S 10 KR 285/95

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 285/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KR 777/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) zur Kranken- und Rentenversicherung.

Die Beklagte führte im Juni 1994 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Im Kontenabstimmungsbericht vom 28.06.1994 wurden unter anderem für die Beigeladene zu 1) Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung für die Zeit von Januar 1990 bis Mai 1994 in Höhe von insgesamt 20.042,40 DM nacherhoben, Die Beklagte wies darauf hin, daß die Beigeladene zu 1) als Übungsleiterin gegen ein monatliches Entgelt von 1.200,00 DM beschäftigt sei. Es handele sich um ein fest vereinbartes Entgelt, das durch Vertrag festgelegt sei. Ebenfalls vertraglich geregelt sei, daß die Übungsstunden zu den angesetzten Zeiten durchzuführen seien. Die Entgelte würden regelmäßig an die Beigeladene zu 1) gezahlt. Eine Rechnungsstellung erfolge nicht. Es handele sich daher um ein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 08.07.1994 wurde durch Widerspruchsbescheid vom 13.02.1995 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.02.1995 der bei dem Sozialgericht Darmstadt am 24.02.1995 eingegangen ist, Klage erhoben.

Durch Beschluss vom 03.04.1995 hat das Gericht Frau C. C. sowie die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin, gemäß §§ 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Beigeladene zu 1) übe eine selbständige Tätigkeit aus. Sie sei nicht fest in den Organisationsbereich des Vereins eingegliedert. Sie sei nicht an geschäftsleitende Weisungen gebunden. Die Beigeladene zu 1) handele in eigener Verantwortung. Ein Übungsleiter organisiere in eigener Verantwortung die Übungseinheiten. Die Klägerin gebe lediglich Ort und Zeit der zu erbringenden Leistung vor. Die Beigeladene zu 1) trage auch ein erhebliches Unternehmerrisiko. Die jeweilige Verlängerung des Vertragsverhältnisses hänge vom Erfolg der Tätigkeit, vorliegend von der Akzeptanz der erbrachten Leistungen bezüglich der Vereinsmitglieder, ab. Steuerrechtlich würde eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Einkommensteuergesetz (EStG) ausgeübt. Es gebe keine Verdienstabrechnungen und schriftliche Verträge. Jedoch würde die Beigeladene zu 1) mittlerweile Rechnungen stellen.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 28.06.1994 in Gestalt des Bescheides vom 13.10.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.1995 bezüglich der Beigeladenen zu 1) aufzuheben und festzustellen, daß Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) zur Kranken- und Rentenversicherung als Arbeitnehmerin nicht besteht.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Meinung, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) entspreche der einer Angestellten. Nach der Verkehrsanschauung wäre die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) analog einer Sportlehrerin bzw. Krankengymnastin gleich zu erachten.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beigeladene zu 1) trägt vor, ihr Ehemann sei Studioleiter des Studios der Klägerin, in dem sie auch tätig sei. Sie sei von Beruf Diplom-Sportlehrerin und habe 2 Kinder. Der Kontakt mit der Klägerin sei so zustande gekommen, daß ihr Ehemann bei Öffnung des Studios sie an die Klägerin vermittelt habe. Sie sei dort üblicherweise Montags abends drei Stunden tätig. Dieser Umfang werde jedoch zeitweise durchaus überschritten, wenn sie Sonderprogramme, z. B, Gymnastik für Kinder, anbiete, Ansonsten sei sie noch anwesend z. B. bei Präsentationen oder bei Tagen der offenen Tür. Es bestehe bei ihrer Verhinderung die Möglichkeit, daß die Zeiten geändert würden. Dies werde dann von ihr mit ihrem Mann im vorhinein abgesprochen. Das Studio sei grundsätzlich während des ganzen Jahres geöffnet. Sie fahre auch in Urlaub. Dann organisiere ihr Ehemann den Plan im Studio so, daß die Stunden von einer Vertretung gehalten würden oder aber ausfielen. Ähnlich laufe es im Falle einer Erkrankung. Den Betrag von 1 200,00 DM bekomme sie durchgehend. Bei den einzelnen Unterrichtsstunden würden Sportgeräte weniger benötigt. Musikkassetten für den Gymnastikunterricht bringe sie selbst mit.

Die Beigeladene zu 2) hat die Auffassung vertreten, bei einer Übungsleiterin dürfte es sich um eine abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Verein regelmäßig handeln, wenn die Arbeitsleistung fremdbestimmt und eine angemessene Vergütung gezahlt werde, Sofern dies verneint werde, komme für die Beigeladene zu 1) eine Versicherungspflicht zur Rentenversicherung gemäß § 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Bd. VI - (SGB VI) in Betracht.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beigeladenen zu 2) verhandeln und entscheiden, da diese durch Empfangsbekenntnis zum Termin der mündlichen Verhandlung geladen worden ist. Die Ladung enthielt den Hinweis gemäß § 110 SGG, daß auch im Falle des Ausbleibens der Beigeladenen verhandelt und entschieden werden könne.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 28.06.1994 in der Gestalt des Bescheides vom 13.10.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.1995 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Beklagte die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) festgestellt und die Klägerin als Arbeitgeberin der Bei geladenen zu 1) in Anspruch für die Beiträge bezüglich des Zeitraums Januar 1990 bis Mai 1994 genommen. Zweifel an der Richtigkeit der Beitragshöhe bestehen nicht. Demgemäß war auch nicht dem Feststellungsbegehren der Klägerin zu entsprechen.

Anknüpfungspunkt für die Frage der Versicherungspflicht für alle Zweige der Sozialversicherung ist zunächst § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Bd. IV (SGB IV), wenn dort die für das Beitragsrecht maßgebliche Beschäftigung definiert wird als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Bd. V - (SGB V) sind Arbeiter und Angestellte, die gegen ein Arbeitsentgelt beschäftigt sind, versicherungspflichtig zur Krankenversicherung, gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Angestelltenversicherungsgesetz a.F. (AVG) bzw. ab 01.01.1992 gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI werden in der Rentenversicherung alle Personen versichert, die als Arbeitnehmer gegen Entgelt beschäftigt sind.

Für die Abgrenzung von versicherungspflichtiger Beschäftigung und nichtversicherungspflichtiger selbständiger Erwerbstätigkeit ist zunächst darauf abzustellen, ob ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber infolge der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation besteht. Typisches Merkmal für ein solches Abhängigkeitsverhältnis ist das Direktionsrecht sowie die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Tätigkeit, die allerdings insbesondere bei Diensten höherer Art eingeschränkt zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß verfeinert sein kann (vgl. BSGE 13, 196; 16, 289; 35, 20). Die selbständige Tätigkeit wird demgegenüber gekennzeichnet durch das eigene Unternehmerrisiko. Außerdem ist dann die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gegeben (vgl. BSGE 13, 196; 16, 289). Bedeutsam ist dabei, ob eigenes Kapital und/oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr auch eines Verlustes eingesetzt werden, der Erfolg des Einsatzes des sachlichen oder persönlichen Mittels also ungewiß ist (BSG in SozR 2200, § 165 Reichsversicherungsordnung – RVO - Nr. 63; LSG Berlin, NZA 1995, 139). Bei der Entscheidung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei letztlich entscheidend ist, welche Merkmale für die Versicherungspflicht oder die Selbständigkeit überwiegen. Bel Beachtung dieser Kriterien überwiegen vorliegend die Merkmale für die Annahme einer Versicherungspflicht. Die zeitlich durchgängige Entlohnung spricht für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmerin bei der Klägerin. Denn der Betrag von 1.200,00 DM wird monatlich sowohl bei Krankheit wie auch bei Urlaub bezahlt, Demgegenüber wäre ein Indiz für eine Selbständigkeit gewesen, wenn die Beigeladene zu 1) nur für tatsächlich gehaltene Stunden ein Entgelt erhielte. Auch die Tatsache, daß die Klägerin sich um eine Vertretung der Beigeladenen zu 1) im Bedarfsfalle kümmert und die Beigeladene zu 1) hierfür nicht aufzukommen braucht, spricht für eine Arbeitnehmertätigkeit. Die Beigeladene zu 1) trägt keinerlei Unternehmerrisiko. Die Entlohnung ist z.B. völlig davon unabhängig, wieviele Personen die Übungsstunden besuchen. Die Beigeladene zu 1) kann insbesondere durch persönlichen Einsatz ihren Gewinn oder Verlust nicht steuern. Umgekehrt kann die Klägerin nicht damit gehört werden, das Unternehmerrisiko bestehe seitens der Beigeladenen zu 1) gerade darin, daß diese bei Mißerfolg nicht mehr eingesetzt würde. Dieses Risiko trägt jeder Arbeitnehmer in diesem, Bereich. Er ist danach bei mangelndem Erfolg einer derartigen Tätigkeit von einer Kündigung bedroht. Gegen eine Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1) spricht weiter, daß sie keine eigene unternehmerische Organisation besitzt und eigenes Kapital nicht einsetzt. Sie beschäftigt weder Mitarbeiter noch tritt sie gegenüber unbestimmt vielen Vertragsparteien am Markt auf. Es handelt sich in Bezug auf die Klägerin um eine Dauerrechtsbeziehung. Außerdem erbringt die Beigeladene zu 1) ihre übernommene Verpflichtung direkt im Betrieb der Klägerin. Auch die Arbeitszeit der Beigeladenen zu 1) ist weitgehend festgelegt. Daß die Klägerin der Beigeladenen zu 1) entgegenkommt und die tatsächlichen Probleme als Mutter zweier Kinder berücksichtigt, ändert hieran nichts. Daß die Beigeladene zu 1) das Konzept der Kurse selbständig entwickelt und z. B. durch den Einsatz selbstgewählter und mitgebrachter Musik umsetzt, sieht die Kammer als typisch in diesem Bereich an. Jeder Trainer, insbesondere solche, die akademisch vorgebildet sind, sind gerade aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage, Konzeptionen zu entwickeln und umzusetzen. Insoweit sind derartige Trainer mit der Ableistung höherer Dienste betraut, wofür die Klägerin auch durch die Höhe der Bezahlung umgekehrt Rechnung trägt. Daß die Beigeladene zu 1) ihren Verdienst als freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG versteuert, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Auch ist unerheblich, daß die Beigeladene zu 1) zu Präsentationen, Tagen der offenen Tür und ähnlichem erscheint, ohne daß eine Entlohnung hierfür erbracht wird. Derartige Leistungen sind nach Auffassung der Kammer bei wichtigen Arbeitnehmern jedenfalls nicht unüblich. Dies gilt auch hinsichtlich der Sonderveranstaltungen, die die Beigeladene zu 1) zum Beispiel hinsichtlich von Kinderkursen anbietet. Daher sprechen die weit überwiegenden Gesichtspunkte für eine Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) zur Kranken- und Rentenversicherung bezüglich der Tätigkeit, die sie gegenüber der Klägerin erbringt.

Aus dem gleichen Grunde war bezüglich des Feststellungsbegehrens der Klägerin im Sinne einer Klageabweisung zu entscheiden. An der versicherungspflichtigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert. Insbesondere Ist nach Auffassung der Kammer eine Änderung nicht dadurch eingetreten, daß die Beigeladene zu 1) nunmehr Rechnungen schreibt. Denn dies ist nach Auffassung der Kammer lediglich eine formale Reaktion auf den anhängigen Rechtsstreit, ohne daß auf tatsächlicher Ebene Änderungen im Beschäftigungsverhältnis zwischen Klägerin und Beigeladener zu 1) erfolgt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf S 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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