Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 RA 1/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden kann bzw. ob ein Befreiungsantrag noch als fristgerecht gestellt anzusehen ist.
Die Klägerin ist am 00.00.0000 geboren. Sie war vom 00.00.1961 bis März 1988 mit Unterbrechungen als Arbeitnehmerin bzw. Angestellte rentenpflichtversichert mit noch sich anschließenden Anrechnungszeiten in der Rentenversicherung bis zum 30.06.1988. Dann machte sie sich selbständig als Herstellerin und Verkäuferin von speziellen Nadeln zur maschinellen Krawattenherstellung. Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens vor dem Hintergrund eines Versorgungsausgleichsverfahrens erfuhr die Beklagte am 16.03.2001, dass die Klägerin selbständige Herstellerin von Nadeln für die Krawattenherstellung ist. Die Beklagte schrieb daraufhin der Klägerin unter dem 11.04.2001, dass sie die Versicherungspflicht zu prüfen habe. Für bestimmte Personenkreise habe der Gesetzgeber Versicherungspflicht kraft Gesetzes vorgesehen. Selbständige würden der Versicherungspflicht kraft Gesetzes unterliegen, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen würden, dessen Arbeitsentgelt regelmäßig 630,00 DM im Monat übersteige, und wenn sie auf Dauer und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig seien. Sie sandte der Klägerin einen Fragebogen zu.
Im Fragebogen gab die Klägerin an, seit Juli 1988 selbständig das erwähnte Gewerbe auszuüben. Sie arbeite nicht weniger als 15 Stunden wöchentlich und ihr Gewinn übersteige 630,00 DM. Sie arbeite nur für einen Auftraggeber (die Firma K KG in L) und beschäftige nur einen Arbeitnehmer, der nicht mehr als 630,00 DM erhalte. Vor April 1999 habe sie noch mehrere Arbeitnehmer, aber jeweils nur geringfügig, beschäftigt.
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unter dem 09.07.2001 mit, dass sie versicherungspflichtig sei. Versicherungspflichtige Selbständige hätten grundsätzlich einen Regelbeitrag von 859,95 DM monatlich zu zahlen. Auf Antrag könne auch ein einkommensgerechter Beitrag gezahlt werden und für die ersten drei Kalenderjahre nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit auch der halbe Regelbeitrag auf Antrag gezahlt werden.
Die Klägerin schrieb der Beklagten am 17.08.2001, dass ihr nun zwar klar sei, dass sie grundsätzlich zum Personenkreis der versicherungspflichtigen Selbständigen nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI zähle. Sie sei aber - da sie vor dem 02.01.1949 geboren sei - nach der Übergangsvorschrift des § 231 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI auf Antrag von dieser Versicherungspflicht generell zu befreien. Fristen dafür seien ihrer Meinung nach noch nicht abgelaufen. Denn erst durch das Schreiben der Beklagten vom 09.07.2001 sei sie auf das Bestehen von Versicherungspflicht hingewiesen worden; ab diesem Zeitpunkt erst könne die Jahresfrist für den Befreiungsantrag laufen.
Mit Bescheid vom 12.09.2001 erklärte die Beklagte, dass der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht abgelehnt werde. Denn die Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI sei binnen eines Jahres nach dem Eintritt der Versicherungspflicht zu beantragen, wobei die Antragsfrist frühestens am 30.06.2000 ablaufe. Die Versicherungspflicht sei jedoch schon zum 01.01.1999 eingetreten. Der Antrag sei daher bis zum 30.06.2000 zu stellen gewesen und der jetzige Antrag vom 17.08.2001 sei daher zu spät gestellt worden. Über die Versicherungspflicht erhalte die Klägerin noch einen gesonderten Bescheid.
