Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 152/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin das von der Antragstellerin vertriebene Medikament Granocyte® als sog. "Me-Too-Präparat" bezeichnen, auf einer im Internet zugänglichen Liste führen und die Vertragsärzte unter Androhung eines Honorarabzugs dazu auffordern darf, dieses Präparat nur noch im Rahmen einer bestimmten Quote zu verordnen.
Die Antragstellerin vertreibt seit das seit 1985 patentgeschützte Präparat Granocyte®, dessen Patentschutz am 28.07.2008 abläuft. Der in dem Präparat enthaltene Wirkstoff Lenograstim (rHuG-CSF) wird mittels rekombinanter DNA-Technologie in Ovarialzellen des chinesischen Hamsters produziert. Hauptanwendungsgebiet des Arzneimittels ist die Verkürzung der Dauer von Neutropenien bei Patienten mit nicht-myeloischen malignen Erkrankungen.
Der gleichen Indikation dienen die Präparate Neupogen® und Neulasta® der Fa. B, deren Wirkstoffe Filgrastim bzw. Perfilgrastim mittels r-DNA-Technologie aus E. coli (K12) hergestellt werden. Das Patent für Filgrastim wurde am 22.08.1996 angemeldet.
Auf dem deutschen Markt eingeführt wurden Filgrastim (Neupogen®) 1991 und Lenograstim (Granocyte®) 1994.
Präparate, deren Wirkstoffe denen bereits zugelassener Medikamente sehr ähnlich sind, werden seit ca. zwei Jahrzehnten als Analogpräparate (Schrittinnovationen, Me-Too-Präparate) bezeichnet. Nach der Klassifikation von Fricke/Klaus werden neue Arzneimittel nach dem angestrebten therapeutischen Effekt wie folgt unterschieden:
- Neuartige Wirkstoffe oder neuartige Wirkprinzipien mit therapeutischer Relevanz (Kategorie A), - Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Qualitäten bereits bekannter Wirkprinzipien (Kategorie B), - Analogpräparate mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten (Kategorie C) und - Eingeschränkter therapeutischer Wert bzw. nicht ausreichend gesicherte Therapieprinzipien (Kategorie D).
Der Wirkstoff Lenograstim ist danach der Kategorie C zugeordnet. Die im Auftrag der Spitzenverbände vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) erstellte GKV-Arzneimittel Schnellinformation (GAmSi) legt der Darstellung der Anteile einzelner Marktsegmente am Gesamtmarkt für den Anteil der Me-Too-Präparate die Klassifikation in der im Arzneiverordnungsreport veröffentlichten Fassung zugrunde.
Am 21.11.2005 schloss die Antragsgegnerin mit den Krankenkassen gemäß § 84 SGB eine "Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2006" (Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, 82 ff.), nach welcher das Ausgabenvolumen auf den Betrag von 2,68 Mrd. EUR festgelegt wurde (§ 2). Eine Zielvereinbarung sieht die Erhöhung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt um 5 Prozentpunkte und die Reduzierung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt um 5 Prozentpunkte vor. Für die Arztgruppe der Internisten bestimmt die Vereinbarung einen Zielwert von 78,4 % bei den Generika und von 7,7 % bei den Me-Too-Präparaten (§ 4 Abs. 2); die internistischen Schwerpunkte Hämatologie und Onkologie sind nicht gesondert erfasst. Eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes für die Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens 2006 tritt ein, wenn das vereinbarte Ausgabenvolumen insgesamt überschritten wird und der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2006 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und der einzelne Vertragsarzt mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet nicht statt (§ 7 Abs. 1). In diesem Falle erhalten die nordrheinischen Krankenkassen/-verbände gegenüber den einzelnen Vertragsärzten jeweils einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von 4 % des für das Kalenderjahr 2006 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars (§ 7 Abs. 2). Einreden aufgrund von Ergebnissen der Bewertung hinsichtlich der Ursachen der Überschreitung des Ausgabenvolumens 2006 gegen den Bestand von Ansprüchen der Krankenkassen nach § 7 Abs. 2 sowie die Durchführung von Anspruchsprüfungen können nicht erhoben werden (§ 7 Abs. 3 der Vereinbarung). Eine Liste patentgeschützter Analogpräparate ("Me-Too-Liste") veröffentlicht die Antragsgegnerin auf ihrer Internet-Website (www.kvno.de/importiert/me too.pdf; aktueller Stand: 03.07.2006). Dort ist auch das Präparat Granocyte® benannt.
