Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 386/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
CRPS, Psychische Erkrankung als Unfallfolge
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Länge der unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit nach dem anerkannten Arbeitsunfall der Klägerin vom 05.02.2010. Darüber hinaus begehrt die Klägerin wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls Verletztenrente.
Die 1994 geborene Klägerin verunfallte am 05.02.2010 im Rahmen des Schulsportunterrichts. Während eines Handballspiels knickte sie mit dem rechten Fuß um. Am Unfalltag begab sich die Klägerin zum D-Arzt Dr. S. Dieser befundete: Druckschmerz über fibularem Bandkapselapparat rechts. Röntgenaufnahmen des rechten OSG/Mittelfußes in zwei Ebenen ergaben keinen Frakturnachweis. Als Erstdiagnose wurden ein Distorsionstrauma rechtes oberes Sprunggelenk vermerkt und allgemeine ambulante Heilbehandlung angeordnet. Im Nachschaubericht vom 05.03.2010 teilte Dr. K mit, dass CT- und MRT-Untersuchungen keine Pathologien erbracht hätten. Es bestünden Schwellneigung und Belastungsschmerz des rechten Sprunggelenks. Die Klägerin befand sich vom 17.3. bis 01.04.2010 in stationärer Behandlung im Klinikum O in R. Im stationären Entlassungsbericht wurde ein CRPS explizit ausgeschlossen und eine psychosomatische Ursache für die bestehenden Beschwerden gesehen. Im Befundbericht der BG-Klinik B vom 30.04.2010 werden als Diagnosen genannt: Zustand nach Distorsion rechtes Sprunggelenk, CRPS rechter Unterschenkel. Beschrieben wird eine rot-livid verfärbte Haut des distalen Drittels des Unterschenkels und des Fußes beschrieben. Auch alle Zehen seien betroffen. Es bestehe seitendifferente Schweißneigung und eine Schwellung im unteren Bereich des Unterschenkels und über dem Fuß. Der Fuß stehe in einer kaum korrigierbaren Spitzfußstellung.
Vom 10.05. bis 29.05.2010 befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung in der BG Klinik B. Dort wurde als Schmerzdiagnose gestellt: V. a. CRPS unklarer Genese mit Pseudoneglect-Syndrom rechte untere Extremität. Ein CRPS könne nicht eindeutig bewiesen werden. Die Szintigrafie spreche nicht dafür. Insgesamt bestünden eine Inaktivitätsosteopenie und eine diffuse Weichteilschwellung im Bereich des Fußes. Die Untersuchung des Sprunggelenkes in Narkose habe eine nahezu freie Beweglichkeit sowie eine Normalisierung von Schweißsekretion und Hauttemperatur ergeben.
Die Klägerin befand sich vom 05.07. bis 23.10.2010 in der Klinik B Z. Im Entlassungsbericht vom 05.11.2010 werden als Diagnosen genannt: chronisches regionales Schmerzsyndrom nach Bagatelltrauma rechtes Sprunggelenk (05.02.2010). Im Befundbericht der ambulanten Vorstellung der vestischen Kinder- und Jugendklinik B vom 07.01.2011 wurde darauf hingewiesen, dass ein CRPS nicht mit erforderlichen Vollbeweis gesichert sei und insbesondere die quantitative sensorische Testung (QST) und die drei Phasen Skelett-Szintigrafie ein CRPS nicht bestätigen konnten. Im Zusammenschluss der erhobenen Befunde sei von einer somatoformen Schmerzstörung im Bereich des rechten Fußes auszugehen; ein stationärer Aufenthalt in der psychosomatischen Schmerzstation werde empfohlen. Im Bericht des H -B -Klinikums Z vom 12.04.2011 geht der behandelnde Arzt von einem CRPS bzw. der Sudeck schen Erkrankung Stadium III aus. Die Zusammenhänge mit dem Unfallgeschehen stünden eindeutig fest. Unfallunabhängige Erkrankungen seien nicht bekannt. Die auslösende Noxe sei die Sprunggelenkdistorsion.
Im radiologischen Zusatzgutachten vom 14.10.2011 wurden ein Bone bruise der Talus-Schulter, eine Distorsion des ligamentum anterius ohne Ruptur sowie eine Osteopenie des rechten Fußes festgestellt. Ein CRPS sei möglich. Die Klägerin befand sich vom 15.12. bis 24.12.2011 erneut in stationärer Behandlung. Diagnose dort: CRPS-/Sudeck-Symptomatik Stadium IV. Ein unfallchirurgisches Sachverständigengutachten BG Klinik B vom März 2013 im Auftrag der Allianz Versicherungs-AG kam zur Diagnose: Verdrehung des rechten Sprunggelenkes mit Entwicklung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms des rechten Fußes und Unterschenkels (CRPS).
Frau Dr. F erstattete im Auftrag der Beklagten am 14.12.2011 ein Gutachten zur Klärung der Zusammenhangsfrage bei psychischen Gesundheitsstörungen nach Aktenlage. Die Diagnose eines CRPS könne nicht bestätigt werden. Außerdem sei das Vorliegen relevanter unabhängiger psychischer Gesundheitsschäden belegt. Das Unfallereignis sei weder in der Art noch in der Schwere geeignet gewesen, anhaltende psychische Unfallfolgen hervorzurufen, da es sich lediglich um ein Bagatellereignis gehandelt habe. Aus psychiatrisch-psychosomatischer Sicht bestünden eine gemischte dissoziative Störung im Sinne einer Bewegungs- und Schmerzstörung sowie differentialdiagnostisch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine artifizielle Störung. Die Störungsbilder könnten nicht mit dem in Rede stehenden Unfallereignis in Zusammenhang gebracht werden.
Am 22.05.2013 erlitt die Klägerin während eines Praktikums ein Supinationstrauma am linken oberen Sprunggelenk. Sie rutschte auf nassem Fußboden aus und knickte mit dem linken Fuß um. Dabei lief die Klägerin auf zwei Unterarmgehstützen. D-Arzt Dr. S befundete am Unfalltag: OSG keine Schwellung, kein Hämatom, Druckschmerz zwischen distaler Tibia und Fibula, Talusschiebeschmerz, Druckschmerz proximale Fibula. Röntgenaufnahme des linken Unterschenkels mit Kniegelenk in zwei Ebenen, OSG in zwei Ebenen, linker Fuß in zwei Ebenen: kein Anhalt für knöcherne Veränderungen. Erstdiagnose: Distorsion linkes OSG. Daraufhin befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung im Klinikum R. Dort wurde am 24.05.2013 mitgeteilt: Die Patientin befindet sich nach Supinationstrauma, diesmal am linken oberen Sprunggelenk, erneut in unserer stationären Behandlung. Bereits nach 3 Tagen bestand eine dauerhafte kontrakter Spitzfußstellung im linken Fuß, ohne dass ein pathologisches Korrelat im Bereich des Fußes oder des OSG nachzuweisen ist.
In Bezug auf die Beschwerden im Bereich des rechten Fußes erstattete Dr. Dr. W am 07.05.2014 ein psychiatrisches Gutachten. Bei der Klägerin bestünden eine somatoforme Schmerzstörung und eine dissoziative Störung bereits vor dem Ereignis vom 05.02.2010. Das Ereignis vom 05.02.2010 selbst habe zu keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung auf psychischem Fachgebiet geführt. Vor dem 05.02.2010 sei die Klägerin mehrfach aufgrund von wiederholt auftretenden Schmerzsyndromen in Behandlung gewesen. Bereits im Jahr 2002 sei es mehrfach zu Distorsionen im Bereich des rechten Fußes gekommen, in deren Folge die Klägerin über allerstärkste Schmerzen geklagt habe. Nach der Distorsion vom 09.07.2002 sei ein Auftreten mit dem rechten Fuß nicht mehr möglich gewesen. Im August 2002 habe sich die Klägerin zur stationären Behandlung wegen eines Tinnitus befunden, wobei kein organisches Korrelat hierfür gefunden werden konnte. U. a. habe sich die Klägerin im Jahr 2009 aufgrund unklaren Fußschmerzes links in ärztlicher Behandlung befunden, ohne dass diesem ein Trauma vorangegangen wäre. Weiterhin hätten Schmerzen lumbal bis in beide Beine bestanden. Vor diesem Hintergrund sei ein psychischer Vorschaden vorhanden gewesen. Außerdem seien die weitere schulische Entwicklung, der angestrebte Berufswunsch und das familiäre Interaktionsverhalten bzw. das Verhalten des Umfeldes als potentiell wirksame Einflüsse anzuführen. Der Unfallhergang sei nicht geeignet gewesen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine dissoziative Störung zu verursachen. Eine Verschlimmerung des Vorschadens sei durch das Unfallereignis nicht eingetreten.
Am 05.03.2014 erstattete Dr. W ein nervenärztlich algesiologisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage im Auftrag der Beklagten. Im Ergebnis sei eine CRPS im Bereich des rechten Fußes bzw. Sprunggelenkes zu keinem Zeitpunkt vollbeweislich gesichert. Weder die bildgebenden noch die klinischen Befunde ließen auf ein CRPS schließen. Außerdem spreche die zeitliche Diskrepanz zwischen dem Unfallereignis und den auftretenden Beschwerden deutlich gegen ein CRPS. Zwar sei das Trauma vom 05.02.2010 prinzipiell geeignet gewesen, ein CRPS zu verursachen. Es sei jedoch zu fordern gewesen, dass dieses sich innerhalb weniger Tage bis maximal zwei Wochen nach dem Trauma bzw. der daraus resultierenden therapeutischen Maßnahmen herausgebildet hätte. Dies sei bei der Klägerin jedoch erst nach ungefähr zwei Monaten der Fall gewesen. Außerdem wären bei einem CRPS auch kleinfleckige Entkalkungen im Röntgen der Extremität sowie ein typischer Skelett-Szintigrafiebefund zu fordern gewesen. Solche hätten nicht vorgelegen. Auch im Rahmen der Narkoseuntersuchung sei eine klinisch konsistente Allodynie nicht belegt worden. Gegen ein CRPS spreche auch die Tatsache, dass die Klägerin massivste Schmerzen angab, jedoch nur äußerst geringe Schmerzmedikamente eingenommen wurden. Auch wäre für ein CRPS untypisch, dass jegliche Medikation einschließlich invasiver Maßnahmen zu keinerlei Beeinflussung der Schmerzintensität geführt hat. Eine komplette Unbeeinflussbarkeit der Schmerzen sei bei einem CRPS völlig untypisch. Weiterhin komme es bei Patienten mit einem CRPS und entsprechend starken Schmerzen praktisch regelhaft zur Ausbildung einer depressiven Symptomatik von Krankheitswert, welche bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorlag.
Mit Bescheid vom 22.05.2014 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 05.02.2010 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII an, lehnte jedoch einen Rentenanspruch ab. Arbeitsunfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe bis einschließlich 15.03.2010 bestanden. Der Arbeitsunfall habe lediglich zu einer folgenlos ausgeheilten Zerrung des rechten Sprunggelenks geführt. Unfallunabhängig würden vorliegen: ausgeprägte Muskelverschmächtigung im Bereich des rechten Unterschenkels, Schwellneigung im Bereich des rechten Unterschenkels und des rechten Sprunggelenkes, Versteifung des rechten Sprunggelenkes in maximaler Spitzfußstellung, krallenförmige Deformierung der Zehen des rechten Fußes, Berührungs- und Schmerzüberempfindlichkeit des rechten Unterschenkels, Sprunggelenkes, Fußes und der Zehen rechts, röntgenologisch nachweisbare Minderung der Knochendichte im Bereich des rechten Sprunggelenkes und des rechten Fußes bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung, dissoziativer Störung und narzisstischer Persönlichkeitsakzentuierung.
Am 30.01.2014 stellte die Klägerin bei der Beklagten Antrag auf Kraftfahrzeughilfe wegen der Folgen des Unfalls vom 05.02.2010.