Gegen den Bescheid vom 12.09.2001 legte die Klägerin am 26.09.2001 Widerspruch ein und nahm Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führte sie aus, dass sie von den Änderungen des Sozialversicherungsrechts keinerlei Kenntnis gehabt habe. Seit Jahren arbeite sie über das Normalmaß hinaus und habe keine Zeit, sich in Zeitungen oder im Fernsehen über gesetzliche Änderungen im Sozialversicherungsbereich zu informieren. Hinzugekommen seien ab Ende 1998 erhebliche private Probleme in der Ehe, und auf das Schreiben der Beklagten vom 09.07.2001 habe sie unverzüglich mit dem Befreiungsantrag reagiert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2001, abgesandt am 30.11.2001, wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihrer Ablehnung. Erneut gab sie die Begründung aus dem Bescheid vom 12.09.2001 wieder. Ergänzend führte sie aus, dass das Vorbringen der Klägerin, erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von der Antragsfrist gehabt zu haben, unerheblich sei. Es komme nicht darauf an, ob ihr die Rechtslage bekannt gewesen sei und welche weiteren Maßnahmen für die Befreiung von der Versicherungspflicht in die Wege geleitet werden mussten. Denn für die Bekanntmachung von Gesetzen genüge schon die Verkündung im Bundesgesetzblatt nach Artikel 82 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Unabhängig von der Kenntnis des Bundesgesetzblattes schließe die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt jedenfalls das fehlende Verschulden nach § 27 Abs. 1 SGB X aus. Anderenfalls wäre die Wirkung der gesetzlichen Frist nicht mehr von der Bekanntgabe des Gesetzes abhängig, sondern von der Kenntnis des Normadressaten, wodurch nur eine Unsicherheit über die Anwendung gesetzlich genau bestimmter Fristen entstehen würde.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 03.01.2002 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin Bezug auf ihr gesamtes bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend trägt sie vor, dass sie auch keinem Fachverband oder einer Interessenvereinigung von Arbeitgebern angehöre, sodass sie auch von dort aus nicht auf die Änderungen sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften hingewiesen worden sei. Als Selbständige wäre sie ganz anderes als Arbeitnehmer von einer Änderung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften überrascht worden, sodass die Bestimmung der Jahresfrist unabhängig von Kenntnis des Betroffenen als willkürlich festgelegt angesehen werden müsse. Deshalb müsse hier ausnahmsweise für die Frist des Antrages auf die Kenntniserlangung von der Versicherungspflicht abgestellt werden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2001 zu verurteilen, sie ab dem 01.01.1999 nach § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. An die Gesetzeslage sei sie gebunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Da der Widerspruchsbescheid erst am 30.11.2001 abgesandt wurde, Bl. 55 der Rentenakte, gilt er nach § 37 SGB X fiktiv als frühestens am 03.12.2001 bekannt gegeben; die Klagefrist lief damit bis zum Ablauf des 03.01.2002, an welchem Tage die Klage noch - und damit fristgerecht - einging. Die Klage ist auch ohne einen bisher vorliegenden Bescheid über die Versicherungspflicht dem Grunde nach zulässig, da die Beteiligten übereinstimmend von Versicherungspflicht dem Grunde nach gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI ausgehen und schon jetzt zulässig darüber streiten können, ob die Klägerin von dieser Versicherungspflicht dem Grunde nach aufgrund ihres Befreiungsantrages und aufgrund ihres Geburtsjahrganges auch dem Grunde nach befreit werden kann.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte, nämlich der Bescheid vom 12.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2001, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht eine Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB VI abgelehnt hat; der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Gericht gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt diese für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend führt das Gericht noch aus, dass die Klägerin von der dem Grunde nach ab 01.01.1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestehenden Versicherungspflicht (weil sie selbständig tätig ist in nicht nur geringfügigem Umfang und auch keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und nur für einen Auftraggeber arbeitet) nicht gemäß § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit werden kann, weil diese Vorschrift auch keinen Raum bietet für eine Auslegung wie die Klägerin sie wünscht. Denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich für den Beginn der Frist für den Befreiungsantrag darauf abgestellt, wann die Versicherungspflicht eingetreten ist, und für Fälle, in denen die Versicherungspflicht bereits ab Januar 1999 bestand, die Frist verlängert auf längstens bis zum 30.06.2000 (vgl. Buczko, zur Rentenversicherungspflicht von Selbständigen mit einem Auftraggeber, in: Die Angestelltenversicherung 2000, Seiten 138 ff, 141). Eine von der Klägerin gewünschte Auslegung des § 231 SGB VI dahingehend, dass der Antrag erst ab Kenntnis von der Versicherungspflicht zu stellen sei, ist nicht möglich, weil eine solche Auslegung im eindeutigen Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehen würde. Zutreffend erscheinen auch deshalb die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, dass man auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme von Versicherungspflicht nicht vernünftig abstellen könnte, denn anderenfalls hätten es Versicherte durch bloßen subjektiven Vortrag in der Hand, die gesetzlichen Fristen und die grundsätzliche Versicherungspflicht von Selbständigen zu unterlaufen.
