe sich das Therapiezentrum gezwungen, den Therapieplatz zu kündigen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegner Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig und begründet.

Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b (2) S. 2 SGG). Ein solcher Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b (3) SGG). Durch die Regelungsanordnung wird eine bislang noch nicht bestehende Rechtsposition vorläufig begründet oder eine bestehende Rechtsposition vorläufig erweitert. Der Erlaß einer solchen Anordnung setzt voraus, daß vom Antragsteller sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund ausreichend glaubhaft gemacht wurde (Rohwer-Kahlmann, Sozialgerichtsbarkeit, § 86b Rn. 26). Es müssen grundsätzlich überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen, und Gründe vorliegen, auf Grund derer dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner, der öffentlichen und den Interessen Dritter nicht zugemutet werden kann, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind dabei funktionell miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig (Rohwer-Kahlmann, Sozialgerichtsbarkeit, § 86b Rn. 19, 21).

Das Gericht hält eine Erfolgsaussicht des Antragstellers in der Hauptsache im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung sowie einen Anordnungsgrund für gegeben.

1. Der Antragsteller hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner zu 1. auf Übernahme der Kosten der Unterbringung im Therapiezentrum "M." glaubhaft gemacht. Der Anspruch beruht auf §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. §§ 26, 14 SGB IX.

Der Antragsteller ist nach §§ 53 (1), 60 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 3 u. 4 EinglVO leistungsberechtigt. Bei ihm ist mit Bescheid des Amts für Versorgung Familienförderung München I vom 20.10.2003 ein GdB von 70 festgestellt worden. Laut Befundbericht des Zentrums für Psychiatrie "Die W." R. liegen beim Antragsteller eine "gemischte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und ängstlichen Anteilen sowie passagerer psychotischer Symptomatik F61" sowie eine "psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom F10.2" vor. Eine ähnlich lautende Diagnose wurde am 1.3.2005 durch den Ärztlichen Leiter des Fachkrankenhauses R. in W. gestellt und findet sich auch in dem Entlassungsbericht der S. Klinik vom 18.3.2004. Es besteht auch die Aussicht, daß mit der vom Antragsteller am 11.4.2005 im Therapiezentrum "M." begonnene Therapie mit den im Schreiben des Therapiezentrums vom 5.7.2005 genannten Zielsetzungen die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.

Bei der Therapie handelt es sich um eine Leistung der Eingliederungshilfe gem. § 54 (1) S. 1 SGB XII i.V.m. § 26 SGB IX. Aufgrund der vorhandenen ärztlichen Befundunterlagen ist aus Sicht des Gerichts für den Fall, daß die Therapie nicht fortgesetzt wird, zu befürchten, daß es beim Antragsteller zu weiteren Suizidversuchen und Alkoholrückfällen kommt. Für die Erforderlichkeit der begonnenen Therapie spricht auch die Aussage des Ärztlichen Leiters des Fachkrankenhauses R. in seiner Stellungnahme vom 1.3.2005. Zudem handelt es sich bei dem Therapiezentrum "M." um eine Einrichtung, deren Behandlungsschwerpunkt in der Betreuung von Patienten mit einer sog. "Doppeldiagnose" liegt, also Patienten, die sowohl an einer Abhängigkeits- als auch an einer psychiatrischen Erkrankung (wie z.B. Persönlichkeitsstörung) leiden.

Der Antragsgegner zu 1. ist gem. § 14 (2) S. 3 i.V.m. SGB IX für die Leistungserbringung zuständig. Gem. § 14 (1) S. 1 Hs. 1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger, wenn Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, daß er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (S. 2). Nach § 14 (2) S. 1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger, wenn der Antrag nicht weitergeleitet wird, den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Muß für diese Feststellung ein Gutachten nicht eingeholt werden, entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (S. 2). Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger (S. 3). Kann der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 sein, klärt er unverzüglich mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der Fristen nach den Sätzen 2 und 4 entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller (S. 5).

