S 55 SO 89/05 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
55
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 55 SO 89/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Gericht der Hauptsache kann, soweit – wie hier - ein Fall des § 86 b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 S. 1 und 2 SGG). Der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO-).

Vorliegend sind weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden.

Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat die Antragstellerin keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Übernahme der Kosten für die am 7. März 2005 beginnende Therapiemaßnahme der konduktiven Förderung nach Petö (im Folgenden: Petö-Therapie) für ihren im XXXXX 2000 geborenen Sohn L ...

Anzuwenden sind die Vorschriften des seit 1. Januar 2005 geltenden Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), auch wenn der Kostenübernahmeantrag der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin mit Datum vom 30. November 2004 – und damit noch unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) – gestellt worden ist. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Durchführung der beantragten Maßnahme, weil zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen müssen und die Prüfung nicht davon abhängig sein darf, ob der Antrag vor oder nach dem Jahreswechsel gestellt worden ist.

Bei der Petö-Therapie handelt es sich rechtlich um ein Heilmittel im Sinne des § 32 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), nämlich eine nicht ärztliche therapeutische Dienstleistung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. September 2004, Az.: 12 A 10886/04, veröffentlicht u.a. in ZFSH/SGB 2005, 43 ff.; BSG, Urteil vom 3. September 2003, Az.: B 1 KR 34/01 R, veröffentlicht u.a. in Breithaupt 2004, 407 ff.) als medizinische Rehabilitationsleistung.

Damit kommt grundsätzlich die Leistung als Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 26 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Betracht.

Eine Gewährung wäre jedoch nur dann möglich, wenn diese auch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen könnte, wie § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zeigt, dessen Hauptzweck die Vermeidung einer Besserstellung von Beziehern von Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gegenüber Rehabilitanden aus anderen Leistungssystemen ist (vgl. Hauck/Noftz-Voelzke, SGB XII, § 54 Rz. 56).

Die Petö-Therapie ist jedoch keine Kassenleistung, weil ihr therapeutischer Nutzen bisher nicht auf dem vom Gesetz vorgeschriebenen Weg durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgestellt worden ist (vgl. BSG, a.a.O., noch zum Zeitpunkt vor einer Befassung des Bundesausschusses). Aus diesem Grund hat auch die Krankenkasse der Antragstellerin eine Bewilligung der Leistung abgelehnt. Mittlerweile hat der Bundesausschuss nach Befassung mit dem Thema im Dezember 2004 beschlossen, die konduktive Förderung nach Petö nicht in die Heilmittel-Richtlinien aufzunehmen.

Hätte der Bundesausschuss anderweitig entschieden, wäre im Übrigen der Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die Antragsgegnerin ebenfalls unbegründet, weil dann die Krankenkasse der Antragstellerin wegen des Nachrangprinzips der Sozialhilfe (vgl. § 2 Abs. 1 SGB XII) zuständiger Leistungsträger wäre.

Schließlich liegt auch kein Antragsgrund im Sinne von Eilbedürftigkeit vor. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin seit der früher erfolgten Bewilligung einer Petö-Therapie, von der sie krankheitsbedingt keinen Gebrauch gemacht hatte, bis zur erneuten Antragstellung mehr als zwei Jahre verstreichen ließ und ihr Sohn L. erst im Sommer 2006 eingeschult werden wird, ist nicht ersichtlich, warum es nicht zumutbar sein soll, ein Hauptsacheverfahren abzuwarten und die Therapie zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 2005 oder der ersten Jahreshälfte 2006 durchzuführen. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung käme der grundsätzlich verbotenen Vorwegnahme der Hauptsache gleich.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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