Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 54/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 21.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2003 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 14.12.2002 ohne Minderung der Anspruchsdauer zu bewilligen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahren.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen wegen der Aufgabe eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses seitens der Klägerin zwecks Wechsel in ein befristetes Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin ist 1980 geboren. In den Jahren 1997 bis 2000 absolvierte sie erfolgreich eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Danach stand sie ein Jahr (02.01.2001 bis 15.01.2002) in einem Beschäftigungsverhältnis bei einer Zeitarbeitsfirma als kaufmännische Mitarbeiterin. Vom 16.01. bis 31.01.2002 war die Klägerin zwei Wochen arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 310,00 Euro. Ab dem 01.02.2002 arbeitete die Klägerin als Verkaufsassistentin bei der Firma B GmbH. Dieses Arbeitsverhältnis endete durch einen Aufhebungsvertrag vom 27.02.2002 am 28.02.2002. Die Klägerin erhielt für diese Tätigkeit ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1.130,00 Euro brutto. Ohne sich zwischenzeitlich arbeitslos zu melden stand die Klägerin vom 11.03. bis 13.12.2002 in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis als kaufmännische Angestellte bei der Zeitarbeitsfirma Q AG & Co. KG. Die Klägerin erhielt ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in unterschiedlicher Höhe, durchschnittlich etwa 1.500,00 Euro monatlich.
Die Klägerin meldete sich im November mit Wirkung zum 14.12.2002 arbeitslos. Mit Bescheid vom 21.02.2003 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen für die Zeit vom 14.12.2002 bis 07.03.2003 fest. In diesem Zeitraum ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Eine Sperrzeit sei festzusetzen, da die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Firma B GmbH durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst habe. Diese Arbeitsaufgabe sei für die später eingetretene Arbeitslosigkeit nach dem Ende des Anschlussarbeitsverhältnisses ursächlich, da dieses Arbeitsverhältnis von vornherein nur befristet gewesen sei. Die Klägerin habe schon bei der seinerzeitigen Auflösung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses erkennen können, dass sie möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt arbeitslos werde. Gesetzliche Rechtsfolge der Sperrzeit sei eine Minderung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 84 Tage.
Die Klägerin legte gegen den Sperrzeitbescheid der Beklagten Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, dass sie bei der Firma Q die Möglichkeit erhalten habe, in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten. Dies sei ihr wichtig erschienen, weil ihre bisherigen Bewerbungen wegen mangelnder Berufserfahrung abgelehnt worden seien. Außerdem habe eine Übernahmemöglichkeit in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden. Sie sei sich keines schuldhaften Verhaltens bewusst, das eine Sperrzeit begründe. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass die Klägerin ihre Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe, indem sie ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gekündigt und lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis eingegangen sei. Damit habe der Eintritt der Arbeitslosigkeit nach dem Ende des befristeten Vertrages bereits festgestanden. Ein wichtiger Grund für das Verhalten der Klägerin bestehe nicht. Es sei ihr auch bei einer berufsfremden Tätigkeit zuzumuten gewesen, das unbefristete Beschäftigungsverhältnis bei der Firma B GmbH weiter fortzuführen bis sie nahtlos ein neues unbefristetes Arbeitsverhältnis hätte eingehen können. So wäre der Eintritt der Arbeitslosigkeit vermieden worden.
Die Klägerin hat am 04.03.2003 Klage erhoben. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Im Erörterungstermin vom 16.02.2004 hat die Klägerin erklärt, dass sie bei der Firma B GmbH als Call-Center-Agentin im Telefonverkauf gearbeitet habe. Von der Zeitarbeitsfirma Q habe sie das Angebot erhalten, in ihrem Beruf bei der T AG eingesetzt zu werden. Gleichzeitig habe sie eine Garantie der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis bei der Firma T erhalten, wenn es gut laufe. Dazu sei es dann nicht gekommen, da die Firma ihren Sitz zur Hauptfiliale nach O verlegt habe.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Nach ihrem schriftlichen Vorbringen beantragt die Klägerin, den Bescheid der Beklagten vom 21.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 14.12.2002 Arbeitslosengeld ohne Minderung der Anspruchsdauer zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Sachverhalt weiter aufzuklären sei. Es sei entscheidungserheblich, ob der Klägerin tatsächlich eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei der Firma T in Aussicht gestellt worden sei.