Mit Schreiben vom 25.2.2005 hat der Antragsteller beim Antragsgegner zu 3. formlos Kostenübernahme für die Unterbringung im Therapiezentrum "M." in B. sowie Gewährung sonstiger Leistungen nach dem SGB XII beantragt. Die notwendigen Unterlagen für die Prüfung der Zuständigkeit im Form von medizinischen Befundberichten und eines mit den notwendigen Auskunftsdaten versehenen Antrags auf Gewährung von Hilfe gingen am 3.3.2005 bzw. am 15.3.2005 beim Antragsgegner zu 3. ein. Somit war der die Frist des § 14 (1) S. 1 Hs. 1 SGB IX auslösende Tag der 16.3.2005 (siehe dazu Götze in Hauck/Noftz, SGB IX, § 14 Rn. 6). Mit Schreiben vom 17.3.2005 erklärte sich der Antragsgegner zu 3. für unzuständig und leitete den Antrag an den Antragsgegner zu 1. weiter (Posteingang 21.3.2005), so daß die Weiterleitung unverzüglich i.S.d. § 14 (1) S. 2 SGB IX erfolgt ist. Damit ist der Antragsgegner zu 1. (vorläufig, gegenüber dem Antragsteller endgültig) für die Leistungserbringung gem. § 14 (2) S. 3 SGB IX zuständig geworden (vgl. BSG, Urt. v. 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R). Eine Weiterleitung an einen anderen Rehabilitationsträger kam nicht mehr in Betracht (siehe dazu BSG a.a.O. unter Hinweis auf die Regelung des § 14 (2) S. 5 SGB IX, wonach selbst dann eine Weiterleitung ausgeschlossen ist, wenn der Zweitangegangene gar nicht Rehabilitationsträger i.S.d. § 6 (1) SGB IX sein kann), selbst wenn sich aus § 98 (2) SGB XII die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträger ergeben haben sollte.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners zu 1. ist eine Anwendung des § 14 SGB IX auf die vorliegende Fallgestaltung nicht deswegen ausgeschlossen, weil nicht die Zuständigkeit zwischen Rehabilitationsträgern nach verschiedenen Leistungsgesetzen strittig ist, sondern nur die örtliche Zuständigkeit zwischen verschiedenen Sozialhilfeträgern, also dem Antragsgegner zu 1., dem Antragsgegner zu 2., dem Antragsgegner zu 3. und dem Beigeladenen. § 98 (2) S. 3 SGB XII, der im Falle eines ungeklärten gewöhnlichen Aufenthalts oder bei Vorliegen eines Eilfalles die örtliche Zuständigkeit zur Entscheidung und Leistungserbringung des Sozialhilfeträgers festlegt, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält, entfaltet keine verdrängende Wirkung gegenüber § 14 SGB IX (wie hier VG Oldenburg, Beschl. vom 14.3.2002 - 3 B 666/02; Mrozynski, SGB IX Teil 1, 2002, § 14 Rn. 19; wohl a.A., im Ergebnis aber offen lassend OVG Hamburg, Beschl. vom 9.10.2003 - 4 Bs 458/03). Der offene Wortlaut des § 14 SGB IX schließt eine Anwendung auf Fälle, in denen nur die (örtliche) Zuständigkeit zwischen Trägern von Rehabilitationsleistungen nach demselben Leistungsgesetz strittig ist, nicht aus. Die Vorschrift soll dem Bedürfnis Rechnung tragen, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken. Sie enthält für Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen eine für