S 26 (8,9) RJ 67/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 (8,9) RJ 67/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 11.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1998 wird aufgehoben, soweit Gesamtsozialversicherungspflichtbeiträge für die Beigeladenen zu 4) bis 12) nachgefordert werden. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen zu 4) bis 12) zu tragen; im übrigen haben die Beteiligten einander Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin für Fahrer ihres Kurier-Service-Betriebes Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen hat. Streitig ist dabei, ob diese Mitarbeiter ihre Arbeitnehmer oder Selbständige waren.

Die Klägerin betrieb im streitigen Zeitraum mit Sitz in E ein Kurierunternehmen, handelnd unter dem Namen "L-Kurier", und beschäftigte dort diverse Kurierfahrer.

Ihr Unternehmen wurde im Oktober und Dezember 1997 einer Betriebsprüfung der Beklagten unterzogen. Der Prüfzeitraum erstreckte sich auf die Zeit vom 01.01.1993 bis 30.09.1997.

Die Klägerin legte diverse Belege über die entstandenen Kosten für Fahrtätigkeiten der Fahrer vor, sowie Gewerbeanmeldungen der Fahrer auf jeweils deren eigenen Namen (z. B. für den zum Rechtsstreit beigeladenen Herrn H - Beigeladener zu 7)); unter "angemeldete Tätigkeit" wurde angegeben "Kraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug".

Vorgelegt wurden auch schriftliche Vereinbarungen bzw. Verträge zwischen der Klägerin und deren Fahrern (z. B. für den erwähnten Beigeladenen zu 7)). Dort heißt es unter anderem:

"Der Unternehmer übernimmt die Ausführung von Frachtaufträgen. Er ist selbständiger Unternehmer (Gewerbetreibender). Er unterliegt der Firma L gegenüber nur den Bestimmungen dieser Vereinbarung. Ein Arbeitsverhältnis wird zwischen den Unterzeichnern nicht begründet. Der Unternehmer ... trifft ... die folgende Vereinbarung"

"§ 1 Fahrzeugeinsatz ... die Beförderung erfolgt mit einem betriebssicheren und mit Funk ausgerüstetem Fahrzeug. Das Fahrzeug wird dem Unternehmer von der Firma T L gegen Zahlung eines monatlichen Entgeltes zur Verfügung gestellt ..."

"§ 8 Kundenschutzklausel ... für die Dauer von einem Jahr verpflichten sich beide Parteien wechselseitig, keine Kunden des jeweils anderen Unternehmers auf eigene Rechnung zu bedienen. Bei Zuwiderhandlung wird der Verlust des Unternehmers der jeweils anderen Partei in Rechnung gestellt."

"§ 9 Dauer der Vereinbarung, Kündigung ... Diese Vereinbarung wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und ist durch beide Unterzeichner jederzeit ohne Einhaltung von Fristen kündbar."

"§ 12 Allgemeines ... Der Unternehmer ist der Firma T L gegenüber weder zeit-, orts- noch weisungsgebunden ..."

"Zusatzvereinbarung ... Gebühr ... Die Firma T L berechnet dem Unternehmer für die Vermittlung und Bearbeitung der Aufträge eine monatliche Gebühr von 15 % des jeweiligen Monatsumsatzes inklusive der gesetzlichen Mehrwertsteuer."

Mit Bescheid vom 11.12.1997 forderte die Beklagte Gesamtsozialversicherungspflichtbeiträge im Prüfzeitraum nach (zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung), für diverse Arbeitnehmer und für die Kurierfahrer, die zum Rechtsstreit beigeladen wurden. Insgesamt wurde eine Forderung von 58.654,02 DM erhoben (= 29.989,32 Euro).

Soweit Nachforderungen bezüglich Umlageaushilfen in der Zeit von 1994 bis 1996 erhoben wurden bzw. bezüglich Versicherungspflicht eines Herrn V I, hat die Klägerin den Bescheid nicht angegriffen, wie sie in der nichtöffentlichen Sitzung vom 28.04.1998 im Rechtsstreit S 8 J 66/98 klargestellt hat (Bl. 77 der dortigen Gerichtsakte).