Dem Gesetzgeber war bei der Fassung des § 231 Abs. 5 SGB VI auch durchaus bewusst, dass Selbständige von ihrer Versicherungspflicht nicht wissen bzw. von der ab 1999 eingetretenen Versicherungspflicht, und hat genau aus diesem Grunde eine Befreiung ermöglicht bis hier längstens zum 30.06.2000. Dass dem Gesetzgeber die Unkenntnis von Selbständigen von ihrer Versicherungspflicht bekannt war, ergibt sich auch eindeutig aus der Vorschrift des § 231 Abs. 6 SGB VI. Denn nach dieser Vorschrift können versicherungspflichtige Selbständige, die bereits vor Änderung der gesetzlichen Vorschriften, also vor 1999, versicherungspflichtig waren, aus Bestandschutzgründen weiterhin ausnahmsweise versicherungsfrei auf Antrag bleiben, wenn diese glaubhaft machen, dass sie bis Ende 1998 von ihrer Versicherungspflicht noch keine Kenntnis hatten (wobei die Glaubhaftmachung durch Nachweis einer anderen Altersvorsorge erfolgen kann). Der Gesetzgeber hat also durchaus gesehen, dass viele Selbständige von ihrer Versicherungspflicht nicht wussten bzw. wissen und hat eine Ausnahme bei Unkenntnis also nur vorgesehen für Personen, die bereits vor 1999 versicherungspflichtig waren und selbst für diese Personen eine Frist gesetzt, bis längstens zum 30.09.2001. Zu diesem Personenkreis zählt die Klägerin aber nicht, da sie erstmals ab 01.01.1999 mit § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig wurde.
Die Kammer sieht auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Klägerin nunmehr eine Befreiung nicht mehr möglich ist. Denn der Gesetzgeber hat mit gutem Grund im Hinblick auf die oftmals unzulängliche Absicherung vieler Selbständiger nun die Versicherungspflicht für Selbständige mit nur einem Auftraggeber (sogenannte Scheinselbständige) eingeführt, und diesen eben nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur bis zu bestimmten Fristen die Befreiung ermöglichen wollen. Dass der Gesetzgeber hier nun als Stichtag den 30.06.2000 für derartige Befreiungsanträge gewählt hat, ist aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Hinzukommt, dass durchaus in vielen Medien bereits im Laufe des Jahres 1999 Informationen der Bundesministerien und der Rentenversicherungsträger gegeben wurden, dass nunmehr Selbständige auch versicherungspflichtig sein können bzw. werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden kann bzw. ob ein Befreiungsantrag noch als fristgerecht gestellt anzusehen ist.
Die Klägerin ist am 00.00.0000 geboren. Sie war vom 00.00.1961 bis März 1988 mit Unterbrechungen als Arbeitnehmerin bzw. Angestellte rentenpflichtversichert mit noch sich anschließenden Anrechnungszeiten in der Rentenversicherung bis zum 30.06.1988. Dann machte sie sich selbständig als Herstellerin und Verkäuferin von speziellen Nadeln zur maschinellen Krawattenherstellung. Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens vor dem Hintergrund eines Versorgungsausgleichsverfahrens erfuhr die Beklagte am 16.03.2001, dass die Klägerin selbständige Herstellerin von Nadeln für die Krawattenherstellung ist. Die Beklagte schrieb daraufhin der Klägerin unter dem 11.04.2001, dass sie die Versicherungspflicht zu prüfen habe. Für bestimmte Personenkreise habe der Gesetzgeber Versicherungspflicht kraft Gesetzes vorgesehen. Selbständige würden der Versicherungspflicht kraft Gesetzes unterliegen, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen würden, dessen Arbeitsentgelt regelmäßig 630,00 DM im Monat übersteige, und wenn sie auf Dauer und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig seien. Sie sandte der Klägerin einen Fragebogen zu.
Im Fragebogen gab die Klägerin an, seit Juli 1988 selbständig das erwähnte Gewerbe auszuüben. Sie arbeite nicht weniger als 15 Stunden wöchentlich und ihr Gewinn übersteige 630,00 DM. Sie arbeite nur für einen Auftraggeber (die Firma K KG in L) und beschäftige nur einen Arbeitnehmer, der nicht mehr als 630,00 DM erhalte. Vor April 1999 habe sie noch mehrere Arbeitnehmer, aber jeweils nur geringfügig, beschäftigt.
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unter dem 09.07.2001 mit, dass sie versicherungspflichtig sei. Versicherungspflichtige Selbständige hätten grundsätzlich einen Regelbeitrag von 859,95 DM monatlich zu zahlen. Auf Antrag könne auch ein einkommensgerechter Beitrag gezahlt werden und für die ersten drei Kalenderjahre nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit auch der halbe Regelbeitrag auf Antrag gezahlt werden.
