Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
33
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 75/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid des Beklagten vom 26.02.2002 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, den Antrag der Beigeladenen zu 1.) auf den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 21.08.2000 zurückzuweisen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen im Quartal III/1999 in Höhe von 159,97 Euro.
Der Kläger ist als praktischer Arzt in L niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Mai 2000 beantragte die Beigeladene zu 1) die Festsetzung eines Regresses wegen der Verordnung des Mittels Thym-Uvocal, da diese Verordnung gegen Ziffer 17.1 m der Arzneimittel-Richtlinien verstoße, wonach sogenannte Zellulartherapeutika und Organhydrolysate nicht verordnungsfähig seien. Der Kläger äußerte sich zu dem Regressantrag dahin, es handele sich um ein zugelassenes Medikament, das entsprechend dem Indikationsbereich bei einer Tumorpatientin eingesetzt worden sei. Der Prüfungsausschuß setzte mit Bescheid vom 21.08.2000 einen Regreß in Höhe der Netto-Verordnungskosten von 159,97 Euro fest, da es sich um ein nach Ziffer 17.1 m der Arzneimittelrichtlinien nicht zulässiges Arzneimittel handele. Zur Begründung seines dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, es handele sich nicht um ein Arzneimittel, das gemäß Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen sei, da es sich nicht um ein Zellulartherapeutikum oder ein Organhydrolysat handele. Selbst wenn jedoch Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien einschlägig wäre, würde hieraus kein Ausschluß der Verordnungsfähigkeit folgen, zumal dem Bundesausschuß die entsprechende Regelungskompetenz fehle und ein Verordnungsausschluß mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht unvereinbar wäre. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 26.02.2002 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es stehe zweifelsfrei fest, daß das Präparat Thym-Uvocal aus Thymuspeptiden bestehe und somit ein Organpräparat darstelle. Entsprechend habe der Ausschuß das Präparat im weiteren Sinne dem Punkt 17.1 m der Arzneimittelrichtlinien zugeordnet. Diese seien als verbindliche Richtlinie über eine entsprechende Arzneimittelverordnung anzusehen, so daß Arzneimittel, die hierin als unzulässig angesehen würden, nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden könnten. Hinzuweisen sei darauf, daß das Präparat in der Roten Liste unter dem Abschnitt "Immunmodulatoren/Immunstimulanzien aus Enzymen, Organen und/oder Mikroorganismen" eingeordnet sei und deshalb seine Verordnung auch nach Ziffer 17.2 der Arzneimittelrichtlinien weitgehend als unzulässig angesehen werden könne.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage, zu deren Begründung der Kläger zunächst Bedenken äußert gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten im Hinblick darauf, daß dieser später als fünf Monate nach der Beschlussfassung zur Post gegeben worden sei. Im übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und macht ergänzend geltend, es handele sich bei dem streitigen Mittel nicht um ein Organhydolysat sondern um ein Peptid-Präparat. Hierzu legt er eine gutachterliche Stellungnahme einer Diplom-Biologin vor. Die Auffassung des Beklagten, ein Präparat, daß Thymuspeptide enthalte, sei als Organpräparat zu qualifizieren, sei weder nachvollziehbar noch haltbar. Nach einer Stellungnahme des Arbeitsausschusses "Arzneimittelrichtlinien" des Bundesausschusses vom 14.08.1994 verstehe man unter Zellulartherapeutika alle Zellpräparationen tierischen Ursprungs im Rahmen der Frischzellentherapie. Organhydrolysate seien grobe Zubereitungen aus tierischen Organen, wie z. B. Milz- oder Knorpelhydolysate oder ähnliches. Nicht darunter zu verstehen seien aus Organen gewonnene Einzelsubstanzen wie etwa Heparin oder Pankreatin. Auch standardisierte Zubereitungen gehörten nicht unter den in Ziffer 17 der Arzneimittelrichtlinien gemeinten Begriff der Organhydrolysate, sofern sie auf einen wesentlichen Wirkstoff quantitativ standardisiert seien. Ausweislich der Roten Liste handele es sich bei Thym-Uvocal um ein standardisiertes Fertigarzneimittel, das als Wirkstoff niedermolekulare Thymus-Peptide (22 mg) enthalte. Keinesfalls handele es sich um eine grobe Zubereitung, die im Wege einer bloßen Hydrolyse gewonnen werde. Daß Thym-Uvocal nicht den von Ziffer 17.1 m der Arzneimittelrichtlinien erfaßten Mitteln zuzurechnen sei, habe auch der Prüfungsausschuß bei der KV Brandenburg festgestellt. In einer neueren Entscheidung vom 06.02.2003 habe auch der Beklagte seine anderweitige Auffassung aufgegeben und einem Widerspruch gegen eine Regreßfestsetzung wegen Verordnung von Thym-Uvocal stattgegeben, da es sich hierbei nicht um ein Organhydrolysat im Sinne von Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien handele. Die beteiligte Krankenkasse habe hiergegen keine Klage erhoben. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ergäben sich im übrigen aus den Arzneimittelrichtlinien keine verbindlichen Verordnungsausschlüsse. Nr. 17 der Arzneimittelrichtlinien müsse im Wege gesetzeskonformer Auslegung dahin verstanden und angewendet werden, daß diese Bestimmung das Wirtschaftlichkeitsgebot konkretisiere, während sich generelle Verordnungsausschlüsse nur aus dem Gesetz oder Rechtsverordnungen ergeben könnten. Die Auffassung, bei Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien handele es sich um eine verbindliche Ausschlußregelung, habe mittlerweile auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ausdrücklich abgelehnt (Urteil vom 30.01.2003 - L 16 KR 7/02 -). An der Zulässigkeit der Verordnung ändere sich auch dann nichts, wenn man Ziffer 17.2 der Arzneimittelrichtlinien für anwendbar halte. Insoweit fehle es bereits an der erforderlichen auf den Einzelfall bezogenen Prüfung, insbesondere könne aber erst recht Ziffer 17.2 der Arzneimittelrichtlinien nicht als genereller Leistungsausschluß verstanden werden. Schließlich enthalte der Bescheid keine Ausführungen dazu, weshalb ein schuldhaftes ärztliches Fehlverhalten angenommen und die Festsetzung eines Regresses als notwendig angesehen worden sei, obgleich keine Informationen oder Beratungen erfolgt seien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26.02.2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 21.08.2000 auf den Widerspruch des Klägers aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, nach Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte handele es sich bei Thym-Uvocal um ein Organextrakt mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil "Thymusdrüse-vom-Rind-Hydrolysat, enteiweißt". Damit sei es eindeutig Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien zuzuordnen und von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen. Die Arzneimittelrichtlinien seien keinesfalls lediglich Leitlinien, sondern von Vertragsärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zu beachten. Soweit einzelne Klagen gegen einzelne Punkte der Arzneimittelrichtlinien Erfolg gehabt hätten, habe es sich um Einzelfälle gehandelt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil dieser nicht rechtmäßig ist.
Der Bescheid des Beklagten ist allerdings nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil er später als fünf Monate nach der Beschlussfassung zum Zwecke der Zustellung zur Post gegeben worden ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 38/94 -). Zwar ist die Bescheidausfertigung des Beschlusses vom 27.09.2001 dem Bevollmächtigten des Klägers erst später als fünf Monate nach der Beschlussfassung zugegangen. Dies ist jedoch nicht darauf zurückzuführen, daß der Beschluss verspätet als Bescheid abgefaßt und zur Post gegeben worden wäre. Wie sich aus den Akten des Beklagten ergibt, ist der Bescheid vielmehr erstmals am 26.02.2002, also innerhalb der Fünf-Monats-Frist, zur Post gegeben worden, wenn auch unter Angabe einer irrtümlich unzutreffenden Anschrift der Bevollmächtigten des Klägers.
Nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt auch das Fehlen von Ausführungen zu einem schuldhaften ärztlichen Fehlverhalten. Denn da es sich bei der Festsetzung eines Regresses wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nicht um die Feststellung eines sonstigen Schadens in Folge schuldhafter Verletzung vertragsärztlicher Verletzung handelt (BSG, Urteil vom 14.03.2001 - B 6 KA 18/00 R -), ist für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Regressfestsetzung nicht von Bedeutung, ob und inwieweit den Arzt ein Verschulden trifft.
Die Festsetzung eines Regresses ist jedoch nicht gerechtfertigt, da der Kläger nicht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 3 der Prüfvereinbarung in ungerechtfertigter Weise bei Arzneiverordnungen Rechtsverordnungen oder Richtlinien des Bundesausschusses unbeachtet gelassen hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Arzneimittelrichtlinien verbindliche Verordnungsausschlüsse enthalten. Denn das hier streitige Mittel unterfällt den Ausschlußtatbeständen der Arzneimittelrichtlinien nicht.
Gemäß Ziffer 17.1 m der Arzneimittelrichtlinien dürfen sogenannte Zellulartherapeutika und Organhydrolysate - von den genannten Ausnahmen abgesehen - nicht verordnet werden. Das Mittel Thym-Uvocal stellt jedoch kein Organhydrolysat im Sinne dieser Vorschrift dar. Die Kammer folgt insoweit der schlüssigen Interpretation des Arbeitsausschusses Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses, nach der die genannte Regelung grobe Zubereitungen erfaßt, nicht aber auf einen wesentlichen Wirkstoff quantitativ standardisierte Zubereitungen. Bei dem Mittel Thym-Uvocal handelt es sich ausweislich der Angaben in der Roten Liste jedoch um ein auf den Wirkstoff niedermolekulare Thymus-Peptide quantitativ standardisierte Zubereitung.
Ein verbindlicher Verordnungsausschluß ergibt sich auch nicht aus Ziffer 17.2 f der Arzneimittelrichtlinien. Nach dieser Regelung dürfen unter anderem sogenannte Umstimmungsmittel und Immunstimulantien nur verordnet werden unter der Voraussetzung, daß zuvor allgemeine nicht medikamentöse Maßnahmen genutzt wurden (z.B. diätetischer oder physikalischer Art, Lebensführung, körperliches Training etc.) hierdurch aber das Behandlungsziel nicht erreicht werden konnte und eine medikamentöse Behandlung mit diesen Arzneimitteln zusätzlich erforderlich ist. Unabhängig davon, daß der Beschlussfassung des Beklagten insoweit einzelfallbezogene Feststellungen nicht zu Grunde liegen, geht die Kammer, die sich insoweit auch auf die Sachkunde bzw. das ärztliche Erfahrungswissen ihrer ehrenamtlichen Richter stützt, davon aus, daß das vom Kläger entsprechend dem Anwendungsbereich "spezifische Immunstimulierung, unter anderem als Zusatztherapie bei Tumoren" bei einer Tumor-Patientin verordnete Mittel nicht durch allgemeine nichtmedikamentöse Maßnahmen zu ersetzen war. Bestätigt sieht sich die Kammer insoweit auch durch die nachfolgende Entscheidung des Beklagten in einem anderen Verfahren vom 16.02.2003, in welcher dieser ebenfalls zu der Erkenntnis gelangt war, daß die Verordnung des Mittels Thym-Uvocal nicht nach Nr. 17 der Arzneimittelrichtlinien ausgeschlossen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindlung mit § 154 VwGO.
Einen Anlaß die ausgeschlossene Berufung zuzulassen, hat die Kammer nicht gesehen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen im Quartal III/1999 in Höhe von 159,97 Euro.
Der Kläger ist als praktischer Arzt in L niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Mai 2000 beantragte die Beigeladene zu 1) die Festsetzung eines Regresses wegen der Verordnung des Mittels Thym-Uvocal, da diese Verordnung gegen Ziffer 17.1 m der Arzneimittel-Richtlinien verstoße, wonach sogenannte Zellulartherapeutika und Organhydrolysate nicht verordnungsfähig seien. Der Kläger äußerte sich zu dem Regressantrag dahin, es handele sich um ein zugelassenes Medikament, das entsprechend dem Indikationsbereich bei einer Tumorpatientin eingesetzt worden sei. Der Prüfungsausschuß setzte mit Bescheid vom 21.08.2000 einen Regreß in Höhe der Netto-Verordnungskosten von 159,97 Euro fest, da es sich um ein nach Ziffer 17.1 m der Arzneimittelrichtlinien nicht zulässiges Arzneimittel handele. Zur Begründung seines dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, es handele sich nicht um ein Arzneimittel, das gemäß Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen sei, da es sich nicht um ein Zellulartherapeutikum oder ein Organhydrolysat handele. Selbst wenn jedoch Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien einschlägig wäre, würde hieraus kein Ausschluß der Verordnungsfähigkeit folgen, zumal dem Bundesausschuß die entsprechende Regelungskompetenz fehle und ein Verordnungsausschluß mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht unvereinbar wäre. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 26.02.2002 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es stehe zweifelsfrei fest, daß das Präparat Thym-Uvocal aus Thymuspeptiden bestehe und somit ein Organpräparat darstelle. Entsprechend habe der Ausschuß das Präparat im weiteren Sinne dem Punkt 17.1 m der Arzneimittelrichtlinien zugeordnet. Diese seien als verbindliche Richtlinie über eine entsprechende Arzneimittelverordnung anzusehen, so daß Arzneimittel, die hierin als unzulässig angesehen würden, nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden könnten. Hinzuweisen sei darauf, daß das Präparat in der Roten Liste unter dem Abschnitt "Immunmodulatoren/Immunstimulanzien aus Enzymen, Organen und/oder Mikroorganismen" eingeordnet sei und deshalb seine Verordnung auch nach Ziffer 17.2 der Arzneimittelrichtlinien weitgehend als unzulässig angesehen werden könne.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage, zu deren Begründung der Kläger zunächst Bedenken äußert gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten im Hinblick darauf, daß dieser später als fünf Monate nach der Beschlussfassung zur Post gegeben worden sei. Im übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und macht ergänzend geltend, es handele sich bei dem streitigen Mittel nicht um ein Organhydolysat sondern um ein Peptid-Präparat. Hierzu legt er eine gutachterliche Stellungnahme einer Diplom-Biologin vor. Die Auffassung des Beklagten, ein Präparat, daß Thymuspeptide enthalte, sei als Organpräparat zu qualifizieren, sei weder nachvollziehbar noch haltbar. Nach einer Stellungnahme des Arbeitsausschusses "Arzneimittelrichtlinien" des Bundesausschusses vom 14.08.1994 verstehe man unter Zellulartherapeutika alle Zellpräparationen tierischen Ursprungs im Rahmen der Frischzellentherapie. Organhydrolysate seien grobe Zubereitungen aus tierischen Organen, wie z. B. Milz- oder Knorpelhydolysate oder ähnliches. Nicht darunter zu verstehen seien aus Organen gewonnene Einzelsubstanzen wie etwa Heparin oder Pankreatin. Auch standardisierte Zubereitungen gehörten nicht unter den in Ziffer 17 der Arzneimittelrichtlinien gemeinten Begriff der Organhydrolysate, sofern sie auf einen wesentlichen Wirkstoff quantitativ standardisiert seien. Ausweislich der Roten Liste handele es sich bei Thym-Uvocal um ein standardisiertes Fertigarzneimittel, das als Wirkstoff niedermolekulare Thymus-Peptide (22 mg) enthalte. Keinesfalls handele es sich um eine grobe Zubereitung, die im Wege einer bloßen Hydrolyse gewonnen werde. Daß Thym-Uvocal nicht den von Ziffer 17.1 m der Arzneimittelrichtlinien erfaßten Mitteln zuzurechnen sei, habe auch der Prüfungsausschuß bei der KV Brandenburg festgestellt. In einer neueren Entscheidung vom 06.02.2003 habe auch der Beklagte seine anderweitige Auffassung aufgegeben und einem Widerspruch gegen eine Regreßfestsetzung wegen Verordnung von Thym-Uvocal stattgegeben, da es sich hierbei nicht um ein Organhydrolysat im Sinne von Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien handele. Die beteiligte Krankenkasse habe hiergegen keine Klage erhoben. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ergäben sich im übrigen aus den Arzneimittelrichtlinien keine verbindlichen Verordnungsausschlüsse. Nr. 17 der Arzneimittelrichtlinien müsse im Wege gesetzeskonformer Auslegung dahin verstanden und angewendet werden, daß diese Bestimmung das Wirtschaftlichkeitsgebot konkretisiere, während sich generelle Verordnungsausschlüsse nur aus dem Gesetz oder Rechtsverordnungen ergeben könnten. Die Auffassung, bei Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien handele es sich um eine verbindliche Ausschlußregelung, habe mittlerweile auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ausdrücklich abgelehnt (Urteil vom 30.01.2003 - L 16 KR 7/02 -). An der Zulässigkeit der Verordnung ändere sich auch dann nichts, wenn man Ziffer 17.2 der Arzneimittelrichtlinien für anwendbar halte. Insoweit fehle es bereits an der erforderlichen auf den Einzelfall bezogenen Prüfung, insbesondere könne aber erst recht Ziffer 17.2 der Arzneimittelrichtlinien nicht als genereller Leistungsausschluß verstanden werden. Schließlich enthalte der Bescheid keine Ausführungen dazu, weshalb ein schuldhaftes ärztliches Fehlverhalten angenommen und die Festsetzung eines Regresses als notwendig angesehen worden sei, obgleich keine Informationen oder Beratungen erfolgt seien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26.02.2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 21.08.2000 auf den Widerspruch des Klägers aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, nach Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte handele es sich bei Thym-Uvocal um ein Organextrakt mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil "Thymusdrüse-vom-Rind-Hydrolysat, enteiweißt". Damit sei es eindeutig Ziffer 17.1 der Arzneimittelrichtlinien zuzuordnen und von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen. Die Arzneimittelrichtlinien seien keinesfalls lediglich Leitlinien, sondern von Vertragsärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zu beachten. Soweit einzelne Klagen gegen einzelne Punkte der Arzneimittelrichtlinien Erfolg gehabt hätten, habe es sich um Einzelfälle gehandelt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil dieser nicht rechtmäßig ist.
Der Bescheid des Beklagten ist allerdings nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil er später als fünf Monate nach der Beschlussfassung zum Zwecke der Zustellung zur Post gegeben worden ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 38/94 -). Zwar ist die Bescheidausfertigung des Beschlusses vom 27.09.2001 dem Bevollmächtigten des Klägers erst später als fünf Monate nach der Beschlussfassung zugegangen. Dies ist jedoch nicht darauf zurückzuführen, daß der Beschluss verspätet als Bescheid abgefaßt und zur Post gegeben worden wäre. Wie sich aus den Akten des Beklagten ergibt, ist der Bescheid vielmehr erstmals am 26.02.2002, also innerhalb der Fünf-Monats-Frist, zur Post gegeben worden, wenn auch unter Angabe einer irrtümlich unzutreffenden Anschrift der Bevollmächtigten des Klägers.
Nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt auch das Fehlen von Ausführungen zu einem schuldhaften ärztlichen Fehlverhalten. Denn da es sich bei der Festsetzung eines Regresses wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nicht um die Feststellung eines sonstigen Schadens in Folge schuldhafter Verletzung vertragsärztlicher Verletzung handelt (BSG, Urteil vom 14.03.2001 - B 6 KA 18/00 R -), ist für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Regressfestsetzung nicht von Bedeutung, ob und inwieweit den Arzt ein Verschulden trifft.
Die Festsetzung eines Regresses ist jedoch nicht gerechtfertigt, da der Kläger nicht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 3 der Prüfvereinbarung in ungerechtfertigter Weise bei Arzneiverordnungen Rechtsverordnungen oder Richtlinien des Bundesausschusses unbeachtet gelassen hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Arzneimittelrichtlinien verbindliche Verordnungsausschlüsse enthalten. Denn das hier streitige Mittel unterfällt den Ausschlußtatbeständen der Arzneimittelrichtlinien nicht.
Gemäß Ziffer 17.1 m der Arzneimittelrichtlinien dürfen sogenannte Zellulartherapeutika und Organhydrolysate - von den genannten Ausnahmen abgesehen - nicht verordnet werden. Das Mittel Thym-Uvocal stellt jedoch kein Organhydrolysat im Sinne dieser Vorschrift dar. Die Kammer folgt insoweit der schlüssigen Interpretation des Arbeitsausschusses Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses, nach der die genannte Regelung grobe Zubereitungen erfaßt, nicht aber auf einen wesentlichen Wirkstoff quantitativ standardisierte Zubereitungen. Bei dem Mittel Thym-Uvocal handelt es sich ausweislich der Angaben in der Roten Liste jedoch um ein auf den Wirkstoff niedermolekulare Thymus-Peptide quantitativ standardisierte Zubereitung.
Ein verbindlicher Verordnungsausschluß ergibt sich auch nicht aus Ziffer 17.2 f der Arzneimittelrichtlinien. Nach dieser Regelung dürfen unter anderem sogenannte Umstimmungsmittel und Immunstimulantien nur verordnet werden unter der Voraussetzung, daß zuvor allgemeine nicht medikamentöse Maßnahmen genutzt wurden (z.B. diätetischer oder physikalischer Art, Lebensführung, körperliches Training etc.) hierdurch aber das Behandlungsziel nicht erreicht werden konnte und eine medikamentöse Behandlung mit diesen Arzneimitteln zusätzlich erforderlich ist. Unabhängig davon, daß der Beschlussfassung des Beklagten insoweit einzelfallbezogene Feststellungen nicht zu Grunde liegen, geht die Kammer, die sich insoweit auch auf die Sachkunde bzw. das ärztliche Erfahrungswissen ihrer ehrenamtlichen Richter stützt, davon aus, daß das vom Kläger entsprechend dem Anwendungsbereich "spezifische Immunstimulierung, unter anderem als Zusatztherapie bei Tumoren" bei einer Tumor-Patientin verordnete Mittel nicht durch allgemeine nichtmedikamentöse Maßnahmen zu ersetzen war. Bestätigt sieht sich die Kammer insoweit auch durch die nachfolgende Entscheidung des Beklagten in einem anderen Verfahren vom 16.02.2003, in welcher dieser ebenfalls zu der Erkenntnis gelangt war, daß die Verordnung des Mittels Thym-Uvocal nicht nach Nr. 17 der Arzneimittelrichtlinien ausgeschlossen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindlung mit § 154 VwGO.
Einen Anlaß die ausgeschlossene Berufung zuzulassen, hat die Kammer nicht gesehen.
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