S 62 AS 434/05 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
62
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 62 AS 434/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wird abgelehnt; ebenso wird abgelehnt der hilfsweise gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Antragstellerin, der eine Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (im Folgenden: SGB II) vorgeschla-gen wurde, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes, die aufschiebende Wir-kung ihres Widerspruchs gegen den Vorschlag anzuordnen, hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Beide Anträge bleiben ohne Erfolg.

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist schon nicht zulässig. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 Sozialgerichtsgesetz (im Folgenden: SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat. Die Anordnung setzt mithin voraus, dass gegen einen Verwaltungsakt Widerspruch eingelegt wurde (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002. § 86b Rn. 7). Der streitgegenständliche Vorschlag einer Arbeitsge-legenheit vom 11.5.2005 ist jedoch kein Verwaltungsakt (anders wohl Niewald, in: LPK-SGB II, 1. Auflage 2005, § 16 Rn. 25).

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverfahren und Sozialda-tenschutz (SGB X) ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheit-liche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dem Vorschlag einer Arbeitsgelegenheit mangelt es am Regelungscharakter. Der Vor-schlag begründet zunächst keine Arbeitspflicht der Antragstellerin. Diese Pflicht, die sich rechtlich als Obliegenheit, also als "Pflicht im eigenen Interesse" darstellt, ergibt sich un-mittelbar aus dem Gesetz (so auch OVG Hamburg, Beschluss vom 24.5.1982, Az. Bs I 37/82, veröffentlicht in juris, zu der insoweit vergleichbaren Vorgängervorschrift des § 19 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz [BSHG]): Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1.c SGB II wird das Arbeitslosengeld abgesenkt, wenn der Betroffene sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit aufzunehmen.

Ebenso wenig wird mit dem Vorschlag einer Arbeitsgelegenheit eine Sachentscheidung über die mögliche Sanktion getroffen. Gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II muss die Absen-kung des Arbeitslosengelds II durch Verwaltungsakt festgestellt werden. Im Rahmen die-ser Sachentscheidung ist dann die Frage mit einzubeziehen, ob die Tatbestandsvoraus-setzungen einer Absenkung vorliegen, also die Belehrung des erwerbsfähigen Hilfebe-dürftigen über die Rechtsfolgen und die Zumutbarkeit der Arbeitsgelegenheit. Demgegen-über ist der Vorschlag einer Arbeitsgelegenheit schlichtes Verwaltungshandeln der An-tragsgegnerin im Rahmen ihrer Arbeitsvermittlung. Insoweit ist der Vorschlag einer Ar-beitsgelegenheit gemäß § 16 Abs. 2 SGB II mit dem Beschäftigungsangebot gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) ver-gleichbar, für das der Charakter als Verwaltungsakt bereits verneint wurde (vgl. Bundes-sozialgericht, Urteil vom 19.1.2005, Az. B 11a/11 AL 39/04 R, veröffentlicht in juris).

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der streitgegenständliche Vorschlag mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen ist. Die Rechtsfolgenbelehrung macht vielmehr deutlich, dass eine Sachentscheidung noch aussteht und ggf. in der Absenkung des Arbeitslosen-gelds II bestehen kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19.1.2005, a.a.O., zu § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 SGB III).

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin folgt der Charakter als Verwaltungsakt nicht aus § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Der streitgegenständliche Vorschlag legt erkennbar keine Re-gelungen fest, die üblicherweise in einer Eingliederungsvereinbarung getroffen werden.

2. Bei verständiger Würdigung ihres Rechtschutzziels begehrt die Antragstellerin mit ihrem hilfsweise gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Feststel-lung, dass der Vorschlag einer Arbeitsgelegenheit vom 11.5.2005 nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Die Antragstellerin will hierdurch Sanktionen vermeiden, die auf die Nichtaufnahme der Arbeitsgelegenheit folgen können, insbesondere die Absenkung ihres Arbeitslosengelds II.

Der so verstandene Antrag auf vorläufige Feststellung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG unzulässig. Es ist schon zweifelhaft, ob Inhalt einer einstweiligen Anordnung eine Feststellung sein kann (so aber Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b Rn. 30; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Ergänzungslieferung 2004, § 123 Rn. 35). Jedenfalls fehlt es vorliegend an einem Rechtschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung. Sollte die Antragstellerin die angebotene Arbeitsgelegenheit nicht aufnehmen und die Antragstellerin daraufhin das Arbeitslosengeld II absenken, ist dieser Verwaltungsakt mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifbar (hierzu Berlit, in: LPK-SGB II, 1. Auflage 2005, § 31 Rn. 123). Dabei ist insbesondere zu überprüfen, ob die vor-geschlagene Arbeitsgelegenheit zumutbar ist. Für eine vorherige isolierte Prüfung dieser Frage im Rahmen eines Eilverfahrens besteht – auch mit Blick auf die Rechtschutzgaran-tie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) – kein Anlass.

3. Es sei angemerkt, dass bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prü-fung der Sach- und Rechtslage der streitgegenständliche Vorschlag nicht zu beanstanden ist. Insbesondere ist es nicht zu bemängeln, dass der Antragsgegnerin nicht vorrangig eine ABM angeboten wird. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind Arbeitsgele-genheiten nicht in jedem Fall nachrangig gegenüber ABM-Stellen; der Leistungsträger entscheidet vielmehr nach pflichtgemäßen Ermessen, ob er eine ABM-Stelle oder eine Arbeitsgelegenheit zuweist (Niewald, a.a.O., § 16 Rn. 23). Ebenso liegt es im pflichtge-mäßen Ermessen der Antragsgegnerin, wem sie die nur in begrenztem Umfang vorhan-denen Arbeitsgelegenheiten anträgt. Ermessensfehler sind vorliegend nicht erkennbar. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die vorgeschlagene Arbeitsgele-genheit unzumutbar für die Antragstellerin wäre. Gemäß § 10 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB II ist eine angebotene Arbeitsgelegenheit nur in wenigen Ausnahmefällen unzumutbar, von denen soweit erkennbar keiner vorliegt. Nach § 10 Abs. 2 Ziff. 2 SGB II ist eine Arbeit nicht allein deswegen unzumutbar, weil sie nicht dem Ausbildungsstand entspricht. Eben-so wenig folgt eine Unzumutbarkeit daraus, dass der Anbieter der Arbeitsgelegenheit nach dem Vortrag der Antragstellerin auf ihre Anfrage unhöflich und abweisend reagierte.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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