Die Antragstellerin hatte zunächst außergerichtlich erfolglos versucht, das Präparat Granocyte® von der Liste entfernen zu lassen. Am 17.05.2006 hat sie bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Sie ist der Ansicht, bei dem Präparat Granocyte® handele es sich aus mehreren Gründen nicht um ein Analogpräparat. Auch wenn es später als Filgrastim (Neupogen®) auf dem deutschen Markt eingeführt worden sei, reiche der Patentschutz schon länger zurück. Zudem bestünden zwischen beiden Arzneimitteln aus chemischer Sicht nicht nur marginale Unterschiede. Vor allem sei Granocyte® nicht teurer als Neupogen®, sondern im Gegenteil preiswerter, wenn der therapeutische Nutzen bewertet werde und die Tagestherapiekosten sowie die Kosten pro Behandlungszyklus verglichen würden. Allenfalls könne das Arzneimittel Neulasta® ein Me-Too-Präparat gegenüber Neupogen® sein, denn es unterscheide sich von diesem lediglich durch den Pegylierungsanteil, der jedoch in Bezug auf die arzneilichen Wirkungen keinen Unterschied hervorbringe. Durch die Bezugnahme auf die "Me-Too"-Liste und die Androhung eines Honorarabzugs für Vertragsärzte würden die Verordnungsfähigkeit und damit die Umsatzmöglichkeit des Präparates widerrechtlich eingeschränkt, so dass die Antragsgegnerin das Recht der Antragstellerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 1004 BGB) verletze und sie damit in ihren Grundrechten aus Art. 12 und 14 GG beinträchtige. Unabhängig von der Frage, ob § 73 Abs. 8 SGB V eine ausreichende Gesetzesgrundlage für die "Me-Too"-Liste sei, seien die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt. Die Liste ermögliche keinen Preisvergleich, sondern gebe das Ergebnis des Preisvergleichs ohne transparente Informationen vor. Zudem erlaube das Gesetz nicht die Verbreitung einer "falschen Information". Eine solche liege hier aber vor, da das Arzneimittel Granocyte® nicht teurer, sondern preiswerter als andere Präparate sei. Der Antragstellerin drohe auch ein erheblicher Umsatzausfall, der sich allein durch die Verbannung von Granocyte® in der Universitätsklinik Düsseldorf auf jährlich ca. 323.000,- EUR belaufe. Wenn auch alle weiteren Vertragsärzte diesem Beispiel folgten, sei die Antragstellerin massiv in ihrer Existenz bedroht, da Granocyte® das einzige Arzneimittel sei, das sie vertreibe.
Die Antragstellerin beantragt, folgenden Beschluss zu erlassen:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens untersagt,
1. das Präparat Granocyte® als "Me-Too"-Präparat zu bezeichnen;
2. die ihr als Mitglieder angehörenden Ärzte unter Androhung eines Abzugs in Höhe von 4 % vom Jahreshonorar dazu aufzufordern, das Präparat Granocyte® maximal nur noch im Rahmen einer "Me-Too-Quote" zu verordnen;
3. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung vom 16.05.2006 - Eingang bei ihr am 18.05.2006 - zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch. Auf der Basis der amtlichen definierten Tagesdosen (DDD) verursache Granocyte® 7 % höhere Tagestherapiekosten als das pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Präparat Neupogen®.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Anordnung ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hiernach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-Änderungsgesetz (BGBl. I, 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. VwGO geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschluss vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rn. 12 ff.; Düring, in: Jansen (Hrsg.), SGG, Kommentar, Freiburg/Berlin 2003, § 86b Rn. 9). Danach entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (BVerfGE 79, 69, 74). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem ausnahmsweise überwiegende und besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff.). Andererseits sind die Gerichte angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nötigenfalls gehalten, Rechtsfragen nicht vertiefend zu behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung zu treffen (BVerfG NJW 1997, 479, 480; LSG NRW, Beschlüsse vom 17.04.2002 - L 11 KA 37/02 ER -, vom 16.04.2003 - L 10 B 2102 KA ER -).