Mit Bescheid vom 08.07.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Beschaffung oder Führen eines Kraftfahrzeuges ab. Denn Folge des Ereignisses vom 05.02.2014 sei lediglich eine folgenlos ausgeheilte Zerrung des rechten Sprunggelenkes. Somit liegen als Folge des Ereignisses vom 05.02.2010 weder eine erhebliche Gehbehinderung noch sonstige, einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe auslösende Faktoren vor.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.05.2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2014 als unbegründet zurück.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.07.2014 wies die Beklagte mit (weiterem) Widerspruchsbescheid vom 15.10.2014 als unbegründet zurück. Darin führt sie Folgendes aus: "Anspruchsgrundlage für einen Zuschuss zur Anschaffung oder Umrüstung eines Kraftfahrzeuges sowie zur Erlangung des Führerscheins ist § 40 SGB VII i. V. m. der Kfz-Hilfeverordnung und den Gemeinsamen Richtlinien der Verbände der Unfallversicherungsträger über die Kfz-Hilfe im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung in der jeweils gültigen Fassung. Gemäß § 40 Abs. 1 SGB VII wird Kfz-Hilfe erbracht, wenn Versicherte infolge der Art oder Schwere des Gesundheitszustandes nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sind und durch Leistungen der Kfz-Hilfe die Mobilität so wiederhergestellt, verbessert oder erhalten werden kann, um damit ein Höchstmaß an selbstbestimmter Lebensführung und Unabhängigkeit in allen Aspekten des täglichen, beruflichen und sozialen Lebens zu ermöglichen. Maßgebliche Voraussetzung ist somit, dass die Kfz-Hilfe wegen der Folgen des Versicherungsfalles erforderlich wird. Mit Bescheid vom 22.05.2014 wurde als gesundheitliche Beeinträchtigung infolge des Ereignisses vom 05.02.2010 lediglich eine folgenlos ausgeheilte Zerrung des rechten Sprunggelenkes anerkannt. Anhaltende Folgen aufgrund des Ereignisses vom 05.02.2010 liegen somit nachweislich nicht vor. Leistungen der Kfz-Hilfe gemäß § 40 SGB VII können daher nicht erbracht werden. Dementsprechend können auch die Kosten der eingeholten DEKRA-Gutachten nicht übernommen werden. Am 18.09.2013 wandte sich Ihre Mandantin zum ersten Mal an die Unfallkasse Sachsen mit der Bitte um Prüfung einer möglichen Übernahme der Fahrschulkosten. Nach Mitteilung des Fahrschullehrers, Herrn E H , vom 27.11.2013 hatte sich Ihre Mandantin bereits im November 2011 in seiner Fahrschule angemeldet und bis zu diesem Zeitpunkt die theoretischen Unterrichtsstunden auch bereits absolviert. Bereits am 13.12.2013 erfolgte die erste Vorstellung bei der DEKRA zur ärztlichen Begutachtung sowie am 17.01.2014 zur Prüfung der erforderlich werdenden Sonderausstattung. Weiterhin stellte Ihre Mandantin am 05.11.2013 bei Landratsamt Vogtlandkreis, Außenstelle Reichenbach, einen Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis mit Zahlung der entsprechenden Prüfungsgebühren. Der Antrag auf Gewährung von Kfz-Hilfe ging jedoch erst am 03.02.2014 ein. Gemäß § 10 der Kfz-Hilfeverordnung sollten Leistungen vor dem Abschluss eines Kaufvertrages über das Kraftfahrzeug und die behinderungsbedingte Zusatzausstattung sowie vor Beginn einer nach § 8 zu fordernden Leistung beantragt werden. Unter § 8 der Kfz-Hilfeverordnung ist die Erstattung von Kosten zur Erlangung der Fahrerlaubnis geregelt. Demnach hätte Ihre Mandantin vor Antritt der Fahrschule und Abschluss eines entsprechenden Vertrages die Gewährung von Kfz-Hilfe beantragen müssen. Der Antrag vom 03.02.2014 ging nachweislich nach Beginn der Fahrschule ein. Insofern können Leistungen gemäß § 40 SGB VII bereits aufgrund der verspäteten Antragstellung nicht übernommen werden. Insoweit Sie sich darauf berufen, dass mit Schreiben vom 08.10.2013 die Übernahme der Gutachtenskosten durch die Unfallkasse Sachsen bereits zugesichert wurde, ist an dieser Stelle ergänzend darauf hinzuweisen, dass gemäß §§ 34 Abs. 3 SGB X die Behörde dann nicht mehr an eine Zusicherung gebunden ist, wenn sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart ändert, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Damit kann vorliegend festgestellt werden, dass zum Zeitpunkt der Übersendung des Antrages auf Kfz-Hilfe am 08.10.2013 die Unfallkasse Sachsen davon ausgegangen ist, eintrittspflichtig zu sein. Die Heilbehandlung lief nach wie vor zu Lasten der Unfallkasse Sachsen. Damit lag zu diesem Zeitpunkt die Leistungsverpflichtung der Unfallkasse Sachsen auch tatsächlich vor. Erst nach Eingang der angeforderten Gutachten der Herren Dr. Dr. Wehking vom 07.05.2014 sowie Dr. Walk vom 05.03.2014konnte mit Bescheid festgestellt werden, dass ein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 05.02.2010 und den nach wie vor bestehenden Beeinträchtigungen im Bereich des rechten Fußes bzw. Sprunggelenkes nicht gesichert werden kann.
Eine Änderung der Sachlage hat somit vorgelegen. Aufgrund der in den Gutachten festgestellten Erkenntnisse hätte die Unfallkasse Sachsen die Zusicherung zur Zahlung der Gutachtenkosten nicht gegeben und aus rechtlichen Gründen auch nicht geben dürfen. Eine Bindung an die im Schreiben vom 08.10.2013 gemachten Aussagen liegt somit nicht mehr vor. Die Kosten der eingeholten DEKRA-Gutachten vom 13.12.2013 und 17.01.2014 sowie des Antrages auf Erteilung der Fahrerlaubnis vom 05.11.2013 können somit auch weiterhin nicht übernommen werden."
Mit weiterem Bescheid vom 22.05.2014 (nicht streitgegenständlich) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 22.05.2013 als Arbeitsunfall ab. Das Ereignis habe nicht rechtlich wesentlich zu einem Gesundheitsschaden geführt. Die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen seien wesentlich auf die vorliegenden psychischen Störungen zurückzuführen.
Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2015 als unbegründet zurück.
Gegen die den Unfall vom 05.02.2010 betreffenden Bescheide wurde am 14.11.2014 Klage erhoben (S 4 U 386/14 und S 4 U 387/14) ...
Das Gericht hat im Klageverfahren die Verwaltungsakte der Beklagten sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen.
Am 08.04.2015 erfolgte auf Wunsch der Klägerin die Amputation des rechten Unterschenkels. Bereits am 12.03.2012 hatte die Klägerin ein solches Begehren geäußert, was jedoch ärztlicherseits abgelehnt wurde.
Am 12.10.2015 erstattete Prof. Dr. C ... gemäß § 106 Abs. 3 Ziff. 5, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein orthopädisches Sachverständigengutachten nach Untersuchung der Klägerin. Der Gutachter stellt zunächst folgende Diagnosen: Zustand nach Unterschenkelamputation rechts ohne Funktionsstörung des Kniegelenkes mit schmerzhaften Missempfindungen des Unterschenkelstumpfes, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Störung (gemischt – Übernahme der Diagnosen des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie), Zustand nach Distorsionstrauma rechtes oberes Sprunggelenk mit Ausbildung einer nicht mehr gebrauchsfähigen rechten unteren Extremität mit Verdacht auf CRPS, Funktionsbeeinträchtigung linkes oberes Sprunggelenk bei Zustand nach Distorsion und abnormer Spitzfußstellung mit deutlicher Funktionsbeeinträchtigung. Zur CRPS: Dieses werde zunächst rein klinisch diagnostiziert, wobei bei ein eindeutiger positiver Szintigrafiebefund dies als beweisend für ein CRPS anzusehen sei, wegen der hohen Spezifität dieser Untersuchungsmethode. Bei positivem szintigrafischem Befund mit gelenknaher Anreicherung, vor allem in der späten Untersuchungsphase, könne die Diagnose CRPS als gesichert gelten. Genau diese eindeutige Aussage sei bisher nicht erfolgt. Bei der ersten Szintigrafie in Halle im Jahr 2010 sei die Szintigrafie eben nicht eindeutig beweisend für diese Diagnose. Bei dieser Untersuchung, 3 Monate nach dem Unfall, sei ein weiteres Symptom bemerkenswert, nämlich eine Schwellung, eine Temperaturdifferenz und eine livide Verfärbung. Es bestand aber auch ein nahezu kontrakter Spitzfuß. Die Untersuchung in Narkose habe nun mehrere wichtige Informationen erbracht, nämlich das vollständige Verschwinden des Spitzfußes, d. h. es musste eine aktive Leistung vorgelegen haben, den Fuß in dieser Spitzfußstellung zu halten; das Sprunggelenk war frei beweglich. Am Ende der Untersuchung zeigte sich außerdem keine Temperaturdifferenz mehr, und die livide Hautverfärbung hatte sich zurückgebildet. Anerkanntermaßen führe bereits eine 30minütige willentliche Immobilisation einer Extremität zu einem Temperaturabfall von durchschnittlich 0,9 Grad, verbunden mit sichtbarer Farbänderung der Haut. Vor diesem Hintergrund, der zweifelsfrei zumindest an eine dissoziative Störung denken lasse, sei die Verweigerung einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung eher nicht verständlich. Anamnestisch habe auch im Alter von 8 Jahren eine Tinnituserkrankung bestanden, bei der eine psychologische Mitbehandlung empfohlen wurde, welche seinerzeit ebenfalls nicht in Anspruch genommen wurde. Bei der Tinnituserkrankung war eine somatische Ursache nicht gefunden worden. Auffällig sei mithin insgesamt, dass beim Auftreten derartiger Störungen ein Ausblenden möglicher psychischer Ursachen und eine Konzentration auf rein somatische Problemfelder zu verzeichnen ist. Daneben seien auch die klinischen Symptome in gleicher Weise zu berücksichtigen. Von Anfang an habe es eine Schwellung des Sprunggelenkes und des Fußes gegeben, wobei zunächst dies als Folge der Sprunggelenksdistorsion angesehen wurde. Eine Beeinflussung der Schwellneigung sei erst unter Gabe von Dexamethason beeinflussbar gewesen. Nach dieser Behandlung sei die Schwellung im Mai 2010 völlig rückläufig gewesen. Bei der Veränderung der Hautfarbe sei festzuhalten, dass eine Rötung und rot-blaue Verfärbung der Haut relativ frühzeitig beobachtet wurden. Wichtig sei jedoch auch, dass bei der Narkoseuntersuchung diese Hautverfärbung ebenso deutlich rückläufig war, wie die demonstrierte Spitzfußstellung. Gleiches treffe auf die Temperaturdifferenzen zu. Darüber hinaus seien Störungen der Schweißsekretion von Anfang an beobachtet worden, ebenso motorische Störungen. Schon früh habe sich eine Spitzfußstellung entwickelt, wobei derartige Störungen nicht nur im Rahmen eines CRPS beobachtet werden, sondern nicht selten im Rahmen psychogener dissoziativer Bewegungsstörungen. Beim längeren Mindergebrauch der Extremität treten dann auch vasomotorische Störungen auf mit ausgeprägten Muskelatrophien. In diesem Zusammenhang müsste an den zweiten Unfall und dessen Verlauf im Jahr 2012 erinnert werden, der ebenfalls nach einer Bagatellverletzung (linkes Sprunggelenk) zu einer massiven Spitzfußstellung quasi unmittelbar nach dem Unfall führte. Eine umfangreiche Diagnostik und stationäre Behandlung und Kontrolle ließ aber dann eine CRPS sicher ausschließen, mit der Folge, dass sich auch die Spitzfußstellung wieder zu normalisieren begann. Auf der linken Seite bestünde heute weiterhin eine Spitzfußstellung. Der Fuß sei nicht in eine Normalstellung zu bringen, zumindest ohne Narkose, so dass Schuhe mit erhöhten Absätzen getragen werden müssen. Zusammenfassend könne eine eindeutige Diagnose nicht gestellt werden. Aus rein klinischer Sicht sei die Diagnose eines CRPS gestellt worden. Eine Bestätigung dieser Diagnose durch entsprechende bildgebende Befunde sowie ganz wesentlich durch eine Szintigrafie hätte nicht erbracht werden können. Hieraus resultiere letztlich die Zurückhaltung in der Bestätigung der Diagnose CRPS Stufe I ... Richtig sei zweifelsfrei, dass die zunehmende Fehlstellung im Sprunggelenk (extreme Spitzfußstellung), die aber in Narkose völlig aufhebbar war, ebenso wie die Hautverfärbung und der Temperaturunterschied möglicherweise eben doch eine aktive Leistung voraussetzen, womit zumindest der Verdacht gerechtfertigt sei, dass eine psychische Mitbeteiligung nicht ausgeschlossen werden kann. Aus unfallchirurgischer Sicht könne somit der Vollbeweis eines CRPS nicht erbracht werden. Das Unfallereignis selbst habe zu einer Verstauchung des rechten Sprunggelenkes geführt, welches nach vier bis sechs Wochen (15.03.2010) als ausgeheilt anzusehen sei. In dieser Zeit habe Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Mangels Vollbeweis eines CRPS scheide letztlich eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit aus.
