S 1 AL 104/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 1 AL 104/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 196/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 21/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 5. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2008 weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 3.660,00 Euro brutto und 847,63 Euro netto zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten sich über die Höhe des dem Kläger bewilligten Insolvenzgeldes.

Der Kläger war als Senior Consultant vom 1. November 2001 bis zum 31. Juli 2007 zunächst bei der D. AG, und später bei der Rechtsnachfolgerin, der E. AG in B-Stadt beschäftigt. Im ursprünglichen Arbeitsvertrag mit der D. AG war vorgesehen, dass der Kläger eine Tantieme in Höhe von 10% des Jahreszieleinkommens erhält. Die Basis für die Berechnung der Tantieme werde dem Kläger in einem gesonderten Schreiben mitgeteilt. Die Höhe der Tantieme und ihre Voraussetzungen wurden jährlich individuell neu formuliert. Mit Ergänzungsschreiben vom 15. Februar 2006 wurden die Voraussetzungen für den Tantiemeanspruch mit Wirkung vom 1. Januar 2006 vereinbart. Danach sollte der Kläger eine Tantiemezahlung nach Jahresabschluss in Höhe von 4.000 EUR erhalten. Dieser Tantiemebetrag war in zwei Ziele unterteilt: 30% des Tantiemebetrages (1.200 EUR) wurden am Deckungsbeitrag des Unternehmens gemessen und 70% des Tantiemebetrages (2.800 EUR) wurden am persönlichen Umsatz 2006 gemessen. Das monatliche Bruttofixgehalt betrug seit dem 1. Januar 2006 6.000 EUR.

In der Abrechnung für Juli 2007 ist die Tantieme-Abrechnung für das Jahr 2006 in Höhe von 2.910 EUR sowie die Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.700 EUR enthalten. Der Vorstand der E. AG, Hr. F., teilte dem Kläger insoweit mit Schreiben vom 27. Juni 2007 mit, dass das abgelaufene Geschäftsjahr 2006 nicht nur mit einem desaströsen wirtschaftlichen Ergebnis abgeschlossen worden sei, sondern es seien ebenfalls Entscheidungen getroffen worden, die auch das Jahr 2007 negativ beeinträchtigen würden. Diese Entwicklungen hätten die Gesellschaft an den Rand der Überschuldung geführt. Die neue Geschäftsleitung habe jedoch entschieden, trotz größter finanzieller Probleme, ihm die Tantieme mit der Gehaltsabrechnung Juli 2007 auszuzahlen.

Das Arbeitsverhältnis endete durch eigene Kündigung des Klägers zum 31. Juli 2007. Mit Beschluss vom Oktober 2007 wurde über das Vermögen der E. AG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 2. November 2007 auf die Möglichkeit der Geltendmachung eines Insolvenzgeldanspruchs hingewiesen hatte, stellte der Kläger am 12. November 2007 für den Zeitraum von Mai bis Juli 2007 einen Antrag auf Insolvenzgeld, berechnet jeweils aus einem Monatsbruttoarbeitseinkommen von 5.250 EUR. Der Insolvenzverwalter stellte eine Insolvenzgeldbescheinigung aus, derzufolge das nicht ausgezahlte Nettoarbeitsentgelt bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze im Monat Juni 2007 311,72 EUR und im Juli 2007 3.031,41 EUR betrage; außerdem sei der Beitragszuschuss zur privaten Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von monatlich 270,75 EUR in diesen beiden Monaten nicht abgeführt worden. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Juni bis zum 31. Juli 2007 Insolvenzgeld in Höhe von 582,47 EUR für den Monat Juni 2007 und in Höhe von 3.302,16 EUR für den Monat Juli 2007.

Gegen die Höhe des bewilligten Insolvenzgeldes legte der Kläger Widerspruch ein. Ihm stünden Vergütungsansprüche jeweils mindestens in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze auch für die Monate Mai und Juni 2007 zu; dies ergebe sich aus den in diesen Monaten fällig gewordenen Tantiemeansprüchen für das Jahr 2006 und anteilig für 2007 sowie Urlaubsabgeltungsansprüchen für das Jahr 2007. Aus der Rechtsprechung des EuGH (Urt. vom 4. März 2004, Rs. C-19, 50, 84/01) ergebe sich für das deutsche Recht, dass die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer, die innerhalb des Dreimonatszeitraums vor Insolvenzeröffnung fällig wurden, bis zur dreifachen Beitragsbemessungsgrenze abgesichert seien.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2008 zurück; dem Kläger sei entsprechend der Insolvenzgeldbescheinigung Insolvenzgeld bewilligt worden. Die Höhe des erstattungsfähigen Insolvenzgeldes sei auf das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitsentgelt als Berechnungsgrundlage begrenzt. Die von dem Kläger angeführte Rechtsprechung des EuGH sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Für eine Anwendung des "dreifachen insolvenzgesicherten Monatsbetrages" wie in dem vom EuGH entschiedenen Fall, bestehe kein Raum, da es sich hierbei um eine Regelung des italienischen Rechts handele und nach dem deutschen Recht die monatliche Beitragsbemessungsgrenze als Obergrenze des der Berechnung des Insolvenzgeldes zu Grunde liegenden monatlichen Bruttoentgeltes maßgeblich sei. Die Entscheidung des EuGH lasse keine Gesichtspunkte erkennen, diese Höchstgrenze anzuzweifeln. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses und sei somit nicht dem Insolvenzgeldzeitraum zuzuordnen.

Daraufhin hat der Kläger am 9. April 2008 Klage erhoben und wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung der Insolvenzgeldvorschriften des SGB III sei mit dem Europarecht nicht vereinbar. Denn danach stünde einem Arbeitnehmer auch bei bestehenden unbefriedigten Entgeltansprüchen aus den letzten drei Monaten überhaupt kein Anspruch auf Insolvenzgeld zu, solange er in jedem Monat eine Teilzahlung in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze vom Arbeitgeber erhalten habe. Die Entscheidung des EuGH besage hingegen, dass der Mindestschutz, der durch die nationale Gesetzgebung zu gewährleisten sei, nicht dadurch nochmals verringert werden dürfe, dass auf eine zulässigerweise begrenzte Garantiezahlung bereits in diesem Zeitraum geleistete Teilzahlungen des Arbeitgebers nochmals angerechnet werden. Die Auslegung der §§ 183 und 185 SGB III habe unter Berücksichtigung der Mindestgarantie zu erfolgen, wie sie sich aus dem Europarecht ergebe, so dass die absolute Grenze für die Gewährung von Insolvenzgeld beim dreifachen sich aus der Beitragsbemessungsgrenze ergebenden monatlichen Nettoentgelt liege. Außerdem legte der Kläger eine Berechnung des von ihm geltend gemachten Insolvenzgeldanspruchs vor, aus der sich neben den bereits vorgetragenen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis auch Ansprüche auf die Erstattung von Reisekosten für die Monate Juni und Juli 2007 ergeben. Im Hinblick auf § 184 Abs. 1 Nr. 1 SGB III fordert der Kläger nicht mehr die Berücksichtigung des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei der Berechnung des Insolvenzgeldanspruchs. Der Kläger legte im Hinblick auf die geltend gemachte anteilige Tantiemeforderung für das Jahr 2007 eine Dokumentation über ein am 22. Januar 2007 mit dem Bereichsleiter Herrn G. geführtes Jahresgespräch vor. Danach wurde eine Erhöhung der maximalen Tantieme um 2.000 EUR auf 6.000 EUR vereinbart und der persönliche Umsatz für das Jahr 2007 auf 186.000 EUR festgesetzt. Des weiteren legte der Kläger eine Handlungsvollmacht des Herrn G. mit Wirkung vom 1. Mai 2002 vor, welche diesen ermächtigt, alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, die seine Tätigkeit als Management Consultant mit sich bringe. Außerdem legte der Kläger eine selbst erstellte Tantiemeberechnung für das Jahr 2007 vor. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Tantieme für das Jahr 2007 wirksam vereinbart gewesen sei; zumindest habe andernfalls die Vereinbarung vom 15. Februar 2006 bezüglich einer Tantieme in Höhe von 4.000 EUR weiterhin Gültigkeit, so dass sich auf der Basis der Zielerreichung von 104% ein Anteil von 7/12 in Höhe von 1.712,00 EUR ergebe.

