S 51 SO 296/05 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
51
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 51 SO 296/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Antrag vom 21.06.2005 wird abgelehnt. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete Antrag, mit dem die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, die im Dezember 2004 beantragten Kosten für die Reparatur bzw. die Neuanschaffung eines Herdes aus Sozialhilfemitteln zu bewilligen, ist gemäß § 86 b Abs. 2 SGG wohl zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Der Antragsteller hat nicht im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, gegenüber der Antragsgegnerin einen Anspruch auf Bewilligung der von ihm begehrten Mittel zu besitzen. Denn die Antragsgegnerin kann zur Bewilligung derartiger Leistungen lediglich im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch – Sozialhilfe - (SGB XII) verpflichtet werden, auf die der Antragsteller keinen Anspruch – mehr – besitzt (dazu unter 1.), auch wenn er seinen Antrag noch unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gestellt hat (dazu unter 2.).

1. Anknüpfungspunkt für die Übernahme der hier in Rede stehenden Kosten zur Reparatur oder Beschaffung eines Herdes aus Mitteln der Sozialhilfe, für deren Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 SGB XII die Zuständigkeit der Antragsgegnerin begründet wäre, bilden zur Zeit allein die Vorschriften über die Hilfe zum Lebensunterhalt im 3. Kapitel des insoweit am 01.01.2005 in Kraft getretenen SGB XII. Denn hierin befinden sich die Regelungen über Leistungen für einmalige Bedarfe (vgl. § 31 SGB XII). Die Bewilligung derartiger Leistungen zugunsten des Antragstellers scheidet indessen aus. Denn gemäß § 21 SGB XII erhalten u. a. Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt mit Ausnahme der – vorliegend nicht in Rede stehenden - Leistungen nach § 34 SGB XII. Hiermit korrespondiert die in § 5 Abs. 2 SGB II getroffene Regelung, wonach der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII ausschließt. Dieser Leistungsausschluss findet auf den Antragsteller Anwendung. Denn er bezieht ausweislich der von ihm vorgelegten Bescheide seit dem 01.01.2005 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

2. Auch der Umstand, dass der Antragsteller seinen Antrag auf Bewilligung der hier in Rede stehenden Leistungen bereits am 16.12.2004 bei der zuständigen Sozialdienststelle der Antragsgegnerin gestellt hat, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Dabei kann offen bleiben, ob seinerzeit ein Anspruch auf Bewilligung von Mitteln zur Neuanschaffung oder Reparatur eines Herdes nach § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG bestanden hätte. Denn diese Vorschrift ist mit Ablauf des 31.12.2004 außer Kraft getreten und durch die Regelungen des SGB XII ersetzt worden, die dem Antragsteller aus den vorgenannten Gründen keinen Leistungsanspruch vermitteln.

Die damit angesprochene Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nicht aus dem Prozessrecht, sondern nach dem materiellen Recht zu beantworten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, ergibt sich zwar aus dem Prozessrecht, dass ein Kläger ebenso mit einem Aufhebungsbegehren wie mit einem Verpflichtungsbegehren nur dann durchdringen kann, wenn er im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung des Verwaltungsaktes bzw. auf die erstrebte Leistung hat. Ob ein solcher Anspruch jedoch besteht, d. h. hier, ob die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, beurteilt sich nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Nur in diesem Rahmen ist tendenziell davon auszugehen, dass es bei der Anfechtung eines belastenden Verwaltungsaktes grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, bei einem mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Leistungsanspruch auf diejenige im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz ankommt (BVerwG, Urt. v. 03.11.1987, BVerwGE Bd. 78 S. 243 m.w.N.; ferner etwa Beschl. v. 23.11.1990; NVwZ 1991 S. 372 m.w.N.; Grube, in: Grube/ Wahrendorf, SGB XII, Einl. Rdnr. 138).)