Zur Begründung der Nachforderung für die zum Rechtsstreit beigeladenen Kurierfahrer führte die Beklagte unter anderem aus: Die Klägerin habe sich zur Erfüllung ihrer Aufträge der Mitarbeit durch Subunternehmer bzw. vermeintlich freier Mitarbeiter bedient. Die zur Prüfung vorgelegten Unterlagen ließen aber darauf schließen, dass es sich bei dem genannten Personenkreis um abhängige Selbständige handeln würde bzw. um Scheinselbständige und damit vielmehr um tatsächlich abhängig Beschäftigte, die unter den Schutz der Sozialversicherung fielen. Zwar gebe es für den Begriff des Arbeitnehmers keine gesetzliche Definition. Es bestehe aber Einigkeit, dass der Arbeitnehmer fremdbestimmte, abhängige Arbeit erbringe, wenn der freie Mitarbeiter einer selbstbestimmten Arbeit nachginge. Für den Bereich der Fahrer von Transportunternehmen bzw. für Kurierfahrer sei bereits durch das Landessozialgericht Berlin mit Urteil vom 17.08.1994 (L 9 KR 8/94) entschieden worden, dass diese Kurierfahrer versicherungspflichtige Arbeitnehmer seien. Letztlich sei dieses Urteil auch durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bestätigt worden. Danach sei entscheidend, dass die Ein-Personen-Unternehmen kein eigenes Kapital einsetzen würden, keine Mitarbeiter beschäftigen würden und nur einen Vertragspartner hätten. Es bleibe kein nennenswerter unternehmerischer Spielraum. In der Regel hätten die Fahrer der Klägerin über keine eigene betriebliche Organisation verfügt; die Fahrzeuge seien zur Ausführung der Aufträge von der Berichtsfirma gestellt bzw. vermietet worden. Auch in den Fällen, in denen ein Fahrer mit eigenem Fahrzeug beschäftigt worden sei, reiche dies zur Begründung des Unternehmerrisikos nicht aus, weil es sich in vielen Fällen nur um die Benutzung des privaten PKW handeln würde. Aufgrund der auch vorgelegten Rechnungsbelege gehe die Beklagte davon aus, dass die Fahrer ganz oder überwiegend zeitlich von der Klägerin in Anspruch genommen worden seien, was für eine abhängige Beschäftigung spreche. Eine vertraglich eingeräumte Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber selbständig tätig zu werden, sei nicht ausschlaggebend, weil es auf die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses ankomme. Es seien keine Umstände dafür ersichtlich gewesen, dass für die Fahrer mit der Verlagerung von Risiken zusätzliche Freiheiten oder Verdienstmöglichkeiten verbunden gewesen seien. Die Freiheiten, die den Fahrern zugestanden hätten, hätten im wesentlichen nur darin bestanden, durch Mehrtransport ihre Einkünfte zu erhöhen. Sie würden sich in der gleichen Lage befinden wie Arbeitnehmer, die durch Leistung von Überstunden einen höheren Verdienst erzielen würden. Die Tatsache, dass kein Fixum zugebilligt worden sei, reiche für die Annahme eines Unternehmerrisikos nicht aus. Zusammenfassend würden aufgrund der Gesamtwürdigung aller Tatbestandsmerkmale die Umstände überwiegen, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin sprechen würden.

Dagegen legte die Klägerin am 09.01.1998 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und blieb bei ihrer Beitragsforderung. Zur Begründung nahm sie im wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im Beitragsforderungsbescheid.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 09.03.1998 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr gesamtes Vorbringen und vertieft dieses. Insbesondere macht sie geltend:

Der von der Beklagten zitierte Fall des Berliner Landessozialgerichts sei schon nicht vergleichbar mit ihrem. Im Berliner Fall hätten die beteiligten Unterfrachtführer sämtliche Geschäfte im Namen der Vermittlungs-GmbH tätigen müssen. Nur auf diese hätten Rechnungen ausgestellt werden dürfen und ein Verstoß dagegen sei mit Schadensersatz bewehrt gewesen. Im Berliner Fall sei somit dem Unternehmer jede Möglichkeit genommen worden, auf eigenes Risiko neue Kunden zu gewinnen. Sie hingegen habe aufgrund der Vertragsgestaltung ihren Kurierfahrern den Inhalt ihrer Tätigkeit nicht vorschreiben können. Der Frachtführer bzw. Kurierfahrer habe bei ihr selbst darüber entscheiden können, wann er Touren fahre. In besonderen Eilfällen mag zwar der Fahrer gehalten gewesen sein, die Weisungen der Auftraggeber der Klägerin einzuhalten oder aber zu entscheiden, dass er den Auftrag unter diesen Vorraussetzungen nicht annimmt. Er sei aber durchaus vertraglich frei gewesen zu entscheiden, ob er bestimmte Aufträge annehme oder nicht. Ein bestimmter Auftragsumfang sei auch nicht garantiert worden. Die Fahrer seien mithin nicht derart zwangsweise an sie gebunden worden, dass es ihnen unmöglich gewesen wäre, neben der Tätigkeit für sie noch andere Aufträge zu aquirieren und durchzuführen. In der Vergangenheit habe die Klägerin durchaus die Erfahrung gemacht, dass die bei ihr tätigen Fahrer durchaus andere Aufgaben bzw. Kurierfahrten übernommen hätten.

