Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 31 AS 3057/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 40 Abs 1 S 2 SGB 2 n. F. ist ab dem 01.08.2016 auch auf noch anhängige Verfahren anwendbar.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen den Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 27.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2015 (Aktenzeichen) und begehren eine Sachprüfung und in dessen Ergebnis letztlich die Aufhebung des zur Überprüfung gestellten Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 05.06.2009 für den Leistungszeitraum Juni 2009.
Mit dem Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 25.11.2008 wurden den Klägern Grundsicherungsleistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Leistungszeitraum vom 01.01.2009 bis 30.06.2009 in bewilligt. Den Klägern ist ein Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 zugeflossen. Mit den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05.06.2009 hat der Beklagte die Bewilligungsentscheidung für den Monat Juni teilweise aufgehoben und eine Erstattung bewilligter Kosten der Unterkunft in Höhe von 69,19 EUR, bzw. 69,18 EUR verlangt. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid war alleine an die Klägerin zu 2) gerichtet und hat die Leistungen ihr gegenüber und "ihrem Kind" Herrn L. S. – dem Kläger zu 1) aufgehoben. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid –bekannt gegeben im Jahr 2009 - wurde bestandskräftig.
Erstmalig unter dem 16.02.2015 haben die Kläger durch ihren Bevollmächtigten die Überprüfung dieses Aufhebungs- und Erstattungsbescheides beantragt. Mit dem angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 27.02.2015 hat der Beklagte eine Überprüfung ohne Sachprüfung wegen Verfristung abgelehnt und dies damit begründet, dass die Verfallfrist des § 44 Absatz 4 zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 40 Absatz 1 SGB II nur ein Jahr betrage und anzuwenden sei. Der gegen diesen Bescheid am 27.03.2015 eingelegte Widerspruch blieb erfolglos und wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 10.08.2015 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 07.09.2015 erhobene und am gleichen Tag bei dem Sozialgericht Cottbus eingegangene Klage, mit der die Kläger ihr Begehren weiter verfolgen.
Sie tragen vor, dass sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.02.2014, B 4 AS 19/13 R eindeutig ergebe, dass die Verfallklausel des § 44 Absatz 4 SGB X auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide keine Anwendung finde und deswegen eine Sachprüfung zu erfolgen habe.
Die Kläger beantragen, den Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 27.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05.06.2009 für den Monat Juni 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 SGG zulässig. Die Kläger begehren nicht alleine die Aufhebung des eine Überprüfung ablehnenden Bescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides, sondern den Erlass eines neuen Überprüfungsbescheides, mit dem der streitige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid aufgehoben werden soll (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 11. Auflage, § 54 Rz. 20 c)
Die Klage ist allerdings unbegründet, denn der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 27.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Der Beklagte hat im Ergebnis zu Recht das Überprüfungsbegehren der Kläger mit dem angefochtenen Überprüfungsbescheid in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10.08.2015 ohne Sachprüfung wegen Verfristung abgelehnt.
Hierbei kann dahinstehen, ob - wie der Beklagte mit beachtlichen Gründen anführt – das Urteil des Bundessozialgericht vom 13.02.2014, B 4 AS 19/13 R der Annahme einer Verfristung deswegen nicht entgegensteht, weil eine durch diese Entscheidung angenommene Regelungslücke, die zur einer analogen Anwendung des § 44 Absatz 1 SGB X führen soll, nicht vorliegt, weil diese –vermeintliche – Lücke durch § 44 Absatz 2 SGB X geschlossen sei. Denn mit dem 9. Gesetz zur Änderung des SGB II und des zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 26.07.2016 (BGBL I, S. 1824) hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 01.08.2016 § 40 Absatz 1 Satz 2 SGB II neu gefasst und darin angeordnet, dass abweichend von Satz 