Zur Darstellung des weiteren Sach- und Streitgegenstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten vom 21.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2003 beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Der Bescheid ist rechtswidrig.
Die Voraussetzungen einer Sperrzeit liegen nicht vor. Der Klägerin steht das beantragte Arbeitslosengeld ab dem 14.12.2002 zu. Gemäß § 117 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr. 3). Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin aufgrund ihrer Arbeitslosmeldung vom November 2002 mit Wirkung zum Tag nach dem Ende ihres befristeten Beschäftigungsverhältnisses vor. Eine neue Anwartschaftszeit für einen Arbeitslosengeldanspruch (12 Monate gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) ist durch die beiden Arbeitsverhältnisse in der Zeit vom 01.02. bis 13.12.2002 nicht erfüllt worden. Der Klägerin ist aber der am 16.01.2002 entstandene Anspruch mit der nicht verbrauchten Restanspruchsdauer wieder zu bewilligen. Der Leistungsanspruch der Klägerin ruhte nicht wegen des Eintritts einer Sperrzeit.
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit wegen einer Arbeitsaufgabe ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Klägerin hat durch die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag das Beschäftigungsverhältnis mit der Firma B GmbH zum 28.02.2002 gelöst, um ein befristetes Arbeitsverhältnis einzugehen. Durch dieses Verhalten hat sie die Arbeitslosigkeit nach dem Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses herbeigeführt. Dies geschah jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) führt ein Arbeitnehmer mit einer Lösung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitslosigkeit in der Regel grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl. BSG, SozR 3 - 4100 § 119 Nr. 14 m.w.N.). Die Klägerin hatte bei Abschluss des Aufhebungsvertrages einen Anschlussarbeitsplatz bei einer Zeitarbeitsfirma. Ihr ist wegen des Eintritts der Arbeitslosigkeit nach Ablauf der Befristung des Anschlussarbeitsverhältnisses kein gesteigertes Verschulden vorzuwerfen. Grob fahrlässig ist die Arbeitslosigkeit nur dann herbeigeführt, wenn der Arbeitslose die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Definition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X). Dies ist der Fall, wenn ausgehend von einem subjektivem Sorgfaltsmaßstab schon einfachste ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden. Die Klägerin hat ihre spätere Arbeitslosigkeit nicht leichtsinnig unter Hinwegsetzung über einfachste ganz naheliegende Überlegungen herbeigeführt. Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer bereits daraus, dass es nicht ausgeschlossen war, dass die Klägerin die Chance hatte, ein weiteres Anschlussarbeitsverhältnis einzugehen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass wegen der beruflichen Biographie der Klägerin oder wegen individueller persönlicher Eigenschaften besondere Hemmnisse für die Arbeitsvermittlung bestanden. So müssen bei der heutigen Arbeitsmarktlage beispielsweise ältere und/oder langzeitarbeitslose Personen damit rechnen, nur unter Schwierigkeiten einen Arbeitsplatz zu erhalten. Solche Überlegungen sind bei der Aufgabe eines sicheren unbefristeten Arbeitsplatzes zugunsten eines befristeten Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Demgegenüber konnte die erst 22 Jahre alte Klägerin damit rechnen, dass ihr eine zusätzliche Berufserfahrung im erlernten Beruf auch zusätzliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Wegen dieser sinnvollen Überlegung ist der Klägerin kein leichtsinniges Verhalten vorzuwerfen. Nach Auffassung der Kammer ist es deshalb auch nicht entscheidungserheblich, ob der Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages von der Zeitarbeitsfirma bzw. dem entleihenden Unternehmen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses konkret in Aussicht gestellt worden ist. Weiterer Ermittlungen zur Aufklärung dieses von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalts bedurfte es daher nicht.