Nach diesen Maßgaben besteht keine Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung. Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund, also der Notwendigkeit einer Eilbedürftigkeit der Angelegenheit.
Die Antragstellerin beklagt zwar erhebliche Umsatzrückgänge, die sie allein aus dem Bereich der Universitätsklinik Düsseldorf mit ca. 323.200,- EUR jährlich beziffert. Hinzu kämen noch weitere Umsatzeinbußen durch reduziertes Verordnungsverhalten niedergelassener Ärzte.
Es ist jedoch zu beachten, dass die Antragstellerin selbst von den Umsatzeinbußen - wenn überhaupt - nur marginal betroffen ist, denn bei ihr handelt es sich allein um eine Marketingorganisation. Nach der Firmenpräsentation der Fa. Chugai Pharmaceutical Co. Ltd. im Internet (www.chugai-pharm.co/jp/english/corporate/group/index.html) handelt es sich um ein Unternehmen mit Head Office in Tokyo, drei Research Laboratories und vier Plants (Fertigungsstätten) sowie einer Anzahl von Domestic Branches, sämtliche in Japan. Weltweit gibt es eine Reihe von Group Companies, darunter in Europa die Chugai Pharma Europe Ltd., die Chugai Pharma U.K. Ltd. und die Chugai Pharma Marketing Ltd. (www.chugai-pharm.co.jp/english/corporate/group/oversea group.html) (mit graphischer Übersicht und Anschriften). Letztere ist im englischen Gesellschaftsregister (www.companies-house.gov.uk) mit der Company No. 03486599 unter der Geschäftsart ("Nature of Business") "Holding companies including head offices" verzeichnet. Alleiniger Anteilseigner ist nach den "Shareholders´ details" die Chugai Pharmaceutical Co. Ltd., Tokyo/Japan. Keine eigene Rechtspersönlichkeit dürfte die "Chugai Pharma Marketing Ltd. Germany Branch" mit Sitz in Frankfurt/Main besitzen. Diese ist weder im englischen Gesellschaftsregister noch - nach telefonischer Auskunft - im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt/Main verzeichnet. Bei ihr wird es sich daher um eine unselbständige Zweigniederlassung handeln mit der Folge, dass Träger von Rechten und Pflichten die Hauptniederlassung (Chugai Pharma Marketing Ltd.) ist, sofern diese nach dem Recht ihres Sitzstaates rechtsfähig ist (BGHZ 4, 62).
Bei der Antragstellerin handelt es sich damit - ihrem Namen entsprechend - um eine reine Marketingorganisation, die neben der Chugai Pharma Europe Ltd. (Company No. 02873794, Geschäftsart ebenfalls "Holding companies including head offices") und der Chugai Pharma U.K. Ltd. (Company No. 02814621, Geschäftsart: "Retail medical & orthopaedic goods") am Vertrieb der von der Chugai Pharmaceutical Co. Ltd., Tokyo/Japan, produzierten Arzneimittel teilnimmt. Dies muss dazu führen, im Rahmen des Anordnungsgrundes auf die wirtschaftliche Betroffenheit dieses eigentlichen Unternehmens abzustellen.
Nach aktuellen Wirtschaftsinformationen (www.finanznachrichten.de/nachrichten-2006-06/artikel-6512880.asp) vom 01.06.2006 erzielte die Chugai Pharmaceutical Co. - die zum 01.10.2002 in Kraft getretene Allianz mit Roche, das seitdem eine Mehrheit von 50,1 % am Chugai-Aktienkapital hält, bleibt davon unberührt - im Jahre 2005 einen Umsatz in Höhe von 327,2 Mrd. Yen, was bei einem Wechselkurs von ca. 140 Yen pro Euro im Dezember 2005 (www.nbb.be/belgostat, Schaltfläche Interest Rates and Exchange Rates) einem Umsatz von etwa 2,337 Mrd. EUR entspricht. Selbst bei einem Umsatzrückgang von 500.000,- EUR (323.000,- EUR durch die Universitätskliniken Düsseldorf und angenommenen 177.000,- EUR im Bereich der niedergelassenen nordrheinischen Vertragsärzte) durch die Benennung von Granocyte® auf der "Me-Too"-Liste würde dies zu Umsatzeinbrüchen in der Größenordnung von nur 0,021 % führen. Damit sind schwere und unzumutbare Nachteile nicht verbunden, sondern ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zumutbar.