1 (Geltung des SGB X) § 44 SGB X mit der Maßgabe gilt, dass 1. rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraumes beantragt wird. 2. anstelle des Zeitraumes von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Ausgehend hiervon kann eine Sachprüfung nur dann verlangt werden, wenn der Überprüfungsantrag innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Ablauf des Jahres der Bekanntgabe des zur Überprüfung gestellten Bescheides beantragt wurde. Der streitige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05.06.2009 wurde jedenfalls vor dem 31.12.2009 bekannt gegeben, so dass die Frist zum 01.01.2010 zu laufen begann. Sie ist danach am 01.01.2014 bereits abgelaufen. Der erstmalige Antrag auf Überprüfung wurde indes am 16.02.2015 gestellt und damit nach Ablauf der Frist, so dass der Beklagte eine Überprüfung deshalb ablehnen durfte, weil eine Rücknahme des Aufhebungs-und Erstattungsbescheides als rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt nicht mehr in Betracht kam. Kommt aber eine Rücknahme des Bescheides nicht mehr in Betracht, fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse an einer Überprüfung, weil die Kläger schlechterdings keine ihr günstigere Rechtsposition mehr erlangen können (vgl. BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 1; BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr.1), denn bereits die Rücknahme steht ohnehin unter dem Vorbehalt, dass Leistungen nach § 44 Absatz 4 SGB X noch zu erbringen sind (BSG, Urteil vom 28.02.2013, B 8 SO 4/12 R). Der Gesetzgeber hat danach u.a. für den Bereich des SGB II eine von § 44 Absatz 4 SGB X abweichende Regelung getroffen und zudem klargestellt, dass diese Regelung für beide Alternativen des § 44 SGB X, nämlich Absatz 1 und Absatz 2 gelten soll. Für eine analoge Anwendung des § 44 Absatz 1 SGB X auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide einerseits, das Nichtanwenden der Verfallklausel nach § 44 Absatz 4 SGB X ist danach jedenfalls seit dem 01.08.2016 kein Raum mehr. Mit der Gesetzesänderung ist der von beiden Beteiligten zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichtes der Boden entzogen.
Die Neuregelung ist auch auf den zu entscheidenden Fall unmittelbar anzuwenden, denn der Gesetzgeber hat für die Einführung des § 40 Absatz 1 SGB II n.F. keine Übergangsvorschrift erlassen. Eine solche findet sich nur für den § 40 Absatz 9 SGB II n.F (vormals § 40 Absatz 4 SGB II), der erst zum 01.01.2017 in Kraft treten soll. Im Übrigen ist § 40 Absatz 1 SGB II n.F. zum 01.08.2016 in Kraft getreten. Grundsätzlich werden Rechtsnormen mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung im jeweiligen Gesetzblatt rechtlich existent. Den Beginn des zeitlichen Anwendungsbereiches der Norm bestimmt der Gesetzgeber im Gesetz in aller Regel selbst als Tag des Inkrafttretens. Mit dem Inkrafttreten wird auch der zeitliche Geltungsbereich der Vorschrift bestimmt, d.h. von welchem Zeitpunkt ab die Rechtsfolgen des Gesetzes eintreten, seine Bestimmungen vom Normadressaten zu beachten bzw. von den Behörden und Gerichten maßgeblich anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 28/14 R). Ändert sich nach Erlass eines Verwaltungsaktes das für das Rechtsverhältnis maßgebliche Recht, so haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihrer Entscheidung das neue Recht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an zu Grunde zu legen. Dies gilt auch, wenn die Rechtsänderung erst im Revisionsverfahren eintritt (vgl. dazu bereits BSG, Urteil vom 29.05.1956, 6 RKa 14/54)
Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus den Grundsätzen des intertemporalen Rechtes. Nach diesen Grundsätzen richtet sich bei Fehlen von Übergangs- und Überleitungsvorschriften – wie hier – die Beurteilung eines Sachverhaltes grundsätzlich nach dem Recht, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmt hat (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2012, B 7 AY 5/11R).
Vorliegend hat der Gesetzgeber allerdings jedenfalls stillschweigend eine sofortige Anwendung des § 40 Absatz 1 SGB II n.F. angeordnet, so dass die Grundsätze des intertemporalen Rechts hier nicht geeignet sind, das eindeutige durch Auslegung zu begründende Ergebnis in seinem Geltungsbereich umzukehren (vgl. dazu Urteil des BSG vom 04.09.2013, B 10 EG 11/12R).
Der Gesetzgeber hat vorliegend nämlich ohne weiteres ersichtlich gerade im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 13.02.2014. B 4 AS 19/13 R lediglich eine klarstellende und den Rechtssuchenden begünstigende Inhaltsbestimmung des § 40 Absatz 1 SGB II a.F. vorgenommen. § 40 Absatz 1, Satz 2 SGB II a.F. hatte bestimmt, dass abweichend von Satz 1 § 44 Absatz 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe gilt, dass anstelle des Zeitraumes von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Der Wille des Gesetzgebers in § 40 SGB II in der Fassung mit Wirkung ab dem 01.04.2011 war, den Zeitraum, in dem zu Gunsten der materiellen Gerechtigkeit unter Durchbrechung der Bestandskraft von Bescheiden diese einer Überprüfung unterzogen werden können, generell auf ein Jahr zu begrenzen. In der Begründung zur Änderung des § 40 Absatz 1 SGB II Bundestagsdrucksache BT Drucksache 17/3404, S 114 heißt es dazu: "Zu Absatz 1 § 40 Absatz 1 Satz 1 entspricht der bisherigen Fassung. § 40 Absatz 1 Satz 2 enthält eine Sonderregelung zur Anwendung des § 44 SGB X. § 44 SGB X dient dazu, einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und dem Interesse des Leistungsberechtigten an materieller Gerechtigkeit für den Fall herzustellen, dass eine Verwaltungsentscheidung zum Nachteil des Leistungsberechtigten rechtswidrig war. Diese Funktion des § 44 SGB X ist auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende unverzichtbar. Die Vierjahresfrist des § 44 Absatz 4 ist allerdings für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die als steuerfinanzierte Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts und der Eingliederung in Arbeit dienen und dabei im besonderen Maße die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken sollen (so genannter Aktualitätsgrundsatz), zu lang. Eine kürzere Frist von einem Jahr ist sach- und interessengerecht. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende können damit längstens bis zum Beginn des Jahres rückwirkend erbracht werden, das dem Jahr der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes oder der darauf gerichteten Antragstellung vorausgegangen ist. Dies trägt auch zur Entlastung der Träger der Leistungen nach dem SGB II und der Sozialgerichte bei."
Bereits in dieser Begründung war zur Überzeugung der Kammer klar erkennbar, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hat, grundsätzlich die Überprüfungsmöglichkeiten bestandskräftiger Entscheidungen auf eine Frist von einem Jahr zu verkürzen. Dass dies nicht gelten sollte für Aufhebungs- und Erstattungsbescheide war und ist auch der vorherigen Fassung des § 40 Absatz 1 SGB II nicht zu entnehmen. Insbesondere war die Herausnahme von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden aus dem Regelsystem des § 44 Absatz 1 und auch des Absatz 2 SGB X nicht vorhersehbar. Erst mit der Entscheidung des BSG vom 13.02.2014, B 4 AS 19/13 R wurde dem Gesetzgeber bekannt, dass eine Anwendung des neuen § 40 Absatz 1 SGB II (a.F.) für Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nicht gelten solle, da die Verfallfrist des § 44 Absatz 4 SGB X dort nicht (auch analog) anwendbar sei, weil es sich nicht um Sozialleistungen handele, sondern um Erstattungsansprüche.
Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber gerade im Hinblick auf dieses Urteil klarstellen wollte, dass jedenfalls eine rückwirkende Überprüfung von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden über eine vier-jährige Frist hinaus ausscheiden soll. Hierzu heißt es nämlich in der Bundestagsdrucksache 18/8909, S 33 (Hervorhebung durch das Gericht):
"Mit § 40 Absatz 1 Satz 2 wird die Anwendung von § 44 SGB X auf die Bedürfnisse in der Grundsicherung für Arbeitsuchende angepasst. Zu Satz 2 Nummer 1: Mit der Regelung im ersten Halbsatz soll die nach § 44 SGB X bestehende Pflicht zur Rücknahme rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakte im Sinne des § 44 Absätze 1 und 2 SGB X zeitlich eingeschränkt werden. Ein angemessenes Verhältnis zwischen den Rechtsschutzinteressen der Betroffenen und den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende bleibt jedoch gewahrt. Hintergrund für diese Regelung sind die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 1996 – 11 Rar 31/96 – und 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 – , nach denen die auf vier Jahre verkürzte Frist nach § 44 Absatz 4 SGB X auf nicht begünstigende Verwaltungsakte, die insbesondere (beispielsweise oder u. a.) die Aufhebung, Erstattung und den Ersatz von bereits erbrachten Leistungen verfügen, keine Anwendung findet. Somit greift die bisherige Regelung des § 40 Absatz 1 Satz 2 nicht. Dies hat zur Folge, dass solche Verwaltungsakte 30 Jahre lang verpflichtend zu prüfen, ggf. zurückzunehmen und bereits beglichene Forderungen zurückzuzahlen sind. Dieses Ergebnis ist für den Bereich der Fürsorgeleistungen unbefriedigend und stellt aufgrund der Ausgestaltung der Fürsorgeleistungen im SGB II einen enorm hohen Verwaltungsaufwand für die Jobcenter dar. Fürsorgeleistungen werden u. a. nur gewährt, soweit Hilfebedürftigkeit besteht. Aufgrund von Veränderungen von einerseits Bedarfen und/oder andererseits Einkommen unterliegen diese Leistungen häufigen Schwankungen. Vor diesem Hintergrund ist eine Anpassung der Bewilligungsentscheidungen an die jeweilig geänderten Verhältnisse häufig erforderlich. Da es sich bei Fürsorgeleistungen um existenzsichernde Leistungen handelt, sind diese monatlich im Voraus zu erbringen. Daraus folgt, dass die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf den Eintritt wesentlicher Änderungen in den Verhältnissen eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten oftmals erst im Nachhinein reagieren und die Leistungen anhand der tatsächlichen Verhältnisse berechnen können. Es besteht über einen Zeitraum von vier Jahren die Möglichkeit, weiterhin neben den ordentlichen Rechtsbehelfen (Widerspruch), Rechtsmitteln (Klage) und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine darüberhinausgehende Überprüfung der o. g. nicht begünstigenden Verwaltungsakte zu verlangen. Den Interessen der betroffenen Leistungsberechtigten wird damit ausreichend Rechnung getragen. Der zweite Halbsatz stellt klar, dass ein Verwaltungsakt auch außerhalb des Vierjahreszeitraumes zurückzunehmen ist, wenn ein entsprechender Antrag innerhalb dieses Zeitraumes gestellt wurde. Damit sollen Nachteile für die Betroffenen aufgrund der Bearbeitungszeit entsprechender Anträge verhindert werden. Kosten für die Aktenaufbewahrung können durch die Regelung gesenkt werden."
Diese Begründung zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber stets davon ausgegangen war, dass die Verfallklausel des § 44 Absatz 4 SGB X in der Fassung des § 40 Absatz 1 SGB II a.F. auch für Aufhebungs- und Erstattungsbescheide mit einer Frist von nur einem Jahr hätte gelten sollen und eine Neuregelung deswegen notwendig geworden ist, weil die Rechtsprechung das Gesetz anders ausgelegt hatte, bzw. dessen Anwendungsbereich verkürzt hatte.
Danach hat der Gesetzgeber eine nicht zu beanstandende klarstellende Regelung in § 40 Absatz 1 Satz 2 SGB II n.F. geschaffen. Der Gesetzgeber hat somit eine rückwirkende Inhaltsbestimmung innerhalb bisher durchaus möglicher Auslegungen einer Vorschrift geschaffen (vgl. auch BSG, Urteil vom 16.10.2002, B 10 LW 10/02R) Diese Auslegung des gesetzgeberischen Willens ist hier derart eindeutig, dass die Anwendung der Grundsätze intertemporales Rechts nicht zu einer gegenteiligen Rechtsanwendung führen dürfen. Danach ist die Vorschrift des § 40 Absatz 1 Satz 2 SGB II n.F. mit Wirkung ab dem 01.08.2016 zwingend von den Gerichten auch in noch anhängigen Verfahren ("unechte Rückwirkung" die grundsätzlich als zulässig erachtet wird) anzuwenden, mit der Folge, dass die Kläger eine Überprüfung des streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 05.06.2009 nicht verlangen können und der Beklagte somit im Ergebnis zu Recht den Überprüfungsantrag mit dem angefochtenen Bescheid wegen Verfristung abgelehnt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Absatz 2 SGG sind nicht gegeben. Die streitige Rechtsfrage, ab wann ein neues Gesetz Anwendung findet, ist hinreichend in der Rechtsprechung geklärt, von der die Kammer auch nicht abweicht.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen den Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 27.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2015 (Aktenzeichen) und begehren eine Sachprüfung und in dessen Ergebnis letztlich die Aufhebung des zur Überprüfung gestellten Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 05.06.2009 für den Leistungszeitraum Juni 2009.