Das Gericht hat Stellungnahmen des Insolvenzverwalters Herrn Dr. H. sowie der Vorstände der E. AG, Herrn J. und Herrn F. eingeholt.

Der Insolvenzverwalter bestätigte zunächst Reisekosten in Höhe von 322,13 EUR für den Monat Juni und in Höhe von 525,50 EUR für den Monat Juli 2007. Bezüglich der Tantieme für das Jahr 2007 sei seiner Ansicht nach nicht belegt, dass diese wirksam vereinbart wurde. Die von dem Kläger vorgelegte Dokumentation des Mitarbeitergespräches befinde sich nicht in der Personalakte des Klägers und sei auch nicht von der Geschäftsleitung, sondern lediglich von Herrn G. unterzeichnet worden.

Herr J. schilderte zum Ablauf der Tantiemevereinbarungen Folgendes: Zunächst habe eine generelle Abstimmung mit ihm als Vorstand stattgefunden und sodann sei ein Mitarbeitergespräch zur Besprechung der Tantiemevereinbarung geführt worden. Zur Führung eines solchen Mitarbeitergesprächs sei auch Herr G. als Bereichsleiter befugt gewesen. Sodann sei die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung aus dem Jahresgespräch in einer schriftlichen Zielvereinbarung entsprechend festgehalten und vom Vorstand und dem Bereichsleiter rechtswirksam unterschrieben worden. Herr J. gab weiterhin an, ab Mitte Februar 2007 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und zum 31. März 2007 aus dem Unternehmen ausgeschieden zu sein. Er habe die Personalbuchhaltung gebeten, aufgrund der geführten Jahresgespräche Zielvereinbarungen für das Jahr 2007 aufzusetzen und Herrn F., als neuen Vorstand, zur Unterschrift vorzulegen.

Herr F. gab auf Nachfrage des Gerichts daraufhin an, dass ihm ein Gesprächsprotokoll zwischen Herrn G. und dem Kläger nicht bekannt sei, ihm sei keine Zielvereinbarung 2007 vorgelegt worden und er habe demzufolge auch keine solche unterschrieben. Aufgrund des in den Jahren 2006 und 2007 erwirtschafteten erheblichen Verlustes der Gesellschaft (850.000 EUR im Jahr 2006) sei der neue Vorstand ab dem 1. April 2007 gefordert gewesen, das Unternehmen zu sanieren und das Thema "Tantieme 2007" habe nicht auf der Tagesordnung gestanden.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung ihres Bescheides vom 5. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2008 ihm weiteres Insolvenzgeld zu bewilligen in Höhe von 853,63 Euro netto und weiteren 6.345 Euro brutto.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihren bisherigen Vortrag und die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Insbesondere stehe dem Kläger mangels schriftlicher und vom Vorstand genehmigter Tantiemevereinbarung überhaupt keine Tantieme für das Jahr 2007 zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Leistungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte verwiesen, deren Inhalt zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 5. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2008 verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten als bei der Berechnung des Insolvenzgeldes die Tantieme für das Jahr 2006 und die Reisekosten für die Monate Juni und Juli 2007 nicht berücksichtigt wurden. Soweit der Kläger auch die Berücksichtigung der anteiligen Tantieme für das Jahr 2007 geltend macht, ist die Klage unbegründet.

Anspruch auf Insolvenzgeld haben nach § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) Arbeitnehmer, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören nach § 183 Abs. 1 S. 3 SGB III alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, soweit sie sich den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten des Arbeitsverhältnisses zuordnen lassen.