Eine Sperrzeit ist aber nicht nur wegen des Fehlens der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung der Arbeitslosigkeit zu verneinen, sondern auch deshalb, weil für das Verhalten der Klägerin (Abschluss des Aufhebungsvertrages bezüglich des unbefristeten Arbeitsverhältnisses) ein wichtiger Grund vorliegt. Grundsätzlich soll eine Sperrzeit nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (stRspr BSGE 21, 205; 43, 269). Die Klägerin hat ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis, in dem sie sich allerdings noch in der Probezeit befand, gewechselt, um in ihrem erlernten Beruf als kaufmännische Angestellte zu arbeiten. Für das berufliche Fortkommen der Klägerin, die erst vor 1 1/2 Jahren ihre Ausbildung beendet hat, war es wichtig, die erlernten beruflichen Kenntnisse im kaufmännischen Bereich auszubauen bzw. zu erhalten. Die Tätigkeit als kaufmännische Angestellte in einer Zeitarbeitsfirma eröffnete ihr größere beruflichen Perspektiven als die Ausübung einer angelernten Hilfstätigkeit in einem Call-Center. Die Klägerin hat die Chancen, die der Arbeitsmarkt bietet, wahrgenommen. Auch die Beklagte weist Arbeitslose bei Vermittlungsvorschlägen für Tätigkeiten in Zeitarbeitsfirmen darauf hin, dass auf diese Weise der Einstieg in ein Arbeitsverhältnis bei einer Entleihfirma ermöglicht wird. Der an einem anderen Arbeitsplatz interessierte Arbeitnehmer ist darauf angewiesen, die auf dem Arbeitsmarkt angebotenen, vom Arbeitgeber ausgehenden Arbeitsvertragsbedingungen anzunehmen. So werden in immer größerem Umfang zunächst nicht unbefristete, sondern befristete Arbeitsverhältnisse angeboten. Dieser Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat auch der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem Arbeitgebern erweiterte rechtliche Möglichkeiten zur Befristung von Erstarbeitsverhältnissen eingeräumt wurden (durch das zum 01.01.2001 in Kraft getretene Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge, dem Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG - vom 21.12.2000 BGBl. I S. 1966 vom 21.12.2000).
Würde an den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages im Falle anschließender Arbeitslosigkeit regelmäßig ein Sperrzeittatbestand anknüpfen, wären Arbeitnehmer in wachsendem Maße von wesentlichen Teilen des Arbeitsmarktes und der Möglichkeit einer beruflichen Verbesserung ausgeschlossen. Dies wäre mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit in Artikel 12 Grundgesetz (GG) nicht zu vereinbaren. Es muss Arbeitnehmern zugebilligt werden, einen günstigeren - wenn auch befristeten - Arbeitsvertrag abzuschließen, wenn sich für sie hierzu die Gelegenheit bietet (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.05.2001, Az.: L 6 AL 1328/00; Entscheidung bestätigt durch Beschluss des BSG vom 13.11.2001, Az.: B 11 AL 47/01 R). Ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers an der Eingehung eines - wenn auch befristeten - Arbeitsverhältnisses ist geschützt durch das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Artikel 12 Abs. 1 GG. Bei der Klägerin bestand ein solches Interesse nicht nur wegen der Möglichkeit, eine qualifizierte berufliche Tätigkeit auszuüben, sondern auch wegen eines höheren Arbeitsentgelts. Während sie für den Monat der Tätigkeit bei der Firma B GmbH 1.130,00 Euro brutto erhielt, wurden ihr in dem befristeten Arbeitsverhältnis monatlich durchschnittlich 1.500,00 Euro brutto gezahlt. Es ist der Klägerin nicht zuzumuten, auf günstigere Arbeitsbedingungen in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu verzichten und stattdessen auf die Chance eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit gleichen Vertragsbedingungen zu hoffen. Das Interesse der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung an der Vermeidung des Eintritts der Arbeitslosigkeit überwiegt nur, wenn eine Arbeitslosigkeit nach Ablauf des befristeten Anschlussarbeitsverhältnisses überwiegend wahrscheinlich ist. Die Möglichkeit, vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses ein anderes Anschlussarbeitsverhältnis zu finden, dürfte in der Regel gegeben sein, sofern nicht Umstände des Einzelfalles dagegen sprechen, wie zum Beispiel eine vorausgegangene Langzeitarbeitslosigkeit des betroffenen Arbeitnehmers. Solche besonderen Umstände lagen bei der Klägerin nicht vor. Im Gegenteil, sie hat ihre Bereitschaft zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit dokumentiert, indem sie nach zwei Wochen Arbeitslosigkeit im Februar 2002 ein Arbeitsverhältnis bei der Firma B GmbH annahm, bei der sie ein geringeres Arbeitsentgelt erhielt als in ihrem vorausgegangenen Arbeitsverhältnis.
