S 15 AS 2919/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AS 2919/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerinnen begehren von dem Beklagten die Übernahme der Kosten, die ihnen anlässlich einer Konfirmationsfeier entstanden sind.

Die am 00.00.1966 geborene Klägerin zu !) ist die Mutter der am 00.00.2005 geborenen Klägerin zu 2). Sie beziehen laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) bei dem beklagten Jobcenter.

Aufgrund des Weiterbewilligungsantrags vom 18.03.2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Klägerin zu 2) mit Bewilligungsbescheid vom 28.03.2018 Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.05.2018 bis 30.04.2019 (Bl. 41 ff. VV).

Mit Schreiben vom 19.02.2019 beantragte die Klägerin zu 1) die Übernahme der anlässlich der Konfirmationsfeier der Klägerin zu 2) entstehenden Kosten (Bl. 77 VV). Die Klägerin zu 2) solle im Mai 2019 konfirmiert werden. Es sei weder Geld für eine festliche Kleidung (für beide) noch für die Feier im Restaurant vorhanden. Mit der Begründung, dass eine Nichtkonfirmierung oder ein Nichtfeiern aus finanziellen Gründen eine Ausgrenzung vom sozialen und christlichen Leben darstelle, bat sie den Beklagten um einen finanziellen Zuschuss.

Mit Bescheid vom 07.03.2019 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerinnen ab. Es handele sich bei den Kosten der Konfirmationsfeier und der festlichen Kleidung nicht um übernahmefähige Kosten nach dem SGB II.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 28.03.2019 Widerspruch ein (Bl. 92 VV).

Mit Bewilligungsbescheid bewilligte der Beklagte aufgrund des Weiterbewilligungsantrags vom 05.04.2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2019 bis 31.10.2019 (Bl. 114 ff. VV).

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2019 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerinnen als unbegründet zurück und führte aus, dass es keine Anspruchsgrundlage für den zuschussweise geltend gemachten Bedarf gebe.

Die Klägerinnen haben am 17.07.2019 form- und fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung führt die Klägerin zu 1) aus, dass sie ihre Tochter, die Klägerin zu 2), entsprechend ihres christlichen Glaubens erziehen und ihr die Werte und Traditionen der christlichen Gemeinschaft weitergeben wolle. Hierzu gehöre eine Konfirmation und eine dem Anlass entsprechende Feier, die sie nicht habe in ihrer kleinen Wohnung abhalten können. Auch für Bezieher von SGB II-Leistungen müsse eine angemessene Feier möglich sein, da jedes andere Ergebnis letztendlich zu einer Ausgrenzung bedürftiger Personen führen würde. Dies wiederum könne nicht mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit aus Art. 4 des Grundgesetzes (GG) im Einklang stehen. Die Klägerinnen machen Kosten für die Feier in Höhe von 616,42 Euro (Dekoration, Verköstigung etc.), für die Festkleidung der Klägerin zu 2) in Höhe von 126,82 Euro und für die Festkleidung der Klägerin zu 1) in Höhe von ca. 70,00 Euro geltend.

Die Klägerin beantragt sinngemäß schriftsätzlich,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 07.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.07.2019 zu verurteilen, ihr einen Zuschuss zu den anlässlich der Konfirmationsfeier entstandenen Kosten in Höhe von 813,24 Euro zu gewähren.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 15.09.2020 über die Absicht des Gerichts, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, in Kenntnis gesetzt worden. Sie haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Streitsache konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

1. Die Klage ist zulässig. Bei den Kosten der Konfirmationsfeier in Höhe von 616,42 Euro und der Bekleidungskosten in Höhe von 126,82 Euro handelt es sich um individuelle Leistungsansprüche der Klägerin zu 2) (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.11.2013 – L 5 AS 175/12, Rn. 17 f., juris). Da auch die Klägerin zu 1) eigene Kosten für die Festkleidung in Höhe von 70,00 Euro geltend macht, ist auch sie (mit einem individuellem Leistungsanspruch) aktivlegitimiert.

