Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 20 AS 258/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 90/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach § 33 Abs. 2 SGB II sind Ansprüche gegen Arbeitgeber nicht übergangsfähig, da insoweit die §§ 115, 116 SGB X vorgehen.
Der Anspruch auf eine in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung geht nur nach § 115 I SGB X auf den SGB II - Leistungsträger über, soweit in dem Vergleich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist vereinbart wurde. Nur in diesem Fall enthält die Abfindung Arbeitsentgelt, anderenfalls stellt sie eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar.
Der Anspruch auf eine in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung geht nur nach § 115 I SGB X auf den SGB II - Leistungsträger über, soweit in dem Vergleich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist vereinbart wurde. Nur in diesem Fall enthält die Abfindung Arbeitsentgelt, anderenfalls stellt sie eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar.
Der Bescheid der Beklagten vom 07.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen den mit Bescheid vom 07.01.2008 von dem Beklagten geltend gemachten Anspruchsübergang nach §§ 33 Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) bezüglich des Anspruchs der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.500,00 EUR.
Die 1981 geborene Klägerin war seit dem 12.09.2000 in einem Restaurant in B-Stadt beschäftigt. Sie lebte in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Tochter und erhielt ergänzende Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten.
Mit Schreiben vom 04.06.2007 kündigte der Arbeitgeber das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.07.2007. Im nachfolgenden Arbeitsrechtsstreit beim Arbeitsgericht C-Stadt einigte sich die Klägerin mit ihrem früheren Arbeitgeber wie folgt:
1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 04.06.2007 mit Ablauf des 31.07.2007 geendet hat.
2. Der Beklagte zahlt an die Klägerin Restvergütung für Juni 2007 in Höhe von 97,05 EUR brutto, soweit nicht schon geschehen.
3. Der Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß ab und zahlt die für die Klägerin sich ergebenden Beträge aus, soweit noch nicht geschehen.
4. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt der Beklagte an die Klägerin in Anlehnung an die §§ 9, 10 [Kündigungsschutzgesetz] KSchG eine Abfindung in Höhe von 1.500,00 EUR brutto.
5. [ ]
6. [ ]
Mit Schreiben an das Arbeitsgericht D-Stadt vom 05.09.2007 machte der Beklagte gemäß § 115 SGB X einen Anspruchsübergang geltend.
Mit Bescheid vom 07.01.2008 zeigte der Beklagte gegenüber der Klägerin den Übergang ihrer Ansprüche gegen ihren früheren Arbeitgeber gem. § 33 SGB II in Höhe von 3.035,91 EUR an. Gleichzeitig machte der Beklagte übergegangene Ansprüche in Höhe von 3.035,91 EUR gegenüber dem früheren Arbeitgeber der Klägerin geltend.
Am 28.01.2008 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 07.01.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, überleitungsfähig seien lediglich die in Ziffer 3 des Vergleichs zuerkannten Zahlungsansprüche der Klägerin, mithin ihr Lohnanspruch für den Monat Juli 2007. Die in Ziffer 4 zuerkannten Zahlungsansprüche in Höhe von 1.500,00 EUR würden einen Abfindungsanspruch gemäß §§ 9, 10 KSchG betreffen, der nicht übergeleitete werden könne.
Am 01.01.2008 zog die Klägerin von B-Stadt nach A-Stadt. Der frühere Arbeitgeber der Klägerin überwies den Abfindungsbetrag in Höhe von 1.500,00 EUR am 25.01.2008 an die Bundesagentur für Arbeit.
Mit dem Widerspruchsbescheid vom 08.02.2008 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, zwischen der gezahlten Abfindung und den Leistungen nach dem SGB II bestehe Zweckidentität. Die Abfindung sei ausschließlich für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt worden. Dies bedeute, dass sich der Leistungsanspruch der Klägerin gemindert hätte, wenn die Abfindung in Höhe von 1.500,00 EUR zum 31.07.2007 an die Klägerin ausgezahlt worden wäre. Die der Klägerin unter normalen Umständen bereits im Juli 2007 ausgezahlte Abfindung sei eine Einnahme in Geld und damit Einkommen. Die Leistung aus der Abfindung sei auch nicht anrechnungsfrei. Bei Zufluss im Juli 2007 hätte die Einnahme im Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Dezember 2007 berücksichtigt werden können.