Am 09.02.2016 erstattete Dr. D ... gemäß § 106 Abs. 3 Ziff. 5, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten nach Untersuchung der Klägerin vom 03.02.2016 und unter Berücksichtigung der testpsychologischen Zusatzuntersuchung durch Dipl.-Psych. Barth vom 03.02.2016. Dr. D ... weist zunächst darauf hin, dass bei der Klägerin auf neurologischem Fachgebiet von keiner für die Beurteilung relevanten Erkrankung auszugehen sei. Auf psychiatrischem Fachgebiet würden sich dagegen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung auf organischer Grundlage (F 45.41) und eine kombinierte dissoziative Störung (der Bewegung und Empfindung des rechten Beines), F 44.7, finden. Dabei handele es sich um seelische Störungen.
Anhaltspunkte für eine anlagebedingte Vorschädigung würden sich bei der Klägerin nicht finden. Diese berichtet zwar über Schulschwierigkeiten und einen psychogen auftretenden Tinnitus im Vorfeld, diese seien jedoch weit vor dem Schadenseintritt abgeklungen bzw. remittiert. Damals und auch gegenwärtig gebe es eine gute soziale Integration in die Ursprungsfamilie und den Freundeskreis. Eine kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung sei nicht initiiert worden, und relevante psychiatrische Symptomatiken würden im Vorfeld der aktuellen Störung nicht berichtet bzw. dokumentiert. Entsprechend sei von einer unfallbedingten seelischen Störung bei der Klägerin auszugehen. Unabhängig von der Frage des Vorliegens eines CRPS sei es zu einer deutlichen Belastung der Erlebnisverarbeitung der Klägerin durch das initial eher harmlose Trauma und letztlich infolge zur Entwicklung der auch gegenwärtig deutlich ausgeprägten Neurose gekommen. Die Beurteilung der Unfallfolgen in Bezug auf die MdE begründe sich auf die aus dem Unfallereignis resultierende funktionelle Beeinträchtigung. Bei intakter Fähigkeit zur Tagesstrukturierung sei die Klägerin aus Sicht des Gutachters überwiegend durch die nun letztlich als Folge der neurotischen Unfallverarbeitung eingetretene Unterschenkelamputation beeinträchtigt, die zu Beeinträchtigungen insbesondere der Mobilität führt. Entsprechend werde empfohlen, dem chirurgischen Vorgutachter zu folgen und eine Gesamt-MdE von 40 % für die Unfallfolgen anzunehmen. Die festgestellten seelischen Störungen gingen aus Sicht von Dr. D ... in den jetzt anatomischen Veränderungen der Klägerin auf und würden keine zusätzliche Erhöhung der MdE rechtfertigen. Behandlungsbedürftigkeit bestünde seit dem Unfalleintritt und auch fortlaufend. Die seelischen Störungen seien vermutlich nur schwer zu beeinflussen, dies aufgrund der Persönlichkeitsgrundstruktur der Klägerin, die eigene seelische Anteile der Traumaverarbeitung konsequent ausblendet, der eingetretenen Chronifizierung und des nicht unerheblichen sekundären Krankheitsgewinns.
Die Beklagte wendet mit Schriftsatz vom 11.07.2016 ein, dass von einer fehlenden Alternativursache nicht automatisch auf eine wesentliche Ursache geschlossen werden könne. Eine derartige Beweisregel gebe es nicht. Es werde auf die AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen verwiesen. Hier würden zwei Möglichkeiten zur Anerkennung eines psychischen Schadens als Unfallfolge benannt: Die psychische Schädigungsfolge müsse entweder auf einen psychischen Primärschaden oder auf einen körperlichen Primärschaden zurückzuführen sein. Das Ereignis vom 05.02.2010 sei nicht geeignet gewesen, einen psychischen Primärschaden zu verursachen. Dies ergebe sich bereits aus den Vorgutachten von Dr. F und Dr. W. Außerdem werde auf das Gutachten von Prof. Dr. C ... verwiesen. Danach habe der Unfall lediglich zu einer Zerrung des rechten OSG geführt, welche nach 4 bis 6 Wochen ausheilte. Eine anhaltende unfallbedingte organische Schädigung habe dagegen nicht existiert. Nach der AWMF-Leitlinie komme eine psychiatrische Unfallfolge nach einem körperlichen Primärschaden (somit als mittelbare Unfallfolge) nur dann in Betracht, wenn der körperliche Schaden so schwerwiegend war, dass er im Vergleich zu alltäglichen körperlichen Beeinträchtigungen überhaupt für geeignet erachtet wird, psychische Störungen hervorzurufen oder es handele sich um einen anhaltenden körperlichen Schaden mit auch anhaltenden Beeinträchtigungen. Andernfalls könne allenfalls von einer vorübergehenden Anpassungsstörung gesprochen werden, welche gemäß DSM-IV nach Abklingen der Belastungsfaktoren in einem Zeitraum von 6 Monaten wieder verschwindet. Der körperliche Primärschaden (Distorsion rechts OSG) heilte aus und sei nicht geeignet gewesen, eine psychische Störung auszulösen. Der eingetretene Spitzfuß sei nicht Folge der Distorsion. Ein CRPS sei nicht erwiesen. Schließlich weise das Vorerkrankungsverzeichnis erhebliche Auffälligkeiten auf, welche auf einen möglichen psychischen Vorschaden schließen lassen: 26.06.2002 Distorsion rechter Fuß mit allerstärksten Schmerzen; 09.07.2002 Distorsion rechter Fuß mit stärksten Schmerzen, Auftreten nicht möglich; 04.08.2002 stationär wegen Tinnitus; 23.09.2002 unklare Bauchschmerzen; 2004 verschiedene Schmerzen/Rheuma; 2009 Fußschmerz links; 29.10.2009 seit 5 Monaten Beschwerden linker Fuß und linkes OSG ohne Trauma; 2004 habe Essblockierungen und Kopfschmerzen; 18.05.2011 Schmerzen lumbal bis in beide Beine usw ... Darüber hinaus weist die Beklagte darauf hin, dass es nach dem Ereignis vom 22.05.2013, ebenfalls ein Bagatelltrauma, innerhalb kürzester Zeit im Bereich des linken Sprunggelenkes ebenfalls zu einer Spitzfußausbildung an dieser Seite kam. MRT-Aufnahmen hätten jedoch weder eine strukturelle Läsion, noch ein Ödem festgestellt. Es gebe keinen Anhalt dafür, dass es überhaupt zu irgendeiner Einwirkung auf das linke Sprunggelenk gekommen ist, und doch habe sich bereits nach allerkürzester Zeit eine Spitzfußstellung gefunden.
Prof. Dr. C ... gab am 08.08.2016 eine ergänzende Stellungnahme ab: Die Spitzfußstellung rechts habe nichts mit dem Arbeitsunfall vom 05.02.2010 zu tun. Die Entstehung der Spitzfußstellung rechts sei nur möglich gewesen, weil vorbestehend ein Gesundheitsschaden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorlag. Dies ergebe sich aus zwei neurologisch-psychiatrischen Gutachten. Normalerweise heile eine Verstauchung des Sprunggelenkes innerhalb von 4 bis 6 Wochen aus, ohne dass eine Spitzfußstellung besteht. Ein Spitzfuß mit der Folge einer derartigen Verletzung sei in hohem Maße ungewöhnlich und nur möglich, wenn eine entsprechende Vorerkrankung besteht. Die Amputation sei am Ende notwendig geworden wegen der Unmöglichkeit, das rechte Bein überhaupt noch zu belasten. Das rechte Bein sei nicht mehr gebrauchsfähig gewesen. Die Gebrauchsunfähigkeit sei die Folge einer neurologisch-psychiatrischen Grunderkrankung, die im Rahmen einer Verstauchungsverletzung des rechten Sprunggelenkes die Entwicklung eines Spitzfußes zur Folge hatte. Somit habe auch die Amputation nicht ihre Ursache in dem Arbeitsunfall vom 05.02.2010.
Am 30.12.2016 gab der Sachverständige Dr. D ... eine ergänzende Stellungnahme zu den Einwendungen der Beklagten ab: Der Auffassung der Beklagten ist entgegenzuhalten, dass es sich nicht um ein speziell für die Klägerin spezifisches Bagatelltrauma handele, sondern dass das Schädigungsereignis eine Kette von zahlreichen maximalinvasiven Ereignissen in Gang setzte, dies bis zur Teilamputation des rechten Unterschenkels. Insofern seien auch die Kriterien der von der Beklagten zitierten Richtlinien (AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen) erfüllt. Letztlich sei stets auf den konkreten und spezifischen Einzelfall abzustellen. Zu etwaigen psychischen Vorschädigungen der Klägerin werde auf das Gutachten verwiesen. Die von der Beklagten zitierten Schulschwierigkeiten und der Tinnitus seien maximal als leichte seelische Störungen zu werten; diese seien bis zum Unfallereignis völlig abgeklungen. Anhaltspunkte für Verwerfungen in der sozialen Interaktion der Klägerin mit der Umwelt unmittelbar vor oder während des Unfallereignisses würden sich nicht finden.
Die Klägerseite weist mit Schriftsatz vom 03.02.2017 u. a. darauf hin, dass sich im ersten Arztbericht vom 28.10.2010 der Klinik B Z über den stationären Aufenthalt vom 05.07. bis 23.10.2010 die Diagnose eines chronischen regionalen Schmerzsyndroms finde. Auch das HBK Z habe mit Verlegungsbrief vom 15.08.2011 diagnostiziert, dass im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 04.07. bis 27.07.2011 sogar ein CRPS Stadium III bestehe. Der dort einbezogene Psychiater habe die Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms geäußert. Darüber hinaus komme das für die Allianz Versicherungs AG erstellte Gutachten vom 28.03.2013 ebenfalls zur Diagnose eines CRPS, welches durch das geschilderte Ereignis verursacht worden sei. Zum Zeitpunkt des Unfallereignisses habe es keine Krankheiten oder Gebrechen bzw. Folgen früherer Unfälle gegeben. In einem weiteren Gutachten (vom 15.01.2013 durch das Unfallkrankenhaus Berlin) werde ausgeführt: Bildmorphologisch sei diese Osteopenie bei dem angegebenen zeitlichen Abstand zu dem Trauma als mögliches bildmorphologisches Korrelat für ein CRPS zu bewerten. Auch das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus habe im Juni 2012 und April 2013 ein CRPS Stadium Typ I für vorliegend erachtet.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.04.2017 wurden die Verfahren S 4 U 386/14 und S 4 U 387/14 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Klägerin beantragt,
1. Den Bescheid vom 22.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2014, zugegangen am 17.10.2014, Az.: RM-S , aufzuheben und festzustellen, dass ein Anspruch auf Leistungen aus dem Arbeitsunfall vom 05.02.2010 besteht, da der Unfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grad über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus hinterlassen hat, sowie eine arbeitsunfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit über den 15.03.2010 besteht.