Hinzu kommt, dass es ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers ist, die Arzneimittelausgaben zu steuern. Im Jahre 2005 sind die Arzneimittelausgaben - bereinigt um die Rückführung des Herstellerrabatts - um rund 2,5 Mrd. EUR gestiegen (s. die Begründung zum Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks. 16/194, 6). In dieser Steigerung der Arzneimittelausgaben sieht der Gesetzgeber einen Verstoß sowohl gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (a.a.O.). Wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V zeigt, erwartet der Gesetzgeber auch ein sofortiges Reagieren der Kassenärztlichen Vereinigungen auf sich abzeichnende Überschreitungen des vereinbarten Ausgabenvolumens. Hiermit wäre nicht zu vereinbaren, wenn Steuerungsinstrumenten auch schon vorläufig ihre Wirkung genommen wird. Im Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26.04.2006 (BGBl. I, 984) hat der Gesetzgeber nunmehr in § 84 Abs. 7 a SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgegeben, Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit auf Bundesebene zu vereinbaren, die Bestandteil der Vereinbarung nach § 84 Abs. 1 SGB V sind, wenn die nicht die regionalen Vertragspartner eine abweichende adäquate Regelung zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit Arzneimittelversorgung treffen (§ 84 Abs. 4 a SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 26.04.2006). Der Gesetzgeber geht bei dieser Regelung von erheblichen Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen aus. Dies zeigt die Bedeutung der Einhaltung der in der Arzneimittelvereinbarung getroffenen Wirtschaftlichkeitsziele. Die Erhaltung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang (BVerfGE 68, 193, 218; 82, 201, 230). Von daher wiegt das Interesse der Antragsgegnerin an der Umsetzung der Arzneimittelvereinbarung und dem Erreichen der Wirtschaftlichkeitsziele schwer (LSG NRW, Beschluss vom 27.06.2006 - L 11 B 31/06 KA ER -).
Besteht somit kein Anordnungsgrund, so bedurfte es keiner Prüfung des Anordnungsanspruchs mehr.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin das von der Antragstellerin vertriebene Medikament Granocyte® als sog. "Me-Too-Präparat" bezeichnen, auf einer im Internet zugänglichen Liste führen und die Vertragsärzte unter Androhung eines Honorarabzugs dazu auffordern darf, dieses Präparat nur noch im Rahmen einer bestimmten Quote zu verordnen.
Die Antragstellerin vertreibt seit das seit 1985 patentgeschützte Präparat Granocyte®, dessen Patentschutz am 28.07.2008 abläuft. Der in dem Präparat enthaltene Wirkstoff Lenograstim (rHuG-CSF) wird mittels rekombinanter DNA-Technologie in Ovarialzellen des chinesischen Hamsters produziert. Hauptanwendungsgebiet des Arzneimittels ist die Verkürzung der Dauer von Neutropenien bei Patienten mit nicht-myeloischen malignen Erkrankungen.
Der gleichen Indikation dienen die Präparate Neupogen® und Neulasta® der Fa. B, deren Wirkstoffe Filgrastim bzw. Perfilgrastim mittels r-DNA-Technologie aus E. coli (K12) hergestellt werden. Das Patent für Filgrastim wurde am 22.08.1996 angemeldet.
Auf dem deutschen Markt eingeführt wurden Filgrastim (Neupogen®) 1991 und Lenograstim (Granocyte®) 1994.
Präparate, deren Wirkstoffe denen bereits zugelassener Medikamente sehr ähnlich sind, werden seit ca. zwei Jahrzehnten als Analogpräparate (Schrittinnovationen, Me-Too-Präparate) bezeichnet. Nach der Klassifikation von Fricke/Klaus werden neue Arzneimittel nach dem angestrebten therapeutischen Effekt wie folgt unterschieden:
- Neuartige Wirkstoffe oder neuartige Wirkprinzipien mit therapeutischer Relevanz (Kategorie A), - Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Qualitäten bereits bekannter Wirkprinzipien (Kategorie B), - Analogpräparate mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten (Kategorie C) und - Eingeschränkter therapeutischer Wert bzw. nicht ausreichend gesicherte Therapieprinzipien (Kategorie D).
Der Wirkstoff Lenograstim ist danach der Kategorie C zugeordnet. Die im Auftrag der Spitzenverbände vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) erstellte GKV-Arzneimittel Schnellinformation (GAmSi) legt der Darstellung der Anteile einzelner Marktsegmente am Gesamtmarkt für den Anteil der Me-Too-Präparate die Klassifikation in der im Arzneiverordnungsreport veröffentlichten Fassung zugrunde.
Am 21.11.2005 schloss die Antragsgegnerin mit den Krankenkassen gemäß § 84 SGB eine "Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2006" (Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, 82 ff.), nach welcher das Ausgabenvolumen auf den Betrag von 2,68 Mrd. EUR festgelegt wurde (§ 2). Eine Zielvereinbarung sieht die Erhöhung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt um 5 Prozentpunkte und die Reduzierung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt um 5 Prozentpunkte vor. Für die Arztgruppe der Internisten bestimmt die Vereinbarung einen Zielwert von 78,4 % bei den Generika und von 7,7 % bei den Me-Too-Präparaten (§ 4 Abs. 2); die internistischen Schwerpunkte Hämatologie und Onkologie sind nicht gesondert erfasst. Eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes für die Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens 2006 tritt ein, wenn das vereinbarte Ausgabenvolumen insgesamt überschritten wird und der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2006 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und der einzelne Vertragsarzt mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet nicht statt (§ 7 Abs. 1). In diesem Falle erhalten die nordrheinischen Krankenkassen/-verbände gegenüber den einzelnen Vertragsärzten jeweils einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von 4 % des für das Kalenderjahr 2006 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars (§ 7 Abs. 2). Einreden aufgrund von Ergebnissen der Bewertung hinsichtlich der Ursachen der Überschreitung des Ausgabenvolumens 2006 gegen den Bestand von Ansprüchen der Krankenkassen nach § 7 Abs. 2 sowie die Durchführung von Anspruchsprüfungen können nicht erhoben werden (§ 7 Abs. 3 der Vereinbarung). Eine Liste patentgeschützter Analogpräparate ("Me-Too-Liste") veröffentlicht die Antragsgegnerin auf ihrer Internet-Website (www.kvno.de/importiert/me too.pdf; aktueller Stand: 03.07.2006). Dort ist auch das Präparat Granocyte® benannt.
Die Antragstellerin hatte zunächst außergerichtlich erfolglos versucht, das Präparat Granocyte® von der Liste entfernen zu lassen. Am 17.05.2006 hat sie bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Sie ist der Ansicht, bei dem Präparat Granocyte® handele es sich aus mehreren Gründen nicht um ein Analogpräparat. Auch wenn es später als Filgrastim (Neupogen®) auf dem deutschen Markt eingeführt worden sei, reiche der Patentschutz schon länger zurück. Zudem bestünden zwischen beiden Arzneimitteln aus chemischer Sicht nicht nur marginale Unterschiede. Vor allem sei Granocyte® nicht teurer als Neupogen®, sondern im Gegenteil preiswerter, wenn der therapeutische Nutzen bewertet werde und die Tagestherapiekosten sowie die Kosten pro Behandlungszyklus verglichen würden. Allenfalls könne das Arzneimittel Neulasta® ein Me-Too-Präparat gegenüber Neupogen® sein, denn es unterscheide sich von diesem lediglich durch den Pegylierungsanteil, der jedoch in Bezug auf die arzneilichen Wirkungen keinen Unterschied hervorbringe. Durch die Bezugnahme auf die "Me-Too"-Liste und die Androhung eines Honorarabzugs für Vertragsärzte würden die Verordnungsfähigkeit und damit die Umsatzmöglichkeit des Präparates widerrechtlich eingeschränkt, so dass die Antragsgegnerin das Recht der Antragstellerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 1004 BGB) verletze und sie damit in ihren Grundrechten aus Art. 12 und 14 GG beinträchtige. Unabhängig von der Frage, ob § 73 Abs. 8 SGB V eine ausreichende Gesetzesgrundlage für die "Me-Too"-Liste sei, seien die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt. Die Liste ermögliche keinen Preisvergleich, sondern gebe das Ergebnis des Preisvergleichs ohne transparente Informationen vor. Zudem erlaube das Gesetz nicht die Verbreitung einer "falschen Information". Eine solche liege hier aber vor, da das Arzneimittel Granocyte® nicht teurer, sondern preiswerter als andere Präparate sei. Der Antragstellerin drohe auch ein erheblicher Umsatzausfall, der sich allein durch die Verbannung von Granocyte® in der Universitätsklinik Düsseldorf auf jährlich ca. 323.000,- EUR belaufe. Wenn auch alle weiteren Vertragsärzte diesem Beispiel folgten, sei die Antragstellerin massiv in ihrer Existenz bedroht, da Granocyte® das einzige Arzneimittel sei, das sie vertreibe.
Die Antragstellerin beantragt, folgenden Beschluss zu erlassen:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens untersagt,
1. das Präparat Granocyte® als "Me-Too"-Präparat zu bezeichnen;
2. die ihr als Mitglieder angehörenden Ärzte unter Androhung eines Abzugs in Höhe von 4 % vom Jahreshonorar dazu aufzufordern, das Präparat Granocyte® maximal nur noch im Rahmen einer "Me-Too-Quote" zu verordnen;
3. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung vom 16.05.2006 - Eingang bei ihr am 18.05.2006 - zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch. Auf der Basis der amtlichen definierten Tagesdosen (DDD) verursache Granocyte® 7 % höhere Tagestherapiekosten als das pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Präparat Neupogen®.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Anordnung ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hiernach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-Änderungsgesetz (BGBl. I, 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. VwGO geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschluss vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rn. 12 ff.; Düring, in: Jansen (Hrsg.), SGG, Kommentar, Freiburg/Berlin 2003, § 86b Rn. 9). Danach entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (BVerfGE 79, 69, 74). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem ausnahmsweise überwiegende und besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff.). Andererseits sind die Gerichte angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nötigenfalls gehalten, Rechtsfragen nicht vertiefend zu behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung zu treffen (BVerfG NJW 1997, 479, 480; LSG NRW, Beschlüsse vom 17.04.2002 - L 11 KA 37/02 ER -, vom 16.04.2003 - L 10 B 2102 KA ER -).
Nach diesen Maßgaben besteht keine Veranlassung zum Erlass einer einstweiligen Anordnung. Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund, also der Notwendigkeit einer Eilbedürftigkeit der Angelegenheit.
Die Antragstellerin beklagt zwar erhebliche Umsatzrückgänge, die sie allein aus dem Bereich der Universitätsklinik Düsseldorf mit ca. 323.200,- EUR jährlich beziffert. Hinzu kämen noch weitere Umsatzeinbußen durch reduziertes Verordnungsverhalten niedergelassener Ärzte.
Es ist jedoch zu beachten, dass die Antragstellerin selbst von den Umsatzeinbußen - wenn überhaupt - nur marginal betroffen ist, denn bei ihr handelt es sich allein um eine Marketingorganisation. Nach der Firmenpräsentation der Fa. Chugai Pharmaceutical Co. Ltd. im Internet (www.chugai-pharm.co/jp/english/corporate/group/index.html) handelt es sich um ein Unternehmen mit Head Office in Tokyo, drei Research Laboratories und vier Plants (Fertigungsstätten) sowie einer Anzahl von Domestic Branches, sämtliche in Japan. Weltweit gibt es eine Reihe von Group Companies, darunter in Europa die Chugai Pharma Europe Ltd., die Chugai Pharma U.K. Ltd. und die Chugai Pharma Marketing Ltd. (www.chugai-pharm.co.jp/english/corporate/group/oversea group.html) (mit graphischer Übersicht und Anschriften). Letztere ist im englischen Gesellschaftsregister (www.companies-house.gov.uk) mit der Company No. 03486599 unter der Geschäftsart ("Nature of Business") "Holding companies including head offices" verzeichnet. Alleiniger Anteilseigner ist nach den "Shareholders´ details" die Chugai Pharmaceutical Co. Ltd., Tokyo/Japan. Keine eigene Rechtspersönlichkeit dürfte die "Chugai Pharma Marketing Ltd. Germany Branch" mit Sitz in Frankfurt/Main besitzen. Diese ist weder im englischen Gesellschaftsregister noch - nach telefonischer Auskunft - im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt/Main verzeichnet. Bei ihr wird es sich daher um eine unselbständige Zweigniederlassung handeln mit der Folge, dass Träger von Rechten und Pflichten die Hauptniederlassung (Chugai Pharma Marketing Ltd.) ist, sofern diese nach dem Recht ihres Sitzstaates rechtsfähig ist (BGHZ 4, 62).