Der Insolvenzgeldzeitraum umfasst vorliegend die Zeit vom 1. Mai 2007 bis 31. Juli 2007. Zwar wurde das Insolvenzverfahren erst am 1. Oktober 2007 eröffnet, jedoch endete das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits am 31. Juli 2007, so dass für den Anspruch des Klägers auf den 3-Monatszeitraum vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses abzustellen ist. Für den Monat Mai 2007 bestehen vorliegend keine offenen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Im Monat Juni 2007 ist neben dem restlichen Gehaltsanspruch in Höhe von 582,47 EUR brutto, den die Beklagte bei der Berechnung des Insolvenzgeldes bereits berücksichtigt hat, ebenfalls der Anspruch auf Reisekostenerstattung in Höhe von 322,13 EUR netto zu berücksichtigen. Im Monat Juli 2007 ist neben dem restlichen Gehaltsanspruch, den die Beklagte bereits bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt hat, auch der darüber hinausgehende Teil in Höhe von 750,00 EUR brutto sowie der Anspruch auf Reisekostenerstattung in Höhe von 525,50 EUR netto und die in diesem Monat fällige Tantiemeforderung für das Jahr 2006 in Höhe von 2.910,00 EUR brutto zu berücksichtigen.

Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger für die Insolvenzgeldmonate bereits Leistungen bis zur Höhe der jeweiligen monatlichen Bemessungsgrenze erhalten hat.

Nach § 185 Abs. 1 SGB III wird Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wird. Zunächst verstößt die Begrenzung auf eine Höchstgrenze weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Europarecht. Die Richtlinie EWGRL 80/987 vom 20. Oktober 1980 (ABl. L 283, 23) regelt die Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig i. S. d. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sind. Art. 3 der Richtlinie sieht hierfür vor, dass die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit – vorbehaltlich des Art. 4 - Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen. Der Schaffung der Garantieeinrichtungen ist der Gesetzgeber mit dem Instrument des Insolvenzgeldes nach den §§ 183 ff SGB III nachgekommen. Die Mitgliedstaaten können jedoch, insbesondere, um die Zahlung von Beträgen zu vermeiden, die über die soziale Zweckbestimmung der Richtlinie hinausgehen, für die Garantie der Erfüllung unbefriedigter Ansprüche der Arbeitnehmer eine Höchstgrenze festsetzen (Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie). Die soziale Zweckbestimmung besteht darin, allen Arbeitnehmern durch die Befriedigung nicht erfüllter Ansprüche aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die sich auf Arbeitsentgelt für einen bestimmten Zeitraum beziehen, einen gemeinschaftsrechtlichen Mindestschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu garantieren (vgl. EuGH vom 4. März 2004, C-19/01, C-50/01, C-84/01 in SozR 4-6084 Art. 3 Nr. 2 Rn. 35). Im Insolvenzgeldrecht des SGB III erfolgte dementsprechend in der Regelung des § 185 Abs. 1 SGB III eine Begrenzung auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (vgl. insg. Darstellung in SG Dresden, Urteil vom 21. April 2010, Az. S 35 AL 256/08). Hieraus ergibt sich jedoch nicht die von der Beklagten vorgenommene monatliche Betrachtung. Die Regelung ist vielmehr im Zusammenhang mit § 183 SGB III zu sehen. Der Wortlaut des § 183 SGB III stellt auf "noch bestehende Arbeitsentgeltansprüche" ab. Nur diese werden durch § 185 SGB III höhenmäßig begrenzt. Von der EuGH-Rechtsprechung ausgehend kann der Wortlaut des § 185 Abs. 1 SGB III nach Auffassung der erkennenden Kammer nur so verstanden werden, dass ein Betrag in Höhe des 3-fachen der monatlichen Bemessungsgrenze abzüglich der gesetzlichen Abzüge gemeint ist, jedenfalls dann, wenn Insolvenzgeld für volle drei Monate zu zahlen ist (ebenso: SG Mainz, Urteil vom 22. Juni 2009, Az. S 9 AL 71/08; SG Dresden, Urteil vom 21. April 2010, Az. S 35 AL 256/08; Peters-Lange in Gagel SGB III § 185 SGB III Rn. 7c; Voelzke in Hauck/Noftz SGB III § 185 Rn. 5f; a. A. Krodel in Niesel, SGB III § 185 Rn. 2). Denn nur diese Auslegung führt beispielsweise bei der Berücksichtigung von Einmalzahlungen dazu, dass sie bei der Berechnung des Insolvenzgeldes berücksichtigt werden können und nicht aufgrund von Zufälligkeiten der Auszahlungsmodalitäten unbeachtlich bleiben. Die von der Beklagten in ihrer Dienstanweisung vorgenommene strenge Zuordnung zum Bezugsmonat (etwa bei Sonderzahlungen) würde hingegen zu Ungerechtigkeiten führen. Denn danach bestünde überhaupt kein Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn der Arbeitnehmer aus den letzten 3 Monaten zwar noch unbefriedigte Entgeltansprüche hat, aber in jedem Monat eine Teilzahlung in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze erhalten hat. Dies geht über die von Art. 4 der Richtlinie zugelassene Begrenzungsmöglichkeit hinaus. Vielmehr muss mit der Begrenzung eine Erfüllung aller bislang nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt bis zu dem Höchstbetrag sichergestellt sein. Die geleisteten Zahlungen dürfen damit nur zur Ermittlung des insgesamt rückständigen Betrages herangezogen und nicht von der Höchstgrenze nochmals abgezogen werden.