2. Den Bescheid vom 08.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2014, zugestellt am 17.10.2014, Az.: RM-S , aufzuheben und der Klägerin Leistungen zur Beschaffung oder Führen eines Kraftfahrzeuges, sowie die Übernahme der Kosten des DEKRA-Gutachtens zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin sind wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 05.02.2010 keine Verletztenrente und keine Leistungen zur Beschaffung oder Führen eines Kraftfahrzeuges zu gewähren. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bestand nicht über den 15.03.2010 hinaus.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Kraft Gesetzes sind versichert, Schüler während des Besuchs von allgemeinen oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII). Das Umknicken mit dem rechten Fuß während des Handballspiels am 05.02.2010 im Rahmen des Sportunterrichtes führte zu einer Distorsionsverletzung am rechten Sprunggelenk, insoweit mit Behandlungsbedürftigkeit bis einschließlich 15.03.2010. Ein Rentenanspruch besteht deswegen nicht. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 SGB VII). Die Distorsion war nach wenigen Wochen folgenlos ausgeheilt. Die Klägerin konnte den ihr obliegenden Beweis dahingehend nicht führen, dass die Spitzfußstellung nebst Schweißneigung und Schwellung im unteren Bereich des Unterschenkels und über dem Fuß (rechts) hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich durch den Arbeits- bzw. Schulunfall vom 05.02.2010 hervorgerufen wurde: Dabei ist zu berücksichtigen, dass die dem begehrten Anspruch zugrunde liegenden Tatsachen, zu denen auch der jeweilige Gesundheitsschaden gehört, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein müssen, während für den Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit (Schule) und der Erkrankung keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist; hinreichende Wahrscheinlichkeit ist ausreichend. Zwar ist die Spitzfußstellung rechts nebst seitendifferenter Schweißneigung und Schwellung im unteren Bereich des Unterschenkels und über dem Fuß im Vollbeweis nachgewiesen; jedoch ist es nach Überzeugung des Gerichts nicht wahrscheinlich, dass diese Gesundheitsstörungen rechtlich wesentlich durch den Unfall vom 05.02.2010 hervorgerufen wurden. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass beim vernünftigen Abwägen aller Umstände, die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen müssen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Eine Möglichkeit verdichtet sich hierbei dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (Bereiter/Hahn/Mehrtens, gesetzliche Unfallversicherung, Handkomm., § 8 Rdnr. 10.2 m.w.N.).
Nach Überzeugung des Gerichts sprechen erheblich mehr Umstände gegen einen Kausalzusammenhang als dafür. Dabei stützt sich die Kammer auch auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C ... sowie der im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachter Dr. W , Dr. Dr. W und Dr. F. Zeitnah nach dem Unfall vom 05.02.2010 konnten Frakturen und Rupturen im Bereich des rechten Fußes/Sprunggelenkes bildgebend ausgeschlossen werden. Mit Ausnahme der Distorsion gibt es auf unfallchirurgischem Fachgebiet keinerlei Nachweis einer weiteren, mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden Erkrankung des rechten Fußes. Es ist anerkannt, dass eine (einfache) Distorsion des rechten Sprunggelenkes im weiteren Verlauf nicht zu einer Spitzfußstellung des rechten Fußes führen kann. Ebenso wenig hat die Distorsion des rechten OSG zu einem CRPS geführt, welches an sich als mögliche Ursache für die Spitzfußstellung in Betracht kommen könnte. Denn das Vorliegen eines CRPS konnte die Klägerin nicht im Vollbeweis nachweisen. Vollbeweis bedeutet Gewissheit bzw. hohe Wahrscheinlichkeit. Alle Umstände des Falles müssen nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, die volle Überzeugung vom Vorliegen der Tatsachen zu begründen. Gewissheit bedeutet, dass ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keinen Zweifel hat. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen der Tatsache zu begründen, mithin eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliegt (Bereiter/Hahn/Mehrtens, gesetzliche Unfallversicherung, Handkomm., § 8 Rdnr. 10.1 m.w.N.). Der Vollbeweis für das Vorliegen eines CRPS konnte bei weitem nicht erbracht werden: Bereits im März/April 2010 wurden in der Klinik O R ein CRPS ausdrücklich ausgeschlossen und eine psychosomatische Ursache für die Beschwerden der Klägerin genannt. Nach den überzeugenden Ausführungen des algesiologischen Gutachters Dr. W (Gutachten vom 05.03.2014) sprechen die zeitliche Diskrepanz zwischen Unfallereignis und auftretenden Beschwerden, der Szintigrafiebefund, die Einnahme nur äußerst geringer Schmerzmedikamente und die komplette Unbeeinflussbarkeit der Schmerzen gegen das Vorliegen eines CRPS. Darüber hinaus kommt es regelhaft bei Patienten mit einem CRPS und entsprechend starken Schmerzen zur Ausbildung einer depressiven Symptomatik von Krankheitswert, welche bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorlag. In diesem Zusammenhang verkennt das Gericht nicht, dass andere behandelnde Ärzte das Vorliegen eines CRPS bei der Klägerin bejaht haben (Klinik B im April 2010; Klinik B T 07 – 10/2010; HBK Z 04/2011). Jedoch finden sich dort keine oder nur unzureichende Begründungen für eine derartige Diagnose. Im Gegensatz dazu erachtet das Gericht die o.g. gegenteilige Auffassung für gut begründet und nachvollziehbar.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Spitzfußstellung rechts allein rechtlich wesentlich durch unfallunabhängige Gesundheitsstörungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet hervorgerufen wurde: Dass die Spitzfußstellung mit erheblicher Schmerzsymptomatik keine organische, sondern psychische Genese hat, liegt nach Ansicht der Kammer auf der Hand. In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass die Untersuchung des Sprunggelenkes in Narkose im März 2010 im Klinikum O in R eine nahezu freie Beweglichkeit, eine Normalisierung von Schwellsekretion und Hauttemperatur ergeben hat. Gutachter Prof. Dr. C ... weist insoweit darauf hin, dass die Untersuchung in Narkose gezeigt hat, dass eine aktive Leistung der Klägerin vorgelegen haben muss, den Fuß in der Spitzfußstellung zu halten. Bereits eine 30-minütige willentliche Immobilisation einer Extremität führt zu einem Temperaturabfall von durchschnittlich 0,9 Grad, verbunden mit einer sichtbaren Farbveränderung der Haut. Ein weiteres starkes Indiz für eine psychische Genese der Spitzfußstellung nebst Schmerzen am rechten Fuß ist die Tatsache, dass bei der Klägerin nach einem Supinationstrauma am linken oberen Sprunggelenk am 22.05.2013 bereits nach 3 Tagen ebenfalls eine kontrakte Spitzfußstellung ohne pathologisches Korrelat vorlag und verblieb. Im Klinikum R , wo sich die Klägerin zur stationären Behandlung befand, wurde diesbezüglich die Ursache im psychiatrischen Fachgebiet vermutet. Die Spitzfußstellung im rechten Fuß nebst Schmerzsymptomatik resultiert allein rechtlich wesentlich aus psychischen Erkrankungen der Klägerin, welche die Gutachter als "somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Störung" (Dr. Dr. W ) bzw. "anhaltende somatoforme Schmerzstörung aufgrund organischer Grundlage und kombinierte dissoziative Störung" (Dr. D ...) bezeichnen. Diese Erkrankungen sind jedoch nicht Folgen des Unfalls vom 05.02.2010: Nach der "AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen – Registernr.051/029" (im Folgenden: "Leitlinie") ist anerkannt, dass psychische Störungen als Unfallfolgen unmittelbar auf das Erleben eines Ereignisses hin oder auch als Folge eines erlittenen Körperschadens auftreten können (Leitlinie S. 82 m.w.N.). Eine psychische Erkrankung als unmittelbare Unfallfolge scheidet aus, da zeitnah eine derartige Erkrankung aktenkundig nicht diagnostiziert wurde; der Nachweis eines psychischen Primärschadens im Sinne des Vollbeweises gelingt nicht. Ebenso wenig bestehen mittelbare psychische Unfallfolgen nach körperlichem Primärschaden: Dabei muss der körperliche Schaden so schwerwiegend sein, dass er im Vergleich zu "alltäglichen" körperlichen Beeinträchtigungen nach Art und Schwere überhaupt geeignet ist, im Querschnitt der Bevölkerung psychische Störungen hervorzurufen (Leitlinie S. 119, 132 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, B 2 U 26/04 R; B 2 U 1/05 R). ). Das Trauma der Klägerin vom 05.02.2010 war nach Art und Schwere bei weitem nicht geeignet, im weiteren zeitlichen Verlauf Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet hervortreten zu lassen. Es handelt sich um eine "Gelegenheitsursache" bzw. "Bagatelltrauma" mit sehr geringen Verletzungen (Distorsion). Die Distorsion selbst heilte komplikationslos innerhalb weniger Wochen aus.
Das Gutachten von Dr. D ... vermochte die Kammer zumindest insoweit nicht zu überzeugen, als dort festgestellt wurde, die psychiatrischen Erkrankungen seien rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 05.02.2010 zurückzuführen. Denn der Gutachter Dr. D ... beachtet nicht, dass sich die Klägerin auf unfallchirurgischem Fachgebiet ausschließlich eine Distorsion des rechten Sprunggelenkes zugezogen hat, welche nicht ursächlich für die Spitzfußstellung war, zumal ein CRPS nicht vollbeweislich nachgewiesen ist. Somit kommt der Gutachter zu falschen Schlussfolgerungen. Nicht überzeugen können die Ausführungen von Dr. D ..., für die Klägerin habe es sich nicht um ein spezifisches Bagatelltrauma gehandelt, sondern das Schädigungsereignis habe eine Kette von zahlreichen maximalinvasiven Ereignissen in Gang gesetzt, dies bis zur Teilamputation des rechten Unterschenkels. Hierbei schließt der Gutachter aus den Ereignissen nach dem Unfall auf die Unfallursächlichkeit. Ein solcher Rückschluss ist im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zulässig und findet auch keine Stütze in der "AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen". Ferner misst Gutachter Dr. D ... zu Unrecht den psychischen Auffälligkeiten der Klägerin vor dem Schulunfall keinerlei Bedeutung zu: Bereits im Jahr 2002 kam es zweimal zu Distorsionen des rechten Fußes mit allerstärksten Schmerzen; im gleichen Jahr zur stationären Behandlung wegen eines Tinnitus; im Jahr 2004 wurden "verschiedene Schmerzen/Rheuma" dokumentiert, im Jahr 2009 Fußschmerz links seit 5 Monaten ohne Trauma; 2004 Essblockierungen und Kopfschmerzen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass diese Gesundheitsstörungen bereits mehrere Jahre vor dem streitgegenständlichen Unfall stattgefunden haben. Jedoch legen diese Umstände nahe, dass bei der Klägerin eine vorbestehende deutliche Disposition zu einer stark gestörten Schmerzverarbeitung bestand.
Da die Spitzfußstellung keine Unfallfolge ist, ist auch die im Hinblick darauf vorgenommen Amputation des rechten Unterschenkels nicht dem Unfall vom 05.02.2010 anzulasten. Aufgrund der Unfallfolgen (Distorsion) besteht kein Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE); ein Rentenanspruch gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VII besteht nicht.
Aus demselben Grund entfällt auch ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Beschaffung oder Führen eines Kraftfahrzeuges. Als Folge des streitgegenständlichen Unfalls liegen weder eine erhebliche Gehbehinderung, noch sonstige, einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe auslösende Faktoren vor. Dem steht auch nicht die Zusicherung der Beklagten vom 08.10.2013 entgegen. Insoweit darf auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 15.10.2014 Bezug genommen werden, denen sich das Gericht nach eigener umfassender Prüfung vollumfänglich anschließt (§ 136 Abs. 3 SGG).