Die Klägerin schrieb der Beklagten am 17.08.2001, dass ihr nun zwar klar sei, dass sie grundsätzlich zum Personenkreis der versicherungspflichtigen Selbständigen nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI zähle. Sie sei aber - da sie vor dem 02.01.1949 geboren sei - nach der Übergangsvorschrift des § 231 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI auf Antrag von dieser Versicherungspflicht generell zu befreien. Fristen dafür seien ihrer Meinung nach noch nicht abgelaufen. Denn erst durch das Schreiben der Beklagten vom 09.07.2001 sei sie auf das Bestehen von Versicherungspflicht hingewiesen worden; ab diesem Zeitpunkt erst könne die Jahresfrist für den Befreiungsantrag laufen.
Mit Bescheid vom 12.09.2001 erklärte die Beklagte, dass der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht abgelehnt werde. Denn die Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI sei binnen eines Jahres nach dem Eintritt der Versicherungspflicht zu beantragen, wobei die Antragsfrist frühestens am 30.06.2000 ablaufe. Die Versicherungspflicht sei jedoch schon zum 01.01.1999 eingetreten. Der Antrag sei daher bis zum 30.06.2000 zu stellen gewesen und der jetzige Antrag vom 17.08.2001 sei daher zu spät gestellt worden. Über die Versicherungspflicht erhalte die Klägerin noch einen gesonderten Bescheid.
Gegen den Bescheid vom 12.09.2001 legte die Klägerin am 26.09.2001 Widerspruch ein und nahm Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führte sie aus, dass sie von den Änderungen des Sozialversicherungsrechts keinerlei Kenntnis gehabt habe. Seit Jahren arbeite sie über das Normalmaß hinaus und habe keine Zeit, sich in Zeitungen oder im Fernsehen über gesetzliche Änderungen im Sozialversicherungsbereich zu informieren. Hinzugekommen seien ab Ende 1998 erhebliche private Probleme in der Ehe, und auf das Schreiben der Beklagten vom 09.07.2001 habe sie unverzüglich mit dem Befreiungsantrag reagiert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2001, abgesandt am 30.11.2001, wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihrer Ablehnung. Erneut gab sie die Begründung aus dem Bescheid vom 12.09.2001 wieder. Ergänzend führte sie aus, dass das Vorbringen der Klägerin, erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von der Antragsfrist gehabt zu haben, unerheblich sei. Es komme nicht darauf an, ob ihr die Rechtslage bekannt gewesen sei und welche weiteren Maßnahmen für die Befreiung von der Versicherungspflicht in die Wege geleitet werden mussten. Denn für die Bekanntmachung von Gesetzen genüge schon die Verkündung im Bundesgesetzblatt nach Artikel 82 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Unabhängig von der Kenntnis des Bundesgesetzblattes schließe die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt jedenfalls das fehlende Verschulden nach § 27 Abs. 1 SGB X aus. Anderenfalls wäre die Wirkung der gesetzlichen Frist nicht mehr von der Bekanntgabe des Gesetzes abhängig, sondern von der Kenntnis des Normadressaten, wodurch nur eine Unsicherheit über die Anwendung gesetzlich genau bestimmter Fristen entstehen würde.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 03.01.2002 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin Bezug auf ihr gesamtes bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend trägt sie vor, dass sie auch keinem Fachverband oder einer Interessenvereinigung von Arbeitgebern angehöre, sodass sie auch von dort aus nicht auf die Änderungen sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften hingewiesen worden sei. Als Selbständige wäre sie ganz anderes als Arbeitnehmer von einer Änderung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften überrascht worden, sodass die Bestimmung der Jahresfrist unabhängig von Kenntnis des Betroffenen als willkürlich festgelegt angesehen werden müsse. Deshalb müsse hier ausnahmsweise für die Frist des Antrages auf die Kenntniserlangung von der Versicherungspflicht abgestellt werden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2001 zu verurteilen, sie ab dem 01.01.1999 nach § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. An die Gesetzeslage sei sie gebunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Da der Widerspruchsbescheid erst am 30.11.2001 abgesandt wurde, Bl. 55 der Rentenakte, gilt er nach § 37 SGB X fiktiv als frühestens am 03.12.2001 bekannt gegeben; die Klagefrist lief damit bis zum Ablauf des 03.01.2002, an welchem Tage die Klage noch - und damit fristgerecht - einging. Die Klage ist auch ohne einen bisher vorliegenden Bescheid über die Versicherungspflicht dem Grunde nach zulässig, da die Beteiligten übereinstimmend von Versicherungspflicht dem Grunde nach gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI ausgehen und schon jetzt zulässig darüber streiten können, ob die Klägerin von dieser Versicherungspflicht dem Grunde nach aufgrund ihres Befreiungsantrages und aufgrund ihres Geburtsjahrganges auch dem Grunde nach befreit werden kann.