Für den Kläger war aufgrund der Beschäftigung bei der E. AG die im Jahr 2007 bei monatlich 5.250,00 EUR liegende Beitragsbemessungsgrenze West einschlägig. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Höchstgrenze der insolvenzgeldgesicherten Ansprüche vorliegend auf die 2-fache monatliche Bemessungsgrenze beschränkt, da für den Monat Mai 2007 keine offenen Arbeitsentgeltsansprüche bestanden, denn die offenen Arbeitsentgeltsansprüche erreichen bereits diesen Betrag nicht.

Der Kläger hat Anspruch auf weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 3.660,00 EUR brutto (restliches Gehalt für den Monat Juli und Tantieme für das Jahr 2006) und 847,63 EUR netto (Reisekostenerstattung, welche ohne Steuer oder sozialversicherungspflichtige Abzüge erfolgt). In Summe mit dem bereits von der Beklagten gewährten Insolvenzgeld in Höhe von 3.884,63 EUR wird die Garantiehöchstgrenze im oben dargestellten Sinne nicht überschritten.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die (anteilige) Berücksichtigung einer Tantieme für das Jahr 2007 bei der Insolvenzgeldberechnung.

Selbst wenn vorliegend – unabhängig von einer wirksamen individuellen Tantiemevereinbarung für das Jahr 2007 – jedenfalls nach dem Arbeitsvertrag dem Grunde nach ein Anspruch auf eine Tantieme auch für das Jahr 2007 besteht, begründet dies vorliegend keinen in den Monaten Mai 2007 bis Juli 2007 fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf die Auszahlung einer (anteiligen) Tantieme für das laufende Jahr beim Ausscheiden vor dem maßgeblichen Jahresabschluss.

Die Tantieme ist eine jährliche Sonderzuwendung außerhalb des laufenden Arbeitsentgelts. Derartige Sonderzuwendungen sind bei der Berechnung des Insolvenzgeldes nach § 183 SGB III nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie sich ganz oder anteilig den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten zuordnen lassen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, offene Ansprüche auf Zahlung des laufenden Arbeitslohns grundsätzlich dem Zeitraum zuzuordnen, in dem die Arbeit als Gegenleistung für den Entgeltanspruch erbracht worden ist ( BSG Urteile vom 1. Dezember 1976, Az. 7 RAr 136/75; 1. Dezember 1978, Az. 12 RAr 9/78; 25. Juni 2001, Az. B 11 AL 90/01 R), - mit anderen Worten - dem Zeitraum, für den der Lohn- und Gehaltsanspruch erarbeitet worden ist (BSG Urteile vom 24. November 1983, Az. 10 RAr 12/82; 20. Juni 2001, B 11 AL 3/01 R). Das steht im Übrigen im Einklang mit der insolvenzrechtlichen Zuordnung von Lohn- und Gehaltsansprüchen (vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 59 KO; BSG 20. Juni 2001, B 11 AL 3/01 R).