Nach diesen Maßstäben ist für die Beurteilung der Sach– und Rechtslage vorliegend der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Dies entspricht den dargelegten allgemeinen Grundsätzen und durchzieht die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung auch in anderen Bereichen (etwa bei Verfahren betreffend Erteilung einer Baugenehmigung oder einer Aufenthaltserlaubnis, zu letzterem etwa BVerwG, Urt. v. 16.06.2004, BVerwGE Bd 121 S. 86). Vor allem aber lässt sich dem materiellen Recht nichts für den Antragsteller Günstigeres entnehmen:

a) Soweit nach § 5 BSHG die Sozialhilfe einsetzte, sobald dem Sozialhilfeträger bekannt wurde, dass die Voraussetzungen für die Hilfegewährung vorlagen, regelte diese Bestimmung lediglich, wann Sozialhilfe (frühestens) einsetzte, sie schrieb aber nicht einen einmal entstandenen Bedarf als fortbestehend fest (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.1992, BVerwGE Bd 90 S. 160, 162). Ob eine derartige Festschreibung im Falle der Selbstbeschaffung eingetreten wäre, muss hier nicht entschieden werden. Denn der Antragsteller hat noch im – bei den Sachakten befindlichen – Schreiben vom 03.06.2005 mitgeteilt, dass der Herd nach wie vor stillgelegt sei.

b) Übergangsregelungen hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Ein möglicherweise auf der Grundlage von § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG begründeter Anspruch des Antragstellers ist daher mit Ablauf des 31.12.2004 ‚untergegangen’. Soweit von der zuständigen Fachbehörde der Antragsgegnerin und seitens der Bundesregierung die Auffassung vertreten worden ist, die im Jahr 2004 noch geltend gemachten und als sozialhilferechtlich notwendig anerkannten einmaligen Beihilfen seien auch über den 1. Januar 2005 hinaus aus Sozialhilfemitteln zu gewähren (vgl. Schreiben der Behörde für Soziales und Familie v. 07.01.2005 und vom 10.01.2005 sowie Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatsekretärs des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung v. 28.01.2005, BT-Drs 15/4781), finden diese Erwartungen keinen Rückhalt im materiellen Recht.

c) Das derzeitig geltende Recht sieht eine dem ‚Leistungskatalog’ des § 21 Abs. 1 a BSHG entsprechende Regelung nicht vor. Offen bleiben kann, ob die begehrte Reparatur oder Neuanschaffung eines Herdes nach Maßgabe der zurzeit geltenden, strengeren Regelungen grundsätzlich bewilligt werden könnte. Denn von den insoweit allein einschlägigen Leistungsregelungen des 3. Kapitels des SGB XII ist der Antragsteller als Bezieher von Arbeitslosengeld II – wie dargelegt – ausgeschlossen. Offen bleiben muss vorliegend auch, ob der – am vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligte - Leistungsträger von Leistungen nach dem SGB II die begehrten Leistungen - etwa auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II - erbringen könnte oder müsste. Denn der Antragsteller hat sich diesbezüglich noch nicht an diesen Leistungsträger gewendet, weil er ihn – ausweislich seines Schreibens vom 04.07.2005 – rechtsirrig für nicht zuständig erachtet.

d) Schließlich kann im vorliegenden Verfahren auch keine abschließende Würdigung des Umstandes erfolgen, dass die zuständige Sozialdienststelle der Antragsgegnerin den am 16.12.2004 bei ihr eingegangenen Antrag nicht bis zum Ablauf des 31.12.2004 entschieden hat. Eine evident sach – und pflichtwidrige Verzögerung ist angesichts der relativ knapp bemessenen, seinerzeit noch zur Verfügung stehenden Zeit jedenfalls nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang muss sich der Antragsteller auch zurechnen lassen, dass die seinen Bedarf auslösende Beschädigung des Herdes nach seinen Ausführungen im vorbezeichneten Schreiben vom 03.06.2005 bereits "Ende November" eingetreten war und damit mehr als zwei Wochen verstrichen sein müssen, bevor er die Sozialdienststelle hiervon in Kenntnis setzte.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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