Da eine Sperrzeit nicht eingetreten ist, ist der Klägerin ab dem 14.12.2002 der Restanspruch des am 16.01.2002 entstandenen Arbeitslosengeldanspruchs ohne Minderung der Anspruchsdauer wieder zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen wegen der Aufgabe eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses seitens der Klägerin zwecks Wechsel in ein befristetes Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin ist 1980 geboren. In den Jahren 1997 bis 2000 absolvierte sie erfolgreich eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Danach stand sie ein Jahr (02.01.2001 bis 15.01.2002) in einem Beschäftigungsverhältnis bei einer Zeitarbeitsfirma als kaufmännische Mitarbeiterin. Vom 16.01. bis 31.01.2002 war die Klägerin zwei Wochen arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 310,00 Euro. Ab dem 01.02.2002 arbeitete die Klägerin als Verkaufsassistentin bei der Firma B GmbH. Dieses Arbeitsverhältnis endete durch einen Aufhebungsvertrag vom 27.02.2002 am 28.02.2002. Die Klägerin erhielt für diese Tätigkeit ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1.130,00 Euro brutto. Ohne sich zwischenzeitlich arbeitslos zu melden stand die Klägerin vom 11.03. bis 13.12.2002 in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis als kaufmännische Angestellte bei der Zeitarbeitsfirma Q AG & Co. KG. Die Klägerin erhielt ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in unterschiedlicher Höhe, durchschnittlich etwa 1.500,00 Euro monatlich.
Die Klägerin meldete sich im November mit Wirkung zum 14.12.2002 arbeitslos. Mit Bescheid vom 21.02.2003 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen für die Zeit vom 14.12.2002 bis 07.03.2003 fest. In diesem Zeitraum ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Eine Sperrzeit sei festzusetzen, da die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Firma B GmbH durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst habe. Diese Arbeitsaufgabe sei für die später eingetretene Arbeitslosigkeit nach dem Ende des Anschlussarbeitsverhältnisses ursächlich, da dieses Arbeitsverhältnis von vornherein nur befristet gewesen sei. Die Klägerin habe schon bei der seinerzeitigen Auflösung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses erkennen können, dass sie möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt arbeitslos werde. Gesetzliche Rechtsfolge der Sperrzeit sei eine Minderung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 84 Tage.
Die Klägerin legte gegen den Sperrzeitbescheid der Beklagten Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, dass sie bei der Firma Q die Möglichkeit erhalten habe, in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten. Dies sei ihr wichtig erschienen, weil ihre bisherigen Bewerbungen wegen mangelnder Berufserfahrung abgelehnt worden seien. Außerdem habe eine Übernahmemöglichkeit in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden. Sie sei sich keines schuldhaften Verhaltens bewusst, das eine Sperrzeit begründe. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass die Klägerin ihre Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe, indem sie ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gekündigt und lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis eingegangen sei. Damit habe der Eintritt der Arbeitslosigkeit nach dem Ende des befristeten Vertrages bereits festgestanden. Ein wichtiger Grund für das Verhalten der Klägerin bestehe nicht. Es sei ihr auch bei einer berufsfremden Tätigkeit zuzumuten gewesen, das unbefristete Beschäftigungsverhältnis bei der Firma B GmbH weiter fortzuführen bis sie nahtlos ein neues unbefristetes Arbeitsverhältnis hätte eingehen können. So wäre der Eintritt der Arbeitslosigkeit vermieden worden.
Die Klägerin hat am 04.03.2003 Klage erhoben. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Im Erörterungstermin vom 16.02.2004 hat die Klägerin erklärt, dass sie bei der Firma B GmbH als Call-Center-Agentin im Telefonverkauf gearbeitet habe. Von der Zeitarbeitsfirma Q habe sie das Angebot erhalten, in ihrem Beruf bei der T AG eingesetzt zu werden. Gleichzeitig habe sie eine Garantie der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis bei der Firma T erhalten, wenn es gut laufe. Dazu sei es dann nicht gekommen, da die Firma ihren Sitz zur Hauptfiliale nach O verlegt habe.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Nach ihrem schriftlichen Vorbringen beantragt die Klägerin, den Bescheid der Beklagten vom 21.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 14.12.2002 Arbeitslosengeld ohne Minderung der Anspruchsdauer zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Sachverhalt weiter aufzuklären sei. Es sei entscheidungserheblich, ob der Klägerin tatsächlich eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei der Firma T in Aussicht gestellt worden sei.
Zur Darstellung des weiteren Sach- und Streitgegenstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten vom 21.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2003 beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Der Bescheid ist rechtswidrig.
