S 7 KA 228/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KA 228/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Hinweis:
Da die Klage im Berufungsverfahren zurückgenommen wurde,  ist diese Entscheidung nicht rechtskräftig geworden!

 

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 18.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2019 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Genehmigung zur Teilnahme an der "Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten" (im Folgenden: Schmerztherapie-Vereinbarung oder auch Qualitätssicherungsvereinbarung-Schmerztherapie) in der ab dem 01.10.2016 gültigen Fassung.

Der Kläger ist Facharzt für Anästhesiologie, der in Essen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Er hatte in der Vergangenheit eine Genehmigung nach der seit 01.04.2005 gültigen Schmerztherapie-Vereinbarung inne. Auch vor Inkrafttreten der Schmerztherapie-Vereinbarung im Jahr 2005 war der Kläger bereits schmerztherapeutisch tätig. Die dem Kläger im Jahr 2005 erteilte Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung wurde im Jahr 2012 widerrufen, da die Beklagte (die Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein) Mängel bei der Dokumentation angenommen hatte. Das deswegen durchgeführte Klageverfahren (S 33 KA 167/13) endete im Mai 2017 aufgrund Klagerücknahme.

Im Mai 2018 stellte der Kläger bei der Beklagten den hier streitgegenständlichen Antrag auf Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung. Er reichte verschiedene von der Beklagten angeforderte Unterlagen ein und wies darauf hin, dass diese Unterlagen identisch mit den Unterlagen seien, die von ihm bereits 1996 und dann erneut 2005 eingereicht worden seien. Seinerzeit sei mit diesen Unterlagen jeweils die Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung durch die Kommission genehmigt worden. Mit Schreiben vom 05.03.2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Prüfung der Unterlagen ergeben habe, dass kein Nachweis über die ganztägige 12-monatige Tätigkeit in einer schmerztherapeutischen Einrichtung gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung vorliege. Das vom Kläger eingereichte Zeugnis vom V F, unterschrieben von M.T, sei nicht ausreichend, da diese Einrichtung nicht nach Anlage I der Schmerztherapie-Vereinbarung anerkannt sei.

Mit Bescheid vom 18.03.2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung der Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung unter anderem eine ganztägige 12-monatige Tätigkeit in einer entsprechend qualifizierten Schmerzpraxis, Schmerzambulanz oder einem Schmerzkrankenhaus (vgl. Anlage 1) nachgewiesen werden müsse. Die Prüfung der eingereichten Unterlagen habe ergeben, dass ein solcher Nachweis nicht vorliege. Das V F sei in den Jahren 1994 bis 1995 nicht nach Anlage 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung anerkannt gewesen. Aus diesem Grund erfülle der Kläger die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung nicht.

Hiergegen erhob der Kläger am 09.04.2019 Widerspruch. Er vertrat die Auffassung, dass die Beklagte § 4 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung nicht zutreffend angewendet habe. Dort werde eine 12-monatige Tätigkeit "in einer entsprechend qualifizierten Schmerzpraxis, Schmerzambulanz oder einem Schmerzkrankenhaus" gefordert. Aus der Formulierung "entsprechend" sei abzuleiten, dass die dort genannten Einrichtungen (hier: Schmerzambulanz) die generellen Voraussetzungen erfüllen müssten. In Anlage I Satz 1 sei ausformuliert, welche Einrichtungen als "schmerztherapeutischen Einrichtung gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Qualitätssicherung-Vereinbarung Schmerztherapie" gelten. In Satz 2 der Anlage I sei die Möglichkeit vorgesehen, dass eine schmerztherapeutische Einrichtung in diesem Sinne "auf Antrag" als solche anerkannt werde. An keiner Stelle sei der Schmerztherapie-Vereinbarung hingegen zu entnehmen, dass nur die schmerztherapeutischen Einrichtungen eine entsprechende Qualifizierung gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie darstellen, die eine "förmliche Anerkennung" erhalten hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Tätigkeit in einer schmerztherapeutischen Einrichtung nach Maßgabe der vorliegenden Zeugnisse zu einer Zeit in der interdisziplinären Schmerzambulanz des V F absolviert habe (1994 und 1995), in der ein entsprechendes Anerkennungsverfahren "auf Antrag" schlicht noch nicht vorgesehen gewesen sei. Ein solches habe weder die Vereinbarung vom 09.09.1994 noch die frühere "Vereinbarung über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten" (Anl. 12 zum EKV-Ä vom 17.04.1997) enthalten. Nach den vorliegenden Unterlagen sei die Möglichkeit einer Anerkennung erstmals in der Schmerztherapie-Vereinbarung in der Fassung ab 01.04.2005 eingeführt worden. Aus diesem Grund würden als schmerztherapeutischen Einrichtungen im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung nicht nur diejenigen gelten, die eine förmliche Anerkennung erhalten hätten.