Mit dem Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 25.11.2008 wurden den Klägern Grundsicherungsleistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Leistungszeitraum vom 01.01.2009 bis 30.06.2009 in bewilligt. Den Klägern ist ein Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 zugeflossen. Mit den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05.06.2009 hat der Beklagte die Bewilligungsentscheidung für den Monat Juni teilweise aufgehoben und eine Erstattung bewilligter Kosten der Unterkunft in Höhe von 69,19 EUR, bzw. 69,18 EUR verlangt. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid war alleine an die Klägerin zu 2) gerichtet und hat die Leistungen ihr gegenüber und "ihrem Kind" Herrn L. S. – dem Kläger zu 1) aufgehoben. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid –bekannt gegeben im Jahr 2009 - wurde bestandskräftig.
Erstmalig unter dem 16.02.2015 haben die Kläger durch ihren Bevollmächtigten die Überprüfung dieses Aufhebungs- und Erstattungsbescheides beantragt. Mit dem angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 27.02.2015 hat der Beklagte eine Überprüfung ohne Sachprüfung wegen Verfristung abgelehnt und dies damit begründet, dass die Verfallfrist des § 44 Absatz 4 zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 40 Absatz 1 SGB II nur ein Jahr betrage und anzuwenden sei. Der gegen diesen Bescheid am 27.03.2015 eingelegte Widerspruch blieb erfolglos und wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 10.08.2015 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 07.09.2015 erhobene und am gleichen Tag bei dem Sozialgericht Cottbus eingegangene Klage, mit der die Kläger ihr Begehren weiter verfolgen.
Sie tragen vor, dass sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.02.2014, B 4 AS 19/13 R eindeutig ergebe, dass die Verfallklausel des § 44 Absatz 4 SGB X auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide keine Anwendung finde und deswegen eine Sachprüfung zu erfolgen habe.
Die Kläger beantragen, den Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 27.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05.06.2009 für den Monat Juni 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 SGG zulässig. Die Kläger begehren nicht alleine die Aufhebung des eine Überprüfung ablehnenden Bescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides, sondern den Erlass eines neuen Überprüfungsbescheides, mit dem der streitige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid aufgehoben werden soll (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 11. Auflage, § 54 Rz. 20 c)
Die Klage ist allerdings unbegründet, denn der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 27.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Der Beklagte hat im Ergebnis zu Recht das Überprüfungsbegehren der Kläger mit dem angefochtenen Überprüfungsbescheid in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10.08.2015 ohne Sachprüfung wegen Verfristung abgelehnt.
Hierbei kann dahinstehen, ob - wie der Beklagte mit beachtlichen Gründen anführt – das Urteil des Bundessozialgericht vom 13.02.2014, B 4 AS 19/13 R der Annahme einer Verfristung deswegen nicht entgegensteht, weil eine durch diese Entscheidung angenommene Regelungslücke, die zur einer analogen Anwendung des § 44 Absatz 1 SGB X führen soll, nicht vorliegt, weil diese –vermeintliche – Lücke durch § 44 Absatz 2 SGB X geschlossen sei. Denn mit dem 9. Gesetz zur Änderung des SGB II und des zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 26.07.2016 (BGBL I, S. 1824) hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 01.08.2016 § 40 Absatz 1 Satz 2 SGB II neu gefasst und darin angeordnet, dass abweichend von Satz 1 (Geltung des SGB X) § 44 SGB X mit der Maßgabe gilt, dass 1. rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraumes beantragt wird. 2. anstelle des Zeitraumes von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Ausgehend hiervon kann eine Sachprüfung nur dann verlangt werden, wenn der Überprüfungsantrag innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Ablauf des Jahres der Bekanntgabe des zur Überprüfung gestellten Bescheides beantragt wurde. Der streitige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 05.06.2009 wurde jedenfalls vor dem 31.12.2009 bekannt gegeben, so dass die Frist zum 01.01.2010 zu laufen begann. Sie ist danach am 01.01.2014 bereits abgelaufen. Der erstmalige Antrag auf Überprüfung wurde indes am 16.02.2015 gestellt und damit nach Ablauf der Frist, so dass der Beklagte eine Überprüfung deshalb ablehnen durfte, weil eine Rücknahme des Aufhebungs-und Erstattungsbescheides als rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt nicht mehr in Betracht kam. Kommt aber eine Rücknahme des Bescheides nicht mehr in Betracht, fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse an einer Überprüfung, weil die Kläger schlechterdings keine ihr günstigere Rechtsposition mehr erlangen können (vgl. BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 1; BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr.1), denn bereits die Rücknahme steht ohnehin unter dem Vorbehalt, dass Leistungen nach § 44 Absatz 4 SGB X noch zu erbringen sind (BSG, Urteil vom 28.02.2013, B 8 SO 4/12 R). Der Gesetzgeber hat danach u.a. für den Bereich des SGB II eine von § 44 Absatz 4 SGB X abweichende Regelung getroffen und zudem klargestellt, dass diese Regelung für beide Alternativen des § 44 SGB X, nämlich Absatz 1 und Absatz 2 gelten soll. Für eine analoge Anwendung des § 44 Absatz 1 SGB X auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide einerseits, das Nichtanwenden der Verfallklausel nach § 44 Absatz 4 SGB X ist danach jedenfalls seit dem 01.08.2016 kein Raum mehr. Mit der Gesetzesänderung ist der von beiden Beteiligten zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichtes der Boden entzogen.
Die Neuregelung ist auch auf den zu entscheidenden Fall unmittelbar anzuwenden, denn der Gesetzgeber hat für die Einführung des § 40 Absatz 1 SGB II n.F. keine Übergangsvorschrift erlassen. Eine solche findet sich nur für den § 40 Absatz 9 SGB II n.F (vormals § 40 Absatz 4 SGB II), der erst zum 01.01.2017 in Kraft treten soll. Im Übrigen ist § 40 Absatz 1 SGB II n.F. zum 01.08.2016 in Kraft getreten. Grundsätzlich werden Rechtsnormen mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung im jeweiligen Gesetzblatt rechtlich existent. Den Beginn des zeitlichen Anwendungsbereiches der Norm bestimmt der Gesetzgeber im Gesetz in aller Regel selbst als Tag des Inkrafttretens. Mit dem Inkrafttreten wird auch der zeitliche Geltungsbereich der Vorschrift bestimmt, d.h. von welchem Zeitpunkt ab die Rechtsfolgen des Gesetzes eintreten, seine Bestimmungen vom Normadressaten zu beachten bzw. von den Behörden und Gerichten maßgeblich anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2015, B 14 AS 28/14 R). Ändert sich nach Erlass eines Verwaltungsaktes das für das Rechtsverhältnis maßgebliche Recht, so haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihrer Entscheidung das neue Recht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an zu Grunde zu legen. Dies gilt auch, wenn die Rechtsänderung erst im Revisionsverfahren eintritt (vgl. dazu bereits BSG, Urteil vom 29.05.1956, 6 RKa 14/54)
Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus den Grundsätzen des intertemporalen Rechtes. Nach diesen Grundsätzen richtet sich bei Fehlen von Übergangs- und Überleitungsvorschriften – wie hier – die Beurteilung eines Sachverhaltes grundsätzlich nach dem Recht, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmt hat (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2012, B 7 AY 5/11R).
Vorliegend hat der Gesetzgeber allerdings jedenfalls stillschweigend eine sofortige Anwendung des § 40 Absatz 1 SGB II n.F. angeordnet, so dass die Grundsätze des intertemporalen Rechts hier nicht geeignet sind, das eindeutige durch Auslegung zu begründende Ergebnis in seinem Geltungsbereich umzukehren (vgl. dazu Urteil des BSG vom 04.09.2013, B 10 EG 11/12R).