Die Voraussetzungen einer Sperrzeit liegen nicht vor. Der Klägerin steht das beantragte Arbeitslosengeld ab dem 14.12.2002 zu. Gemäß § 117 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr. 3). Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin aufgrund ihrer Arbeitslosmeldung vom November 2002 mit Wirkung zum Tag nach dem Ende ihres befristeten Beschäftigungsverhältnisses vor. Eine neue Anwartschaftszeit für einen Arbeitslosengeldanspruch (12 Monate gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) ist durch die beiden Arbeitsverhältnisse in der Zeit vom 01.02. bis 13.12.2002 nicht erfüllt worden. Der Klägerin ist aber der am 16.01.2002 entstandene Anspruch mit der nicht verbrauchten Restanspruchsdauer wieder zu bewilligen. Der Leistungsanspruch der Klägerin ruhte nicht wegen des Eintritts einer Sperrzeit.
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit wegen einer Arbeitsaufgabe ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Klägerin hat durch die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag das Beschäftigungsverhältnis mit der Firma B GmbH zum 28.02.2002 gelöst, um ein befristetes Arbeitsverhältnis einzugehen. Durch dieses Verhalten hat sie die Arbeitslosigkeit nach dem Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses herbeigeführt. Dies geschah jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) führt ein Arbeitnehmer mit einer Lösung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitslosigkeit in der Regel grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl. BSG, SozR 3 - 4100 § 119 Nr. 14 m.w.N.). Die Klägerin hatte bei Abschluss des Aufhebungsvertrages einen Anschlussarbeitsplatz bei einer Zeitarbeitsfirma. Ihr ist wegen des Eintritts der Arbeitslosigkeit nach Ablauf der Befristung des Anschlussarbeitsverhältnisses kein gesteigertes Verschulden vorzuwerfen. Grob fahrlässig ist die Arbeitslosigkeit nur dann herbeigeführt, wenn der Arbeitslose die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Definition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X). Dies ist der Fall, wenn ausgehend von einem subjektivem Sorgfaltsmaßstab schon einfachste ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden. Die Klägerin hat ihre spätere Arbeitslosigkeit nicht leichtsinnig unter Hinwegsetzung über einfachste ganz naheliegende Überlegungen herbeigeführt. Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer bereits daraus, dass es nicht ausgeschlossen war, dass die Klägerin die Chance hatte, ein weiteres Anschlussarbeitsverhältnis einzugehen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass wegen der beruflichen Biographie der Klägerin oder wegen individueller persönlicher Eigenschaften besondere Hemmnisse für die Arbeitsvermittlung bestanden. So müssen bei der heutigen Arbeitsmarktlage beispielsweise ältere und/oder langzeitarbeitslose Personen damit rechnen, nur unter Schwierigkeiten einen Arbeitsplatz zu erhalten. Solche Überlegungen sind bei der Aufgabe eines sicheren unbefristeten Arbeitsplatzes zugunsten eines befristeten Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Demgegenüber konnte die erst 22 Jahre alte Klägerin damit rechnen, dass ihr eine zusätzliche Berufserfahrung im erlernten Beruf auch zusätzliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Wegen dieser sinnvollen Überlegung ist der Klägerin kein leichtsinniges Verhalten vorzuwerfen. Nach Auffassung der Kammer ist es deshalb auch nicht entscheidungserheblich, ob der Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages von der Zeitarbeitsfirma bzw. dem entleihenden Unternehmen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses konkret in Aussicht gestellt worden ist. Weiterer Ermittlungen zur Aufklärung dieses von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalts bedurfte es daher nicht.