Aus diesen Gründen war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Tatbestand:
Streitig ist die Länge der unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit nach dem anerkannten Arbeitsunfall der Klägerin vom 05.02.2010. Darüber hinaus begehrt die Klägerin wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls Verletztenrente.
Die 1994 geborene Klägerin verunfallte am 05.02.2010 im Rahmen des Schulsportunterrichts. Während eines Handballspiels knickte sie mit dem rechten Fuß um. Am Unfalltag begab sich die Klägerin zum D-Arzt Dr. S. Dieser befundete: Druckschmerz über fibularem Bandkapselapparat rechts. Röntgenaufnahmen des rechten OSG/Mittelfußes in zwei Ebenen ergaben keinen Frakturnachweis. Als Erstdiagnose wurden ein Distorsionstrauma rechtes oberes Sprunggelenk vermerkt und allgemeine ambulante Heilbehandlung angeordnet. Im Nachschaubericht vom 05.03.2010 teilte Dr. K mit, dass CT- und MRT-Untersuchungen keine Pathologien erbracht hätten. Es bestünden Schwellneigung und Belastungsschmerz des rechten Sprunggelenks. Die Klägerin befand sich vom 17.3. bis 01.04.2010 in stationärer Behandlung im Klinikum O in R. Im stationären Entlassungsbericht wurde ein CRPS explizit ausgeschlossen und eine psychosomatische Ursache für die bestehenden Beschwerden gesehen. Im Befundbericht der BG-Klinik B vom 30.04.2010 werden als Diagnosen genannt: Zustand nach Distorsion rechtes Sprunggelenk, CRPS rechter Unterschenkel. Beschrieben wird eine rot-livid verfärbte Haut des distalen Drittels des Unterschenkels und des Fußes beschrieben. Auch alle Zehen seien betroffen. Es bestehe seitendifferente Schweißneigung und eine Schwellung im unteren Bereich des Unterschenkels und über dem Fuß. Der Fuß stehe in einer kaum korrigierbaren Spitzfußstellung.
Vom 10.05. bis 29.05.2010 befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung in der BG Klinik B. Dort wurde als Schmerzdiagnose gestellt: V. a. CRPS unklarer Genese mit Pseudoneglect-Syndrom rechte untere Extremität. Ein CRPS könne nicht eindeutig bewiesen werden. Die Szintigrafie spreche nicht dafür. Insgesamt bestünden eine Inaktivitätsosteopenie und eine diffuse Weichteilschwellung im Bereich des Fußes. Die Untersuchung des Sprunggelenkes in Narkose habe eine nahezu freie Beweglichkeit sowie eine Normalisierung von Schweißsekretion und Hauttemperatur ergeben.
Die Klägerin befand sich vom 05.07. bis 23.10.2010 in der Klinik B Z. Im Entlassungsbericht vom 05.11.2010 werden als Diagnosen genannt: chronisches regionales Schmerzsyndrom nach Bagatelltrauma rechtes Sprunggelenk (05.02.2010). Im Befundbericht der ambulanten Vorstellung der vestischen Kinder- und Jugendklinik B vom 07.01.2011 wurde darauf hingewiesen, dass ein CRPS nicht mit erforderlichen Vollbeweis gesichert sei und insbesondere die quantitative sensorische Testung (QST) und die drei Phasen Skelett-Szintigrafie ein CRPS nicht bestätigen konnten. Im Zusammenschluss der erhobenen Befunde sei von einer somatoformen Schmerzstörung im Bereich des rechten Fußes auszugehen; ein stationärer Aufenthalt in der psychosomatischen Schmerzstation werde empfohlen. Im Bericht des H -B -Klinikums Z vom 12.04.2011 geht der behandelnde Arzt von einem CRPS bzw. der Sudeck schen Erkrankung Stadium III aus. Die Zusammenhänge mit dem Unfallgeschehen stünden eindeutig fest. Unfallunabhängige Erkrankungen seien nicht bekannt. Die auslösende Noxe sei die Sprunggelenkdistorsion.
Im radiologischen Zusatzgutachten vom 14.10.2011 wurden ein Bone bruise der Talus-Schulter, eine Distorsion des ligamentum anterius ohne Ruptur sowie eine Osteopenie des rechten Fußes festgestellt. Ein CRPS sei möglich. Die Klägerin befand sich vom 15.12. bis 24.12.2011 erneut in stationärer Behandlung. Diagnose dort: CRPS-/Sudeck-Symptomatik Stadium IV. Ein unfallchirurgisches Sachverständigengutachten BG Klinik B vom März 2013 im Auftrag der Allianz Versicherungs-AG kam zur Diagnose: Verdrehung des rechten Sprunggelenkes mit Entwicklung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms des rechten Fußes und Unterschenkels (CRPS).
Frau Dr. F erstattete im Auftrag der Beklagten am 14.12.2011 ein Gutachten zur Klärung der Zusammenhangsfrage bei psychischen Gesundheitsstörungen nach Aktenlage. Die Diagnose eines CRPS könne nicht bestätigt werden. Außerdem sei das Vorliegen relevanter unabhängiger psychischer Gesundheitsschäden belegt. Das Unfallereignis sei weder in der Art noch in der Schwere geeignet gewesen, anhaltende psychische Unfallfolgen hervorzurufen, da es sich lediglich um ein Bagatellereignis gehandelt habe. Aus psychiatrisch-psychosomatischer Sicht bestünden eine gemischte dissoziative Störung im Sinne einer Bewegungs- und Schmerzstörung sowie differentialdiagnostisch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine artifizielle Störung. Die Störungsbilder könnten nicht mit dem in Rede stehenden Unfallereignis in Zusammenhang gebracht werden.
Am 22.05.2013 erlitt die Klägerin während eines Praktikums ein Supinationstrauma am linken oberen Sprunggelenk. Sie rutschte auf nassem Fußboden aus und knickte mit dem linken Fuß um. Dabei lief die Klägerin auf zwei Unterarmgehstützen. D-Arzt Dr. S befundete am Unfalltag: OSG keine Schwellung, kein Hämatom, Druckschmerz zwischen distaler Tibia und Fibula, Talusschiebeschmerz, Druckschmerz proximale Fibula. Röntgenaufnahme des linken Unterschenkels mit Kniegelenk in zwei Ebenen, OSG in zwei Ebenen, linker Fuß in zwei Ebenen: kein Anhalt für knöcherne Veränderungen. Erstdiagnose: Distorsion linkes OSG. Daraufhin befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung im Klinikum R. Dort wurde am 24.05.2013 mitgeteilt: Die Patientin befindet sich nach Supinationstrauma, diesmal am linken oberen Sprunggelenk, erneut in unserer stationären Behandlung. Bereits nach 3 Tagen bestand eine dauerhafte kontrakter Spitzfußstellung im linken Fuß, ohne dass ein pathologisches Korrelat im Bereich des Fußes oder des OSG nachzuweisen ist.
In Bezug auf die Beschwerden im Bereich des rechten Fußes erstattete Dr. Dr. W am 07.05.2014 ein psychiatrisches Gutachten. Bei der Klägerin bestünden eine somatoforme Schmerzstörung und eine dissoziative Störung bereits vor dem Ereignis vom 05.02.2010. Das Ereignis vom 05.02.2010 selbst habe zu keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung auf psychischem Fachgebiet geführt. Vor dem 05.02.2010 sei die Klägerin mehrfach aufgrund von wiederholt auftretenden Schmerzsyndromen in Behandlung gewesen. Bereits im Jahr 2002 sei es mehrfach zu Distorsionen im Bereich des rechten Fußes gekommen, in deren Folge die Klägerin über allerstärkste Schmerzen geklagt habe. Nach der Distorsion vom 09.07.2002 sei ein Auftreten mit dem rechten Fuß nicht mehr möglich gewesen. Im August 2002 habe sich die Klägerin zur stationären Behandlung wegen eines Tinnitus befunden, wobei kein organisches Korrelat hierfür gefunden werden konnte. U. a. habe sich die Klägerin im Jahr 2009 aufgrund unklaren Fußschmerzes links in ärztlicher Behandlung befunden, ohne dass diesem ein Trauma vorangegangen wäre. Weiterhin hätten Schmerzen lumbal bis in beide Beine bestanden. Vor diesem Hintergrund sei ein psychischer Vorschaden vorhanden gewesen. Außerdem seien die weitere schulische Entwicklung, der angestrebte Berufswunsch und das familiäre Interaktionsverhalten bzw. das Verhalten des Umfeldes als potentiell wirksame Einflüsse anzuführen. Der Unfallhergang sei nicht geeignet gewesen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine dissoziative Störung zu verursachen. Eine Verschlimmerung des Vorschadens sei durch das Unfallereignis nicht eingetreten.
Am 05.03.2014 erstattete Dr. W ein nervenärztlich algesiologisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage im Auftrag der Beklagten. Im Ergebnis sei eine CRPS im Bereich des rechten Fußes bzw. Sprunggelenkes zu keinem Zeitpunkt vollbeweislich gesichert. Weder die bildgebenden noch die klinischen Befunde ließen auf ein CRPS schließen. Außerdem spreche die zeitliche Diskrepanz zwischen dem Unfallereignis und den auftretenden Beschwerden deutlich gegen ein CRPS. Zwar sei das Trauma vom 05.02.2010 prinzipiell geeignet gewesen, ein CRPS zu verursachen. Es sei jedoch zu fordern gewesen, dass dieses sich innerhalb weniger Tage bis maximal zwei Wochen nach dem Trauma bzw. der daraus resultierenden therapeutischen Maßnahmen herausgebildet hätte. Dies sei bei der Klägerin jedoch erst nach ungefähr zwei Monaten der Fall gewesen. Außerdem wären bei einem CRPS auch kleinfleckige Entkalkungen im Röntgen der Extremität sowie ein typischer Skelett-Szintigrafiebefund zu fordern gewesen. Solche hätten nicht vorgelegen. Auch im Rahmen der Narkoseuntersuchung sei eine klinisch konsistente Allodynie nicht belegt worden. Gegen ein CRPS spreche auch die Tatsache, dass die Klägerin massivste Schmerzen angab, jedoch nur äußerst geringe Schmerzmedikamente eingenommen wurden. Auch wäre für ein CRPS untypisch, dass jegliche Medikation einschließlich invasiver Maßnahmen zu keinerlei Beeinflussung der Schmerzintensität geführt hat. Eine komplette Unbeeinflussbarkeit der Schmerzen sei bei einem CRPS völlig untypisch. Weiterhin komme es bei Patienten mit einem CRPS und entsprechend starken Schmerzen praktisch regelhaft zur Ausbildung einer depressiven Symptomatik von Krankheitswert, welche bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorlag.
Mit Bescheid vom 22.05.2014 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 05.02.2010 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII an, lehnte jedoch einen Rentenanspruch ab. Arbeitsunfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe bis einschließlich 15.03.2010 bestanden. Der Arbeitsunfall habe lediglich zu einer folgenlos ausgeheilten Zerrung des rechten Sprunggelenks geführt. Unfallunabhängig würden vorliegen: ausgeprägte Muskelverschmächtigung im Bereich des rechten Unterschenkels, Schwellneigung im Bereich des rechten Unterschenkels und des rechten Sprunggelenkes, Versteifung des rechten Sprunggelenkes in maximaler Spitzfußstellung, krallenförmige Deformierung der Zehen des rechten Fußes, Berührungs- und Schmerzüberempfindlichkeit des rechten Unterschenkels, Sprunggelenkes, Fußes und der Zehen rechts, röntgenologisch nachweisbare Minderung der Knochendichte im Bereich des rechten Sprunggelenkes und des rechten Fußes bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung, dissoziativer Störung und narzisstischer Persönlichkeitsakzentuierung.
Am 30.01.2014 stellte die Klägerin bei der Beklagten Antrag auf Kraftfahrzeughilfe wegen der Folgen des Unfalls vom 05.02.2010.
Mit Bescheid vom 08.07.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Beschaffung oder Führen eines Kraftfahrzeuges ab. Denn Folge des Ereignisses vom 05.02.2014 sei lediglich eine folgenlos ausgeheilte Zerrung des rechten Sprunggelenkes. Somit liegen als Folge des Ereignisses vom 05.02.2010 weder eine erhebliche Gehbehinderung noch sonstige, einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe auslösende Faktoren vor.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.05.2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2014 als unbegründet zurück.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.07.2014 wies die Beklagte mit (weiterem) Widerspruchsbescheid vom 15.10.2014 als unbegründet zurück. Darin führt sie Folgendes aus: "Anspruchsgrundlage für einen Zuschuss zur Anschaffung oder Umrüstung eines Kraftfahrzeuges sowie zur Erlangung des Führerscheins ist § 40 SGB VII i. V. m. der Kfz-Hilfeverordnung und den Gemeinsamen Richtlinien der Verbände der Unfallversicherungsträger über die Kfz-Hilfe im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung in der jeweils gültigen Fassung. Gemäß § 40 Abs. 1 SGB VII wird Kfz-Hilfe erbracht, wenn Versicherte infolge der Art oder Schwere des Gesundheitszustandes nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sind und durch Leistungen der Kfz-Hilfe die Mobilität so wiederhergestellt, verbessert oder erhalten werden kann, um damit ein Höchstmaß an selbstbestimmter Lebensführung und Unabhängigkeit in allen Aspekten des täglichen, beruflichen und sozialen Lebens zu ermöglichen. Maßgebliche Voraussetzung ist somit, dass die Kfz-Hilfe wegen der Folgen des Versicherungsfalles erforderlich wird. Mit Bescheid vom 22.05.2014 wurde als gesundheitliche Beeinträchtigung infolge des Ereignisses vom 05.02.2010 lediglich eine folgenlos ausgeheilte Zerrung des rechten Sprunggelenkes anerkannt. Anhaltende Folgen aufgrund des Ereignisses vom 05.02.2010 liegen somit nachweislich nicht vor. Leistungen der Kfz-Hilfe gemäß § 40 SGB VII können daher nicht erbracht werden. Dementsprechend können auch die Kosten der eingeholten DEKRA-Gutachten nicht übernommen werden. Am 18.09.2013 wandte sich Ihre Mandantin zum ersten Mal an die Unfallkasse Sachsen mit der Bitte um Prüfung einer möglichen Übernahme der Fahrschulkosten. Nach Mitteilung des Fahrschullehrers, Herrn E H , vom 27.11.2013 hatte sich Ihre Mandantin bereits im November 2011 in seiner Fahrschule angemeldet und bis zu diesem Zeitpunkt die theoretischen Unterrichtsstunden auch bereits absolviert. Bereits am 13.12.2013 erfolgte die erste Vorstellung bei der DEKRA zur ärztlichen Begutachtung sowie am 17.01.2014 zur Prüfung der erforderlich werdenden Sonderausstattung. Weiterhin stellte Ihre Mandantin am 05.11.2013 bei Landratsamt Vogtlandkreis, Außenstelle Reichenbach, einen Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis mit Zahlung der entsprechenden Prüfungsgebühren. Der Antrag auf Gewährung von Kfz-Hilfe ging jedoch erst am 03.02.2014 ein. Gemäß § 10 der Kfz-Hilfeverordnung sollten Leistungen vor dem Abschluss eines Kaufvertrages über das Kraftfahrzeug und die behinderungsbedingte Zusatzausstattung sowie vor Beginn einer nach § 8 zu fordernden Leistung beantragt werden. Unter § 8 der Kfz-Hilfeverordnung ist die Erstattung von Kosten zur Erlangung der Fahrerlaubnis geregelt. Demnach hätte Ihre Mandantin vor Antritt der Fahrschule und Abschluss eines entsprechenden Vertrages die Gewährung von Kfz-Hilfe beantragen müssen. Der Antrag vom 03.02.2014 ging nachweislich nach Beginn der Fahrschule ein. Insofern können Leistungen gemäß § 40 SGB VII bereits aufgrund der verspäteten Antragstellung nicht übernommen werden. Insoweit Sie sich darauf berufen, dass mit Schreiben vom 08.10.2013 die Übernahme der Gutachtenskosten durch die Unfallkasse Sachsen bereits zugesichert wurde, ist an dieser Stelle ergänzend darauf hinzuweisen, dass gemäß §§ 34 Abs. 3 SGB X die Behörde dann nicht mehr an eine Zusicherung gebunden ist, wenn sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart ändert, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Damit kann vorliegend festgestellt werden, dass zum Zeitpunkt der Übersendung des Antrages auf Kfz-Hilfe am 08.10.2013 die Unfallkasse Sachsen davon ausgegangen ist, eintrittspflichtig zu sein. Die Heilbehandlung lief nach wie vor zu Lasten der Unfallkasse Sachsen. Damit lag zu diesem Zeitpunkt die Leistungsverpflichtung der Unfallkasse Sachsen auch tatsächlich vor. Erst nach Eingang der angeforderten Gutachten der Herren Dr. Dr. Wehking vom 07.05.2014 sowie Dr. Walk vom 05.03.2014konnte mit Bescheid festgestellt werden, dass ein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 05.02.2010 und den nach wie vor bestehenden Beeinträchtigungen im Bereich des rechten Fußes bzw. Sprunggelenkes nicht gesichert werden kann.
Eine Änderung der Sachlage hat somit vorgelegen. Aufgrund der in den Gutachten festgestellten Erkenntnisse hätte die Unfallkasse Sachsen die Zusicherung zur Zahlung der Gutachtenkosten nicht gegeben und aus rechtlichen Gründen auch nicht geben dürfen. Eine Bindung an die im Schreiben vom 08.10.2013 gemachten Aussagen liegt somit nicht mehr vor. Die Kosten der eingeholten DEKRA-Gutachten vom 13.12.2013 und 17.01.2014 sowie des Antrages auf Erteilung der Fahrerlaubnis vom 05.11.2013 können somit auch weiterhin nicht übernommen werden."
Mit weiterem Bescheid vom 22.05.2014 (nicht streitgegenständlich) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 22.05.2013 als Arbeitsunfall ab. Das Ereignis habe nicht rechtlich wesentlich zu einem Gesundheitsschaden geführt. Die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen seien wesentlich auf die vorliegenden psychischen Störungen zurückzuführen.
Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2015 als unbegründet zurück.
Gegen die den Unfall vom 05.02.2010 betreffenden Bescheide wurde am 14.11.2014 Klage erhoben (S 4 U 386/14 und S 4 U 387/14) ...
Das Gericht hat im Klageverfahren die Verwaltungsakte der Beklagten sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen.
Am 08.04.2015 erfolgte auf Wunsch der Klägerin die Amputation des rechten Unterschenkels. Bereits am 12.03.2012 hatte die Klägerin ein solches Begehren geäußert, was jedoch ärztlicherseits abgelehnt wurde.
Am 12.10.2015 erstattete Prof. Dr. C ... gemäß § 106 Abs. 3 Ziff. 5, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein orthopädisches Sachverständigengutachten nach Untersuchung der Klägerin. Der Gutachter stellt zunächst folgende Diagnosen: Zustand nach Unterschenkelamputation rechts ohne Funktionsstörung des Kniegelenkes mit schmerzhaften Missempfindungen des Unterschenkelstumpfes, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Störung (gemischt – Übernahme der Diagnosen des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie), Zustand nach Distorsionstrauma rechtes oberes Sprunggelenk mit Ausbildung einer nicht mehr gebrauchsfähigen rechten unteren Extremität mit Verdacht auf CRPS, Funktionsbeeinträchtigung linkes oberes Sprunggelenk bei Zustand nach Distorsion und abnormer Spitzfußstellung mit deutlicher Funktionsbeeinträchtigung. Zur CRPS: Dieses werde zunächst rein klinisch diagnostiziert, wobei bei ein eindeutiger positiver Szintigrafiebefund dies als beweisend für ein CRPS anzusehen sei, wegen der hohen Spezifität dieser Untersuchungsmethode. Bei positivem szintigrafischem Befund mit gelenknaher Anreicherung, vor allem in der späten Untersuchungsphase, könne die Diagnose CRPS als gesichert gelten. Genau diese eindeutige Aussage sei bisher nicht erfolgt. Bei der ersten Szintigrafie in Halle im Jahr 2010 sei die Szintigrafie eben nicht eindeutig beweisend für diese Diagnose. Bei dieser Untersuchung, 3 Monate nach dem Unfall, sei ein weiteres Symptom bemerkenswert, nämlich eine Schwellung, eine Temperaturdifferenz und eine livide Verfärbung. Es bestand aber auch ein nahezu kontrakter Spitzfuß. Die Untersuchung in Narkose habe nun mehrere wichtige Informationen erbracht, nämlich das vollständige Verschwinden des Spitzfußes, d. h. es musste eine aktive Leistung vorgelegen haben, den Fuß in dieser Spitzfußstellung zu halten; das Sprunggelenk war frei beweglich. Am Ende der Untersuchung zeigte sich außerdem keine Temperaturdifferenz mehr, und die livide Hautverfärbung hatte sich zurückgebildet. Anerkanntermaßen führe bereits eine 30minütige willentliche Immobilisation einer Extremität zu einem Temperaturabfall von durchschnittlich 0,9 Grad, verbunden mit sichtbarer Farbänderung der Haut. Vor diesem Hintergrund, der zweifelsfrei zumindest an eine dissoziative Störung denken lasse, sei die Verweigerung einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung eher nicht verständlich. Anamnestisch habe auch im Alter von 8 Jahren eine Tinnituserkrankung bestanden, bei der eine psychologische Mitbehandlung empfohlen wurde, welche seinerzeit ebenfalls nicht in Anspruch genommen wurde. Bei der Tinnituserkrankung war eine somatische Ursache nicht gefunden worden. Auffällig sei mithin insgesamt, dass beim Auftreten derartiger Störungen ein Ausblenden möglicher psychischer Ursachen und eine Konzentration auf rein somatische Problemfelder zu verzeichnen ist. Daneben seien auch die klinischen Symptome in gleicher Weise zu berücksichtigen. Von Anfang an habe es eine Schwellung des Sprunggelenkes und des Fußes gegeben, wobei zunächst dies als Folge der Sprunggelenksdistorsion angesehen wurde. Eine Beeinflussung der Schwellneigung sei erst unter Gabe von Dexamethason beeinflussbar gewesen. Nach dieser Behandlung sei die Schwellung im Mai 2010 völlig rückläufig gewesen. Bei der Veränderung der Hautfarbe sei festzuhalten, dass eine Rötung und rot-blaue Verfärbung der Haut relativ frühzeitig beobachtet wurden. Wichtig sei jedoch auch, dass bei der Narkoseuntersuchung diese Hautverfärbung ebenso deutlich rückläufig war, wie die demonstrierte Spitzfußstellung. Gleiches treffe auf die Temperaturdifferenzen zu. Darüber hinaus seien Störungen der Schweißsekretion von Anfang an beobachtet worden, ebenso motorische Störungen. Schon früh habe sich eine Spitzfußstellung entwickelt, wobei derartige Störungen nicht nur im Rahmen eines CRPS beobachtet werden, sondern nicht selten im Rahmen psychogener dissoziativer Bewegungsstörungen. Beim längeren Mindergebrauch der Extremität treten dann auch vasomotorische Störungen auf mit ausgeprägten Muskelatrophien. In diesem Zusammenhang müsste an den zweiten Unfall und dessen Verlauf im Jahr 2012 erinnert werden, der ebenfalls nach einer Bagatellverletzung (linkes Sprunggelenk) zu einer massiven Spitzfußstellung quasi unmittelbar nach dem Unfall führte. Eine umfangreiche Diagnostik und stationäre Behandlung und Kontrolle ließ aber dann eine CRPS sicher ausschließen, mit der Folge, dass sich auch die Spitzfußstellung wieder zu normalisieren begann. Auf der linken Seite bestünde heute weiterhin eine Spitzfußstellung. Der Fuß sei nicht in eine Normalstellung zu bringen, zumindest ohne Narkose, so dass Schuhe mit erhöhten Absätzen getragen werden müssen. Zusammenfassend könne eine eindeutige Diagnose nicht gestellt werden. Aus rein klinischer Sicht sei die Diagnose eines CRPS gestellt worden. Eine Bestätigung dieser Diagnose durch entsprechende bildgebende Befunde sowie ganz wesentlich durch eine Szintigrafie hätte nicht erbracht werden können. Hieraus resultiere letztlich die Zurückhaltung in der Bestätigung der Diagnose CRPS Stufe I ... Richtig sei zweifelsfrei, dass die zunehmende Fehlstellung im Sprunggelenk (extreme Spitzfußstellung), die aber in Narkose völlig aufhebbar war, ebenso wie die Hautverfärbung und der Temperaturunterschied möglicherweise eben doch eine aktive Leistung voraussetzen, womit zumindest der Verdacht gerechtfertigt sei, dass eine psychische Mitbeteiligung nicht ausgeschlossen werden kann. Aus unfallchirurgischer Sicht könne somit der Vollbeweis eines CRPS nicht erbracht werden. Das Unfallereignis selbst habe zu einer Verstauchung des rechten Sprunggelenkes geführt, welches nach vier bis sechs Wochen (15.03.2010) als ausgeheilt anzusehen sei. In dieser Zeit habe Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Mangels Vollbeweis eines CRPS scheide letztlich eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit aus.