2. Die Klage ist allerdings unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 07.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2019 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerinnen nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Den Klägerinnen steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf zuschussweise Übernahme der entstandenen Kosten im Zusammenhang mit der Konfirmationsfeier zu.

a. Die begehrte Übernahme der Kosten für die Festkleidung der Klägerin zu 1) und der Klägerin zu 2) kommt nicht nach § 24 Abs. 3 SGB II im Rahmen einer Erstausstattung für Bekleidung in Betracht.

Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind Bedarfe für Erstausstattungen für Bekleidung nicht vom Regelbedarf nach § 20 SGB II umfasst. Leistungen für diese Bedarfe werden nach Satz 2 gesondert erbracht.

Leistungen der Erstausstattung für Kleidung kommen – neben den im Gesetz genannten Ereignissen wie Schwangerschaft und Geburt – bei außergewöhnlichen Umständen in Betracht. Solche Umstände mit dem Erfordernis der Erstausstattung für Bekleidung können entstehen nach einer Haft, bei Wohnungslosigkeit sowie bei starken Gewichtsschwankungen oder z.B. bei außergewöhnlichem Größenwachstum (vgl. Behrend, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 24 Rn. 71). Nach dem der Regelbedarfs- und Leistungsbemessung des SGB II zugrundeliegenden Konzept abschließend normierter Ansprüche zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist grundsätzlich der gesamte Lebensunterhalt der Leistungsberechtigten, also auch einmaliger Sonderbedarf, aus dem Budget zu bestreiten (Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB, 07/19, § 24 SGB II Rn. 325 m.w.N.). Nur ausnahmsweise können über § 24 Abs. 3 SGB II Leistungen für sog. echte Sonderbedarfe erbracht werden, die bei vielen bzw. dem überwiegenden Teil der Leistungsberechtigten überhaupt nicht entstehen (Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 24 SGB II Rn. 326 und 328). Bei den Leistungen nach § 24 Abs. 3 SGB II handelt es sich um eine dem Individualisierungsgrundsatz Rechnung tragende Öffnungsklausel für Härtefälle, in denen die Unmöglichkeit der Bedarfsdeckung aus der Regelbedarfsleistung evident ist (Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 24 SGB II Rn. 328). Die Entstehung eines neuen Bekleidungsbedarfs ist allgemein anerkannt in Fällen von z.B. Totalverlust, Krankheit, Behinderung und Unfällen (vgl. Bender, in: Gagel, SGB II/SGB III, 78. EL Mai 2020, § 24 Rn. 61).

Die von den Klägerinnen geltend gemachten Bekleidungskosten für eine dem Anlass einer Konfirmation entsprechende, würdige Bekleidung lässt sich mit diesen Fallgruppen allerdings nicht vergleichen. Die Klägerin zu 2) musste im Zusammenhang mit der Konfirmationsfeier insbesondere kein spezielles, für diesen Anlass passendes "Konfirmationskleid" anschaffen. Der Bedarf an einer würdigen und angemessenen Bekleidung weicht insofern nicht von dem einen jeden Leistungsempfänger treffenden allgemeinen Bedarf ab, eine für bestimmte Anlässe (Geburtstagsfeier, Hochzeitsfeier) feierliche bzw. von der Alltagsbekleidung abweichende Kleidung zu tragen. Eine solche Kleidung muss nach allgemeiner Lebenserfahrung auch bei den Klägerinnen vorhanden sein. Sofern dem nicht so ist, ist diese Bekleidung aus dem Regelbedarf zu finanzieren. Die Kleidung für eine Konfirmationsfier wird von der Erstausstattung nach § 24 Abs. 3 SGB II nach allgemeiner Auffassung nicht erfasst (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 23.04.2009 – L 11 AS 125/08, Rn. 28, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.11.2013, a.a.O., Rn. 25 ff.; Blüggel, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 24 Rn. 105).

b. Die Klägerinnen haben auch keinen Anspruch auf zuschussweise Übernahme der Kosten für die anlässlich der Konfirmationsfeier entstandenen Kosten (u.a. für Bekleidung und Bewirtung) als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II).

Diese Regelung erfasst denjenigen Bedarf, der nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II abgedeckt wird, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen. Dieser entsteht allerdings erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Leistungsberechtigten gewährten Leistungen – einschließlich der Leistungen Dritter unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Leistungsberechtigten – das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet (Knickrehm/Hahn, in: Eicher/Luik, a.a.O., § 21 Rn. 63). Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind nicht erfüllt.

Es handelt sich zunächst nicht um einen besonderen Bedarf oder eine atypische Bedarfslage. Nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Abs. 1 enthält dabei die nicht abschließende Liste der aus der Regelleistung zu deckenden Bedarfe. Denn die durch § 20 SGB II gewährten Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dienen grundsätzlich der Deckung des ohne die Besonderheit des Einzelfalles bei vielen Hilfeempfängern gleichermaßen bestehenden Bedarfs. Ausgehend hiervon lassen sich die anlässlich der Konfirmation entstehenden Kosten und ggf. auch die Kosten für die Ausrichtung einer Konfirmationsfeier unter die Regelleistung des § 20 SGB II subsumieren, denn dieser Bedarf besteht bei vielen Hilfeempfängern gleichermaßen (zur vergleichbaren Problematik bei einer Einschulungsfeier vgl. SG Berlin, Beschluss vom 19.07.2006 – S 106 AS 6175/06 ER, Rn. 8, juris). Eine Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines Zuschusses zur Ausrichtung einer Familienfeier ist im SGB II nicht ersichtlich; der Aufwand bleibt aus der Regelleistung zu bestreiten (vgl. auch SG Aachen, Beschluss vom 20.08.2010 – S 21 AS 625/10, Rn. 11, juris).

Bei den (insbesondere Bekleidungs- und Bewirtungs-) Kosten der Konfirmationsfeier handelt es sich auch nicht um einen unabweisbaren Bedarf. Unabweisbar ist ein Bedarf immer dann, wenn es sich um einen zeitlich unaufschiebbaren Bedarf handelt, der Aufwendungen von erheblichem Umfang erfordert (vgl. Knickrehm/Hahn, in: Eicher/Luik, a.a.O., § 21 Rn. 71). Ein solcher unaufschiebbarer Bedarf liegt vor, wenn aufgrund des ungedeckten Bedarfs eine aktuelle Notlage von existentieller Bedeutung besteht, die dringend beseitigt werden muss (SG Berlin, Beschluss vom 19.07.2006, a.a.O., Rn. 11). Zwar ist den Klägerinnen zuzugestehen, dass die Veranstaltung einer privaten Familienfeier – in einer Gaststätte mit 15 Personen – wünschenswert war, sie war jedoch weder verpflichtend noch geboten. Beziehern von Leistungen nach dem SGB II ist es vielfach nicht möglich, an gesellschaftlichen Ereignissen in gewünschtem Umfang teilzunehmen (SG Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2018 – S 43 AS 2221/18, Rn. 16, juris). Die Bewirtung anlässlich der Konfirmation hätte – in kleinem Rahmen – in der Wohnung der Klägerinnen stattfinden können, ohne dass hierfür Sachmittel in einer den täglichen Normalbedarf für Lebensmittel übersteigenden Weise eingesetzt werden müssten (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 19.07.2006, a.a.O., Rn. 11). Es war deshalb nicht notwendig, auf die kostenintensivere Bewirtung in einer Gaststätte zurückzugreifen (SG Dresden, Urteil vom 04.05.2009 – S 20 AS 807/07, Rn. 29, juris). Damit wäre es den Klägerinnen möglich gewesen, die anfallenden Kosten wesentlich zu verringern (vgl. SG Dresden, Urteil vom 04.05.2009, a.a.O., Rn. 30). Das Gleiche gilt für die geltend gemachten weiteren Kosten wie der Tischdekoration, der Einladungskarten und der Danksagungskarten. Auch hierbei handelt es sich um vermeidbare Kosten. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die mit der Konfirmationsfeier verbundenen Kosten bereits seit geraumer Zeit feststanden und ein Ansparen möglich gewesen wäre (zur vergleichbaren Problematik einer Schulabschlussfeier vgl. SG Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2018, a.a.O., Rn. 16).

Schließlich liegt auch kein laufender Bedarf vor. Für einen laufenden Bedarf müsste es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen Bedarf handeln, der bezogen auf den Regelbewilligungszeitraum des § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II von einem Jahr mehrfach auftritt oder prognostisch zumindest im nächsten Bewilligungszeitraum wieder entstehen wird (Knickrehm/Hahn, in: Eicher/Luik, a.a.O., § 21 Rn. 69). Bei den Kosten für eine Konfirmationsfeier handelt es sich um nur einmalig auftretende Ausgaben (zur Schulabschlussfeier vgl. LSG NRW, Beschluss vom 29.08.2019 – L 6 AS 1953/18 NZB, Rn. 24, juris).

c. Die Kostenübernahme kann auch nicht über eine entsprechende Anwendung von § 21 Abs. 6 SGB II erreicht werden. Eine analoge Anwendung ist nur ausnahmsweise möglich, wenn die Voraussetzungen einer Analogie, namentlich eine vergleichbare Interessenlage und planwidrige Regelungslücke vorliegen (zur grundsätzlichen Möglichkeit einer analogen Anwendung der Vorschrift vgl. Blüggel, in: Eicher/Luik, a.a.O., § 24 Rn. 33 ff.).

Eine analoge Anwendung scheitert vorliegend bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Recht der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) waren einmalige Leistungen stets der jeweiligen individuellen Situation entsprechend als ergänzende Beihilfen zu erbringen (Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 24 SGB II Rn. 145 f.). Seit der grundlegenden Reform der Existenzsicherungssysteme zum 01.01.2005 werden Bedarfe im SGB II grundsätzlich nicht mehr individuell festgestellt ("Individualisierungsgrundsatz"), sondern in typisierender Weise vorausgesetzt (Aufzählung der Bedarfe in § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB II) und in pauschalierter Höhe (monatlicher Pauschalbetrag des § 20 Abs. 1 Satz 3 SGB II) abgedeckt (vgl. Blüggel, in: Eicher/Luik, a.a.O., § 24 Rn. 12). Der Gesetzgeber hat mit der Typisierung und Pauschalierung von dem zuvor vorhandenen Individualisierungsgrundsatz ausdrücklich Abstand genommen. Für vom Regelbedarf umfasste Bedarfe hat er die Vorschrift des § 24 Abs. 1 SGB II normiert. Bedarfsspitzen durch grundsätzlich vom Regelbedarf umfasste Ausgaben werden in Form von Darlehen im Rahmen von § 24 Abs. 1 SGB II abgefangen. Für nicht vom Regelbedarf umfasste Bedarfe kann eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht kommen. Der Bedarf für Bekleidung ist vom Regelbedarf erfasst (siehe oben), so dass eine planwidrige Regelungslücke für eine diesbezügliche analoge Anwendung ausscheidet. Aber auch die weiteren Kosten der Konfirmationsfeier der Klägerinnen können keine analoge Anwendung begründen. Diese Auslegung ist vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der SGB II Vorschriften geboten, da Bedarfe für Feierlichkeiten (Taufe, Hochzeit, Kommunion) im Rahmen des BSHG noch als besondere Bedarfe anerkannt und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugesprochen wurden (vgl. etwa zur Kommunionfeier BVerwG, Urteil vom 18.02.1993 – 5 C 49/90, juris und zur Hochzeitsfeier BVerwG, Urteil vom 18.02.1993 – 5 C 40/91, juris). Weder für bestimmte persönliche Feierlichkeiten (Jubiläum, Hochzeit) noch für bestimmte religiöse Feste (Hochzeit, Taufe) hat der Gesetzgeber trotz Kenntnis dieser (alten) Rechtsprechung eine Öffnungsklausel normiert. Entsprechende Bedarfe sollen nunmehr über Ansparungen oder Darlehen erfasst werden, eine Gewährung weiterer Zuschüsse soll nicht erfolgen. Von einer planwidrigen Regelungslücke für anlässlich von (auch religiös begründeten) Feiern entstehende Kosten kann vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden.

d. Schließlich steht den Klägerinnen auch kein Anspruch nach § 73 SGB XII zu. Die Kammer konnte daher davon absehen, den örtlichen Sozialhilfeträger nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen. Zwar sind Leistungen nach § 73 SGB XII aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 2 SGB II für Bezieher von SGB II - Leistungen nicht generell ausgeschlossen. Es liegt aber weder eine atypische Bedarfslage i.S.v. § 73 SGB XII noch eine im Rahmen einer Ermessensvorschrift für einen Anspruch notwendige Ermessensreduzierung auf Null vor. Nach § 73 SGB XII können Geldleistungen als Beihilfe oder Darlehen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Eine "sonstige Lebenslage" i.S.v. § 73 SGB XII liegt nur dann vor, wenn die bedarfsauslösende Lebenslage weder innerhalb des SGB XII in den Kapiteln 3 – 9 (§§ 27 – 69) bzw. den sonstigen Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70 – 72, 74) noch in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt und bewältigt wird (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 22.06.2007 – L 1 B 7/07 AS ER, Rn. 27, juris). Es widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, wenn § 73 SGB XII in eine allgemeine Auffangnorm umgedeutet würde, die in all den Fällen einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger begründen würde, in denen die eigentlich einschlägigen Normen den betreffenden Anspruch gerade ausschließen (vgl. LSG NRW, a.a.O.). Die anlässlich der Konfirmationsfeier entstandenen Kosten stellen keine Bedarfslage dar, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweisen und erlauben daher keine Leistungsgewährung über das SGB XII (ausführlich hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 23.04.2009 – L 11 AS 125/08, Rn. 35 ff., juris).

e. Eine weitere Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich, insbesondere ist eine solche entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1) auch nicht von Verfassungs wegen geboten. Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistet die ungestörte Religionsausübungsfreiheit. Das Grundrecht aus Art. 4 GG gewährleistet – wie grundsätzlich alle Grundrechte – dem Einzelnen allerdings keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat bei der Grundrechtsausübung unterstützt zu werden (vgl. Germann, in: BeckOK GG, Epping/Hillgruber, 44. Edition, Stand 15.08.2020, Art. 4 Rn. 61 und 63 m.w.N.). So werden Kosten religiöser und kultureller Feiern – unabhängig davon, welcher Religion bzw. Kultur der Antragsteller angehört – im SGB II nicht übernommen. Die Religionsausübungsfreiheit wird durch die Frage, inwieweit Kosten anlässlich einer Konfirmationsfeier vom SGB II-Träger übernommen werden können, nicht in ihrem Kern tangiert (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 23.04.2009, a.a.O., Rn. 39). Die Klägerinnen müssen sich wie andere Leistungsempfänger auch auf eine bescheidene – möglicherweise im häuslichen Rahmen stattfindende – Familienfeier verweisen lassen, die durch die Regelleistung gedeckt ist (Bayerisches LSG, a.a.O.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

4. Der Beschwerdewert bei der vorliegend auch auf eine Geldleistung gerichteten Klage übersteigt einen Wert von 750,00 Euro, da die Klägerinnen eine Kostenübernahme in Höhe von 813,24 Euro geltend machen.
Rechtskraft
Aus
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