Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 295/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 617/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RE 2/19 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 22.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2017 wird aufgehoben. Der Kläger wird auch im Zeitraum vom 16.02.2016 bis 29.06.2016 nach § 231 Abs. 4b, 4c SGB VI von der Versicherungspflicht befreit.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum 24.9.2014 bis 29.6.2016.
Der 1980 geborene Kläger wurde am 31.5.2012 bei der Rechtsanwaltskammer B-Stadt zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 14.9.2012 wurde er für die Tätigkeit als stellvertretender Geldwäschebeauftragter bei der C. GmbH von der Rentenversicherungspflicht befreit.
Am 1.7.2014 begann er eine Beschäftigung als Compliance Generalist Senior Professional bei der D. Bank AG. Der Kläger wurde zum 11.9.2014 in die Rechtsanwaltskammer München aufgenommen. Aufgrund der Urteile des BSG vom 3.4.2014 verzichtete er auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Zulassung wurde am 23.9.2014 widerrufen. Der Kläger war ab 14.9.2014 freiwilliges Mitglied des zuständigen Versorgungswerks.
Am 16.2.2016 begann der Kläger erneut eine Beschäftigung bei der C. GmbH. Auf seinen Antrag vom 18.3.2016 wurde der Kläger durch Bescheid der Rechtsanwaltskammer B-Stadt vom 31.5.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Die Urkunde wurde dem Kläger am 30.6.2016 ausgehändigt. Der Kläger wurde durch Bescheid der Beklagten vom 10.8.2016 ab 30.6.2016 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Weiterhin wurde der Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 22.11.2016 für die Zeit vom 1.7.2014 bis 23.9.2014 von der Rentenversicherungspflicht befreit.
Mit Bescheid vom 22.11.2016 lehnte die Beklagte die rückwirkende Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beschäftigungen bei der D. Bank AG und der C. GmbH für die Zeit vom 24.9.2014 bis 29.6.2016 ab. Eine Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI könne nur für eine Beschäftigung ausgesprochen werden, sofern u.a. in dieser Zeit eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk und in einer Rechtsanwaltskammer bestanden habe. Der Kläger sei nicht Pflichtmitglied in einer Rechtsanwaltskammer gewesen, weil er auf die Zulassung zum 24.9.2014 verzichtet habe. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht lägen daher nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Zwar habe im streitgegenständlichen Zeitraum keine Pflichtmitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer bestanden. Er verweist auf § 231 Abs. 4c SGB VI, der eine Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung fingiere. Für die Zeit ab 16.2.2016 sei eine Befreiung auch deshalb zu erteilen, da eine Befreiung ab 30.6.2016 erfolgt sei und eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an wirke, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wurde.
Mit Bescheid vom 8.2.2017 verfügte die Beklagte, Beiträge des Klägers für die Zeit vom 1.7.2014 bis 29.6.2016 seien zu Unrecht gezahlt. Der Bescheid vom 8.2.2017 wurde durch Bescheid vom 29.3.2017 zurückgenommen. Die Beiträge wurden nur bis 23.9.2014 beanstandet. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Widerspruch wurde bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht ruhend gestellt.
Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.5.2017 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.11.2016 zurückgewiesen. Eine Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 24.9.2014 bis 29.6.2016 komme nicht in Betracht, da der Kläger die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen habe. Am 9.6.2017 hat der Kläger vor dem SG Darmstadt Klage erhoben. Er meint, für den Zeitraum 24.9.2014 bis 15.2.2016 sei eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk gem. § 231 Abs. 4c SGB VI zu fingieren. Abgesehen von der Pflichtmitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk lägen die Befreiungsvoraussetzungen vor, wie die Befreiung vom 1.7.2014 bis 23.9.2014 zeige.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger rückwirkend von der Versicherungspflicht für den Zeitraum 24.09.2014 bis 29.06.2016 zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte weist darauf hin, § 231 Abs. 4c SGB VI sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Die Norm fingiere die zukünftige Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk. Eine Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer werde durch diese Norm zu keiner Zeit fingiert.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Bescheid vom 22.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.5.2017 war insofern aufzuheben, als der Kläger auch im Zeitraum vom 16.2.2014 bis 29.6.2016 nach § 231 Abs. 4b SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien war. Hinsichtlich des Zeitraums ab 24.9.2014 bis 15.2.2016 ist die Klage unbegründet.