Der Gesetzgeber hat vorliegend nämlich ohne weiteres ersichtlich gerade im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 13.02.2014. B 4 AS 19/13 R lediglich eine klarstellende und den Rechtssuchenden begünstigende Inhaltsbestimmung des § 40 Absatz 1 SGB II a.F. vorgenommen. § 40 Absatz 1, Satz 2 SGB II a.F. hatte bestimmt, dass abweichend von Satz 1 § 44 Absatz 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe gilt, dass anstelle des Zeitraumes von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Der Wille des Gesetzgebers in § 40 SGB II in der Fassung mit Wirkung ab dem 01.04.2011 war, den Zeitraum, in dem zu Gunsten der materiellen Gerechtigkeit unter Durchbrechung der Bestandskraft von Bescheiden diese einer Überprüfung unterzogen werden können, generell auf ein Jahr zu begrenzen. In der Begründung zur Änderung des § 40 Absatz 1 SGB II Bundestagsdrucksache BT Drucksache 17/3404, S 114 heißt es dazu: "Zu Absatz 1 § 40 Absatz 1 Satz 1 entspricht der bisherigen Fassung. § 40 Absatz 1 Satz 2 enthält eine Sonderregelung zur Anwendung des § 44 SGB X. § 44 SGB X dient dazu, einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und dem Interesse des Leistungsberechtigten an materieller Gerechtigkeit für den Fall herzustellen, dass eine Verwaltungsentscheidung zum Nachteil des Leistungsberechtigten rechtswidrig war. Diese Funktion des § 44 SGB X ist auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende unverzichtbar. Die Vierjahresfrist des § 44 Absatz 4 ist allerdings für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die als steuerfinanzierte Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts und der Eingliederung in Arbeit dienen und dabei im besonderen Maße die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken sollen (so genannter Aktualitätsgrundsatz), zu lang. Eine kürzere Frist von einem Jahr ist sach- und interessengerecht. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende können damit längstens bis zum Beginn des Jahres rückwirkend erbracht werden, das dem Jahr der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes oder der darauf gerichteten Antragstellung vorausgegangen ist. Dies trägt auch zur Entlastung der Träger der Leistungen nach dem SGB II und der Sozialgerichte bei."
Bereits in dieser Begründung war zur Überzeugung der Kammer klar erkennbar, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hat, grundsätzlich die Überprüfungsmöglichkeiten bestandskräftiger Entscheidungen auf eine Frist von einem Jahr zu verkürzen. Dass dies nicht gelten sollte für Aufhebungs- und Erstattungsbescheide war und ist auch der vorherigen Fassung des § 40 Absatz 1 SGB II nicht zu entnehmen. Insbesondere war die Herausnahme von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden aus dem Regelsystem des § 44 Absatz 1 und auch des Absatz 2 SGB X nicht vorhersehbar. Erst mit der Entscheidung des BSG vom 13.02.2014, B 4 AS 19/13 R wurde dem Gesetzgeber bekannt, dass eine Anwendung des neuen § 40 Absatz 1 SGB II (a.F.) für Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nicht gelten solle, da die Verfallfrist des § 44 Absatz 4 SGB X dort nicht (auch analog) anwendbar sei, weil es sich nicht um Sozialleistungen handele, sondern um Erstattungsansprüche.
Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber gerade im Hinblick auf dieses Urteil klarstellen wollte, dass jedenfalls eine rückwirkende Überprüfung von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden über eine vier-jährige Frist hinaus ausscheiden soll. Hierzu heißt es nämlich in der Bundestagsdrucksache 18/8909, S 33 (Hervorhebung durch das Gericht):
