S 62 AS 786/05 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
62
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 62 AS 786/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt S. beigeordnet. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 17.8.2005 vorläufig – längstens bis zum 30.9.2005 einschließlich – Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller ¾ seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller, der ein Teilzeitstudium an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) absolviert, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (im Folgenden: SGB II).

1. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt S. bewilligt. Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne des § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (im Folgenden: SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO), wie sich aus nachstehenden Ausführungen ergibt. Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig und die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor.

2. Der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Insoweit hat der Antragsteller in dem hohen Maße glaubhaft gemacht, das für den Erlass einer die Hauptsache faktisch vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung erforderlich ist, dass er die begehrte Leistung beanspruchen kann – so genannter Anordnungsanspruch – und hierauf zur Vermeidung wesentlicher Nachteile unverzüglich angewiesen sind – so genannter Anordnungsgrund (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, 294 ZPO).

a. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beanspruchen kann. Nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren kann er seinen Anspruch auf § 19 Satz 1 Ziff. 1 SGB II stützen. Nach dieser Vorschrift sind erwerbsfähige Hilfebedürftige anspruchsberechtigt. Bei überschlägiger Prüfung, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglich, in aller Regel aber auch ausreichend ist, gehört der Antragsteller zu diesem Personenkreis.

Insbesondere ist er als Teilzeitstudent nicht von SGB II-Leistungen ausgeschlossen. Gemäß § 7 Abs. 5 SGB II haben u.a. Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (im Folgenden: BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Ausbildung des Antragstellers an der HWP ist jedoch nicht dem Grunde nach förderungsfähig im Rahmen des BAföG. Gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt. Dies ist bei einem Teilzeitstudium gerade nicht der Fall. Ein Teilzeitstudium wegen Berufstätigkeit setzt zwingend ein Arbeitsverhältnis im Umfang von mindestens 15 Stunden täglich des Studenten voraus (vgl. § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Immatrikulationsordnung der HWP vom 7.2.2002). Teilzeitstudenten üben ihr Studium berufsbegleitend aus und werden ihren Lebensunterhalt in aller Regel durch ihr Erwerbseinkommen bestreiten. Einer Ausbildungsförderung nach dem BAföG bedarf es daher nicht. Auch das Amt für Ausbildungsförderung lehnte den BAföG-Antrag des Antragstellers mit der Begründung ab, ein Förderungsanspruch nach § 2 Abs. 5 BAföG bestehe ausschließlich für eine Vollzeitausbildung (vgl. Bescheid des Amts für Ausbildungsförderung vom 25.7.2005, Bl. 47 der Prozessakte). Bereits zu § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG wurde vertreten, dass eine Ausbildung als Teilzeitstudent im Sinne des § 2 Abs. 5 BAföG nicht dem Grunde nach förderungsfähig ist und daher nicht von der Ausschlusswirkung erfasst wird (Brühl, in: LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, § 26 Rn. 4). Dies ist für das Gericht überzeugend, denn der Ausschluss des § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG greift dann – aber auch nur dann –, wenn eine Immatrikulation besteht und nach dem Ausbildungskonzept die Arbeitskraft des Studenten voll in Anspruch genommen wird (OVG Lüneburg, Urt. vom 10. Januar 1990, Az: 4 A 202/87, FEVS 41, 342, in juris; Schellhorn, Das Bundessozialhilfegesetz, 16. Auflage 2002, § 26 Rn. 21)). Das Gericht hat keine Bedenken, diese Auffassung auf § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II zu übertragen, der dem § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG fast wörtlich nachgebildet ist.

Es steht auch nicht zu befürchten, dass der Antragsteller durch die Wahl und das Festhalten an einem Teilzeitstudium nach Belieben den Anspruch auf Grundsicherung nach dem SGB II auslösen könnte. Wie ausgeführt setzt die Immatrikulation als Teilzeitstudent eine Erwerbstätigkeit im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich voraus. Nach telefonischer Auskunft des Prüfungsamts der HWP ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses jedes Semester bei der Rückmeldung durch Vorlage des Arbeitsvertrags nachzuweisen. Der Antragsteller, der weiterhin arbeitslos ist und nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren auch keine konkrete Beschäftigung in Aussicht hat, wird sich daher zum Wintersemester 2005/2006 nicht als Teilzeitstudent zurückmelden können. Er wird ab dem nächsten Semester, also am dem 1.10.2005, automatisch als ordentlicher Student in Vollzeit immatrikuliert. Damit wird seine Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig im Rahmen des BAföG, mit der Folge, dass die Ausschlusswirkung des § 7 Abs. 5 SGB II greift und ab 1.10.2005 kein Anspruch auf SGB II-Leistungen mehr besteht. Will der Antragsteller, der wegen Überschreiten der Altersgrenze keinen Anspruch auf BAföG-Leistungen haben dürfte, diese Folge vermeiden, muss er sich exmatrikulieren.

Der – kurzfristige – Anspruch des Antragstellers auf SGB II-Leistungen beruht allein darauf, dass sein letztes Arbeitsverhältnis im laufenden Semester, nämlich zum 30.6.2005, beendet wurde, die Immatrikulation als Teilzeitstudent aber – wie jede Immatrikulation – pro Semester erfolgt. Nach telefonischer Auskunft des Prüfungsamts der HWP wird der Status als Teilzeitstudent aus organisatorischen Gründen erst zum folgenden Semester aufgehoben, zumal sich durch den Wechsel vom Teilzeit- zum Vollzeitstudium die Prüfungsvoraussetzungen für die Betroffenen ändern.

Aus dem Vorgesagten ergibt sich zugleich, dass der Leistungsanspruch des Antragstellers längstens bis zum Ende des laufenden Sommersemesters besteht, also bis zum 30.9.2005 einschließlich.

b. Soweit ein Anordnungsanspruch besteht, hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Es ist ihm angesichts seiner angespannten finanziellen Situation, von der nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren auszugehen ist, nicht zuzumuten, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits. Da die Antragsgegnerin nur zur Leistungsgewährung bis längstens Ende September 2005 verpflichtet wird, entspricht es billigem Ermessen, ihr lediglich die Erstattung von ¾ der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
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