Am 09.02.2016 erstattete Dr. D ... gemäß § 106 Abs. 3 Ziff. 5, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten nach Untersuchung der Klägerin vom 03.02.2016 und unter Berücksichtigung der testpsychologischen Zusatzuntersuchung durch Dipl.-Psych. Barth vom 03.02.2016. Dr. D ... weist zunächst darauf hin, dass bei der Klägerin auf neurologischem Fachgebiet von keiner für die Beurteilung relevanten Erkrankung auszugehen sei. Auf psychiatrischem Fachgebiet würden sich dagegen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung auf organischer Grundlage (F 45.41) und eine kombinierte dissoziative Störung (der Bewegung und Empfindung des rechten Beines), F 44.7, finden. Dabei handele es sich um seelische Störungen.
Anhaltspunkte für eine anlagebedingte Vorschädigung würden sich bei der Klägerin nicht finden. Diese berichtet zwar über Schulschwierigkeiten und einen psychogen auftretenden Tinnitus im Vorfeld, diese seien jedoch weit vor dem Schadenseintritt abgeklungen bzw. remittiert. Damals und auch gegenwärtig gebe es eine gute soziale Integration in die Ursprungsfamilie und den Freundeskreis. Eine kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung sei nicht initiiert worden, und relevante psychiatrische Symptomatiken würden im Vorfeld der aktuellen Störung nicht berichtet bzw. dokumentiert. Entsprechend sei von einer unfallbedingten seelischen Störung bei der Klägerin auszugehen. Unabhängig von der Frage des Vorliegens eines CRPS sei es zu einer deutlichen Belastung der Erlebnisverarbeitung der Klägerin durch das initial eher harmlose Trauma und letztlich infolge zur Entwicklung der auch gegenwärtig deutlich ausgeprägten Neurose gekommen. Die Beurteilung der Unfallfolgen in Bezug auf die MdE begründe sich auf die aus dem Unfallereignis resultierende funktionelle Beeinträchtigung. Bei intakter Fähigkeit zur Tagesstrukturierung sei die Klägerin aus Sicht des Gutachters überwiegend durch die nun letztlich als Folge der neurotischen Unfallverarbeitung eingetretene Unterschenkelamputation beeinträchtigt, die zu Beeinträchtigungen insbesondere der Mobilität führt. Entsprechend werde empfohlen, dem chirurgischen Vorgutachter zu folgen und eine Gesamt-MdE von 40 % für die Unfallfolgen anzunehmen. Die festgestellten seelischen Störungen gingen aus Sicht von Dr. D ... in den jetzt anatomischen Veränderungen der Klägerin auf und würden keine zusätzliche Erhöhung der MdE rechtfertigen. Behandlungsbedürftigkeit bestünde seit dem Unfalleintritt und auch fortlaufend. Die seelischen Störungen seien vermutlich nur schwer zu beeinflussen, dies aufgrund der Persönlichkeitsgrundstruktur der Klägerin, die eigene seelische Anteile der Traumaverarbeitung konsequent ausblendet, der eingetretenen Chronifizierung und des nicht unerheblichen sekundären Krankheitsgewinns.
Die Beklagte wendet mit Schriftsatz vom 11.07.2016 ein, dass von einer fehlenden Alternativursache nicht automatisch auf eine wesentliche Ursache geschlossen werden könne. Eine derartige Beweisregel gebe es nicht. Es werde auf die AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen verwiesen. Hier würden zwei Möglichkeiten zur Anerkennung eines psychischen Schadens als Unfallfolge benannt: Die psychische Schädigungsfolge müsse entweder auf einen psychischen Primärschaden oder auf einen körperlichen Primärschaden zurückzuführen sein. Das Ereignis vom 05.02.2010 sei nicht geeignet gewesen, einen psychischen Primärschaden zu verursachen. Dies ergebe sich bereits aus den Vorgutachten von Dr. F und Dr. W. Außerdem werde auf das Gutachten von Prof. Dr. C ... verwiesen. Danach habe der Unfall lediglich zu einer Zerrung des rechten OSG geführt, welche nach 4 bis 6 Wochen ausheilte. Eine anhaltende unfallbedingte organische Schädigung habe dagegen nicht existiert. Nach der AWMF-Leitlinie komme eine psychiatrische Unfallfolge nach einem körperlichen Primärschaden (somit als mittelbare Unfallfolge) nur dann in Betracht, wenn der körperliche Schaden so schwerwiegend war, dass er im Vergleich zu alltäglichen körperlichen Beeinträchtigungen überhaupt für geeignet erachtet wird, psychische Störungen hervorzurufen oder es handele sich um einen anhaltenden körperlichen Schaden mit auch anhaltenden Beeinträchtigungen. Andernfalls könne allenfalls von einer vorübergehenden Anpassungsstörung gesprochen werden, welche gemäß DSM-IV nach Abklingen der Belastungsfaktoren in einem Zeitraum von 6 Monaten wieder verschwindet. Der körperliche Primärschaden (Distorsion rechts OSG) heilte aus und sei nicht geeignet gewesen, eine psychische Störung auszulösen. Der eingetretene Spitzfuß sei nicht Folge der Distorsion. Ein CRPS sei nicht erwiesen. Schließlich weise das Vorerkrankungsverzeichnis erhebliche Auffälligkeiten auf, welche auf einen möglichen psychischen Vorschaden schließen lassen: 26.06.2002 Distorsion rechter Fuß mit allerstärksten Schmerzen; 09.07.2002 Distorsion rechter Fuß mit stärksten Schmerzen, Auftreten nicht möglich; 04.08.2002 stationär wegen Tinnitus; 23.09.2002 unklare Bauchschmerzen; 2004 verschiedene Schmerzen/Rheuma; 2009 Fußschmerz links; 29.10.2009 seit 5 Monaten Beschwerden linker Fuß und linkes OSG ohne Trauma; 2004 habe Essblockierungen und Kopfschmerzen; 18.05.2011 Schmerzen lumbal bis in beide Beine usw ... Darüber hinaus weist die Beklagte darauf hin, dass es nach dem Ereignis vom 22.05.2013, ebenfalls ein Bagatelltrauma, innerhalb kürzester Zeit im Bereich des linken Sprunggelenkes ebenfalls zu einer Spitzfußausbildung an dieser Seite kam. MRT-Aufnahmen hätten jedoch weder eine strukturelle Läsion, noch ein Ödem festgestellt. Es gebe keinen Anhalt dafür, dass es überhaupt zu irgendeiner Einwirkung auf das linke Sprunggelenk gekommen ist, und doch habe sich bereits nach allerkürzester Zeit eine Spitzfußstellung gefunden.
Prof. Dr. C ... gab am 08.08.2016 eine ergänzende Stellungnahme ab: Die Spitzfußstellung rechts habe nichts mit dem Arbeitsunfall vom 05.02.2010 zu tun. Die Entstehung der Spitzfußstellung rechts sei nur möglich gewesen, weil vorbestehend ein Gesundheitsschaden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorlag. Dies ergebe sich aus zwei neurologisch-psychiatrischen Gutachten. Normalerweise heile eine Verstauchung des Sprunggelenkes innerhalb von 4 bis 6 Wochen aus, ohne dass eine Spitzfußstellung besteht. Ein Spitzfuß mit der Folge einer derartigen Verletzung sei in hohem Maße ungewöhnlich und nur möglich, wenn eine entsprechende Vorerkrankung besteht. Die Amputation sei am Ende notwendig geworden wegen der Unmöglichkeit, das rechte Bein überhaupt noch zu belasten. Das rechte Bein sei nicht mehr gebrauchsfähig gewesen. Die Gebrauchsunfähigkeit sei die Folge einer neurologisch-psychiatrischen Grunderkrankung, die im Rahmen einer Verstauchungsverletzung des rechten Sprunggelenkes die Entwicklung eines Spitzfußes zur Folge hatte. Somit habe auch die Amputation nicht ihre Ursache in dem Arbeitsunfall vom 05.02.2010.
Am 30.12.2016 gab der Sachverständige Dr. D ... eine ergänzende Stellungnahme zu den Einwendungen der Beklagten ab: Der Auffassung der Beklagten ist entgegenzuhalten, dass es sich nicht um ein speziell für die Klägerin spezifisches Bagatelltrauma handele, sondern dass das Schädigungsereignis eine Kette von zahlreichen maximalinvasiven Ereignissen in Gang setzte, dies bis zur Teilamputation des rechten Unterschenkels. Insofern seien auch die Kriterien der von der Beklagten zitierten Richtlinien (AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen) erfüllt. Letztlich sei stets auf den konkreten und spezifischen Einzelfall abzustellen. Zu etwaigen psychischen Vorschädigungen der Klägerin werde auf das Gutachten verwiesen. Die von der Beklagten zitierten Schulschwierigkeiten und der Tinnitus seien maximal als leichte seelische Störungen zu werten; diese seien bis zum Unfallereignis völlig abgeklungen. Anhaltspunkte für Verwerfungen in der sozialen Interaktion der Klägerin mit der Umwelt unmittelbar vor oder während des Unfallereignisses würden sich nicht finden.
Die Klägerseite weist mit Schriftsatz vom 03.02.2017 u. a. darauf hin, dass sich im ersten Arztbericht vom 28.10.2010 der Klinik B Z über den stationären Aufenthalt vom 05.07. bis 23.10.2010 die Diagnose eines chronischen regionalen Schmerzsyndroms finde. Auch das HBK Z habe mit Verlegungsbrief vom 15.08.2011 diagnostiziert, dass im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 04.07. bis 27.07.2011 sogar ein CRPS Stadium III bestehe. Der dort einbezogene Psychiater habe die Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms geäußert. Darüber hinaus komme das für die Allianz Versicherungs AG erstellte Gutachten vom 28.03.2013 ebenfalls zur Diagnose eines CRPS, welches durch das geschilderte Ereignis verursacht worden sei. Zum Zeitpunkt des Unfallereignisses habe es keine Krankheiten oder Gebrechen bzw. Folgen früherer Unfälle gegeben. In einem weiteren Gutachten (vom 15.01.2013 durch das Unfallkrankenhaus Berlin) werde ausgeführt: Bildmorphologisch sei diese Osteopenie bei dem angegebenen zeitlichen Abstand zu dem Trauma als mögliches bildmorphologisches Korrelat für ein CRPS zu bewerten. Auch das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus habe im Juni 2012 und April 2013 ein CRPS Stadium Typ I für vorliegend erachtet.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.04.2017 wurden die Verfahren S 4 U 386/14 und S 4 U 387/14 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Klägerin beantragt,
1. Den Bescheid vom 22.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2014, zugegangen am 17.10.2014, Az.: RM-S , aufzuheben und festzustellen, dass ein Anspruch auf Leistungen aus dem Arbeitsunfall vom 05.02.2010 besteht, da der Unfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grad über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus hinterlassen hat, sowie eine arbeitsunfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit über den 15.03.2010 besteht.
