S 8 AL 592/04 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 8 AL 592/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Es wird festgestellt, dass die Klage gegen den Bescheid vom 29.01.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 11.03.2004 aufschiebende Wirkung hat. Die Aufhebung der Vollziehung wird ab April 2004 angeordnet. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Rahmen eines Eilverfahrens gegen den monatlichen Einbehalt eines Teils seiner Arbeitslosenhilfe (Alhi) zugunsten des Sozialamtes.

Mit Schreiben vom 11.09.2003 bat das Sozialamt Hamburg Nord die Antragsgegnerin um Verrechnung von Leistungsansprüchen des Antragstellers mit von ihm geschuldeten Sozialleistungen in Höhe von 790, 86 EUR. Die Antragsgegnerin hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 21.11.2003 zur Verrechnung an und bat um Darlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse. Hierauf erklärte der Antragsteller durch eine Kürzung seiner Alhi trete Sozialhilfebedürftigkeit ein. Mit Bescheid vom 29.01.2004 verrechnete die Antragsgegnerin ab 01.01.2004 die laufende Alhi des Antragstellers i.H. von 6, 45 EUR täglich. Durch eine Aufrechnung von 200 EUR monatlich werde der Antragsteller nicht sozialhilfebedürftig. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein mit der Begründung er werde durch die Verrechnung hilfebedürftig. Seine tatsächlichen Ausgaben beliefen sich auf monatlich 883 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2004 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Der monatliche Bedarfssatz des Antragstellers betrage nach Auskunft des Sozialamtes 570 EUR. Nach Abzug dieses Bedarfssatzes von dem laufenden Leistungsanspruch verbleibe ein Betrag i.H.v. 211, 99 EUR, der für die Verrechnung zur Verfügung stehe.

Mit Bescheid vom 08. Januar 2004 bewilligte die Antragsgegnerin Ahli ab 02. 02. 2004 in Höhe von wöchentlich EUR 180, 46.

Der Antragsteller hat gegen die Verrechnung am 30. 03. 2004 Klage erhoben. Mit weiterem Schriftsatz vom 30.03.2004 hat der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage herzustellen. Zur Begründung führt er aus, das Sozialamt habe seinen sozialhilferechtlichen Bedarf falsch festgesetzt. Es seinen weitere Aufwendungen zu berücksichtigen für seine selbständige Tätigkeit. Durch die Verrechnung sei er nicht mehr in der Lage, die Kosten für seine Selbständigkeit zu tragen, so dass der Verlust einer künftigen Einnahmequelle drohe.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

1. festzustellen, dass die eingereichte Klage zum Az: S 8 AL 481/04 gegen den Widerspruchsbescheid vom 11.03.2004 aufschiebende Wirkung hat, 2. hilfsweise, die aufschiebende Wirkung der Klage zum Az.: S 8 AL 481/04 anzuordnen, 3. der Antragsgegnerin einstweilig aufzugeben bis zur Entscheidung über die Hauptsache, die bereits verrechneten Beträge aus April und Mai 2004 an den Antragsteller zurückzuzahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

II. Der Antrag zu 1) ist zulässig und begründet. Der Widerspruch und die Klage gegen den Bescheid vom 29.01.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 11.03.2004 haben aufschiebende Wirkung. Widerspruch und Anfechtungsklage haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt nur ausnahmsweise bei Vorliegen der in § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG genannten Alternativen. Die Voraussetzungen des § 86a Abs. 2 SGG liegen jedoch nicht vor.

Die Voraussetzungen des § 86a Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 336a SGB III sind bei der in Frage stehenden Verrechnung nicht erfüllt.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage entfällt auch nicht gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG. Danach entfällt die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Die angefochtenen Bescheide haben jedoch keine Leistung herabgesetzt oder entzogen. Denn trotz der Verrechnungsbescheide ist materieller Anspruchsinhaber gegenüber der Antragsgegnerin weiterhin in voller Höhe der Antragsteller. Die Verrechung führt lediglich dazu, dass die Antragsgegnerin einen Teil des ihr gegenüber bestehenden Anspruchs des Antragstellers zur Erfüllung von dessen Verpflichtungen gegenüber dem Sozialamt verwendet. Anspruchsberechtigt gegenüber der Antragsgegnerin bleibt damit der Antragsteller (vgl. LSG Sachsen, Beschluss vom 19.01.2004, L 3 B 130/03 AL-ER; Zeihe, Kommentar zum SGG, § 86a Anm. 17e).

Der Wortlaut des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG ist abschließend und kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Verrechnung als Herabsetzung einer laufenden Leistung zu werten ist. Die Norm des § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG soll die Versichertengemeinschaft davor schützen, dass – im Ergebnis - zu Unrecht eingelegte Widersprüche zu weiteren materiell-rechtlich fehlerhaften Zahlungen an die Leistungsempfänger führen, die ggf. später nicht mehr zurückgezahlt werden können. Dieser Fall ist aber vorliegend nicht einschlägig, da die Rechtmäßigkeit des Anspruchs auf Alhi nicht in Frage steht.

Da es sich bei den Regelungen der § 86a Abs. 2 SGG um ausdrückliche Ausnahmefälle handelt, besteht für eine analoge erweiternde Anwendung grundsätzlich kein Raum. Es bleibt der Antragsgegnerin unbenommen, die Voraussetzungen für die Anordnung einer sofortigen Vollziehung gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu prüfen.

Da die Antragsgegnerin trotz aufschiebender Wirkung eine faktische Vollziehung vorgenommen hat, war entsprechend dem Antrag zu 3) die Aufhebung der Vollziehung gemäß § 86b Abs. 1 S. 2 SGG für die Monate April und Mai und die Zukunft zu veranlassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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