Die geforderte anteilige Tantieme für das Jahr 2007 stellt eine Jahressonderzahlung dar. Bei der zeitlichen Zuordnung einer Jahressonderzahlung sind der arbeitsrechtliche Entstehungsgrund und die Zweckbestimmung der Leistung ausschlaggebend (BSG, Urteil vom 23.03.2006, B 11a AL 65/05 R, Rn.14, 16 m. w. N.). Arbeitsvertragliche Vereinbarungen bzw. Regelungen, die einen zeitanteiligen Anspruch vorsehen, begründen einen Insolvenzgeldanspruch in Höhe des auf den Insolvenzgeldzeitraum entfallenden Anteils. Bestanden somit Ansprüche auf monatliche Abschlagszahlungen, kann ein anteiliger, auf den Monat umgerechneter Teil beim Insolvenzgeld berücksichtigt werden. Lässt sich die Sonderzuwendung nicht in dieser Weise einzelnen Monaten zuordnen, ist sie in voller Höhe bei dem Insolvenzgeld zu berücksichtigen, wenn sie im Insolvenzgeldzeitraum zu einem Stichtag im Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmern hätte ausgezahlt werden müssen. Ist beides nicht der Fall, findet die Sonderzahlung beim Insolvenzgeld überhaupt keine Berücksichtigung (BSG, Urteil vom 23.03.2006, B 11a AL 65/05 R, m. w. N.; Urteil vom 02.11.2000, B 11 AL 87/99 R).

Vorliegend scheidet eine anteilige Berücksichtigung einer Tantieme für das Jahr 2007 beim Insolvenzgeld bereits deshalb aus, da eine monatsweise Tantieme-Abschlagszahlung nicht mehr geregelt war. Aufgrund des ursprünglich mit der D. AG geschlossenen Arbeitsvertrages des Jahres 2001 hat der Kläger Anspruch auf ein Fixum sowie auf eine Tantieme (§ 3 des Vertrages). Zwar sah der Vertrag zunächst eine monatliche Abschlagszahlung der Tantieme vor. Diese Vorgehensweise der monatlichen Abschlagszahlungen wurde von der E. AG jedoch nicht übernommen. Nach dem Gehaltsschreiben vom 15. Februar 2006 hatte der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 2006 vielmehr Anspruch auf ein Jahresfixgehalt und eine Tantieme nach Jahresabschluss. Die Tantieme war an die Erreichung bestimmter Ziele (Anzahl der fakturierten Arbeitstage) geknüpft und es war keine monatliche Abschlagszahlung mehr vorgesehen. Es ist nicht ersichtlich, dass für das Jahr 2007 etwas anders galt.

Es ist auch keine vollständige Tantieme für das Jahr 2007 bei der Berechnung des Insolvenzgeldes zu berücksichtigen, da die Tantieme des laufenden Jahres nicht zu einem Stichtag im Insolvenzgeldzeitraum von Mai bis Juli 2007 fällig und damit auszuzahlen gewesen wäre. Vielmehr würde die Fälligkeit grundsätzlich erst im Folgejahr, nach Jahresabschluss eintreten, wenn die entsprechenden Ziele erreicht wurden. Zwar trifft das Mitarbeiterhandbuch eine abweichende Regelung für den Fall des Ausscheidens eines Mitarbeiters während des laufenden Geschäftsjahres. Danach wird in diesem Fall die Tantiemeabrechnung individuell vereinbart und mit dem letzten Monatsgehalt ausgezahlt. Eine derartige individuelle Vereinbarung einer Tantiemeabrechnung aufgrund des unterjährigen Ausscheidens des Klägers wurde jedoch nicht getroffen.

Somit war eine Tantieme für das laufende Jahr 2007 weder anteilig noch vollständig im Insolvenzgeldzeitraum vom Arbeitgeber geschuldet, so dass auch keine Berücksichtigung beim Insolvenzgeld erfolgen kann (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2006, B 11a AL 65/05 R, m. w. N.; Urteil vom 02.11.2000, B 11 AL 87/99 R). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 41 Abs. 1 Insolvenzordnung, wonach nicht fällige Forderungen als fällig gelten. Denn das Insolvenzverfahren wurde vorliegend erst am 1. Oktober 2007 eröffnet, so dass eine Fälligkeit ebenfalls erst zu diesem Zeitpunkt eintreten und damit nicht im Insolvenzgeldzeitraum liegen konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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