S 13 KR 99/05

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 13 KR 99/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 46/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für ein Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Thalidomid.

Die 1966 geborene Klägerin leidet unter einem kutanen chronisch-diskoiden Lupus erythematodes, eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung der Haut. Die Klägerin wurde zunächst mit den Arzneimitteln Resochin® (Wirkstoff: Chloroquin), Quensyl® (Hydroxychlotoquin) sowie stark-kortisonhaltiger Salben behandelt; hierunter zeigte sich eine weitere Verschlechterung des Hautbildes. Seit April 2003 erfolgte in der Hautklinik des Klinikums B-Stadt eine Thalidomid-Therapie; bereits im Juni 2003 zeigte sich eine deutliche Besserung der Hautveränderungen. Der Wirkstoff Thalidomid war vom 01.10.1957 bis 27.11.1961 als das rezeptfreie Ein- und Durchschlafmittel Contergan® im Handel. Aufgrund der Folgen der teratogenen Eigenschaften des Wirkstoffes Thalidomid (6000 bis 10.000 Kinder mit Fehlbildungen weltweit) nahm der Hersteller – die Fa. Chemie G. – das Medikament im November 1961 vom Markt; die Zulassung wurde widerrufen. Der Hautklinik des Klinikum B-Stadt wurden Medikamente mit dem Wirkstoff Thalidomid bis Juni 2003 kostenfrei durch die Fa. G. zur Verfügung gestellt. Seit Juli 2003 wird das Medikament durch das amerikanische Pharmaunternehmen P. vertrieben. Für Medikamente mit dem Wirkstoff Thalidomid besteht derzeit weder in Deutschland noch in Europa eine Zulassung. Anträge auf Zulassung von Thalidomid zur Behandlung des multiplem Myeloms (Tumor des Knochenmarks) und zur Behandlung von Erythema nodosum leprosum, einer Komplikation der Lepra, des Pharmaunternehmen P. bei der EMEA, der europäischen Zulassungsbehörde, wurden 2005 zurückgenommen. Die Fa. P. kündigte an, die europäische Zulassung von Thalidomid für die Therapie von Patienten mit multiplem Myelom im Jahr 2007 erneut zu beantragen. In den USA ist Thalidomid seit 1998 zur Behandlung von Erythema nodosum leprosum und in Australien zur Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen.

Die Klägerin beantragte am 01.09.2003 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten die Übernahme der Kosten für ein Medikament mit dem Wirkstoff Thalidomid und verwies auf ein Attest des Prof. Dr. HK. vom 07.07.2002, der die Fortführung der Medikation dringend empfahl. Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Antrag am 16.09.2003 mit der Begründung ab, es liege keine Zulassung für das Medikament vor. Die Klägerin widersprach der Entscheidung und legte ein Attest des Prof. Dr. HK. vom 29.09.2003 vor. Dieser führte aus, die Klägerin habe eine Behandlung mit anderen Substanzen wegen starken Nebenwirkungen nicht vertragen; unter Einnahme von Thalidomid sei es insbesondere im Gesicht zu einer deutliche Besserung gekommen. Ergänzend verwies er auf wissenschaftliche Veröffentlichungen, die zahlreiche positive Ergebnisse zur Behandlung des Lupus erythematodes mit dokumentierten. Die Beklagte wiederholte ihre ablehnende Entscheidung mit Bescheid vom 16.10.2003. Die Klägerin widersprach der Entscheidung am 05.05.2004 erneut und verwies darauf, dass eine Kostenübernahme unter Berücksichtung der Grundsätze eines sog. off-label-use, eines zulassungsüberschreitenden Einsatzes, wie vom Bundessozialgericht in einem Urteil vom 19.03.2002 (Az.: B 1 KR 37/00 R) entschieden, in Betracht komme. Insbesondere stünde zur Behandlung der Erkrankung der Klägerin keine Alternativ-Therapie zur Verfügung. Die Beklagte beauftragte den MDK abermals mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens. In einem Gutachten nach Aktenlage vom 01.09.2004 führte Dr. L. vom MDK aus, es existierten keine doppelblinden plazebokontrollierten Phase-III-Studien zum Einsatz von Thalidomid bei Lupus erythematodes; ein Wirksamkeitsnachweis fehle. Die Beklagte lehnte sodann den Antrag mit Bescheid vom 08.11.2004 ab; ein weiterer Widerspruch der Klägerin vom 11.11.2004 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2005 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.04.2005, der bei Gericht am 29.04.2005 eingegangen ist, Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Nach ihrer Auffassung seien Voraussetzungen für einen zulassungsüberschreitenden Einsatz erfüllt; bei der Klägerin liege eine schwere und seltene Erkrankung vor, für die keine alternative Therapie zur Verfügung stehe. Außerdem sei ein Antrag auf Zulassung gestellt bzw. in Aussicht gestellt.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.09.2003 in Gestalt des Bescheides vom 16.10.2003 in Gestalt des Bescheides vom 08.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für ein Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Thalidomid nach vertragsärztlicher Verordnung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält an der Rechtmäßigkeit ihrer Bescheide fest. Es liege keine innerstaatliche wirksame Arzneimittelzulassung für Thalidomid vor. Auch handele es sich bei einem chronisch-diskoiden Lupus erythematodes um keine sehr seltene, singulär unerforschbare Erkrankung. Es bestünden alternative Therapiemöglichkeiten. Ergebnisse kontrollierter, randomisierter Studien zum Einsatz vom Thalidomid bei Lupus erythematodes lägen nicht vor. Die Zulassung von Thalidomid zur Behandlung von Lepra in den USA rechtfertige keine Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung. Die Beklagte verweist ergänzend auf ein Gutachten des MDK vom 01.09.2005.

Das Gericht hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ergänzend befragt. Wegen des Inhaltes des Schreibens des BfArM vom 11.01.2006 wird auf Blatt 44 der Gerichtakte verwiesen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerechte Klage ist zulässig. Soweit der Widerspruch der Klägerin vom 05.05.2004 gegen den Bescheid vom 16.10.2003 verfristet war, ändert dies nichts an der Zulässigkeit der Klage. Denn die Beklagte hat mit Widerspruchbescheid vom 21.04.2005 über die Widersprüche der Klägerin sachlich entschieden; damit sind eventuelle Fristverletzungen im Widerspruchsverfahren geheilt (vgl. Meyer-Ladewig Kommentar SGG § 84 Rn. 7).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.09.2003 in Gestalt des Bescheides vom 16.10.2003 in Gestalt des Bescheides vom 08.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht den Antrag auf Übernahme der Kosten für Thalidomid abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einem thalidomidhaltigem Medikament.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 27 Sozialgesetzbuch Band V - Krankenversicherung (SGB V). Der in § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 Abs. 1 SGB V normierte Anspruch des Versicherten auf Bereitstellung der für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel unterliegt den Einschränkungen aus § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V. Er besteht nur für solche Pharmakotherapien, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Diese Anforderungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht erfüllt, wenn das verabreichte Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf, aber nicht zugelassen ist (Urteil vom 8. Juni 1993 - BSGE 72, 252 = SozR 3-2200 § 182 Nr. 17 - Goldnerz-Creme; Urteil vom 8. März 1995 - SozR 3-2500 § 31 Nr. 3 - Edelfosin; Urteil vom 23. Juli 1998 - BSGE 82, 233 = SozR 3-2500 § 31 Nr. 5 - Jomol). Denn ein Arzneimittel kann auch dann, wenn es zum Verkehr zugelassen ist, grundsätzlich nicht zu Lasten der Krankenversicherung in einem Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt.

Für ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Thalidomid liegt weder in Deutschland noch EU-weit eine solche Arzneimittelzulassung vor. Die im Jahre 1957 für das Fertigarzneimittel Contergan® erteilt Zulassung wurde widerrufen. Die in einzelnen außereuropäischen Ländern erteilten Arzneimittelzulassungen von Fertigarzneimitteln mit dem Wirkstoff Thalidomid entfalten keine entsprechenden Rechtswirkungen für Deutschland; denn weder das deutsche Recht noch das Europarecht sehen eine solche Erweiterung der Rechtswirkungen der nur von nationalen außereuropäischen Behörden erteilten Zulassungen ohne ein entsprechend vom Hersteller eingeleitetes sowie positiv beschiedenes Antragsverfahren vor (vgl. im Einzelnen BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 1, jeweils Leitsatz und RdNr. 11 ff - Immucothel ®). Damit kommt mangels Zulassung von Fertigarzneimitteln mit dem Wirkstoff Thalidomid eine zulassungsüberschreitende Anwendung (vgl. dazu BSGE 89, 184 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr. 8 - Sandoglobulin®) von vornherein nicht in Betracht (BSG Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 7/05 R - Tomudex® RdNr. 16). Der Vortrag der Klägerin zum zulassungsüberschreiten Einsatz von thalidomid-haltigen Fertigarzneimitteln geht daher an der Sache vorbei. Entgegen der von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung ist auch aus der Ankündigung des Pharmaunternehmens P., im Jahr 2007 erneut die Zulassung von Thalidomid bei multiplem Myelom zu beantragen, kein "hypothetischer" zulassungsüberschreitender Einsatz zu prüfen – es liegt keine Zulassung vor.

Zu Gunsten der Klägerin folgt auch nichts aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 (NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164). Das BVerfG hat darin eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass aus dem Grundgesetz keine konkreten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche hergeleitet werden können, nur für lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankungen gemacht, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht. Das Bundessozialgericht hat zwischenzeitlich entschieden, dass die vom BVerfG entwickelten Grundsätze auch auf das Arzneimittelrecht übertragbar sind (BSG Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 7/05 R - Tomudex® RdNr. 22). Eine Leistungspflicht der Krankenkasse ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) jedoch nur unter den folgenden Voraussetzungen gegen das Grundgesetz:

1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor.
2. Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.
3. Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Neben dieser vom Bundesverfassungsgericht geforderten Krankheitssituation und den allgemeinen krankenversicherungsrechtlichen Erfordernissen müssen außerdem noch die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sein (BSG Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 7/05 R - Tomudex® RdNr. 27):

4. Es darf kein Verstoß gegen das Arzneimittelrecht vorliegen.
5. Unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes überwiegt bei der vor der Behandlung erforderlichen sowohl abstrakten als auch speziell auf den Versicherten bezogenen konkreten Analyse und Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtliche Nutzen.
6. Die - in erster Linie fachärztliche - Behandlung muss auch im Übrigen den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend durchgeführt und ausreichend dokumentiert werden.

Nach Auffassung der Kammer ist im Falle der Klägerin bereits die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Krankheitssituation zu verneinen, denn die Klägerin leidet nicht unter einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung. Die Klägerin ist an einem kutanen chronisch-diskoiden Lupus erythematodes, einer chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankung der Haut erkrankt; eine systemische Beteiligung im Sinne eines systemischen Lupus erythematodes mit Befall verschiedener Organe liegt indes nicht vor. Selbst für den systemischen Lupus erythematodes einschließlich Herz-, Gefäß- und Nierenbeteiligung besteht eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 82-90% in den ersten fünf Jahren und 71-80% nach zehn Jahren; bei 20% tritt innerhalb von 5 Jahren eine deutliche Remission ein; die Mortalität wird hauptsächlich durch Nierenversagen oder thromboembolische Ereignisse und Infektionen verursacht (www.tobias-schwarz.net/medizin/krankheiten/sle.html). Der bei der Klägerin bestehende grundsätzlich im Verlauf mildere chronisch-diskoide Lupus erythematodes ohne Organbeteiligung ist weitgehend auf die Haut beschränkt; die Hauterkrankung der Klägerin ist weder lebensbedrohlich noch regelmäßig tödlich verlaufend.

Die Hauterkrankung der Klägerin kann auch von ihrer Schwere und dem Ausmaß der aus ihr folgenden Beeinträchtigungen einer lebensbedrohlichen Erkrankung nicht gleichgestellt werden. Die Kammer verkennt nicht, dass es sich bei einem chronisch-diskoiden Lupus erythemtodes um eine die Lebensqualität beeinträchtigende Erkrankung handelt. Die Klägerin wird insbesondere durch die Entzündungen und Vernarbungen von lichtexponierten Hautarealen - vor allem im Bereich des Gesichts - physisch und psychisch belastet. Obwohl diese Folgen durchaus gravierend sind, führen sie dennoch keine notstandsähnliche Extremsituation herbei, in der das Leistungsrecht der GKV aus verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber den allgemein geltenden Regeln zu modifizieren wäre. Ein kutaner Lupus erythematodes kann insoweit nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden, wie es etwa für den Fall drohender Erblindung (vgl. BSG, BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1 - Visudyne®) zu erwägen wäre. Es besteht kein Anlass, die Rechtsgedanken der vorerwähnten Entscheidung des BVerfG auf weitläufigere Bereiche auszudehnen, in denen der Gesetzgeber aus wohl erwogenen Gründen in Abkehr von früherem Recht den Leistungsumfang der GKV bewusst eingeschränkt hat (BSG Urteil vom 04.04.2006 Az.: B 1 KR 12/04 R D-Ribose). Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang auch auf ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (Az.: B 1 KR 12/06 R; Presserklärung des BSG vom 18.12.2006 – Terminbericht Nr. 68/06); in diesem Urteil verneint das BSG eine Gleichstellung der Friedreich’schen Ataxie mit einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung.

Schließlich liegt auch ein Sonderfall, in dem unter Anwendung der sog. Visudyne®- Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1 - Visudyne®) für singuläre Erkrankungen vom strikten Zulassungserfordernis abgesehen werden kann, nicht vor. Der kutane Lupus erythematodes als Unterform der Kollagenose ist keine so seltene Erkrankung, die eine evidenzbasierte Erforschung unmöglich macht. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland etwa 40.000 Menschen, vor allem junge Frauen im gebärfähigen Alter an Lupus erythematodes. In Europa tritt der Lupus erythematodes mit einer Inzidenz (Anzahl der Neuerkrankungsfälle) von 25-27 jährlich Neuerkrankten pro 100.000 Personen auf. In den USA tritt die Krankheit häufiger auf (www.wikipedia.de). Angesichts dieser Fallzahlen ist nach Auffassung der Kammer eine systematische Erforschung der Erkrankung gewährleistet.

Aus dem "Orphan-drug-status" (Arzneimittel für seltene Leiden mit erleichtertem Zulassungsverfahren), welchen die EMEA für Thalidomid bei den Indikationen Erythema nodosum leprosum und multiples Myelom eingeräumt hat, kann die Klägerin nichts ableiten, denn für die bei ihr bestehende Erkrankung Lupus erythematodes besteht gerade kein Orphan-drug-status.

Die Klage war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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