"Mit § 40 Absatz 1 Satz 2 wird die Anwendung von § 44 SGB X auf die Bedürfnisse in der Grundsicherung für Arbeitsuchende angepasst. Zu Satz 2 Nummer 1: Mit der Regelung im ersten Halbsatz soll die nach § 44 SGB X bestehende Pflicht zur Rücknahme rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakte im Sinne des § 44 Absätze 1 und 2 SGB X zeitlich eingeschränkt werden. Ein angemessenes Verhältnis zwischen den Rechtsschutzinteressen der Betroffenen und den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende bleibt jedoch gewahrt. Hintergrund für diese Regelung sind die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12. Dezember 1996 – 11 Rar 31/96 – und 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 – , nach denen die auf vier Jahre verkürzte Frist nach § 44 Absatz 4 SGB X auf nicht begünstigende Verwaltungsakte, die insbesondere (beispielsweise oder u. a.) die Aufhebung, Erstattung und den Ersatz von bereits erbrachten Leistungen verfügen, keine Anwendung findet. Somit greift die bisherige Regelung des § 40 Absatz 1 Satz 2 nicht. Dies hat zur Folge, dass solche Verwaltungsakte 30 Jahre lang verpflichtend zu prüfen, ggf. zurückzunehmen und bereits beglichene Forderungen zurückzuzahlen sind. Dieses Ergebnis ist für den Bereich der Fürsorgeleistungen unbefriedigend und stellt aufgrund der Ausgestaltung der Fürsorgeleistungen im SGB II einen enorm hohen Verwaltungsaufwand für die Jobcenter dar. Fürsorgeleistungen werden u. a. nur gewährt, soweit Hilfebedürftigkeit besteht. Aufgrund von Veränderungen von einerseits Bedarfen und/oder andererseits Einkommen unterliegen diese Leistungen häufigen Schwankungen. Vor diesem Hintergrund ist eine Anpassung der Bewilligungsentscheidungen an die jeweilig geänderten Verhältnisse häufig erforderlich. Da es sich bei Fürsorgeleistungen um existenzsichernde Leistungen handelt, sind diese monatlich im Voraus zu erbringen. Daraus folgt, dass die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf den Eintritt wesentlicher Änderungen in den Verhältnissen eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten oftmals erst im Nachhinein reagieren und die Leistungen anhand der tatsächlichen Verhältnisse berechnen können. Es besteht über einen Zeitraum von vier Jahren die Möglichkeit, weiterhin neben den ordentlichen Rechtsbehelfen (Widerspruch), Rechtsmitteln (Klage) und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine darüberhinausgehende Überprüfung der o. g. nicht begünstigenden Verwaltungsakte zu verlangen. Den Interessen der betroffenen Leistungsberechtigten wird damit ausreichend Rechnung getragen. Der zweite Halbsatz stellt klar, dass ein Verwaltungsakt auch außerhalb des Vierjahreszeitraumes zurückzunehmen ist, wenn ein entsprechender Antrag innerhalb dieses Zeitraumes gestellt wurde. Damit sollen Nachteile für die Betroffenen aufgrund der Bearbeitungszeit entsprechender Anträge verhindert werden. Kosten für die Aktenaufbewahrung können durch die Regelung gesenkt werden."
Diese Begründung zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber stets davon ausgegangen war, dass die Verfallklausel des § 44 Absatz 4 SGB X in der Fassung des § 40 Absatz 1 SGB II a.F. auch für Aufhebungs- und Erstattungsbescheide mit einer Frist von nur einem Jahr hätte gelten sollen und eine Neuregelung deswegen notwendig geworden ist, weil die Rechtsprechung das Gesetz anders ausgelegt hatte, bzw. dessen Anwendungsbereich verkürzt hatte.
Danach hat der Gesetzgeber eine nicht zu beanstandende klarstellende Regelung in § 40 Absatz 1 Satz 2 SGB II n.F. geschaffen. Der Gesetzgeber hat somit eine rückwirkende Inhaltsbestimmung innerhalb bisher durchaus möglicher Auslegungen einer Vorschrift geschaffen (vgl. auch BSG, Urteil vom 16.10.2002, B 10 LW 10/02R) Diese Auslegung des gesetzgeberischen Willens ist hier derart eindeutig, dass die Anwendung der Grundsätze intertemporales Rechts nicht zu einer gegenteiligen Rechtsanwendung führen dürfen. Danach ist die Vorschrift des § 40 Absatz 1 Satz 2 SGB II n.F. mit Wirkung ab dem 01.08.2016 zwingend von den Gerichten auch in noch anhängigen Verfahren ("unechte Rückwirkung" die grundsätzlich als zulässig erachtet wird) anzuwenden, mit der Folge, dass die Kläger eine Überprüfung des streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 05.06.2009 nicht verlangen können und der Beklagte somit im Ergebnis zu Recht den Überprüfungsantrag mit dem angefochtenen Bescheid wegen Verfristung abgelehnt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Absatz 2 SGG sind nicht gegeben. Die streitige Rechtsfrage, ab wann ein neues Gesetz Anwendung findet, ist hinreichend in der Rechtsprechung geklärt, von der die Kammer auch nicht abweicht.
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