Die Beklagte folgte dieser Auffassung nicht. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2019 als unbegründet zurückgewiesen. Gemäß der Präambel zu Kapitel 30.7 Schmerztherapie des EBM sei für die Berechnung der Gebührenordnungspositionen (GPO) 30700 und/oder 30702 eine Genehmigung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung gemäß Qualitätssicherungs-Vereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten (Qualitätssicherungsvereinbarung-Schmerztherapie) gemäß § 135 Abs. 2 SGB V und der Nachweis der regelmäßigen Teilnahme an interdisziplinären Schmerzkonferenzen gemäß § 5 Abs. 3 der Qualitätssicherungsvereinbarung-Schmerztherapie Voraussetzung. Eine Anforderungsvoraussetzung gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 der Qualitätssicherungsvereinbarung-Schmerztherapie sei die ganztägige 12-monatige Tätigkeit in einer entsprechend qualifizierten Schmerzpraxis, Schmerzambulanz oder einem Schmerzkrankenhaus. Die Anerkennung einer solchen Einrichtung werde auf Antrag von der Kassenärztlichen Vereinigung widerruflich erteilt. Zuständig sei jeweils die Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bereich die Einrichtung gelegen sei. Diese Anforderung an eine schmerztherapeutische Einrichtung sei zum 01.04.2005 in Kraft getreten. Der Kläger habe auch als ehemaliger Teilnehmer an der Schmerztherapievereinbarung bei erneuter Beantragung einer Genehmigung die Voraussetzung nach § 4 zu erfüllen, daher müsse er auch die ganztägige 12-monatige Tätigkeit in einer entsprechend qualifizierten Schmerzpraxis, Schmerzambulanz oder einem Schmerzkrankenhaus nach Anlage I der Vereinbarung nachweisen. Da die eingereichte Bescheinigung des V F nicht ausreichend sei, sei eine andere Entscheidung nicht möglich gewesen.

Hiergegen hat der Kläger am 31.07.2019 Klage erhoben. Die historische Entwicklung der Schmerztherapie-Vereinbarung könne nicht zulasten des Klägers gehen. Die vermeintlich fehlende Anerkennung, die wie ausgeführt zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht vorgesehen gewesen sei, könne nicht herangezogen werden, um die Tätigkeit des Klägers im V F respektive in der dortigen Schmerzambulanz nicht genügen zu lassen, um heute den Anforderungen an die Schmerztherapie-Vereinbarung zu entsprechen. Insofern sei die Beklagte gehalten, zu überprüfen, inwieweit die jeweiligen Ausbildungsinhalte und Voraussetzungen denjenigen entsprechen, die einer fiktiv anzuerkennenden Schmerztherapie-Vereinbarung genügen. Auch habe die Beklagte sich bei der vorhergehend erteilten Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung nicht auf diese Argumente gestützt. Damit habe sie sich selbst gebunden. Es sei ihr daher aufgrund Verwirkung verwehrt, sich auf die fehlende Anerkennung zu berufen. Es liege sowohl das Zeitmoment als auch das Umstandsmoment für eine Verwirkung vor. Das Zeitmoment verlange, dass der Berechtigte, also hier die Beklagte, es für längere Zeit unterlassen habe, von seinem Recht Gebrauch zu machen. Als ein solches Recht sei hier die Befugnis zur Rücknahme der Genehmigung anzusehen. Dieses Recht hätte nach Ansicht der Beklagten nämlich mangels Anerkennung bereits im Jahr 2005 vorgelegen. Es sei treuwidrig, sich 2019 und somit 14 Jahre später auf diesen Umstand zu berufen. Durch die positive Bescheidung des Antrags noch im Jahr 2005 habe die Beklagte eine Erklärung dahingehend gesetzt, dass der Genehmigung die fehlende Anerkennung der Schmerzambulanz des V F nicht im Wege stehe. Daran müsse sie sich festhalten lassen. Das Umstandsmoment verlange, dass weitere Umstände hinzutreten, die das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten, also dem Kläger, gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Diese Umstände lägen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Die Beklagte habe durch die Erteilung der Genehmigung, die bestandskräftig geworden sei, eine solche Vertrauensgrundlage für den Kläger geschaffen, sodass er die Voraussetzung der Genehmigung insbesondere die Frage der Anerkennung der Einrichtung als erfüllt ansehen durfte. Er habe damit rechnen dürfen, dass die Beklagte diese Auffassung später nicht mehr ändern würde, da die Frage der Anerkennung im Jahr 2005 nicht anders zu beurteilen war als im Jahr 2019. Durch die 14 Jahre später getroffene Entscheidung entstünde dem Kläger ein unzumutbarer Nachteil, da er nunmehr erfahre, dass die Genehmigung niemals hätte erteilt werden dürfen. Dabei dürfe es keine Rolle spielen, dass es sich bei dem hiesigen Verfahren um ein neues, eigenständiges Verwaltungsverfahren handele. Dieses könne einen einmal geschaffenen Vertrauenstatbestand in Form eines zunächst bestandskräftigen Verwaltungsakts nicht beseitigen. Das öffentliche Interesse überwiege auch nicht das Vertrauen des Klägers auf Bestand der Beurteilung durch die Beklagte, weil die Beklagte es auch früher unterlassen habe, die ihrer Auffassung nach notwendige Anerkennung der Schmerzambulanz zu prüfen und gegebenenfalls die Genehmigung zu versagen. Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt habe, dass diese Einrichtung bis heute nicht anerkannt sei, sei auch dies nicht maßgeblich. Denn selbst wenn die Einrichtung nunmehr anerkannt würde, könne dies die Frage nach der Erteilung der Genehmigung gegenüber dem Kläger nicht beeinflussen. Sinn und Zweck der Vorschriften der Schmerztherapie-Vereinbarung sei es nämlich, für die Erfüllung gewisser Mindestanforderung unter anderem an die fachliche Befähigung des Arztes zu sorgen. Die rein tatsächlich zu beurteilende fachliche Befähigung, die der Kläger in den 90-er Jahren erworben habe, könne jedoch wegen dieser tatsächlichen Beurteilung nicht anders zu beurteilen sein, wenn nunmehr die Einrichtung anerkannt würde. Der Kläger habe durch die Ableistung der 12-monatigen Tätigkeit in der Schmerzambulanz des V F im Übrigen eine Rechtsposition erworben, die ihm nicht durch eine neue rechtliche Beurteilung aus dem Jahr 2019 entzogen werden dürfe. Die damals anzuwendende Schmerztherapievereinbarung habe ein Anerkennungsverfahren nicht gekannt. Eine § 4 Abs. 3 Nr. 1 Schmerztherapie-Vereinbarung vergleichbare Regelung habe es seinerzeit nicht gegeben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheids vom 18.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2019 über den Antrag des Klägers auf Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage abzuweisen ist, da eine ganztägige 12-monatige Tätigkeit in einer "anerkannten Einrichtung" geleistet worden sein müsse. Es liege auch kein Fall der Verwirkung vor. Der Kläger habe am 06.07.2005 antragsgemäß die Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung erhalten, weil er zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Schmerztherapie erfüllt habe. 2017 sei die Genehmigung wegen des Verstoßes nach § 7 Qualitätssicherungsvereinbarung-Schmerztherapie widerrufen worden (Anmerkung: der Widerruf erfolgte schon 2012, das Klageverfahren endete 2017). Ein vorheriger Widerruf aufgrund der Tatsache, dass nunmehr gefordert werde, eine 12-monatige Tätigkeit in einer entsprechend qualifizierten Schmerzpraxis, Schmerzambulanz oder einem Schmerzkrankenhaus nachzuweisen, sei seinerzeit seitens der Beklagten nicht ausgesprochen worden. Hierfür hätte es an einer Rechtsgrundlage gefehlt mit der Folge, dass es überhaupt kein Recht gegeben habe, dass hätte ausgeübt werden können. Es fehle auch an einem Vertrauensschutz. Anträge würden grundsätzlich nach der aktuell gültigen Rechts- und Gesetzeslage beschieden. Auf diesen Grundsatz weise die Qualitätssicherungsvereinbarung-Schmerztherapie ausdrücklich in § 8 Abs. 3 hin. Auch auf der Internetseite der Beklagten werde darauf hingewiesen, dass die Einrichtung, in der die 12-monatige Fortbildung absolviert werde, die Kriterien der Anlage 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung erfüllen und als Fortbildungsstätte im Rahmen der Schmerztherapie-Vereinbarung anerkannt sein müsse. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, mit den Unterlagen aus der Vergangenheit, ohne Geltung der neuen Rechts- und Gesetzeslage, eine Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung zu erhalten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Akte des Verfahrens S 33 KA 167/13 verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die Beklagte durfte den Antrag des Klägers auf Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung nicht mit der Begründung ablehnen, dass seine 12-monatige Tätigkeit am V F nicht förmlich nach Anlage 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung anerkannt worden ist.

Anspruchsgrundlage für die Erteilung der vom Kläger gewünschten Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung ist § 10 der Schmerztherapie-Vereinbarung. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 ist die Genehmigung zu erteilen, wenn aus den vorgelegten Zeugnissen und Bescheinigungen hervorgeht, dass die in den Abschnitten B und C jeweils genannten fachlichen und organisatorischen, räumlichen und apparativen Voraussetzungen erfüllt werden (a) und der Arzt sich verpflichtet hat, die jeweiligen Anforderungen an die Leistungserbringung zu erfüllen (b). Die Beklagte hat die Erteilung der Genehmigung abgelehnt, weil sie der Auffassung ist, dass der Kläger die fachliche Befähigung hierfür nicht nachgewiesen habe. Dabei ist sie nach Auffassung der Kammer von falschen Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Schmerztherapie-Vereinbarung ausgegangen und hat den Antrag daher zu Unrecht abgelehnt. Bei Verträgen mit rechtlicher Wirkung gegenüber Dritten ist nicht auf den subjektiven Willen der Beteiligten, sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung abzustellen. Die Erklärungsbedeutung ist umfassend zu ermitteln. Die Auslegung ist nicht etwa beschränkt wie zB bei Bewertungs- und Vergütungsregelungen (Beschränkung im Wesentlichen auf die Wortlautauslegung). Ebenso wie ansonsten bei Normen können außer der Auslegung nach dem Wortlaut und der grammatischen Interpretation auch eine systematische, eine teleologische und eine entstehungsgeschichtliche Auslegung in Betracht kommen (sog normative Auslegung, vgl. BSG, Urteil vom 03. März 1999 – B 6 KA 18/98 R –, juris). Nach diesen Maßstäben war § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung so auszulegen, dass dem Antrag des Klägers nicht schon allein der Umstand entgegensteht, dass die Einrichtung, in der er seine 12-monatige Tätigkeit im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 1 absolviert hat, nicht förmlich anerkannt gewesen ist.

Die Schmerztherapie-Vereinbarung regelt in § 4 wann die "fachliche Befähigung" für die Ausführung und Abrechnung von Leistungen zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten als nachgewiesen gilt. In § 4 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 wird gefordert, dass man eine ganztägige 12-monatige Tätigkeit in einer entsprechend qualifizierten Schmerzpraxis, Schmerzambulanz oder einem Schmerzkrankenhaus (vgl. Anlage I) nachzuweisen hat. Die Beklagte hat diese Regelung aufgrund des Verweises auf Anlage I so ausgelegt, dass nur die Tätigkeit in einer "anerkannten" Einrichtung diesen Anforderungen genüge und hat aus diesem Grund das Zeugnis des Klägers über dessen ganztägige Tätigkeit in der Schmerztherapie von August 1994 bis Oktober 1995 am V F nicht für einen Nachweis im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung akzeptiert. Dies überzeugte die Kammer nicht. Der Wortlaut der Schmerztherapie-Vereinbarung gibt diese Auslegung nicht her. Wenn die Vertragsparteien bei Abschluss der Schmerztherapie-Vereinbarung die förmliche Anerkennung der Einrichtung als Tatbestandsmerkmal hätten normieren wollen, hätte es sich aufgedrängt, es auch genauso zu formulieren. Die Formulierung hätte dann wie folgt lauten können: "Ganztägige 12-monatige Tätigkeit in einer anerkannten Schmerzpraxis, einer anerkannten Schmerzambulanz oder einem anerkannten Schmerzkrankenhaus (vgl. Anlage I)." So wurde die Vorschrift jedoch nicht formuliert, sondern es wurde die Formulierung "entsprechend qualifizierten Schmerzpraxis, Schmerzambulanz oder einem Schmerzkrankenhaus" gewählt und somit eine offenere Formulierung, die auf die Qualifikation (und nicht auf die förmliche Anerkennung) der Einrichtung abstellt. Der Verweis auf Anlage I führt dazu, dass die in der Anlage I aufgeführten qualitativen Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit die Tätigkeit in der Einrichtung als Tätigkeit "in einer entsprechend qualifizierten" Einrichtung gilt. Eine darüber hinaus gehende Anforderung in Gestalt einer förmlichen Anerkennung ist jedoch nicht zu verlangen. Für diese Auslegung spricht auch die systematische Auslegung, bzw. hier konkret das Fehlen einer Übergangsvorschrift. Das von der Beklagten hineingelesene Tatbestandsmerkmal der "Anerkennung" würde bei allen Ärzten, die ihre 12-monatige Tätigkeit in der Schmerztherapie vor 2005 absolviert haben und – aus welchen Gründen auch immer – keine Genehmigung nach der 2005 gültigen Schmerztherapie-Vereinbarung innehaben mit der Folge, dass die Übergangsvorschrift nicht greift, dazu führen, dass die Erteilung einer Genehmigung ausscheidet und zwar vollkommen unabhängig davon, ob ansonsten sämtliche Anforderungen an die Schmerztherapie-Vereinbarung erfüllt werden und somit an der fachlichen Befähigung im Übrigen kein Zweifel besteht. Es ist nicht erkennbar, dass die Vertragsparteien einen derart weitreichenden Ausschluss durch den bloßen Verweis auf eine Anlage mit Wirkung ab dem 01.04.2005 regeln wollten. Denn wenn dies von den Vertragsparteien so beabsichtigt gewesen wäre, hätte sich nicht nur eine Übergangsvorschrift für die Ärzte, die schon eine Genehmigung nach den vorherigen Regelungen innehatten, aufgedrängt (die ja in § 13 der ab dem 01.04.2005 geltenden Schmerztherapievereinbarung auch aufgenommen wurde), sondern es hätte sich eine weitere Übergangsvorschrift für die Ärzte aufgedrängt, die noch keine Genehmigung haben und deren 12-monatige Tätigkeit durch die Forderung der förmlichen Anerkennung (die es vorher ja noch nicht gab) praktisch entwertet würde. Eine entsprechende Übergangsregelung gab es jedoch in der Vereinbarung ab 01.04.2005, als nach Auffassung der Beklagte das Tatbestandsmerkmal der förmlichen Anerkennung als Bedingung für den Nachweis nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung geschaffen worden sein soll, nicht. Auch dies, also die systematische Auslegung, spricht gegen die von der Beklagten vorgenommene Erweiterung der Tatbestandsmerkmale von § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung um das Merkmal der "Anerkennung" der Einrichtung".

Die Entscheidung der Beklagten war aus den vorstehenden Gründen aufzuheben und die Beklagte war dazu zu verpflichten, über den Antrag des Klägers neu zu entscheiden. Eine (abschließende) Entscheidung in der Sache durch das Gericht schied bereits deswegen aus, weil die Beklagte die Prüfung des Antrags aufgrund der von ihr angenommenen Auslegung bereits in einem sehr frühen Stadium beendet hat und aus diesem Grund die übrigen Voraussetzungen, die teils von weiteren Handlungen der Beklagten und des Klägers abhängen (zB erfolgreiche Teilnahme an einem Kolloquium vor der Schmerztherapie-Vereinbarung, vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 5) nicht weiter aufgeklärt/durchgeführt wurden. Bei der erneuten Entscheidung darf die Beklagte den Antrag des Kläger aus den vorstehenden Gründen nicht daran scheitern lassen, dass die Einrichtung, in der der Kläger 1994/1995 seine 12-monatige Tätigkeit absolviert hat, nicht förmlich anerkannt ist, sondern sie hat zu prüfen, ob die Einrichtung, in der der Kläger 1994/1995 tätig gewesen ist, auf Basis der tatsächlichen Umstände aus 1994/1995 die Anforderungen, die seit 2016 aufgrund der Schmerztherapie-Vereinbarung zur Qualitätssicherung gefordert werden, erfüllt, also "entsprechend qualifiziert" ist.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Kammer aufgrund der von ihr vorgenommenen Auslegung von § 4 Abs. 3 Nr. 1 der Schmerztherapie-Vereinbarung offen lassen konnte, ob der Kläger sich – wie von ihm vorgetragen – auf einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz berufen kann. Aus diesem Grund musste die Kammer den Rechtsstreit insbesondere nicht vertagen, um aufzuklären, ob der Kläger vor der Genehmigung im Jahr 2005 an der "Vereinbarung über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten (Anlage 12 des Arzt-/Ersatzkassenvertrags vom 01.07.1997) oder an anderen gleichwertigen Schmerztherapie-Vereinbarungen" teilgenommen hat, was in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend geklärt werden konnte (es war nur klar, dass er auch vor 2005 schon "schmerztherapeutisch tätig" war). Wenn der Kläger vor 2005 an entsprechenden vorherigen Vereinbarungen teilgenommen haben sollte, hätte die Beklagte bei der Prüfung des Antrags für die Genehmigung nach der ab dem 01.04.2005 gültigen Schmerztherapie-Vereinbarung das Tatbestandsmerkmal "12-monatige Tätigkeit in einer entsprechend qualifizierten " gar nicht prüfen müssen, da in der Übergangsvorschrift des § 13 Abs. 2 der ab dem 01.04.2005 gültigen Schmerztherapievereinbarung nur auf die Erfüllung der Voraussetzungen des Abschnitts C (Anforderungen an den schmerztherapeutisch tätigen Arzt) und nicht auch auf die Voraussetzungen des Abschnitts B (fachliche Befähigung) verwiesen wurde. Wenn der Kläger unter diese Übergangsvorschrift fiel, war im Jahr 2005 die 12-monatige Tätigkeit daher gar nicht Teil der Prüfung des Antrags zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung mit der Folge, dass aus der Bewilligung des Antrags auch kein Vertrauensschutz in diese Richtung begründet werden könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Da die Klage keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, kommt es auf den Wert des Streitgegenstandes nicht an (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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