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte, nämlich der Bescheid vom 12.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2001, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht eine Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB VI abgelehnt hat; der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Gericht gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt diese für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend führt das Gericht noch aus, dass die Klägerin von der dem Grunde nach ab 01.01.1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestehenden Versicherungspflicht (weil sie selbständig tätig ist in nicht nur geringfügigem Umfang und auch keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und nur für einen Auftraggeber arbeitet) nicht gemäß § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit werden kann, weil diese Vorschrift auch keinen Raum bietet für eine Auslegung wie die Klägerin sie wünscht. Denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich für den Beginn der Frist für den Befreiungsantrag darauf abgestellt, wann die Versicherungspflicht eingetreten ist, und für Fälle, in denen die Versicherungspflicht bereits ab Januar 1999 bestand, die Frist verlängert auf längstens bis zum 30.06.2000 (vgl. Buczko, zur Rentenversicherungspflicht von Selbständigen mit einem Auftraggeber, in: Die Angestelltenversicherung 2000, Seiten 138 ff, 141). Eine von der Klägerin gewünschte Auslegung des § 231 SGB VI dahingehend, dass der Antrag erst ab Kenntnis von der Versicherungspflicht zu stellen sei, ist nicht möglich, weil eine solche Auslegung im eindeutigen Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehen würde. Zutreffend erscheinen auch deshalb die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, dass man auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme von Versicherungspflicht nicht vernünftig abstellen könnte, denn anderenfalls hätten es Versicherte durch bloßen subjektiven Vortrag in der Hand, die gesetzlichen Fristen und die grundsätzliche Versicherungspflicht von Selbständigen zu unterlaufen.
Dem Gesetzgeber war bei der Fassung des § 231 Abs. 5 SGB VI auch durchaus bewusst, dass Selbständige von ihrer Versicherungspflicht nicht wissen bzw. von der ab 1999 eingetretenen Versicherungspflicht, und hat genau aus diesem Grunde eine Befreiung ermöglicht bis hier längstens zum 30.06.2000. Dass dem Gesetzgeber die Unkenntnis von Selbständigen von ihrer Versicherungspflicht bekannt war, ergibt sich auch eindeutig aus der Vorschrift des § 231 Abs. 6 SGB VI. Denn nach dieser Vorschrift können versicherungspflichtige Selbständige, die bereits vor Änderung der gesetzlichen Vorschriften, also vor 1999, versicherungspflichtig waren, aus Bestandschutzgründen weiterhin ausnahmsweise versicherungsfrei auf Antrag bleiben, wenn diese glaubhaft machen, dass sie bis Ende 1998 von ihrer Versicherungspflicht noch keine Kenntnis hatten (wobei die Glaubhaftmachung durch Nachweis einer anderen Altersvorsorge erfolgen kann). Der Gesetzgeber hat also durchaus gesehen, dass viele Selbständige von ihrer Versicherungspflicht nicht wussten bzw. wissen und hat eine Ausnahme bei Unkenntnis also nur vorgesehen für Personen, die bereits vor 1999 versicherungspflichtig waren und selbst für diese Personen eine Frist gesetzt, bis längstens zum 30.09.2001. Zu diesem Personenkreis zählt die Klägerin aber nicht, da sie erstmals ab 01.01.1999 mit § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig wurde.
Die Kammer sieht auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Klägerin nunmehr eine Befreiung nicht mehr möglich ist. Denn der Gesetzgeber hat mit gutem Grund im Hinblick auf die oftmals unzulängliche Absicherung vieler Selbständiger nun die Versicherungspflicht für Selbständige mit nur einem Auftraggeber (sogenannte Scheinselbständige) eingeführt, und diesen eben nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur bis zu bestimmten Fristen die Befreiung ermöglichen wollen. Dass der Gesetzgeber hier nun als Stichtag den 30.06.2000 für derartige Befreiungsanträge gewählt hat, ist aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Hinzukommt, dass durchaus in vielen Medien bereits im Laufe des Jahres 1999 Informationen der Bundesministerien und der Rentenversicherungsträger gegeben wurden, dass nunmehr Selbständige auch versicherungspflichtig sein können bzw. werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved