S 8 AL 864/04 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 8 AL 864/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Erteilung einer Arbeitserlaubnis für eine Tätigkeit als Backhelfer bei der V. GmbH.

Der 1977 geborene Antragsteller ist polnischer Staatsbürger und beantragte am 14.05.2004 bei der Antragsstellerin die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung als Backhelfer bei der V. GmbH. Möglicherweise ist der Antragsteller bereits im November 2003 ohne Erlaubnis bzw. Visum in die Bundesrepublik eingereist. Die Antragsgegnerin erteilte eine Arbeitsgenehmigung für die Zeiträume 19.01.2004 bis 08.02.2004 und 24.03.2004 bis 13.05.2004. Der Antragssteller verfügte über ein bis zum 13.05.2004 gültiges Visum. Am 14.05.2004 beantragte der Antragssteller erneut die Erteilung für eine Arbeitsgenehmigung als Backhelfer bei der Firma V. GmbH. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19.05.2004 ab. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben 25.05.2004 über seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein.

Am 02.06.2004 beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 19.05.2004 und hilfsweise den Erlass einer Einstweiligen Anordnung. Er trägt vor, der Bescheid vom 19.05.2004 verstoße gegen die Freizügigkeit des Antragstellers gemäß Art. 39 EG-Vertrag und gegen Art. 15, Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Seit 01.05.2004 finde der EG-Vertrag auch auf polnische Staatsbürger Anwendung.

Der Antragsteller beantragt,

1. die mit Bescheid vom 19.05.2004 abgelehnte Erteilung einer Arbeitserlaubnis aufzuheben, 2. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.05.2004 herzustellen, 3. hilfweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Arbeitserlaubnis für eine Tätigkeit als Backhelfer für die Cafes der V. GmbH zu erteilen, 4. hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Arbeitserlaubnis für zwei Wochen für eine Tätigkeit als Backhelfer für die Cafes der V. GmbH zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, im Rahmen der EU-Osterweiterung genieße der Antragsteller zwar grundsätzlich Freizügigkeit, allerdings sei diese Freizügigkeit für Bürger der Republik Polen dahingehend eingeschränkt, dass bis zum Ende eines Zeitraumes von zwei Jahren die jeweiligen Mitgliedsstaaten nationale Maßnahmen anwenden können, um diesen Zugang zum Arbeitsmarkt zu regeln. Die Regelung des § 284 SGB III schränke die Freizügigkeit für Bürger der Republik Polen ein. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 ASAV lägen nicht vor.

II.

Der Antrag zu 1) ist unzulässig, da im einstweiligen Rechtsschutz nicht die Aufhebung des Bescheides begehrt werden kann.

Die Anträge zu 2), 3) und 4) sind zulässig, jedoch unbegründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes, die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Der Antragsteller begehrt mit seinem Hauptantrag zu 2) die Herstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen den Bescheid vom 19.05.2004. Der Bescheid vom 19.05.2004 lehnt seinen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis ab. Im Hauptsache(widerspruchs)verfahren begehrt der Antragsteller damit einen Verwaltungsakt (Erteilung der Arbeitserlaubnis) und zugleich die Aufhebung eines versagenden Verwaltungsaktes (ablehnender Bescheid), somit liegt ein kombinierter Anfechtungs- und Leistungswiderspruch vor. Die aufschiebende Wirkung hilft in diesen Fällen nicht weiter (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG § 86a Rn. 6, 8), denn die Aussetzung der Versagung hat nicht die Bewilligung zur Folge. Vielmehr kann insoweit nur die einstweilige Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 einschlägig sein, welche der Antragsteller mit seinem Hilfsantrag auch begehrt, so dass der Antrag zu 2) keinen Erfolg haben kann.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen ebenfalls nicht vor. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen.

Nach der gebotenen summarischen Prüfung fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch sowohl hinsichtlich des Hilfsantrags zu 3) als auch zu 4). Der Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht. Er ist identisch mit dem auch im Hauptsacheverfahren geltend zu machendem materiellen Anspruch. Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis. Nach der gebotenen summarischen Prüfung hat die Antragsgegnerin zu Recht die Bewilligung einer Arbeitserlaubnis nach §§ 284 f. SGB III und nach der ASAV abgelehnt.

Gemäß § 284 Abs. 1 SGB III bedürfen Ausländer eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Agentur für Arbeit ausüben. Gemäß § 284 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bedürfen Ausländer, die nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigt, keine Genehmigung, dies gilt jedoch nicht für Staatsangehörige derjenigen Staaten, die nach dem EU-Beitrittsvertrag vom 16. April 2003 der Europäischen Union beigetreten sind, soweit nach Maßgabe dieses Vertrages abweichende Regelungen Anwendung finden. Nach dem EU-Beitrittsvertrag (Art. 24 der Beitrittsakte i.V.m. Anlage 12 Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte; Polen) sind für die Freizügigkeit von polnischen Staatsangehörigen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit Übergangsfristen von maximal 7 Jahren vereinbart worden. Die EU-Mitgliedstaaten haben in dieser Zeit die Möglichkeit, die Zuwanderung von Arbeitskräften aus den neuen Mitgliedstaaten durch Vergabe/Nichtvergabe von Arbeitserlaubnissen zu begrenzen. Jeder Bürger der neuen EU-Mitgliedstaaten (außer Zypern und Malta) benötigt grundsätzlich noch für 2 Jahre eine Arbeitserlaubnis. Deutschland hat von dieser Regelung Gebrauch gemacht durch das Gesetz über den Arbeitsmarktzugang im Rahmen der EU-Erweiterung vom 23.4.2004 (BGBl 2004, Teil I, 602). Ein Verstoß gegen Art 39 EG-Vertrag ist nicht ersichtlich. Nach der ausdrücklichen Regelung des EU-Beitrittsvertrages (vgl. Anhang XII) findet Art 39 und Art 49 EG-Vertrag in vollem Umfang nur vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen der Nummern 2 bis 14 Anwendung. Diese Übergangsbestimmungen beinhalten die erwähnte Übergangsregelung und sind Bestandteil des Vertrages zur EU-Erweiterung, dem die Republik Polen ausdrücklich zugestimmt hat. Weitergehende Rechte kann der Antragsteller damit aus Art 39 nicht herleiten. Auch ein Verstoß gegen die EU-Grundrechtscharta ist nicht ersichtlich.

Damit gilt für die Übergangszeit weiterhin die ASAV i.V.m. § 288 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis nach der ASAV hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.

Aus § 12a ASAV folgt kein Anspruch, da der Antragsteller nicht mindestens zwölf Monate zum Arbeitsmarkt im Bundesgebiet zugelassen war.

Auch aus § 4 Abs. 1 ASAV ergibt sich kein glaubhaft gemachter Anspruch. Gemäß § 4 Abs. 1 ASAV kann Ausländern für eine Beschäftigung u.a. im Gaststättengewerbe eine Arbeitserlaubnis bis zu 3 Monaten im Kalenderjahr erteilt werden, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Absprache der Bundesagentur für Arbeit mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes vermittelt worden ist. Der Antragsteller hat bereits eine Arbeitserlaubnis für den Zeitraum 19.01.2004 bis 08.02.2004 und 24.03.2004 bis 13.05.2004 erhalten, damit für gut 10 Wochen. Allenfalls bliebe damit noch ein Anspruch für 2 Wochen. Nach den vorliegenden Auskünften besteht aber die Möglichkeit, dass der Antragsteller bereits am 08.11.2004 in die Bundesrepublik eingereist ist und im Jahr 2004 ab 1.1.04 gearbeitet hat, so dass er bereits insgesamt zwölf Wochen gearbeitet hat. Es ist nicht ersichtlich, dass bei Zugrundelegung dieses Sachverhalts die Antragsgegnerin im Rahmen ihres bestehenden Ermessens eine weitere Erlaubnis für zwei Wochen erteilen müsste. Offene Fragen können durch weitere Ermittlungen zwar im Rahmen des noch laufenden Hauptsachewiderspruchsverfahrens geklärt werden, nicht aber im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Dies käme einer Vorwegnahme der Hauptsache gleich.

Da somit nach der im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung das Begehren des Antragstellers auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis (auch für lediglich zwei Wochen) nicht aussichtsreich erscheint, liegen schon diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor. Darüber hinaus ist weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, wenn der Antragsteller bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Widerspruchsverfahren keine Arbeitserlaubnis erhält. Sollte sich entgegen dem bisherigen Sachstand herausstellen, dass der Antragsteller im Rahmen des Ermessens noch einen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis für ca. zwei Wochen nach § 4 Abs. 1 ASAV hätte, so ist nicht ersichtlich, welche schwerwiegenden Nachteile dem Antragsteller drohen, wenn er diese Erlaubnis erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens erhalten könnte. Die vom Antragsteller behauptete Einschränkung seiner Freizügigkeit als EU-Bürger greift wie bereits dargestellt nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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