Am 01.04.2008 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, nach § 115 Abs. 1 SGB X würden Lohn- oder Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nur bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen und nur insoweit auf den Leistungsträger übergehen, als der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelte nicht erfüllt hat und deshalb Sozialleistungen erbracht wurden. Diese Tatbestandsvoraussetzungen seien nur für die Zahlungen des Beklagten im Monat Juli 2007 gegeben. Wegen der Nichtzahlung des Lohns habe der Beklagte erst ab dem 01.07.2007 Leistungen erbracht. Nach dem 31.07.2007 habe keine Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers mehr bestanden; daher konnten die Leistungen des Beklagten auch nicht wegen der Nichtzahlung von Arbeitslohn erfolgt sein. Der Höhe nach hätte die Beklagte lediglich den Betrag überleiten dürfen, den sie der Klägerin im Monat Juli 2007 zusätzlich zur laufenden Hilfe gewährt hat. Als Einkommen sei die Abfindung bei der Klägerin nicht zu berücksichtigen, da sie der Klägerin bis zum heutigen Tage nicht zugeflossen sei. Einen gesetzlichen Abfindungsanspruch bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses gebe es nicht. Abfindungen würden im Arbeitsrecht aufgrund von Sozialplänen oder vertraglichen Abreden (in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen oder in gerichtlichen Vergleichen) gezahlt. Zwar könnten Abfindungen auch Arbeitsentgelt enthalten, wenn das Arbeitsverhältnis einvernehmlich ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet wurde. Im vorliegenden Fall sei das Arbeitsverhältnis jedoch unter Einhaltung der im maßgeblichen Tarifvertrag vorgesehenen Kündigungsfrist beendet worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 07.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die angefochtenen Bescheide. Ergänzend trägt der Beklagte vor, es handle sich nicht um die Überleitung eines Anspruches, sondern um einen gesetzlichen Anspruchsübergang gemäß § 33 SGB II. Mit ihrer Kündigungsschutzklage hätte die Klägerin auch ihre Forderung auf die Abfindung geltend gemacht. Eine Abfindung sei als Einkommen zu werten, sodass die Forderung auf die Abfindung kraft Gesetzes auf den Beklagten übergegangen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage, da es sich bei dem Schreiben vom 07.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 um Verwaltungsakte im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) handelt. Da die Beklagte im vorliegenden Fall Ansprüche der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber gegenüber diesem geltend gemacht hat, kommt ein Forderungsübergang nach § 33 SGB II oder § 115 SGB X in Betracht. In beiden Vorschriften ist jedoch ein gesetzlicher Forderungsübergang normiert (Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 33 Rn. 2, 9; von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 115 Rn. 2, 3). Da der Anspruch kraft Gesetzes übergeht, bedarf es keiner schriftlichen Überleitungsanzeige und damit keines Verwaltungsaktes (Eicher/Spellbrink, § 33 Rn. 9). Dennoch handelt es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 07.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 um einen sogenannten Formverwaltungsakt, der mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann (vgl. von Wulffen, § 31 Rn 23, 60c). Die Beklagte hat das Schreiben vom 07.01.2008 an die Klägerin mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und damit die Form des Verwaltungsaktes gewählt. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 08.02.2008 hat die Beklagte den Charakter des Schreibens vom 07.01.2008 als Verwaltungsakt bestätigt.
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Für den Erlass der angefochtenen Bescheide fehlt es bereits an einer gesetzlichen Grundlage (Ermächtigungsgrundlage). Bei dem Bescheid vom 07.01.2008 handelt es sich um einen belastenden (Form)Verwaltungsakt, für den keine gesetzliche Grundlage ersichtlich ist.