Gegenstand der Klage ist nur die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Nicht Streitgegenstand ist die Erstattung von Beiträgen für denselben Zeitraum. Über die Erstattung der Beiträge wird die Beklagte im Anschluss an eine rechtskräftige Entscheidung über die Versicherungspflicht des Klägers entscheiden.
Von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI werden befreit 1. Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn ... [ ...].
Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt nach § 231 Abs. 4 b SGB VI S. 1 auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt nach Satz 2 dieser Norm auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt nach Satz 4 jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden.
Eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt nach § 231 Abs. 4c SGB VI als gegeben für Personen, die
1. nach dem 3. April 2014 auf ihre Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder Patentanwaltschaft verzichtet haben und
2. bis zum Ablauf des 1. April 2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung beantragen. Satz 1 gilt nach Satz 2 dieser Regelung nur, solange die Personen als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt zugelassen sind und als freiwilliges Mitglied in einem Versorgungswerk einkommensbezogene Beiträge zahlen. Satz 1 gilt nicht, wenn vor dem 1. Januar 2016 infolge eines Ortswechsels der anwaltlichen Tätigkeit eine Pflichtmitgliedschaft in dem neu zuständigen berufsständischen Versorgungswerk wegen Überschreitens einer Altersgrenze nicht mehr begründet werden konnte.
Nach § 231 Abs. 4b S. 1 SGB VI war der Kläger ab 16.2.2016 für die Tätigkeit bei der C. GmbH von der Versicherungspflicht zu befreien. Denn der Wortlaut von § 231 Abs. 4 b S. 1 SGB VI fordert keine weiteren Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht ab Beginn der Beschäftigung als einen entsprechenden Antrag des Syndikusrechtsanwalts und eine erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt. Beide Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers vor. Auf eine Kammermitgliedschaft als Rechtsanwalt kann es schon deshalb nicht ankommen, da die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht sich allein auf den Status als Syndikusrechtsanwalt bezieht. Da der Status als Syndikusrechtsanwalt und der als Rechtsanwalt von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen (vgl. BSG, Beschluss vom 22. März 2018, B 5 RE 12/17 B, juris) ist es für die Kammer nicht nachvollziehbar, weshalb die Rückwirkung einer Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt von einer Kammermitgliedschaft als Rechtsanwalt abhängig gemacht werden sollte. Der Kläger wurde erst ab 30.6.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen und kann daher vorher nicht in demselben Status Kammermitglied gewesen sein. Entsprechendes ist aus Sicht der Kammer auch gesetzlich nicht gefordert.
Eine Befreiung nach § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI für die Zeit ab 24.9.2014 scheitert daran, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum kein Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks war. Der Kläger war ab 14.9.2014 nur noch freiwilliges Mitglied des Versorgungswerks. Dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks war, kann aus Sicht der Kammer auch nicht nach § 231 Abs. 4c SGB VI fingiert werden. Zwar liegen die Voraussetzungen von § 231 Abs. 4c S. 1 SGB VI vor. Der Kläger hat nach dem 3.4.2014 auf seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet und bis zum Ablauf des 1.4.2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt beantragt. Nach S. 2 dieser Norm (§ 231 Abs. 4c) gilt Satz 1 aber nur, solange die Personen als Syndikusrechtsanwalt zugelassen sind und als freiwilliges Mitglied in einem Versorgungswerk einkommensbezogene Beiträge zahlen. Die Fiktion der Pflichtmitgliedschaft bezieht sich damit dem Wortlaut nach auf die Zeit der insofern konstitutiven Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Sie bezieht sich eben nicht auf eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt. Die Wortlautauslegung wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt, nach der § 231 Abs. 4c SGB VI gerade nicht für § 231 Abs. 4 b S. 2 SGB VI gelten soll (vgl. BT-Drucksache 18/6915, S. 27: "Für die Frage, ob eine Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI für eine Befreiung ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorliegt (und nur im Sinne dieser Vorschrift und nicht z.B. im Sinne von § 231 Abs. 4 b S. 2 SGB VI-E) wird auf den Zeitpunkt der Entscheidungen des BSG am 3.4.2014 abgestellt"). Nach der Gesetzesbegründung wurde § 231 Abs. 4c SGB VI eingeführt, um Personen, die als Syndikusrechtsanwälte zugelassen werden und die für sie dann in einem berufsständischen Versorgungswerk geltende Altersgrenze überschreiten, die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu ermöglichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Zulässigkeit der Berufung auf §§ 143, 144 SGG.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum 24.9.2014 bis 29.6.2016.
Der 1980 geborene Kläger wurde am 31.5.2012 bei der Rechtsanwaltskammer B-Stadt zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 14.9.2012 wurde er für die Tätigkeit als stellvertretender Geldwäschebeauftragter bei der C. GmbH von der Rentenversicherungspflicht befreit.
Am 1.7.2014 begann er eine Beschäftigung als Compliance Generalist Senior Professional bei der D. Bank AG. Der Kläger wurde zum 11.9.2014 in die Rechtsanwaltskammer München aufgenommen. Aufgrund der Urteile des BSG vom 3.4.2014 verzichtete er auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Zulassung wurde am 23.9.2014 widerrufen. Der Kläger war ab 14.9.2014 freiwilliges Mitglied des zuständigen Versorgungswerks.
Am 16.2.2016 begann der Kläger erneut eine Beschäftigung bei der C. GmbH. Auf seinen Antrag vom 18.3.2016 wurde der Kläger durch Bescheid der Rechtsanwaltskammer B-Stadt vom 31.5.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Die Urkunde wurde dem Kläger am 30.6.2016 ausgehändigt. Der Kläger wurde durch Bescheid der Beklagten vom 10.8.2016 ab 30.6.2016 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Weiterhin wurde der Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 22.11.2016 für die Zeit vom 1.7.2014 bis 23.9.2014 von der Rentenversicherungspflicht befreit.
Mit Bescheid vom 22.11.2016 lehnte die Beklagte die rückwirkende Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beschäftigungen bei der D. Bank AG und der C. GmbH für die Zeit vom 24.9.2014 bis 29.6.2016 ab. Eine Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI könne nur für eine Beschäftigung ausgesprochen werden, sofern u.a. in dieser Zeit eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk und in einer Rechtsanwaltskammer bestanden habe. Der Kläger sei nicht Pflichtmitglied in einer Rechtsanwaltskammer gewesen, weil er auf die Zulassung zum 24.9.2014 verzichtet habe. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht lägen daher nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Zwar habe im streitgegenständlichen Zeitraum keine Pflichtmitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer bestanden. Er verweist auf § 231 Abs. 4c SGB VI, der eine Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung fingiere. Für die Zeit ab 16.2.2016 sei eine Befreiung auch deshalb zu erteilen, da eine Befreiung ab 30.6.2016 erfolgt sei und eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an wirke, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wurde.
Mit Bescheid vom 8.2.2017 verfügte die Beklagte, Beiträge des Klägers für die Zeit vom 1.7.2014 bis 29.6.2016 seien zu Unrecht gezahlt. Der Bescheid vom 8.2.2017 wurde durch Bescheid vom 29.3.2017 zurückgenommen. Die Beiträge wurden nur bis 23.9.2014 beanstandet. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Widerspruch wurde bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht ruhend gestellt.
Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.5.2017 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.11.2016 zurückgewiesen. Eine Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 24.9.2014 bis 29.6.2016 komme nicht in Betracht, da der Kläger die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen habe. Am 9.6.2017 hat der Kläger vor dem SG Darmstadt Klage erhoben. Er meint, für den Zeitraum 24.9.2014 bis 15.2.2016 sei eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk gem. § 231 Abs. 4c SGB VI zu fingieren. Abgesehen von der Pflichtmitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk lägen die Befreiungsvoraussetzungen vor, wie die Befreiung vom 1.7.2014 bis 23.9.2014 zeige.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger rückwirkend von der Versicherungspflicht für den Zeitraum 24.09.2014 bis 29.06.2016 zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte weist darauf hin, § 231 Abs. 4c SGB VI sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Die Norm fingiere die zukünftige Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk. Eine Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer werde durch diese Norm zu keiner Zeit fingiert.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Bescheid vom 22.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.5.2017 war insofern aufzuheben, als der Kläger auch im Zeitraum vom 16.2.2014 bis 29.6.2016 nach § 231 Abs. 4b SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien war. Hinsichtlich des Zeitraums ab 24.9.2014 bis 15.2.2016 ist die Klage unbegründet.
Gegenstand der Klage ist nur die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Nicht Streitgegenstand ist die Erstattung von Beiträgen für denselben Zeitraum. Über die Erstattung der Beiträge wird die Beklagte im Anschluss an eine rechtskräftige Entscheidung über die Versicherungspflicht des Klägers entscheiden.
Von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI werden befreit 1. Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn ... [ ...].
Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt nach § 231 Abs. 4 b SGB VI S. 1 auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt nach Satz 2 dieser Norm auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Die Befreiung wirkt nach Satz 4 jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt auf Grund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden.
Eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gilt nach § 231 Abs. 4c SGB VI als gegeben für Personen, die
1. nach dem 3. April 2014 auf ihre Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder Patentanwaltschaft verzichtet haben und
2. bis zum Ablauf des 1. April 2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung beantragen. Satz 1 gilt nach Satz 2 dieser Regelung nur, solange die Personen als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt zugelassen sind und als freiwilliges Mitglied in einem Versorgungswerk einkommensbezogene Beiträge zahlen. Satz 1 gilt nicht, wenn vor dem 1. Januar 2016 infolge eines Ortswechsels der anwaltlichen Tätigkeit eine Pflichtmitgliedschaft in dem neu zuständigen berufsständischen Versorgungswerk wegen Überschreitens einer Altersgrenze nicht mehr begründet werden konnte.
Nach § 231 Abs. 4b S. 1 SGB VI war der Kläger ab 16.2.2016 für die Tätigkeit bei der C. GmbH von der Versicherungspflicht zu befreien. Denn der Wortlaut von § 231 Abs. 4 b S. 1 SGB VI fordert keine weiteren Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht ab Beginn der Beschäftigung als einen entsprechenden Antrag des Syndikusrechtsanwalts und eine erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt. Beide Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers vor. Auf eine Kammermitgliedschaft als Rechtsanwalt kann es schon deshalb nicht ankommen, da die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht sich allein auf den Status als Syndikusrechtsanwalt bezieht. Da der Status als Syndikusrechtsanwalt und der als Rechtsanwalt von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen (vgl. BSG, Beschluss vom 22. März 2018, B 5 RE 12/17 B, juris) ist es für die Kammer nicht nachvollziehbar, weshalb die Rückwirkung einer Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt von einer Kammermitgliedschaft als Rechtsanwalt abhängig gemacht werden sollte. Der Kläger wurde erst ab 30.6.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen und kann daher vorher nicht in demselben Status Kammermitglied gewesen sein. Entsprechendes ist aus Sicht der Kammer auch gesetzlich nicht gefordert.
Eine Befreiung nach § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI für die Zeit ab 24.9.2014 scheitert daran, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum kein Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks war. Der Kläger war ab 14.9.2014 nur noch freiwilliges Mitglied des Versorgungswerks. Dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks war, kann aus Sicht der Kammer auch nicht nach § 231 Abs. 4c SGB VI fingiert werden. Zwar liegen die Voraussetzungen von § 231 Abs. 4c S. 1 SGB VI vor. Der Kläger hat nach dem 3.4.2014 auf seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet und bis zum Ablauf des 1.4.2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt beantragt. Nach S. 2 dieser Norm (§ 231 Abs. 4c) gilt Satz 1 aber nur, solange die Personen als Syndikusrechtsanwalt zugelassen sind und als freiwilliges Mitglied in einem Versorgungswerk einkommensbezogene Beiträge zahlen. Die Fiktion der Pflichtmitgliedschaft bezieht sich damit dem Wortlaut nach auf die Zeit der insofern konstitutiven Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Sie bezieht sich eben nicht auf eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt. Die Wortlautauslegung wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt, nach der § 231 Abs. 4c SGB VI gerade nicht für § 231 Abs. 4 b S. 2 SGB VI gelten soll (vgl. BT-Drucksache 18/6915, S. 27: "Für die Frage, ob eine Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI für eine Befreiung ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorliegt (und nur im Sinne dieser Vorschrift und nicht z.B. im Sinne von § 231 Abs. 4 b S. 2 SGB VI-E) wird auf den Zeitpunkt der Entscheidungen des BSG am 3.4.2014 abgestellt"). Nach der Gesetzesbegründung wurde § 231 Abs. 4c SGB VI eingeführt, um Personen, die als Syndikusrechtsanwälte zugelassen werden und die für sie dann in einem berufsständischen Versorgungswerk geltende Altersgrenze überschreiten, die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu ermöglichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Zulässigkeit der Berufung auf §§ 143, 144 SGG.
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