S 14 KA 279/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 279/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte zur Neuberechnung des Honorars für die Quartale I/03, II/03, IV/03 und I/04 im Hinblick auf eine fehlende Arztzahldynamisierung verpflichtet ist.

Die Kläger sind Fachärzte für Anästhesiologie und in Gemeinschaftspraxis zur vertragsärztlichen Versorgung in X zugelassen.

Gegen die Honorarbescheide für die Quartale I/03, II/03, IV/03 und I/04 erhoben sie mit der Begründung Widerspruch, dass das ausgezahlte Honorar nicht dem erarbeiteten entspreche. Durch die Quotierung der Fachgruppe auf 78,13%, 76,32%, 77,68% und 73,63% sei ein Teil der erbrachten ärztlichen Leistungen nicht honoriert worden. Die ungünstige Quotierung der Fachgruppe beruhe wahrscheinlich darauf, dass das Wachstum ihrer jungen Fachgruppe, das inzwischen durch flächendeckende Versorgung mit entsprechenden Zulassungssperren gebremst sei, bei der Festlegung der Fachgruppentöpfe nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Sie forderten daher die Nachvergütung der nicht honorierten Leistungen auf der Basis von 5,11 Cent pro Punkt.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2004 zurück.

Die Kläger haben am 21.12.2004 Klage erhoben. Sie tragen vor, dass die Beklagte es verabsäumt habe, die Größe des Fachgruppentopfes dem erlaubten Wachstum der jungen Fachgruppe anzupassen. In den streitgegenständlichen Quartalen lägen die Fachgruppenquoten weit unter denen der anderen Fachgruppen. Bei der Topfbildung sei nicht berücksichtigt worden, dass die Fachgruppe der Anästhesisten inhomogen sei. Es gebe eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Anästhesisten, die weniger als fünf Narkosen im Quartal erbringen, wohingegen andere Anästhesisten derselben Fachgruppe 600 Narkosen erbringen würden und wiederum andere schmerztherapeutisch tätig seien. Zu beanstanden sei die fehlende Dynamisierungsregelung. Diese sei zuletzt im Quartal 1/98 durchgeführt worden. Die Anzahl der Anästhesisten hätte im Quartal 11/98 bei 201 und im Quartal II/99 bei 248 gelegen. Die Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Beklagten sei für die streitgegenständlichen Quartale abgelaufen gewesen. Die ab dem Quartal III/04 eingeführte Stützungsregelung hätte bereits früher eingeführt werden müssen. Die Auszahlungsquote des Fachgruppentopfes der Anästhesisten sei zwangsläufig wegen der von der Beklagten veranlassten Zunahme ambulanter Operationen und dadurch induzierten Anästhesieleistungen gesunken. Im Rahmen dieser Fördermaßnahmen sei der Arztgruppentopf Anästhesie nicht an die hierdurch gesteigerte Leistungsmenge angepasst worden. Da eine Verpflichtung bestehe, Überweisungen entgegenzunehmen, habe für die Anästhesisten keine Möglichkeit bestanden, eine angebotsinduzierte Mengenausweitung abzuwehren. Nach der Rechtsprechung des BSG sei diese Leistungsausweitung durch die ambulanten Operateure und dann in der Folge in der Fachgruppe der Anästhesisten medizinisch gerechtfertigt und deswegen bedarfsbedingt.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale I/03, II/03, IV/03 und I/04 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2004 zu verurteilen, über ihr Honorar für die vorgenannten Quartale unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es habe keine Verpflichtung bestanden, in den Quartalen nach I/98 eine Arztzahldynamisierung durchzuführen. Der Anstieg der Arztzahlen bei den Anästhesisten beruhe auf der Ankündigung in 1998, dass auch die Fachgruppe der Anästhesisten zukünftig eine bedarfsbeplante Fachgruppe sein werde. Diese Ankündigung sei im Jahre 1999 auch umgesetzt worden. Bereits mit der Ankündigung hätten viele Anästhesisten die Sorge verbunden, sich nicht mehr ohne Rücksicht auf die Bedarfsplanung niederlassen zu können, und vermehrt Anträge auf Zulassung gestellt. Demzufolge sei weder die Morbidität noch eine vermehrte Leistungserbringung in anderen Fachgruppen der Hintergrund für die Veränderung der Arztzahl. Vergleichbare Zuwächse hätten auch andere Fachgruppen hinnehmen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge¬richtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn diese Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Neuberechnung ihres vertragsärztlichen Honorars.

Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus dem Gebot der Angemessenheit der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen gemäß § 72 Abs. 2 SGB V noch aus dem sich aus Art. 12 und 3 GG ergebenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit.

In den streitigen Quartalen erfolgte die Verteilung der Gesamtvergütungen nach dem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten vom 17.04.1999 in der Fassung vom 30.11.2002 (Rhein. Ärzteblatt 1/2003, S. 76ff), der auf der gesetzlichen Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V beruhte. Der durch näher festgelegte Vorwegabzüge bereinigte Verteilungsbetrag der Gesamtvergütungen wurde nach § 6 Abs. 5 HVM auf sog. Honorartöpfe, getrennt für einzelne Facharztgruppen, verteilt. Der Arztgruppe der Anästhesisten wurde ein Anteil von 2,8166% zugewiesen. Aus dem jeweiligen Honorartopf sind nach § 6 Abs. 6 HVM vorab weitere Leistungen zu berücksichtigen.

Diese nach der ständigen Rechtsprechung des BSG als zulässig anzusehende Honorarverteilung nach Honorarkontingenten (vgl. BSG Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 31/03 R -) wird dem Grunde nach von den Klägern nicht angegriffen. Sie sind allerdings der Auffassung, dass der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit eine Anpassung ihres Honorartopfes an die Entwicklung der Zahl der Leistungserbringer in der Fachgruppe und damit eine höhere Vergütung verlange. Die Bildung von Honorartöpfen hat regelmäßig den Zweck, dass die in § 85 Abs. 3 bis 3c SGB V normierten Obergrenzen für Erhöhungen der Gesamtvergütungen sich in den verschiedenen Arztgruppen gleichmäßig auswirken und nicht die Anteile einzelner Arztgruppen an den Gesamtvergütungen verringert werden, weil andere Gruppen durch Mengenausweitungen ihre Anteile absichern oder sogar vergrößern (BSG Urteil vom 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R -). Diesem Ziel, zu verhindern, dass eine Fachgruppe ihre Leistungsmenge zu Lasten der Honorarvolumina anderer Fachgruppen ausweiten kann, widerspräche es, wenn die Erhöhung der Arztzahl einer Fachgruppe unabhängig davon, ob damit eine bedarfsbedingte Ausweitung der Leistungsmenge einhergeht, eine Steigerung ihres Honorarvolumens zu Lasten anderer nach sich zöge. Das liefe auf die Anerkennung angebotsinduzierter - sich je nach Arztzahl ändernder Honorarvolumina hinaus bzw. trüge in sich die Tendenz zu einer aus¬lastungsunabhängigen Alimentierung der Vertragsärzte. Dies stünde nicht mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Einklang (BSG Beschluss vom 22.06.2005 - B 6 KA 67/04 B -).

Soweit die Kläger danach zunächst ihren Anspruch auf Neuberechnung des Honorars lediglich auf die veränderte Anzahl der Leistungserbringer ihrer Fachgruppe gestützt und hierzu eine im Sinne eines "Automatismus" zu erfolgende Arztzahldynamisierung reklamiert haben, wird dies bereits von den Zielsetzungen der Honorarkontingentierungen und der damit verbundenen Eigenverantwortlichkeit innerhalb der jeweiligen Fachgruppe nicht getragen. Weitere Zulassungen allein können eine Erhöhung des Honorarvolumens für die Fachgruppe zu Lasten anderer Fachgruppen nicht rechtfertigen. Zur Rechtfertigung bedürfte es vielmehr weiterer Gründe, so z.B. dass zugleich eine medizinisch gerechtfertigte Änderung des Leistungsgeschehens vorliegt - etwa durch Veränderungen der Zusammensetzung der Patientenschaft, der Zahl der Patienten und Behandlungsfälle, oder durch eine sonstige bedarfsbedingte Expansion oder Reduktion der ärztlichen Leistungen (vgl. BSG a.a.O.). Die Kläger machen hierzu geltend, dass seitens des Gesetzgebers Anreize für ambulante Operationen erfolgt seien, was zu einer Zunahme der Leistungsanforderung der Fachgruppe der Anästhesisten geführt habe. Die Auszahlungsquote des Fachgruppentopfes der Anästhesisten sei zwangsläufig wegen der von der Beklagten veranlassten Zunahme ambulanter Operationen und dadurch indu¬zierter Anästhesieleistungen gesunken. Die Beklagte verweist hierzu darauf, dass der Anstieg der Arztzahlen bei den Anästhesisten auf der Ankündigung in 1998 beruhe, dass auch die Fachgruppe der Anästhesisten zukünftig eine bedarfsbeplante Fachgruppe sein werde. Diese Ankündigung sei 1999 umgesetzt worden. Bereits mit der Ankündigung hätten viele Anästhesisten die Sorge verbunden, sich nicht mehr ohne Rücksicht auf die Bedarfsplanung niederlassen zu können und vermehrt Anträge auf Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gestellt, ohne dass hierfür die Morbidität noch eine vermehrte Leistungserbringung maßgebend gewesen sei.

Im Ergebnis kann es dahinstehen, ob neben der angekündigten Veränderung der Bedarfsplanung hier ggf. auch eine vermehrte Leistungserbringung durch eine Steigerung ambulanter Operationen zu dem Anstieg der Arztzahlen geführt hat. Denn nicht jede Veränderung führt zu der Verpflichtung, die Honorarverteilung neuzustrukturieren. Maßgebend ist hierbei, dass kein Vertragsarzt Anspruch auf Vergütung seiner Leistungen mit einem bestimmten Punktwert hat, also weder darauf, dass sie mit dem gleichen Punktwert wie Grundleistungen oder ebenso wie die Leistungen anderer Ärzte vergütet werden (BSG Urteil vom 29.09.1993 - 6 RKa 65/91 - und vom 07.02.1996 - 6 RKa 68/94 -). Hierbei ist wesentlich, dass das Gebot der Angemessenheit der Vergütung neben der Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse zu beachten ist. Danach ist der erforderliche Ausgleich zwischen diesen beiden Zielen erst dann nicht mehr verhältnismäßig (mit der Folge eines Anspruchs der Ärzte auf höheres Honorar bzw. eine Honorarstützung aus dem Gesichtspunkt angemessener Vergütung), wenn in einem - fachlichen und/oder örtlichen - Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist (BSG Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 31/03 R -). Dass die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung im Fachbereich Anästhesiologie aufgrund Honorarrückgänge gefährdet ist, wird weder von den Klägern vorgetragen noch ist dies anhand der vorliegenden Daten ersichtlich. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang auf die im Vergleich zu Vorquartalen gesunkenen Fachgruppenquoten in den streitbefangenen Quartalen verweisen, ist schon fraglich, ob dieser Vergleich eine verlässliche Beurteilungsgrundlage bietet. Denn die Fachgruppenquoten werden in den einzelnen Fachbereichen von den verschiedensten Faktoren bestimmt, so dass die einfache Gegenüberstellung keinen Aussagegehalt zu einem etwaig zu gering bemessenen Honorartopf besitzt. Im Hinblick auf das Gebot der Angemessenheit der Vergütung bieten die vorgetragenen Fachgruppenquoten nach Ansicht der Kammer zudem keinen Anlass, von einem fehlenden Anreiz bzw. einer Gefährdung der vertragsärztlichen Versorgung auszugehen.enn die Fachgruppenquoten geben zumindest Hinweise auf den jeweiligen Auszahlungspunktwert. In den Quartalen 1/03, 111/03, IV/03 und 1/04 ergaben sich nach Mitteilung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung Fachgruppenquoten für die Fachgruppen der Anästhesisten, Internisten ABC und 9, Chirurgen und Orthopäden zwischen 72% und 87%. Mit Fachgruppenquoten von 78,13%, 76,32%, 77,68% und 73,63% bewegte sich die Fachgruppe der Anästhesisten in dem vorgenannten Rahmen weswegen nach Ansicht der Kammer nicht von einer Unangemessenheit der Vergütung im Sinne der Rechtsprechung des BSG ausgegangen werden kann.

Die Klage war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Rechtskraft
Aus
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