Da in den in Betracht kommenden Vorschriften, § 33 SGB II und § 115 SGB X, ein gesetzlicher Forderungsübergang geregelt ist, kann es sich bei dem Bescheid allenfalls um einen feststellenden Verwaltungsakt handeln. Durch einen feststellenden Verwaltungsakt wird die materielle Rechtslage im Einzelfall verbindlich festgestellt, ohne dass ihre Änderung beabsichtigt ist (Stelkens/ Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 35 Rn. 219). Festgestellt wird im vorliegenden Fall durch den Bescheid vom 07.01.2008, dass die Forderung der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung auf die Beklagte übergegangen ist und in welcher Höhe dieser Forderungsübergang erfolgt ist. Jedoch bedarf auch ein feststellender Verwaltungsakt einer gesetzlichen Grundlage, wenn die Feststellung für den Betroffenen belastend ist (vgl. BVerwGE 119, 123; HS./ Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Auflage 2010, § 35 Rn. 24; Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 220). Durch einen feststellenden Verwaltungsakt wird dem Betroffenen die Anfechtungslast auferlegt, sodass bereits die Verwendung der Handlungsform Verwaltungsakt als solche in die Rechte des Betroffenen eingreift (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 25). Vor allem aber wird die materielle Rechtslage verbindlich festgestellt, ohne dass ihre Änderung beabsichtigt ist. Entspricht die Feststellung nicht dem geltenden Recht, sind feststellende Verwaltungsakte nur rechtswidrig, bleiben jedoch bis zu ihrer Aufhebung wirksam und schneiden den "Durchgriff" auf das materielle Recht ab (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 219). Auch können feststellende Verwaltungsakte Grundlage für die Auferlegung von Ge- oder Verboten oder die Gewährung von Leistungen durch andere Verwaltungsakte sein (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 220).
Eine Ermächtigung zum Erlass feststellender Verwaltungsakte bezüglich des gesetzlichen Forderungsübergangs lässt sich weder § 33 SGB II noch § 115 SGB X entnehmen. Aus dem Wortlaut ergeben sich diesbezüglich keinerlei Anhaltspunkte. Auch aus Sinn und Zweck der Vorschriften ergibt sich nicht die Notwendigkeit für den Erlass feststellender Verwaltungsakte in Bezug auf den Forderungsübergang. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass auch eine Mitteilung des Forderungsübergangs an den Betroffenen durch einfachen Brief möglich ist.
Fehlt die Ermächtigung zur Verwendung der Handlungsform Verwaltungsakt, ist die Behörde auf die Verwendung konsensualer Handlungsformen oder die Erhebung einer Leistungsklage verwiesen (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 25). Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte der Klägerin auch durch einfachen Brief den Forderungsübergang mitteilen können. Wird ein Verwaltungsakt erlassen, obwohl der Behörde die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes fehlt, ist dieser materiell rechtswidrig, regelmäßig jedoch nicht nichtig (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 26).
Auch im Hinblick auf den der Klägerin mitgeteilten Forderungsübergangs ist der Bescheid vom 07.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 rechtswidrig. Die Abfindung in Höhe von 1.500 EUR ist nicht gem. § 115 SGB X automatisch kraft Gesetzes auf die Beklagte übergegangen. Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitsentgelt gem. § 115 Abs. 1 SGB X auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über. Der Entgeltanspruch im Sinne des § 115 SGB X muss entstanden und fällig sein (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 115 SGB X Rn. 23). Er geht nur insoweit auf den Leistungsträger über, wie dieser Leistungen erbracht hat (Kasseler Kommentar, § 115 SGB X Rn. 31).
Bei dem im vorliegenden Fall streitigen Anspruch der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 13.11.2007 handelt es sich nicht um Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 SGB X. § 115 SGB X verwendet nicht den arbeitsrechtlichen Begriff Vergütung, sondern den in § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) wortgleich verwendeten Begriff Arbeitsentgelt. Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 SGB X ist dasjenige im Sinne des § 14 SGB IV, auf das ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers besteht. Von Abfindungen, Entschädigungen oder ähnlichen Leistungen wird derjenige Anteil dem Arbeitsentgelt zugerechnet, der das Ruhen von Arbeitslosengeld bewirken kann (Kasseler Kommentar, § 115 SGB X Rn. 17).