den Rehabilitationsträger abschließende Regelung, die den allgemeinen Regelungen zur vorläufigen Zuständigkeit oder Leistungserbringung im Ersten Buch und den Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger vorgeht und alle Fälle der Feststellung der Leistungszuständigkeit erfaßt. Ihr Ziel ist es, durch auf Beschleunigung gerichtetes Zuständigkeitserklärungsverfahren die möglichst schnelle Leistungserbringung zu sichern (BT-Drucks. 14/5074, S. 102). Die Gesetzesbegründung, die auf Überlegungen beruht, wie sie auch allgemeingültig in § 17 (1) Nr. 1 SGB I zum Ausdruck kommen, macht deutlich, daß § 14 SGB IX gegenüber anderen Zuständigkeitsregelungen im Falle der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen Vorrang genießt und diese ggf. verdrängt. § 98 (2) SGB XII ist dann nur ergänzend zu berücksichtigen; so hat der erstangegangene Rehabilitationsträger bei einer Weiterleitung des Antrags gem. 14 (1) S. 2 SGB IX die Frage, welcher Rehabilitationsträger örtlich zuständig ist, anhand von (§ 53 (4) S. 2 i.V.m.) § 98 (2) SGB XII zu beurteilen. Allerdings wird auch bei der Weiterleitung eines Rehabilitationsantrags durch einen Sozialhilfeträger an einen anderen Sozialhilfeträgerträger dessen Zuständigkeit abschließend nach § 14 (2) SGB IX begründet, ungeachtet dessen, ob er nach § 98 SGB XII zuständig ist. Andernfalls wäre die Zielsetzung, im Interesse behinderter Menschen eine rasche Klärung der Zuständigkeit zu bewirken und somit eine möglichst schnelle Leistungserbringung zu sichern, nicht erreichbar, da - wie der vorliegende Fall hinreichend deutlich macht - die Regelung des § 98 (2) S. 3 SGB XII hierfür nicht ausreicht. Zudem wäre es unverständlich, wenn die Leistungserbringung bei einem behinderten Menschen, der einen Rehabilitationsantrag im richtigen Leistungszweig, aber bei einem örtlich unzuständigen Träger stellt, weniger effektiv sichergestellt wäre als bei einem behinderten Menschen, dessen Antrag zusätzlich im falschen Leistungszweig gestellt wird. Im letzteren Falle würde die Regelung des § 14 (2) S. 3 SGB IX zweifellos auch dann greifen, wenn der Antrag an einen Rehabilitationsträger nach einem anderen Leistungsgesetz, der aber örtlich unzuständig ist, weitergeleitet wird.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Wie aus den Schreiben des Therapiezentrums "M." vom 12. u. 13.7.2005 hervorgeht, ist der weitere Aufenthalt des Antragstellers dort nur sichergestellt, wenn eine Übernahmezusage für die bereits entstandenen und die durch den weiteren Aufenthalt des Antragstellers entstehenden Kosten erfolgt. Ein Ausschluß des Antragstellers aus der laufenden Therapie würde aber nach Auffassung des Gerichts insbesondere die Gefahr eines Alkoholrückfalls bzw. weiterer Suizidversuche in sich bergen. Dem Antragsteller ist es daher nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, da dies schwerste Nachteile für ihn befürchten ließe.