Bei der Antragstellerin handelt es sich damit - ihrem Namen entsprechend - um eine reine Marketingorganisation, die neben der Chugai Pharma Europe Ltd. (Company No. 02873794, Geschäftsart ebenfalls "Holding companies including head offices") und der Chugai Pharma U.K. Ltd. (Company No. 02814621, Geschäftsart: "Retail medical & orthopaedic goods") am Vertrieb der von der Chugai Pharmaceutical Co. Ltd., Tokyo/Japan, produzierten Arzneimittel teilnimmt. Dies muss dazu führen, im Rahmen des Anordnungsgrundes auf die wirtschaftliche Betroffenheit dieses eigentlichen Unternehmens abzustellen.
Nach aktuellen Wirtschaftsinformationen (www.finanznachrichten.de/nachrichten-2006-06/artikel-6512880.asp) vom 01.06.2006 erzielte die Chugai Pharmaceutical Co. - die zum 01.10.2002 in Kraft getretene Allianz mit Roche, das seitdem eine Mehrheit von 50,1 % am Chugai-Aktienkapital hält, bleibt davon unberührt - im Jahre 2005 einen Umsatz in Höhe von 327,2 Mrd. Yen, was bei einem Wechselkurs von ca. 140 Yen pro Euro im Dezember 2005 (www.nbb.be/belgostat, Schaltfläche Interest Rates and Exchange Rates) einem Umsatz von etwa 2,337 Mrd. EUR entspricht. Selbst bei einem Umsatzrückgang von 500.000,- EUR (323.000,- EUR durch die Universitätskliniken Düsseldorf und angenommenen 177.000,- EUR im Bereich der niedergelassenen nordrheinischen Vertragsärzte) durch die Benennung von Granocyte® auf der "Me-Too"-Liste würde dies zu Umsatzeinbrüchen in der Größenordnung von nur 0,021 % führen. Damit sind schwere und unzumutbare Nachteile nicht verbunden, sondern ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zumutbar.
Hinzu kommt, dass es ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers ist, die Arzneimittelausgaben zu steuern. Im Jahre 2005 sind die Arzneimittelausgaben - bereinigt um die Rückführung des Herstellerrabatts - um rund 2,5 Mrd. EUR gestiegen (s. die Begründung zum Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks. 16/194, 6). In dieser Steigerung der Arzneimittelausgaben sieht der Gesetzgeber einen Verstoß sowohl gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (a.a.O.). Wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V zeigt, erwartet der Gesetzgeber auch ein sofortiges Reagieren der Kassenärztlichen Vereinigungen auf sich abzeichnende Überschreitungen des vereinbarten Ausgabenvolumens. Hiermit wäre nicht zu vereinbaren, wenn Steuerungsinstrumenten auch schon vorläufig ihre Wirkung genommen wird. Im Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26.04.2006 (BGBl. I, 984) hat der Gesetzgeber nunmehr in § 84 Abs. 7 a SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgegeben, Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit auf Bundesebene zu vereinbaren, die Bestandteil der Vereinbarung nach § 84 Abs. 1 SGB V sind, wenn die nicht die regionalen Vertragspartner eine abweichende adäquate Regelung zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit Arzneimittelversorgung treffen (§ 84 Abs. 4 a SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 26.04.2006). Der Gesetzgeber geht bei dieser Regelung von erheblichen Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen aus. Dies zeigt die Bedeutung der Einhaltung der in der Arzneimittelvereinbarung getroffenen Wirtschaftlichkeitsziele. Die Erhaltung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang (BVerfGE 68, 193, 218; 82, 201, 230). Von daher wiegt das Interesse der Antragsgegnerin an der Umsetzung der Arzneimittelvereinbarung und dem Erreichen der Wirtschaftlichkeitsziele schwer (LSG NRW, Beschluss vom 27.06.2006 - L 11 B 31/06 KA ER -).
Besteht somit kein Anordnungsgrund, so bedurfte es keiner Prüfung des Anordnungsanspruchs mehr.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved