S 8 KR 24/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 24/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Verfahrenskosten werden der Beklagten auferlegt. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage der Erstattung von Kosten für eine vertragsärztliche ambulante Behandlung in Höhe von 305,80 Euro.

Die damals in der Pfalz lebende gesetzlich Krankenversicherte A.B. war bis zum 09.10.2001 Mitglied der Klägerin und ab dem 10.10.2001 Mitglied der Beklagten. In der Zeit vom 16.10. bis zum 20.12.2001 begab sie sich unter Nutzung der Versichertenkarte der Klägerin bei drei Vertragsärzten in ambulante Behandlung.

Am 04.02.2002 meldete die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch an und konkretisierte diesen am 20.03.2002 auf den Betrag von 305,80 Euro. Auf den Inhalt des Schreibens vom 20.03.2002 und der dort dargelegten Aufschlüsselung des Betrages wird Bezug genommen.

Nachdem die Beklagte der Zahlungsaufforderung der Klägerin nicht nachgekommen war, hat diese Klage beim Sozialgericht erhoben. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.11.1998 - B 1 KR 21/96 - und das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 11./12.05.2000 sowie vom 20./21.10.1999 macht sie geltend, dass ihr ein Erstattungsanspruch gemäß § 105 Abs. 1 SGB X zustehe. Nach der zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichtes könne der zuständige Leistungsträger nicht die Entrichtung der Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) dem Erstattungsanspruch entgegenhalten. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Krankenkassen für ambulante Behandlungen keine Einzelleistungen der Ärzte vergüte, sondern eine Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung entrichte, liege eine Sozialleistung im Sinne des § 105 SGB X vor, da im Zuge der Honorarverteilung durch die Kassenärztliche Vereinigung die Vergütung für den einzelnen ärztlichen Leistungsfall konkretisiert werde und für den jeweiligen Versicherten tatsächlich eine Leistung erbracht werde. Nur vor diesem Hintergrund sei es zu erklären, dass zwischen diversen Kassen Erstattungsverzichtsabkommen geschlossen wurden. Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehe kein solches Abkommen. Des Weiteren hat die Beklagte mitgeteilt, dass die von ihr für die Versicherte für das vierte Quartal 2001 an die KV Pfalz entrichtete Kopfpauschale 118,65 Euro betrage. Denselben Betrag hätte sie als Kopfpauschale auch zahlen müssen, wenn die Versicherte die Versichertenkarte der Klägerin ab dem 10.10.2001 nicht mehr benutzt hätte.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Kosten in Höhe von 305,80 Euro zu erstatten, die Nefiza Saiti durch Arzbesuche mit der Versicherten karte der Klägerin nach Beendigung der Mitgliedschaft verursacht hat.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unbegründet. Da Gegenstand des von der Klägerin zitierten Urteil des BSG ein Erstattungsanspruch eines Sozialamts gewesen wäre, sei dieser Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Vielmehr hätten das Sozialgericht Karlsruhe mit Urteil vom 13.12.1994 - S 3 Kr 554/94 - und das Sozialgericht Speyer mit Urteil vom 28.11.1994 - S 3 K 184/93 - in vergleichbaren Fällen Erstattungsansprüche abgelehnt. Sie selber habe für die Versicherte für das Quartal 4/2001 eine Kopfpauschale in Höhe von 82,33 Euro an die KV entrichtet. Dies wäre ebenfalls der Fall gewesen, wenn die Versicherte eine Versichertenkarte der Beklagten ab dem 10.10.2001 benutzt hätte.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und beigefügten Anlagen der Beteiligten sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten voll inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die allgemeine Leistungsklage ist unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch gemäß § 105 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) nicht zu.

Unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob es sich bei der gegenüber der Versicherten erbrachten Behandlung unter Berücksichtigung der von den Beteiligten geleisteten Gesamtvergütung um eine Sozialleistung handelt, scheitert der Anspruch bereits daran, dass vorliegend keine Erstattungslage gegeben ist. Denn bereits von seiner Wortbedeutung her setzt eine Erstattung entstandene Unkosten bzw. Auslagen voraus, die ausgeglichen werden sollen (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Stichwort: erstatten). Das eine solche Erstattungslage, d. h. ein Erfordernis nach Ausgleich entstandener Auslagen, vom Gesetzgeber vorausgesetzt wird, ergibt sich aus Wortlaut und Stellung sowie Sinn und Zweck des § 105 SGB X. § 105 Abs. 1 SGB X regelt, wann ein Leistungsträger "erstattungspflichtig" ist und stellt eine von mehreren Regelungen im Abschnitt "Erstattungsansprüche" der Leistungsträger untereinander dar. Die Regelung bezweckt, durch einen nachträglichen Ausgleich den Zustand herzustellen, wie er bei einer von Anfang an der gesetzlichen Zuständigkeit entsprechend erbrachten Leistung entstanden wäre (Hauck, § 105 SGB X, Rdnr. 1; Kassler Kommentar, § 105 SGB X, Rdnr. 2). Auch die Rechtsprechung geht davon aus, dass anspruchsbegründender Umstand im Rahmen eines Erstattunganspruchs regelmäßig der Aufwand von Kosten ist (BSG, Urteile vom 22.09.1981 - 1 RA 11/80 -; und 26.03.1980 - 3 RK 96/78 -). Sinn und Zweck des § 105 SGB X sowie der § 102 ff. SGB X ist der Ausgleich einer ungerechtfertigten Bereicherung zwischen einem zuständigen und unzuständigen Leistungsträger (Bayr. VGH, Urteil vom 13.08.1999 - 12 B 97.2814 -).

Vorliegend ist nach dem unstreitigen Vortrag beider Beteiligten eine solche ausgleichsbedürftige Lage nicht gegeben. Unter Berücksichtigung des durchgeführten Kopfpauschalen-Abrechnungssystems im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sind der Klägerin durch das Verhalten der Versicherten keine "Unkosten" entstanden. Sie musste keine Kosten aufwenden, die ihr ohne Inanspruchnahme der Versichertenkarte nach dem Ende der Mitgliedschaft der Versicherten nicht entstanden wären. Auf der anderen Seite hat die Beklagte auch keine Kosten erspart, die ihr entstanden wären, wenn die Versicherte ab dem 10.10.2001 die Versichertenkarte der Klägerin nicht mehr benutzt hatte. Bei dieser Sachlage würde ein der Klage stattgebendes Urteil vielmehr erst zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Klägerin führen, die vom Gesetzgeber nicht bezweckt ist. Ungeachtet der Frage einer Kostenersparnis der Beklagten war für die Klageabweisung erheblich, dass der Klägerin durch das Verhalten der Versicherten tatsächlich kein Kostenaufwand entstanden ist. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch maßgeblich von dem Sachverhalt, der dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 24.11.1998 zu Grunde lag. Unter Berücksichtigung des fehlenden Kostenaufwands der Klägerin im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob Erstattungsansprüche zwischen Krankenkassen, die an einer Gesamtvergütungsregelung beteiligt sind, überhaupt denkbar sind. Ebenso kann mangels Entscheidungserheblichkeit die Frage dahingestellt bleiben, ob sich die schuldbefreiende Wirkung gem. § 105 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB X nur auf das Verhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung und zu dem an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten beschränkt (so BSG im Urteil vom 24.11.1999 a.a.O.) oder da sie sich auch auf die an der Gesamtvergütungsregelung beteiligten gesetzlichen Krankenkassen erstreckt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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