2. Der Antragsteller hat einen Anspruch gegen den Beigeladenen auf Leistung eines angemessenen Barbetrags für die Dauer der Unterbringung im Therapiezentrum "M." glaubhaft gemacht. Der Anspruch beruht auf § 35 (2) i.V.m. § 98 (2) S. 3 SGB XII.

Nach § 35 (1), Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 13 (2) SGB XII wird bei Unterbringung in Einrichtungen als Teil des notwendigen Lebensunterhalts ein angemessener Barbetrag erbracht. Der Antragsteller befindet sich derzeit im Therapiezentrum "M."; und somit in einer Einrichtung i.S.d. § 13 (2) SGB XII. Er hat glaubhaft gemacht, daß er - auch bedingt durch seine Lebenssituation in den vergangenen 1 1/2 Jahren - nicht in der Lage ist, seinen notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere durch Einsatz von Einkommen und Vermögen aufzubringen.

Es besteht keine Annexzuständigkeit des Antragsgegners zu 1. als zuständigem Rehabilitationsträger für die Erbringung des Barbetrags als Nebenleistung. Bis 31.12.2004 wäre hier § 27 (3) BSHG zu berücksichtigen gewesen. Danach umfaßte die Hilfe in besonderen Lebenslagen, zu denen die Eingliederungshilfe zählte, auch den in einer Einrichtung gewährten Lebensunterhalt, wenn Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung oder in einer Einrichtung zur teilstationären Betreuung gewährt wurde. Eine vergleichbare Regelung existiert im SGB XII jedoch nicht mehr (siehe dazu Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 35 Rn. 1 u. 2). Daher ist der zuständige Sozialhilfeträger nunmehr nach §§ 97, 98 SGB XII zu ermitteln.

Der Beigeladene ist gem. § 98 (2) S. 3 SGB XII örtlich zuständig. Zwischen den Antragsgegnern und dem Beigeladenen ist immer noch ungeklärt, ob und ggf. wo ein gewöhnlicher Aufenthalt des Antragstellers nach seiner Abmeldung im Dezember 2003 aus M. begründet worden ist bzw. ob eine Zuständigkeit des Antragsgegners zu 2. nach § 98 (2) S. 2 SGB XII in Betracht kommt. Insbesondere in den Zeiträumen vom 5.7.2004 bis 9.7.2004 und vom 22.7.2004 bis 25.7.2004 ist der Aufenthalt des Antragstellers nach wie vor unbekannt. Deshalb ist nach Ablauf der 4-Wochen-Frist der Beigeladene für den Antragsteller zuständig geworden. I.ü. wäre auch an das Vorliegen eines Eilfalles zu denken. Ein ggf. gem. § 106 SGB XII erstattungspflichtiger Sozialhilfeträger bleibt durch den Beigeladenen zu ermitteln. Im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz ist diese Frage jedenfalls nicht zu klären, da dies zu einer weiteren Verzögerung in der Leistungserbringung führen und somit gerade dem Sinn und Zweck des § 98 (2) S. 3 SGB XII widersprechen würde.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsteller ist bereits seit längerer Zeit ohne Einkommen. Da der Barbetrag nach § 35 (2) SGB XII den notwendigen Lebensunterhalt (mit)sicherstellen soll und andere Einkommensquellen des Antragstellers, die diesen gewährleisten könnten, nicht ersichtlich sind, ist es dem Antragsteller nicht zuzumuten, weiter bis zum Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Durch die einstweilige Anordnung wird auch nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen, da der Beigeladene nicht bereits ab 11.4.2005 zur Leistungserbringung verpflichtet wird. Zudem umfaßt der vom Antragsteller in der Hauptsache erhobene Anspruch auf Sicherstellung des notwendige Lebensunterhalts nicht nur den Barbetrag (vgl. § 35 SGB XII).

Die Verurteilung des Beigeladenen beruht auf einer analogen Anwendung des § 75 (5) SGG. Zum 1.1.2005 sind die Sozialgerichte für Rechtsstreitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständig geworden (§ 51 (1) Nr. 6a SGG). Eine Änderung des § 75 (5) SGG ist in diesem Zusammenhang nicht erfolgt; stattdessen sieht § 75 (5) SGG weiterhin lediglich die Verurteilung eines Versicherungsträgers oder eines Landes in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts nicht aber eines Sozialhilfeträgers vor. Es ist in diesem Zusammenhang vom Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke im Gesetz auszugehen. Der Gesetzgeber hat offensichtlich übersehen, daß sich durch die Ausdehnung der Zuständigkeit der Sozialgerichte auf Sozialhilfesachen auch die Notwendigkeit einer Verurteilung eines beigeladenen Sozialhilfeträgers ergeben kann. Diese Gesetzeslücke kann durch eine analoge Anwendung des § 75 (5) SGG geschlossen werden (vgl. BSG, Urt. v. 26.10.2004 - B 7 AL 16/04 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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