Die tägliche Arbeitszeit sei auch nicht vorgeschrieben gewesen. Dass die Fahrzeuge mit einem Funkgerät ausgestattet waren, sei durch die Natur des Unternehmens bedingt.

Sie fühle sich in ihrer Auffassung auch durch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 19.11.1997 (5 AZR 653/96) bestätigt. Danach sei nämlich eine Arbeitnehmereigenschaft von Kurierfahrern nur anzunehmen, wenn deren Tätigkeit stärker eingeschränkt werde, als es aufgrund gesetzlicher Regelungen oder Versicherungsregeln geboten sei.

Auch die Beweisaufnahme, nämlich die Vernehmung ihres (inzwischen verstorbenen) Ehemannes und die Vernehmung des Kurierfahrers H (Beigeladener zu 7)), bestätige ihre Auffassung, wonach die Kurierfahrer nicht stärker als geboten in ihrer Tätigkeit als Frachtführer eingeschränkt worden seien.

Entsprechend der Auflistung mit Schriftsatz vom 15.11.2000 (Bl. 150 f der Gerichtsakte) seien Kurierfahrer zum Teil auch mit eigenem Fahrzeug beschäftigt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 11.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1998 aufzuheben, soweit Gesamtsozialversicherungspflichtbeiträge für die Beigeladenen zu 4) bis 12) nachgefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Ergänzend macht sie unter anderem geltend: Aufgrund der Aussage von dem Beigeladenen zu 7) sei nach ihrer Auffassung die Arbeitnehmereigenschaft der Kurierfahrer bewiesen. Grundlage der Arbeitsverhältnisse der Kurierfahrer sei letztlich ein Handbuch für Fahrer bzw. Unternehmer gewesen, der Firma G C GmbH. Die Aussagen des Ehemannes der Klägerin seien für die Würdigung zweitrangig, weil sie Schutzbehauptungen enthielten um Beitragsnachforderung zu verhindern. Der Vergleich einer Auftragsvergabe wie bei Taxiunternehmen sei nicht überzeugend. Während sowohl die Subunternehmer als auch die Firma G eigenständige, auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen seien, die in eigener Verantwortung Weisungen erteilten, sei eine Taxifunkzentrale vielmehr eine eigene genossenschaftliche Einrichtung aller Taxi-Unternehmen. In dieser Genossenschaft bestimmten die angeschlossen Unternehmen selbst den Handlungsbedarf; eine Taxifunkzentrale vertrete also die eigenen Interessen der Taxiunternehmer und nicht eigene wirtschaftliche Interessen. Sowohl die Klägerin wie auch die Firma G würden aber nicht die Interessen der Kurierfahrer vertreten, sondern eigene wirtschaftliche Interessen. Diese zuletzt genannte Firma sei im übrigen auch aufgrund der Zuständigkeitsregelung durch die BfA geprüft worden mit der Folge einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von über 3 Millionen DM. Das Verfahren gegen diesen Bescheid sei noch bei dem Sozialgericht M (S 00 RA 000/00) anhängig. Nach Aktenlage sei der Beigeladene zu 9) der Einzige, der mit eigenem Fahrzeug für die Klägerin gefahren sei. Dies sei auch zu berücksichtigen.

Das Gericht hat als Zeugen den Ehemann der Klägerin, welcher inzwischen nach dem Vorbringen der Klägerin verstorben ist, sowie den Kurierfahrer H (Beigeladener zu 7)) vernommen. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 17.09.1998 (Bl. 75-81 der Gerichtsakte).

Die Beigeladenen haben keine eigene Stellungnahme zum Sachverhalt abgegeben und keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und den Inhalt der Streitakte S 8 J 66/98 Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 12) entscheiden, weil letztere auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden sind, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127 SGG ergibt; die Beigeladenen sind auch ausweislich der Empfangsbekenntnisse bzw. Postzustellungsurkunden bzw. ausweislich der durchgeführten öffentlichen Zustellungen prozessordnungsgemäß vom Termin am 13.03.2003 benachrichtigt worden.

Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

Die Klage ist auch mit dem gestellten Antrag zulässig, da sich aus dem Bescheid vom 11.12.1997 auch diejenigen Beitragsnachforderungen herausrechnen lassen, die für die Beigeladenen zu 4) bis 12) von der Beklagten erhoben wurden.

Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 11.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1998, sind insoweit rechtswidrig und beschweren die Klägerin im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, wie die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Unrecht die bei der Klägerin als Subunternehmer beschäftigten Fahrer bzw. Beigeladenen zu 4) bis 12) als Arbeitnehmer angesehen hat und damit zu Unrecht Sozialversicherungspflicht angenommen hat und in der Folge auch zu Unrecht Sozialversicherungspflichtbeiträge im streitigen Umfang nachgefordert hat. Die insoweit rechtswidrigen Bescheide der Beklagten waren daher insoweit aufzuheben.

Die Klägerin ist nicht verpflichtet, die mit den angefochtenen Bescheiden für die Beigeladenen 4) bis 12) geforderten Sozialversicherungsbeiträge zu allen Sparten der Sozialversicherung nach §§ 14, 22 SGB IV, § 227 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI und §§ 157 ff, 162, 164, 168 SGB VI zu zahlen, weil die bei der Klägerin beschäftigt gewesenen Kurierfahrer, die nicht zur Sozialversicherung angemeldet waren, im streitigen Zeitraum nicht in einem abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis standen.

Die Würdigung der Gestaltung der Vertragsverhältnisse zwischen der Klägerin und den nicht zur Sozialversicherung angemeldeten Kurierfahren, die Würdigung der Gesamtumstände und der Art und Weise, wie diejenigen Kurierfahrer, um deren Status es geht, für die Klägerin eingesetzt wurden bzw. auch für sich selbst tätig wurden, unter Würdigung auch der Zeugenaussagen des inzwischen verstorbenen Ehemannes Herrn L und des Zeugen H Götz, der nach der Zeugenvernehmung erst beigeladen wurde (Beigeladener zu 7)), ergibt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung insbesondere auch des Bundesarbeitsgerichts aus auch neuerer Zeit, dass diejenigen Kurierfahrer, die als Subunternehmer von der Klägerin angesehen wurden, nicht als Arbeitnehmer im Sinne der oben genannten sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen anzusehen sind, weil sie keine fremdbestimmte Tätigkeit ausübten.

Wie die Beklagte - im Ansatz zutreffend - in den angefochtenen Bescheiden ausführte, gibt es keine gesetzliche Definition für den Arbeitnehmer und es ist vielmehr entscheidend, ob eine Person bei der Gesamtwürdigung aller Umstände unter Berücksichtigung auch der Verkehrsanschauung und allgemeiner Indizien fremdbestimmte abhängige Arbeit verrichtet oder nicht; dabei kommt es auf die erst seit 1999 geltenden neuen Regelungen zur Frage der Scheinselbständigkeit und zur Frage der Vermutung von Arbeitnehmereigenschaft bei Tätigkeit nur für einen Auftraggeber nach § 7 Abs. 3 und 4 SGB IV nicht an, weil es hier nur um die Bewertung im Prüfungszeitraum bis September 1997 geht; jedenfalls im hier streitbefangenen Zeitraum kommt es auf die faktische wirtschaftliche Abhängigkeit der für die Klägerin tätig gewesenen Kurierfahrer nicht an, weil die wirtschaftliche Abhängigkeit kein Merkmal des Arbeitnehmerbegriffs ist (BAGE 69, 62.67; BAGE 78, 343; vgl. Gamillscheg Arbeitsrecht Bd. I: Arbeitsvertrags- und Arbeitsschutzrecht, 8. Auflage 2000, § 5 1.(g) Seite 163). Ob die Kurierfahrer, um die es hier geht, letztlich von der Klägerin und ihrer Auftragsvergabe wirtschaftlich abhängig waren oder nicht und ob sie sich an das Kurierhandbuch der Firma G-C hielten oder nicht, ist mithin völlig unerheblich.

Das Bundesarbeitsgericht hat vielmehr zutreffend zur Frage, ob ein Kurierfahrer Arbeitnehmer oder Frachtführer im Sinne von §§ 407 ff des Handelsgesetzbuches, herausgearbeitet, dass es darauf ankommt, ob ein Kurierfahrer im wesentlichen allein entscheiden kann, ob, wann und in welchem Umfang er tätig werden will oder ob er (über gesetzliche Regelungen hinaus) vertraglich so eng gebunden ist, dass auf ihn ein wirtschaftlicher Zwang ausgeübt wird (BAG Urteil vom 27.06.2001 - 5 AZR 561/99 in BAGE 98, 146-151; BAG Urteil vom 19.11.1997 - 5 AZR 653/96 in BAGE 87, 129 ff; ebenso Arbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 20.05.1998 - 4 Ca 5858/87 in AiB 1998, 128 f). Hier ist es so gewesen, dass diejenigen Kurierfahrer, um die es hier geht, nicht verpflichtet waren, jeden Tag und zu einer bestimmten Zeit für die Klägerin tätig zu sein bzw. zwingend Bereitschaft für diese zu haben; sie konnten mit den von ihnen gemieteten oder - in einem Fall selbst gehaltenen - Fahrzeugen auch für andere Kurierunternehmen tätig werden bzw. auch selbst Frachtaufträge abschließen. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den Angaben, die der Ehemann der Klägerin und der Beigeladene zu 7) im Erörterungstermin bzw. Beweisaufnahmetermin vom 17.09.1998 gemacht haben (Bl. 75 ff der Gerichtsakte). Diese haben unter anderem nach Meinung der Kammer glaubhaft und glaubwürdig bekundet, dass selbst die vermieteten Fahrzeuge den Fahrern zur freien Verfügung standen und diese selber entscheiden konnten, für welche Fahrten sie diese Fahrzeuge einsetzten oder ob sie sie überhaupt nicht einsetzen und wo die Fahrzeuge während der Mietzeit verblieben. Eigene Aufträge konnten die Kurierfahrer auch bar mit den Kunden abrechnen. Der von dem Zeugen H gemietete PKW war auch neutral gestaltet, ohne Hinweise auf irgendeine Zugehörigkeit zur Klägerin. Dass sich darin auch ein Funkgerät befand, ist angesichts der Tätigkeit auch eines Frachtführers systemimmanent und spricht nicht gegen selbständige Tätigkeit. Der Zeuge H hat ferner bekundet, dass er auch aus gesundheitlichen Gründen seine Fahrtätigkeit einschränken musste aber auch konnte und dann nur noch vormittags bis ca. 14.30 Uhr Fahrten ausüben konnte. Dem Zeugen H waren auch Fälle bekannt geworden, in denen von den Kurierfahrern Baraufträge für aquirierte Kunden verrichtet wurden; diese waren begehrt, weil die Fahrer auch gern bar auf die Hand Aufträge verrichteten. Nur er selbst hat solche Aufträge nicht erhalten, jedoch vom Hören-Sagen offenbar von den anderen Fahrern gehört, dass dies möglich war. Immer wenn sich ein Fahrer bei der Zentrale frei meldete, wurde dann eine bestimmte Platznummer vergeben und danach die Auftragsvergabe durchgeführt. Die Fahrer waren jedoch nicht zwingend von der Klägerin gehalten, sich stets frei zu melden oder aber quasi Bereitschaftsdienst zu verrichten; denn solches ergibt sich auch nicht aus den zur Verwaltungsakte gereichten Vereinbarungen der Klägerin mit den Kurierfahrern (Bl. 29 bis 39 der Verwaltungsakte). Festzuhalten ist zunächst nämlich, dass nach § 9 der Vereinbarung diese zwar auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde, jedoch durch beide Vertragsparteien jederzeit ohne Einhaltung von Fristen gekündigt werden konnte. Es war damit der als Subunternehmer geführte Kurierdienstfahrer frei in seiner Entscheidung, ob er diese Tätigkeit fortführen will oder auch sofort beenden will. Eine Weisungsgebundenheit wurde in § 12 der Vereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen. Eine Kundenschutzklausel in § 8 der Vereinbarung, wie sie auch und gerade im Handelsrecht nicht unüblich ist, belief sich auf die Dauer von maximal einem Jahr und eine weitergehende Bindung hinsichtlich der in Betracht kommenden Kunden für das Frachtgewerbe bestand damit nicht. Die Vertragsgestaltung spricht damit auch dafür, dass die Kurierfahrer im wesentlichen allein entscheiden konnten, ob, wann und in welchem Umfang sie tätig werden wollten. Dass in den Vereinbarungen Obliegenheiten bei Unfällen und Führerscheinverlust nach § 3 und § 4 bestanden, ist systemimmenent gerade für das Frachtgewerbe auch und gerade vor dem Hintergrund der Anmietung von Fahrzeugen und keine die eigentliche Tätigkeit wesentlich beschränkende Gestaltung. Schließlich wurde auch das Haftungsrisiko bei Verlust oder Beschädigung von Sendungen bzw. Frachtgut dem Kurierfahrer zugeordnet (§ 2 der Vereinbarung). Eine ursprüngliche Beschränkung der Nutzung des Fahrzeugs nur für Fahrten für die Klägerin wurde offenbar nur kurzzeitig gehandhabt und später gestrichen (§ 1 der Vereinbarung Bl. 35 Verwaltungsakte) und nach dem Inhalt der Zeugenaussagen waren die Fahrer letztlich darin frei, ob und welche Aufträge sie für die Klägerin ausführten und welche Aufträge sie dann später sonst noch ausführten.

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht durch die bereits oben zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.11.1997. Dort war es vielmehr so gewesen, dass der Kurierfahrer seine Arbeitszeit nicht im wesentlichen frei bestimmen konnte; er hatte die ausdrückliche Verpflichtung von montags bis freitags von der Zeit von 06.00 Uhr bis ca. 17.00 Uhr zur Arbeitsleistung zur Verfügung zu stehen, und sogar im Depot der damaligen Beklagten anwesend zu sein. Verspätungen wurden dort geahndet mit Ermahnungen und Vertragsstrafen. Solches gab es aber bei den Kurierfahrern der Klägerin nicht, insbesondere nicht nach den vorgelegten Vereinbarungen. Jedenfalls bestand keine zeitliche Bindung derart, dass die Kurierfahrer stets zur Verfügung stehen mussten und Sanktionen für den Fall, dass sie nicht zur Verfügung standen, sind nicht bekannt geworden.

Es kommt auch nicht darauf an, ob die Kurierdienstfahrer bei der Klägerin im wesentlichen angemietete Fahrzeuge benutzten; denn es stand den Fahrern nach den Bekundungen der Zeugen und dem Inhalt der neuen Vereinbarung auch frei, ihre Fahrzeuge auch für andere Unternehmen einzusetzen, sodass sie diese letztlich doch als eigene (wenn auch gemietete) Betriebsmittel in ihre Tätigkeit mit einbrachten.

Den Kurierdienstfahrern stand es mithin letztlich ohne rechtliche Beschränkung frei, ob und wie und wann sie ihre Einkünfte aus dem (hier auch angemeldeten) Gewerbe erzielen wollten und ob sie auch noch nebenher für andere tätig werden wollten.

Die Rechtsauffassung der Kammer widerspricht auch nicht der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin vom 17.08.1994 (L 9 Kr 8/94). Zum einen ist diese Entscheidung schon älteren Datums als die erwähnten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu Kurierfahrern und zum anderen ging es dort natürlich auch um Einzelfallprüfungen bei möglicherweise teilweise anderer Vertragsgestaltung; diese Entscheidung ist auch nicht mehr näher materiell vom Bundessozialgericht im Beschluss vom 23.02.1995 (12 BK 98/94 in: Die Beiträge 1995, 296-300) überprüft worden, sondern nur hinsichtlich der Frage, ob die Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung im konkreten Einzelfall zuzulassen war oder nicht. Es fand damit keine volle revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils des LSG Berlin statt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 20.05.1996 (1 BvR 21/96 - in SozR 3-2400 § 7 Nr. 11) im Wege des Nichtannahme-Beschlusses nur ausgeführt, dass es grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn im Einzelfall ein Kurierdienstfahrer als versicherungspflichtig Beschäftigter angesehen werde. Das bestreitet aber auch die Kammer nicht, sondern sah nur hier eine andere Vertragsgestaltung entsprechend auch der oben zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.11.1997.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.

Da die Klägerin obsiegt hat, hat die Beklagte die der Klägerin entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und auch den Beigeladenen zu 4) bis 12) Kosten zu erstatten, soweit für diese durch das Klageverfahren Kosten angefallen sein sollten. Gerichtskosten sind im übrigen für die Klägerin und die Beigeladenen zu 4) bis 12) nicht entstanden nach § 183 SGG in der Fassung vor dem 02.01.2002, vgl. auch Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. Gesetzes zur Änderung des SGG vom 17.08.2001 und Pressemitteilung Nr. 3/02 des BSG zu 1.
Rechtskraft
Aus
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