Eine Sperrzeit ist aber nicht nur wegen des Fehlens der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung der Arbeitslosigkeit zu verneinen, sondern auch deshalb, weil für das Verhalten der Klägerin (Abschluss des Aufhebungsvertrages bezüglich des unbefristeten Arbeitsverhältnisses) ein wichtiger Grund vorliegt. Grundsätzlich soll eine Sperrzeit nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (stRspr BSGE 21, 205; 43, 269). Die Klägerin hat ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis, in dem sie sich allerdings noch in der Probezeit befand, gewechselt, um in ihrem erlernten Beruf als kaufmännische Angestellte zu arbeiten. Für das berufliche Fortkommen der Klägerin, die erst vor 1 1/2 Jahren ihre Ausbildung beendet hat, war es wichtig, die erlernten beruflichen Kenntnisse im kaufmännischen Bereich auszubauen bzw. zu erhalten. Die Tätigkeit als kaufmännische Angestellte in einer Zeitarbeitsfirma eröffnete ihr größere beruflichen Perspektiven als die Ausübung einer angelernten Hilfstätigkeit in einem Call-Center. Die Klägerin hat die Chancen, die der Arbeitsmarkt bietet, wahrgenommen. Auch die Beklagte weist Arbeitslose bei Vermittlungsvorschlägen für Tätigkeiten in Zeitarbeitsfirmen darauf hin, dass auf diese Weise der Einstieg in ein Arbeitsverhältnis bei einer Entleihfirma ermöglicht wird. Der an einem anderen Arbeitsplatz interessierte Arbeitnehmer ist darauf angewiesen, die auf dem Arbeitsmarkt angebotenen, vom Arbeitgeber ausgehenden Arbeitsvertragsbedingungen anzunehmen. So werden in immer größerem Umfang zunächst nicht unbefristete, sondern befristete Arbeitsverhältnisse angeboten. Dieser Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat auch der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem Arbeitgebern erweiterte rechtliche Möglichkeiten zur Befristung von Erstarbeitsverhältnissen eingeräumt wurden (durch das zum 01.01.2001 in Kraft getretene Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge, dem Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG - vom 21.12.2000 BGBl. I S. 1966 vom 21.12.2000).
Würde an den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages im Falle anschließender Arbeitslosigkeit regelmäßig ein Sperrzeittatbestand anknüpfen, wären Arbeitnehmer in wachsendem Maße von wesentlichen Teilen des Arbeitsmarktes und der Möglichkeit einer beruflichen Verbesserung ausgeschlossen. Dies wäre mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit in Artikel 12 Grundgesetz (GG) nicht zu vereinbaren. Es muss Arbeitnehmern zugebilligt werden, einen günstigeren - wenn auch befristeten - Arbeitsvertrag abzuschließen, wenn sich für sie hierzu die Gelegenheit bietet (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.05.2001, Az.: L 6 AL 1328/00; Entscheidung bestätigt durch Beschluss des BSG vom 13.11.2001, Az.: B 11 AL 47/01 R). Ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers an der Eingehung eines - wenn auch befristeten - Arbeitsverhältnisses ist geschützt durch das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Artikel 12 Abs. 1 GG. Bei der Klägerin bestand ein solches Interesse nicht nur wegen der Möglichkeit, eine qualifizierte berufliche Tätigkeit auszuüben, sondern auch wegen eines höheren Arbeitsentgelts. Während sie für den Monat der Tätigkeit bei der Firma B GmbH 1.130,00 Euro brutto erhielt, wurden ihr in dem befristeten Arbeitsverhältnis monatlich durchschnittlich 1.500,00 Euro brutto gezahlt. Es ist der Klägerin nicht zuzumuten, auf günstigere Arbeitsbedingungen in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu verzichten und stattdessen auf die Chance eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit gleichen Vertragsbedingungen zu hoffen. Das Interesse der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung an der Vermeidung des Eintritts der Arbeitslosigkeit überwiegt nur, wenn eine Arbeitslosigkeit nach Ablauf des befristeten Anschlussarbeitsverhältnisses überwiegend wahrscheinlich ist. Die Möglichkeit, vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses ein anderes Anschlussarbeitsverhältnis zu finden, dürfte in der Regel gegeben sein, sofern nicht Umstände des Einzelfalles dagegen sprechen, wie zum Beispiel eine vorausgegangene Langzeitarbeitslosigkeit des betroffenen Arbeitnehmers. Solche besonderen Umstände lagen bei der Klägerin nicht vor. Im Gegenteil, sie hat ihre Bereitschaft zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit dokumentiert, indem sie nach zwei Wochen Arbeitslosigkeit im Februar 2002 ein Arbeitsverhältnis bei der Firma B GmbH annahm, bei der sie ein geringeres Arbeitsentgelt erhielt als in ihrem vorausgegangenen Arbeitsverhältnis.
Da eine Sperrzeit nicht eingetreten ist, ist der Klägerin ab dem 14.12.2002 der Restanspruch des am 16.01.2002 entstandenen Arbeitslosengeldanspruchs ohne Minderung der Anspruchsdauer wieder zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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