2. Den Bescheid vom 08.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2014, zugestellt am 17.10.2014, Az.: RM-S , aufzuheben und der Klägerin Leistungen zur Beschaffung oder Führen eines Kraftfahrzeuges, sowie die Übernahme der Kosten des DEKRA-Gutachtens zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin sind wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 05.02.2010 keine Verletztenrente und keine Leistungen zur Beschaffung oder Führen eines Kraftfahrzeuges zu gewähren. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bestand nicht über den 15.03.2010 hinaus.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Kraft Gesetzes sind versichert, Schüler während des Besuchs von allgemeinen oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII). Das Umknicken mit dem rechten Fuß während des Handballspiels am 05.02.2010 im Rahmen des Sportunterrichtes führte zu einer Distorsionsverletzung am rechten Sprunggelenk, insoweit mit Behandlungsbedürftigkeit bis einschließlich 15.03.2010. Ein Rentenanspruch besteht deswegen nicht. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 SGB VII). Die Distorsion war nach wenigen Wochen folgenlos ausgeheilt. Die Klägerin konnte den ihr obliegenden Beweis dahingehend nicht führen, dass die Spitzfußstellung nebst Schweißneigung und Schwellung im unteren Bereich des Unterschenkels und über dem Fuß (rechts) hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich durch den Arbeits- bzw. Schulunfall vom 05.02.2010 hervorgerufen wurde: Dabei ist zu berücksichtigen, dass die dem begehrten Anspruch zugrunde liegenden Tatsachen, zu denen auch der jeweilige Gesundheitsschaden gehört, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein müssen, während für den Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit (Schule) und der Erkrankung keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist; hinreichende Wahrscheinlichkeit ist ausreichend. Zwar ist die Spitzfußstellung rechts nebst seitendifferenter Schweißneigung und Schwellung im unteren Bereich des Unterschenkels und über dem Fuß im Vollbeweis nachgewiesen; jedoch ist es nach Überzeugung des Gerichts nicht wahrscheinlich, dass diese Gesundheitsstörungen rechtlich wesentlich durch den Unfall vom 05.02.2010 hervorgerufen wurden. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass beim vernünftigen Abwägen aller Umstände, die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen müssen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Eine Möglichkeit verdichtet sich hierbei dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (Bereiter/Hahn/Mehrtens, gesetzliche Unfallversicherung, Handkomm., § 8 Rdnr. 10.2 m.w.N.).
Nach Überzeugung des Gerichts sprechen erheblich mehr Umstände gegen einen Kausalzusammenhang als dafür. Dabei stützt sich die Kammer auch auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C ... sowie der im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachter Dr. W , Dr. Dr. W und Dr. F. Zeitnah nach dem Unfall vom 05.02.2010 konnten Frakturen und Rupturen im Bereich des rechten Fußes/Sprunggelenkes bildgebend ausgeschlossen werden. Mit Ausnahme der Distorsion gibt es auf unfallchirurgischem Fachgebiet keinerlei Nachweis einer weiteren, mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden Erkrankung des rechten Fußes. Es ist anerkannt, dass eine (einfache) Distorsion des rechten Sprunggelenkes im weiteren Verlauf nicht zu einer Spitzfußstellung des rechten Fußes führen kann. Ebenso wenig hat die Distorsion des rechten OSG zu einem CRPS geführt, welches an sich als mögliche Ursache für die Spitzfußstellung in Betracht kommen könnte. Denn das Vorliegen eines CRPS konnte die Klägerin nicht im Vollbeweis nachweisen. Vollbeweis bedeutet Gewissheit bzw. hohe Wahrscheinlichkeit. Alle Umstände des Falles müssen nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, die volle Überzeugung vom Vorliegen der Tatsachen zu begründen. Gewissheit bedeutet, dass ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keinen Zweifel hat. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen der Tatsache zu begründen, mithin eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliegt (Bereiter/Hahn/Mehrtens, gesetzliche Unfallversicherung, Handkomm., § 8 Rdnr. 10.1 m.w.N.). Der Vollbeweis für das Vorliegen eines CRPS konnte bei weitem nicht erbracht werden: Bereits im März/April 2010 wurden in der Klinik O R ein CRPS ausdrücklich ausgeschlossen und eine psychosomatische Ursache für die Beschwerden der Klägerin genannt. Nach den überzeugenden Ausführungen des algesiologischen Gutachters Dr. W (Gutachten vom 05.03.2014) sprechen die zeitliche Diskrepanz zwischen Unfallereignis und auftretenden Beschwerden, der Szintigrafiebefund, die Einnahme nur äußerst geringer Schmerzmedikamente und die komplette Unbeeinflussbarkeit der Schmerzen gegen das Vorliegen eines CRPS. Darüber hinaus kommt es regelhaft bei Patienten mit einem CRPS und entsprechend starken Schmerzen zur Ausbildung einer depressiven Symptomatik von Krankheitswert, welche bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorlag. In diesem Zusammenhang verkennt das Gericht nicht, dass andere behandelnde Ärzte das Vorliegen eines CRPS bei der Klägerin bejaht haben (Klinik B im April 2010; Klinik B T 07 – 10/2010; HBK Z 04/2011). Jedoch finden sich dort keine oder nur unzureichende Begründungen für eine derartige Diagnose. Im Gegensatz dazu erachtet das Gericht die o.g. gegenteilige Auffassung für gut begründet und nachvollziehbar.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Spitzfußstellung rechts allein rechtlich wesentlich durch unfallunabhängige Gesundheitsstörungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet hervorgerufen wurde: Dass die Spitzfußstellung mit erheblicher Schmerzsymptomatik keine organische, sondern psychische Genese hat, liegt nach Ansicht der Kammer auf der Hand. In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass die Untersuchung des Sprunggelenkes in Narkose im März 2010 im Klinikum O in R eine nahezu freie Beweglichkeit, eine Normalisierung von Schwellsekretion und Hauttemperatur ergeben hat. Gutachter Prof. Dr. C ... weist insoweit darauf hin, dass die Untersuchung in Narkose gezeigt hat, dass eine aktive Leistung der Klägerin vorgelegen haben muss, den Fuß in der Spitzfußstellung zu halten. Bereits eine 30-minütige willentliche Immobilisation einer Extremität führt zu einem Temperaturabfall von durchschnittlich 0,9 Grad, verbunden mit einer sichtbaren Farbveränderung der Haut. Ein weiteres starkes Indiz für eine psychische Genese der Spitzfußstellung nebst Schmerzen am rechten Fuß ist die Tatsache, dass bei der Klägerin nach einem Supinationstrauma am linken oberen Sprunggelenk am 22.05.2013 bereits nach 3 Tagen ebenfalls eine kontrakte Spitzfußstellung ohne pathologisches Korrelat vorlag und verblieb. Im Klinikum R , wo sich die Klägerin zur stationären Behandlung befand, wurde diesbezüglich die Ursache im psychiatrischen Fachgebiet vermutet. Die Spitzfußstellung im rechten Fuß nebst Schmerzsymptomatik resultiert allein rechtlich wesentlich aus psychischen Erkrankungen der Klägerin, welche die Gutachter als "somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Störung" (Dr. Dr. W ) bzw. "anhaltende somatoforme Schmerzstörung aufgrund organischer Grundlage und kombinierte dissoziative Störung" (Dr. D ...) bezeichnen. Diese Erkrankungen sind jedoch nicht Folgen des Unfalls vom 05.02.2010: Nach der "AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen – Registernr.051/029" (im Folgenden: "Leitlinie") ist anerkannt, dass psychische Störungen als Unfallfolgen unmittelbar auf das Erleben eines Ereignisses hin oder auch als Folge eines erlittenen Körperschadens auftreten können (Leitlinie S. 82 m.w.N.). Eine psychische Erkrankung als unmittelbare Unfallfolge scheidet aus, da zeitnah eine derartige Erkrankung aktenkundig nicht diagnostiziert wurde; der Nachweis eines psychischen Primärschadens im Sinne des Vollbeweises gelingt nicht. Ebenso wenig bestehen mittelbare psychische Unfallfolgen nach körperlichem Primärschaden: Dabei muss der körperliche Schaden so schwerwiegend sein, dass er im Vergleich zu "alltäglichen" körperlichen Beeinträchtigungen nach Art und Schwere überhaupt geeignet ist, im Querschnitt der Bevölkerung psychische Störungen hervorzurufen (Leitlinie S. 119, 132 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, B 2 U 26/04 R; B 2 U 1/05 R). ). Das Trauma der Klägerin vom 05.02.2010 war nach Art und Schwere bei weitem nicht geeignet, im weiteren zeitlichen Verlauf Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet hervortreten zu lassen. Es handelt sich um eine "Gelegenheitsursache" bzw. "Bagatelltrauma" mit sehr geringen Verletzungen (Distorsion). Die Distorsion selbst heilte komplikationslos innerhalb weniger Wochen aus.
Das Gutachten von Dr. D ... vermochte die Kammer zumindest insoweit nicht zu überzeugen, als dort festgestellt wurde, die psychiatrischen Erkrankungen seien rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 05.02.2010 zurückzuführen. Denn der Gutachter Dr. D ... beachtet nicht, dass sich die Klägerin auf unfallchirurgischem Fachgebiet ausschließlich eine Distorsion des rechten Sprunggelenkes zugezogen hat, welche nicht ursächlich für die Spitzfußstellung war, zumal ein CRPS nicht vollbeweislich nachgewiesen ist. Somit kommt der Gutachter zu falschen Schlussfolgerungen. Nicht überzeugen können die Ausführungen von Dr. D ..., für die Klägerin habe es sich nicht um ein spezifisches Bagatelltrauma gehandelt, sondern das Schädigungsereignis habe eine Kette von zahlreichen maximalinvasiven Ereignissen in Gang gesetzt, dies bis zur Teilamputation des rechten Unterschenkels. Hierbei schließt der Gutachter aus den Ereignissen nach dem Unfall auf die Unfallursächlichkeit. Ein solcher Rückschluss ist im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zulässig und findet auch keine Stütze in der "AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen". Ferner misst Gutachter Dr. D ... zu Unrecht den psychischen Auffälligkeiten der Klägerin vor dem Schulunfall keinerlei Bedeutung zu: Bereits im Jahr 2002 kam es zweimal zu Distorsionen des rechten Fußes mit allerstärksten Schmerzen; im gleichen Jahr zur stationären Behandlung wegen eines Tinnitus; im Jahr 2004 wurden "verschiedene Schmerzen/Rheuma" dokumentiert, im Jahr 2009 Fußschmerz links seit 5 Monaten ohne Trauma; 2004 Essblockierungen und Kopfschmerzen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass diese Gesundheitsstörungen bereits mehrere Jahre vor dem streitgegenständlichen Unfall stattgefunden haben. Jedoch legen diese Umstände nahe, dass bei der Klägerin eine vorbestehende deutliche Disposition zu einer stark gestörten Schmerzverarbeitung bestand.
Da die Spitzfußstellung keine Unfallfolge ist, ist auch die im Hinblick darauf vorgenommen Amputation des rechten Unterschenkels nicht dem Unfall vom 05.02.2010 anzulasten. Aufgrund der Unfallfolgen (Distorsion) besteht kein Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE); ein Rentenanspruch gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VII besteht nicht.
Aus demselben Grund entfällt auch ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Beschaffung oder Führen eines Kraftfahrzeuges. Als Folge des streitgegenständlichen Unfalls liegen weder eine erhebliche Gehbehinderung, noch sonstige, einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe auslösende Faktoren vor. Dem steht auch nicht die Zusicherung der Beklagten vom 08.10.2013 entgegen. Insoweit darf auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 15.10.2014 Bezug genommen werden, denen sich das Gericht nach eigener umfassender Prüfung vollumfänglich anschließt (§ 136 Abs. 3 SGG).
Aus diesen Gründen war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
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