Die Bezeichnung Abfindung erfasst Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die auf verschiedenen Grundlagen beruhen und verschiedenen Zwecken dienen können, etwa von vornherein zu beanspruchende tarifliche Abfindungen für den Fall des Ausscheidens oder für den Fall betrieblicher Umstrukturierung aufgrund von Sozialplänen oder individuell mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbarte Abfindung. Ob und inwieweit Abfindungen das Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bewirken und damit Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 SGB X darstellen, beurteilt sich nach §§ 143, 143a Sozialgesetzbuch Drittes Buch, Arbeitsförderung (SGB III) (Kasseler Kommentar, § 115 SGB X Rn. 63). Als Unterscheidungskriterium lässt sich der Zeitraum berücksichtigen, für den Entgelt gewährt wird: Zum Arbeitsentgelt im Sinne des § 143 Abs. 1 SGB III gehören alle Vergütungsanteile, die für Zeiträume bis zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beanspruchen sind. Abfindungen werden grundsätzlich nicht auf den Zeitraum des Arbeitsverhältnisses bezogen und stellen somit grundsätzlich kein Arbeitsentgelt dar. Jedoch kann eine Abfindung Arbeitsentgelt enthalten, wenn die Beteiligten sich im Wege des Vergleichs auf den vom Arbeitgeber gewollten Zeitpunkt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigen und dieser Beendigungszeitpunkt vor dem Ablauf der gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist liegt; in diesem Fall liegt eine Einigung zu Lasten des Sozialleistungsträgers vor, dem hierdurch gem. § 115 SGB X übergangsfähige Entgeltansprüche entzogen werden (vgl. Kasseler Kommentar, § 115 SGB X Rn. 31b, 64).
Im vorliegenden Fall wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund des Vergleichs vom 13.11.2007 mit Ablauf des 31.07.2007 und damit vor dem Ablauf der in § 622 Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) normierten Kündigungsfrist beendet. Gem. § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB beträgt die Kündigungsfrist für eine Kündigung durch den Arbeitgeber zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats, wenn das Arbeitsverhältnis fünf Jahre und noch keine acht Jahre (vgl. § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB) bestanden hat. Die Klägerin war bei ihrem früheren Arbeitgeber seit dem 12.09.2000 beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte mit Schreiben vom 04.06.2007 das Arbeitsverhältnis. Mithin bestand das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung mehr als fünf und weniger als acht Jahre. Jedoch können gem. § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB in Tarifverträgen von § 622 Abs. 1 bis 3 BGB abweichende Regelungen vereinbart werden. Demnach sind die in § 622 Abs. 1 bis 3 BGB geregelten Kündigungsfristen voll tarifdispositiv; die Fristen können in Tarifverträgen bis zur Fristlosigkeit abgekürzt oder auch verlängert werden (vgl. Palandt/ Weidenkaff, BGB, 70. Auflage 2011, § 622 Rn. 20). Gem. § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB gelten abweichende tarifvertragliche Bestimmungen auch zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist. Im vorliegenden Fall wurde im Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und ihrem früheren Arbeitgeber die Geltung der Tarifverträge MTV und ETV für die Markengastronomie vereinbart; auf die Frage, ob der frühere Arbeitgeber der Klägerin und die Klägerin tarifgebunden waren kommt es aufgrund von § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht an. Der Tarifvertrag MTV für die Markengastronomie sieht bei einem Arbeitsverhältnis, das mehr als 5 Jahre und noch keine 10 Jahre besteht eine Kündigungsfrist von 1 Monat zum Monatsende vor. Mithin hat der frühere Arbeitgeber der Klägerin das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.07.2007 gekündigt. Somit ist in der Abfindung von 1.500 EUR kein Arbeitsentgelt enthalten; die Abfindung stellt in voller Höhe eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar.
Der Anspruch der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung der im arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarten Abfindung ist auch nicht gem. § 33 SGB II auf den Beklagten übergegangen. Ansprüche gegen Arbeitgeber sind nämlich nicht gem. § 33 SGB II übergangsfähig (vgl. Eicher/Spellbrink, § 33 Rn. 22). Dies folgt aus § 33 Abs. 5 SGB II, wonach die §§ 115, 116 SGB X der Regelung des § 33 Abs. 1 SGB II vorgehen (Eicher/Spellbrink, § 33 Rn. 22, 41). § 33 Abs. 1 SGB II kann demnach auch keine Anwendung finden für Ansprüche gegen Arbeitgeber, die nicht nach § 115 SGB X auf den Leistungsträger übergegangen sind, weil (wie hier) die Voraussetzungen für einen Anspruchsübergang nach § 115 SGB X nicht gegeben waren. Durch eine Anwendung des § 33 Abs. 1 SGB II in einem solchen Fall würden die Voraussetzungen des § 115 SGB X ausgehöhlt und der in § 33 Abs. 5 SGB II geregelt Vorrang würde aufgehoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen den mit Bescheid vom 07.01.2008 von dem Beklagten geltend gemachten Anspruchsübergang nach §§ 33 Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) bezüglich des Anspruchs der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.500,00 EUR.
Die 1981 geborene Klägerin war seit dem 12.09.2000 in einem Restaurant in B-Stadt beschäftigt. Sie lebte in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Tochter und erhielt ergänzende Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten.
Mit Schreiben vom 04.06.2007 kündigte der Arbeitgeber das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.07.2007. Im nachfolgenden Arbeitsrechtsstreit beim Arbeitsgericht C-Stadt einigte sich die Klägerin mit ihrem früheren Arbeitgeber wie folgt:
1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 04.06.2007 mit Ablauf des 31.07.2007 geendet hat.
2. Der Beklagte zahlt an die Klägerin Restvergütung für Juni 2007 in Höhe von 97,05 EUR brutto, soweit nicht schon geschehen.
3. Der Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß ab und zahlt die für die Klägerin sich ergebenden Beträge aus, soweit noch nicht geschehen.
4. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt der Beklagte an die Klägerin in Anlehnung an die §§ 9, 10 [Kündigungsschutzgesetz] KSchG eine Abfindung in Höhe von 1.500,00 EUR brutto.
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Mit Schreiben an das Arbeitsgericht D-Stadt vom 05.09.2007 machte der Beklagte gemäß § 115 SGB X einen Anspruchsübergang geltend.
Mit Bescheid vom 07.01.2008 zeigte der Beklagte gegenüber der Klägerin den Übergang ihrer Ansprüche gegen ihren früheren Arbeitgeber gem. § 33 SGB II in Höhe von 3.035,91 EUR an. Gleichzeitig machte der Beklagte übergegangene Ansprüche in Höhe von 3.035,91 EUR gegenüber dem früheren Arbeitgeber der Klägerin geltend.
Am 28.01.2008 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 07.01.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, überleitungsfähig seien lediglich die in Ziffer 3 des Vergleichs zuerkannten Zahlungsansprüche der Klägerin, mithin ihr Lohnanspruch für den Monat Juli 2007. Die in Ziffer 4 zuerkannten Zahlungsansprüche in Höhe von 1.500,00 EUR würden einen Abfindungsanspruch gemäß §§ 9, 10 KSchG betreffen, der nicht übergeleitete werden könne.
Am 01.01.2008 zog die Klägerin von B-Stadt nach A-Stadt. Der frühere Arbeitgeber der Klägerin überwies den Abfindungsbetrag in Höhe von 1.500,00 EUR am 25.01.2008 an die Bundesagentur für Arbeit.
Mit dem Widerspruchsbescheid vom 08.02.2008 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, zwischen der gezahlten Abfindung und den Leistungen nach dem SGB II bestehe Zweckidentität. Die Abfindung sei ausschließlich für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt worden. Dies bedeute, dass sich der Leistungsanspruch der Klägerin gemindert hätte, wenn die Abfindung in Höhe von 1.500,00 EUR zum 31.07.2007 an die Klägerin ausgezahlt worden wäre. Die der Klägerin unter normalen Umständen bereits im Juli 2007 ausgezahlte Abfindung sei eine Einnahme in Geld und damit Einkommen. Die Leistung aus der Abfindung sei auch nicht anrechnungsfrei. Bei Zufluss im Juli 2007 hätte die Einnahme im Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Dezember 2007 berücksichtigt werden können.
Am 01.04.2008 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, nach § 115 Abs. 1 SGB X würden Lohn- oder Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nur bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen und nur insoweit auf den Leistungsträger übergehen, als der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelte nicht erfüllt hat und deshalb Sozialleistungen erbracht wurden. Diese Tatbestandsvoraussetzungen seien nur für die Zahlungen des Beklagten im Monat Juli 2007 gegeben. Wegen der Nichtzahlung des Lohns habe der Beklagte erst ab dem 01.07.2007 Leistungen erbracht. Nach dem 31.07.2007 habe keine Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers mehr bestanden; daher konnten die Leistungen des Beklagten auch nicht wegen der Nichtzahlung von Arbeitslohn erfolgt sein. Der Höhe nach hätte die Beklagte lediglich den Betrag überleiten dürfen, den sie der Klägerin im Monat Juli 2007 zusätzlich zur laufenden Hilfe gewährt hat. Als Einkommen sei die Abfindung bei der Klägerin nicht zu berücksichtigen, da sie der Klägerin bis zum heutigen Tage nicht zugeflossen sei. Einen gesetzlichen Abfindungsanspruch bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses gebe es nicht. Abfindungen würden im Arbeitsrecht aufgrund von Sozialplänen oder vertraglichen Abreden (in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen oder in gerichtlichen Vergleichen) gezahlt. Zwar könnten Abfindungen auch Arbeitsentgelt enthalten, wenn das Arbeitsverhältnis einvernehmlich ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet wurde. Im vorliegenden Fall sei das Arbeitsverhältnis jedoch unter Einhaltung der im maßgeblichen Tarifvertrag vorgesehenen Kündigungsfrist beendet worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 07.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die angefochtenen Bescheide. Ergänzend trägt der Beklagte vor, es handle sich nicht um die Überleitung eines Anspruches, sondern um einen gesetzlichen Anspruchsübergang gemäß § 33 SGB II. Mit ihrer Kündigungsschutzklage hätte die Klägerin auch ihre Forderung auf die Abfindung geltend gemacht. Eine Abfindung sei als Einkommen zu werten, sodass die Forderung auf die Abfindung kraft Gesetzes auf den Beklagten übergegangen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zulässig. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage, da es sich bei dem Schreiben vom 07.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 um Verwaltungsakte im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) handelt. Da die Beklagte im vorliegenden Fall Ansprüche der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber gegenüber diesem geltend gemacht hat, kommt ein Forderungsübergang nach § 33 SGB II oder § 115 SGB X in Betracht. In beiden Vorschriften ist jedoch ein gesetzlicher Forderungsübergang normiert (Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 33 Rn. 2, 9; von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 115 Rn. 2, 3). Da der Anspruch kraft Gesetzes übergeht, bedarf es keiner schriftlichen Überleitungsanzeige und damit keines Verwaltungsaktes (Eicher/Spellbrink, § 33 Rn. 9). Dennoch handelt es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 07.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 um einen sogenannten Formverwaltungsakt, der mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann (vgl. von Wulffen, § 31 Rn 23, 60c). Die Beklagte hat das Schreiben vom 07.01.2008 an die Klägerin mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und damit die Form des Verwaltungsaktes gewählt. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 08.02.2008 hat die Beklagte den Charakter des Schreibens vom 07.01.2008 als Verwaltungsakt bestätigt.
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Für den Erlass der angefochtenen Bescheide fehlt es bereits an einer gesetzlichen Grundlage (Ermächtigungsgrundlage). Bei dem Bescheid vom 07.01.2008 handelt es sich um einen belastenden (Form)Verwaltungsakt, für den keine gesetzliche Grundlage ersichtlich ist.
Da in den in Betracht kommenden Vorschriften, § 33 SGB II und § 115 SGB X, ein gesetzlicher Forderungsübergang geregelt ist, kann es sich bei dem Bescheid allenfalls um einen feststellenden Verwaltungsakt handeln. Durch einen feststellenden Verwaltungsakt wird die materielle Rechtslage im Einzelfall verbindlich festgestellt, ohne dass ihre Änderung beabsichtigt ist (Stelkens/ Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 35 Rn. 219). Festgestellt wird im vorliegenden Fall durch den Bescheid vom 07.01.2008, dass die Forderung der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung auf die Beklagte übergegangen ist und in welcher Höhe dieser Forderungsübergang erfolgt ist. Jedoch bedarf auch ein feststellender Verwaltungsakt einer gesetzlichen Grundlage, wenn die Feststellung für den Betroffenen belastend ist (vgl. BVerwGE 119, 123; HS./ Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Auflage 2010, § 35 Rn. 24; Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 220). Durch einen feststellenden Verwaltungsakt wird dem Betroffenen die Anfechtungslast auferlegt, sodass bereits die Verwendung der Handlungsform Verwaltungsakt als solche in die Rechte des Betroffenen eingreift (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 25). Vor allem aber wird die materielle Rechtslage verbindlich festgestellt, ohne dass ihre Änderung beabsichtigt ist. Entspricht die Feststellung nicht dem geltenden Recht, sind feststellende Verwaltungsakte nur rechtswidrig, bleiben jedoch bis zu ihrer Aufhebung wirksam und schneiden den "Durchgriff" auf das materielle Recht ab (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 219). Auch können feststellende Verwaltungsakte Grundlage für die Auferlegung von Ge- oder Verboten oder die Gewährung von Leistungen durch andere Verwaltungsakte sein (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 220).
Eine Ermächtigung zum Erlass feststellender Verwaltungsakte bezüglich des gesetzlichen Forderungsübergangs lässt sich weder § 33 SGB II noch § 115 SGB X entnehmen. Aus dem Wortlaut ergeben sich diesbezüglich keinerlei Anhaltspunkte. Auch aus Sinn und Zweck der Vorschriften ergibt sich nicht die Notwendigkeit für den Erlass feststellender Verwaltungsakte in Bezug auf den Forderungsübergang. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass auch eine Mitteilung des Forderungsübergangs an den Betroffenen durch einfachen Brief möglich ist.
Fehlt die Ermächtigung zur Verwendung der Handlungsform Verwaltungsakt, ist die Behörde auf die Verwendung konsensualer Handlungsformen oder die Erhebung einer Leistungsklage verwiesen (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 25). Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte der Klägerin auch durch einfachen Brief den Forderungsübergang mitteilen können. Wird ein Verwaltungsakt erlassen, obwohl der Behörde die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes fehlt, ist dieser materiell rechtswidrig, regelmäßig jedoch nicht nichtig (Stelkens/ Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 26).
Auch im Hinblick auf den der Klägerin mitgeteilten Forderungsübergangs ist der Bescheid vom 07.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 rechtswidrig. Die Abfindung in Höhe von 1.500 EUR ist nicht gem. § 115 SGB X automatisch kraft Gesetzes auf die Beklagte übergegangen. Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitsentgelt gem. § 115 Abs. 1 SGB X auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über. Der Entgeltanspruch im Sinne des § 115 SGB X muss entstanden und fällig sein (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 115 SGB X Rn. 23). Er geht nur insoweit auf den Leistungsträger über, wie dieser Leistungen erbracht hat (Kasseler Kommentar, § 115 SGB X Rn. 31).
Bei dem im vorliegenden Fall streitigen Anspruch der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 13.11.2007 handelt es sich nicht um Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 SGB X. § 115 SGB X verwendet nicht den arbeitsrechtlichen Begriff Vergütung, sondern den in § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) wortgleich verwendeten Begriff Arbeitsentgelt. Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 SGB X ist dasjenige im Sinne des § 14 SGB IV, auf das ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers besteht. Von Abfindungen, Entschädigungen oder ähnlichen Leistungen wird derjenige Anteil dem Arbeitsentgelt zugerechnet, der das Ruhen von Arbeitslosengeld bewirken kann (Kasseler Kommentar, § 115 SGB X Rn. 17).
Die Bezeichnung Abfindung erfasst Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die auf verschiedenen Grundlagen beruhen und verschiedenen Zwecken dienen können, etwa von vornherein zu beanspruchende tarifliche Abfindungen für den Fall des Ausscheidens oder für den Fall betrieblicher Umstrukturierung aufgrund von Sozialplänen oder individuell mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbarte Abfindung. Ob und inwieweit Abfindungen das Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bewirken und damit Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 SGB X darstellen, beurteilt sich nach §§ 143, 143a Sozialgesetzbuch Drittes Buch, Arbeitsförderung (SGB III) (Kasseler Kommentar, § 115 SGB X Rn. 63). Als Unterscheidungskriterium lässt sich der Zeitraum berücksichtigen, für den Entgelt gewährt wird: Zum Arbeitsentgelt im Sinne des § 143 Abs. 1 SGB III gehören alle Vergütungsanteile, die für Zeiträume bis zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beanspruchen sind. Abfindungen werden grundsätzlich nicht auf den Zeitraum des Arbeitsverhältnisses bezogen und stellen somit grundsätzlich kein Arbeitsentgelt dar. Jedoch kann eine Abfindung Arbeitsentgelt enthalten, wenn die Beteiligten sich im Wege des Vergleichs auf den vom Arbeitgeber gewollten Zeitpunkt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigen und dieser Beendigungszeitpunkt vor dem Ablauf der gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist liegt; in diesem Fall liegt eine Einigung zu Lasten des Sozialleistungsträgers vor, dem hierdurch gem. § 115 SGB X übergangsfähige Entgeltansprüche entzogen werden (vgl. Kasseler Kommentar, § 115 SGB X Rn. 31b, 64).
Im vorliegenden Fall wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund des Vergleichs vom 13.11.2007 mit Ablauf des 31.07.2007 und damit vor dem Ablauf der in § 622 Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) normierten Kündigungsfrist beendet. Gem. § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB beträgt die Kündigungsfrist für eine Kündigung durch den Arbeitgeber zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats, wenn das Arbeitsverhältnis fünf Jahre und noch keine acht Jahre (vgl. § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB) bestanden hat. Die Klägerin war bei ihrem früheren Arbeitgeber seit dem 12.09.2000 beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte mit Schreiben vom 04.06.2007 das Arbeitsverhältnis. Mithin bestand das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung mehr als fünf und weniger als acht Jahre. Jedoch können gem. § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB in Tarifverträgen von § 622 Abs. 1 bis 3 BGB abweichende Regelungen vereinbart werden. Demnach sind die in § 622 Abs. 1 bis 3 BGB geregelten Kündigungsfristen voll tarifdispositiv; die Fristen können in Tarifverträgen bis zur Fristlosigkeit abgekürzt oder auch verlängert werden (vgl. Palandt/ Weidenkaff, BGB, 70. Auflage 2011, § 622 Rn. 20). Gem. § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB gelten abweichende tarifvertragliche Bestimmungen auch zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist. Im vorliegenden Fall wurde im Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und ihrem früheren Arbeitgeber die Geltung der Tarifverträge MTV und ETV für die Markengastronomie vereinbart; auf die Frage, ob der frühere Arbeitgeber der Klägerin und die Klägerin tarifgebunden waren kommt es aufgrund von § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht an. Der Tarifvertrag MTV für die Markengastronomie sieht bei einem Arbeitsverhältnis, das mehr als 5 Jahre und noch keine 10 Jahre besteht eine Kündigungsfrist von 1 Monat zum Monatsende vor. Mithin hat der frühere Arbeitgeber der Klägerin das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.07.2007 gekündigt. Somit ist in der Abfindung von 1.500 EUR kein Arbeitsentgelt enthalten; die Abfindung stellt in voller Höhe eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar.
Der Anspruch der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung der im arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarten Abfindung ist auch nicht gem. § 33 SGB II auf den Beklagten übergegangen. Ansprüche gegen Arbeitgeber sind nämlich nicht gem. § 33 SGB II übergangsfähig (vgl. Eicher/Spellbrink, § 33 Rn. 22). Dies folgt aus § 33 Abs. 5 SGB II, wonach die §§ 115, 116 SGB X der Regelung des § 33 Abs. 1 SGB II vorgehen (Eicher/Spellbrink, § 33 Rn. 22, 41). § 33 Abs. 1 SGB II kann demnach auch keine Anwendung finden für Ansprüche gegen Arbeitgeber, die nicht nach § 115 SGB X auf den Leistungsträger übergegangen sind, weil (wie hier) die Voraussetzungen für einen Anspruchsübergang nach § 115 SGB X nicht gegeben waren. Durch eine Anwendung des § 33 Abs. 1 SGB II in einem solchen Fall würden die Voraussetzungen des § 115 SGB X ausgehöhlt und der in § 33 Abs. 5 SGB II geregelt Vorrang würde aufgehoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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